Landgericht Hannover
Beschl. v. 29.09.2023, Az.: 20 T 8/23

Bibliographie

Gericht
LG Hannover
Datum
29.09.2023
Aktenzeichen
20 T 8/23
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 53437
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGHANNO:2023:0929.20T8.23.00

Verfahrensgang

vorgehend
AG Hannover - 17.01.2023

Fundstelle

  • ZInsO 2024, 375-376

In der Insolvenzsache
XXX - Beschwerdeführer -
hat das Landgericht Hannover - 20. Zivilkammer - durch die Vorsitzende Richterin am XXX, die Richterin am Landgericht XXX und die Richterin am Landgericht XXX am 29.09.2023 beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hannover vom 17.01.2023 wird die Vergütung des Insolvenzverwalters wie folgt festgesetzt:

55.463,86 EUR Nettovergütung gemäß InsVV
10.538,13 EURUmsatzsteuer darauf in Höhe von 19 %
11.475,28 EURAuslagen zuzüglich
2.180,30 EUR Umsatzsteuer darauf in Höhe von 19 %
1.206,80 EURZustellungskosten zuzüglich
229,29 EUR Umsatzsteuer darauf in Höhe von 19 %
81.093,66 EUR
8.109,36 EUR abzüglich Tätigkeit als vorläufiger Verwalter
72.984,30 EUR Gesamtbetrag

Dem Insolvenzverwalter wird gestattet, den festgesetzten Betrag abzüglich des bereits entnommenen Vorschusses in Höhe von 35.638,67 € der Insolvenzmasse zu entnehmen.

Gründe

I.

Mit dem Antrag vom 12.10.2022 (Blatt 1465 ff der Akte) begehrt der Insolvenzverwalter die Festsetzung einer Vergütung in Höhe von 81.223,61 € abzüglich eines bereits entnommenen Vorschusses in Höhe von 35.638,67 Euro, mithin die Entnahme eines Restbetrages in Höhe von 45.584,94 €.

Mit Beschluss vom 17.01.2023 hat das Amtsgericht Hannover die Vergütung auf insgesamt 59.032,13 € festgesetzt abzüglich des bereits entnommenen Vorschusses in Höhe von 35.638,67 €.

Das Amtsgericht hat die Vergütung der Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter in Höhe von 8.109,36 € in Abzug gebracht.

Die sofortige Beschwerde richtet sich gegen den Abzug von 13.952,16 € für die Beauftragung Dritter, hier der Rechtsanwälte XXX sowie der XXX.

Der Wert der Insolvenzmasse beläuft sich sowohl nach dem von dem Amtsgericht eingeholten Gutachten des Sachverständigen XXX über die Schlussrechnungsprüfung vom 31.08.2022 als auch nach dem Antrag des Insolvenzverwalters auf 565.560,02 € (Blatt 1465, 1500 der Akte).

Ebenso unstreitig hinzuzurechnen ist eine Steuererstattung in Höhe von 7.230,19 € (ebenda).

In Abzug zu bringen sind Aus- und Absonderungsrechte in Höhe von unstreitig 50.421,82 € (ebenda).

Dies ergibt eine Berechnungsmasse für die Regelvergütung in Höhe von 522.368,39 €.

Hiervon in Abzug zu bringen sind unstreitig Feststellungskosten in Höhe von 142,80 €, dies ergibt eine Berechnungsmasse in Höhe von 522.225,59 €.

In dem angefochtenen Beschluss wird von einer einfachen Regelvergütung in Höhe von 38.250,94 € ausgegangen. Diesem Betrag wurden Zuschläge für "übertragende Sanierung und Unternehmensverkauf" iHv. 30 % sowie für "Informationsbeschaffung/unvollständige Buchhaltung" iHv. 15 % hinzugerechnet.

Die Herabsetzung der Regelvergütung um 10 % aufgrund der Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter wird mit der sofortigen Beschwerde nicht angegriffen (Blatt 1533 der Akte).

Für Umsatzsteuererklärungen der Jahre 2014-2018 zahlte der Insolvenzverwalter an die Anwaltskanzlei XXX sowie an die XXX netto 1.337,80 €, brutto 1.591,97 € (Blatt 1440, 1452 der Akte).

Außerdem vergütete er Anwaltsgebühren der XXX in Höhe von insgesamt 8.434,63 € netto, 10.399,27 € brutto (Blatt 1440 bis 1443, 1455-1458 der Akte).

Die Aufträge an die Anwaltskanzlei sowie an die Steuerberatungsgesellschaft wurden unstreitig erst nach ihrer Erteilung gegenüber dem Insolvenzgericht angezeigt, erstmals in dem Zwischenbericht vom 29.12.2011. Allerdings ist in dem angefochtenen Beschluss klargestellt, dass der Insolvenzverwalter diese gesellschaftsrechtlichen Beziehungen vom Augenblick der Beauftragung klar, deutlich und transparent mitgeteilt hat.

Ebenso unstreitig ist der Insolvenzverwalter an der Steuerberatergesellschaft weder mittelbar noch unmittelbar wirtschaftlich beteiligt. Sein Sozius in der Anwaltskanzlei, Herr Rechtsanwalt XXX, ist Mehrheitsgesellschafter der XXX.

Die Höhe der jeweils gezahlten Honorare und Gebühren ergibt sich aus den Gebührenordnungen und wird weder im Sachverständigengutachten noch in dem angefochtenen Beschluss beanstandet. Dort ist ausgeführt, die Höhe der Gebühren werde nicht in Frage gestellt (Blatt 1503 oben der Akte).

Das Amtsgericht wirft dem Insolvenzverwalter in der angefochtenen Entscheidung keine Verschleierung der gesellschaftsrechtlichen Beziehungen zu den von ihm mandatierten Dritten vor, sondern meint, es sei eine verdeckte Gewinnausschüttung verwirklicht, wenn ohne tatsächlichen Zufluss beim Gesellschafter der Vorteil dem Gesellschafter mittelbar in der Weise zugewendet werde, dass eine ihm - gesellschaftsrechtlich - nahe stehende Person aus der Vermögensverlagerung Nutzen ziehen könne (BFA, Urteil vom 10.12.2019 - VIIIR 33/16). Das Amtsgericht meint, diese steuerrechtliche Entscheidung finde auch auf die vorliegende gesellschaftsrechtliche Konstellation Anwendung, weil der Mehrheitsgesellschafter der XXX zugleich Sozius der Anwaltskanzlei ist, der der Insolvenzverwalter angehört. Es handele sich deshalb um eine "zusätzliche, nicht gerechtfertigte Vergütung" im Sinne des BGH, Beschluss vom 04.12.2014 - IX ZB 60/13, weil der wirtschaftliche Erfolg des Dritten sich unmittelbar auf die Person des Insolvenzverwalters als Partner in erheblichem Maße auswirke (BGH, Beschluss vom 26.04.2021 - IX ZB 31/11).

Um eine derartige sozusagen verdeckte Vergütung aus der Insolvenzmasse und eine dementsprechend nicht unbedeutende Interessenkollision (BGH, Urteil vom 24.01.1991 - IX ZR 250/89) zu vermeiden, sei der Insolvenzverwalter verpflichtet, dem Insolvenzgericht rechtzeitig von sich aus einen Sachverhalt anzuzeigen, der die ernstliche Besorgnis seiner Befangenheit begründe. Diese Pflicht bestehe insbesondere dann, wenn er einem Unternehmen, an dem er rechtlich oder wirtschaftlich beteiligt sei, einen entgeltlichen Auftrag der Insolvenzmasse zu erteilen beabsichtige (BGH, Beschluss vom 26.04.2012 - IX ZB 31/11).

Das Amtsgericht meint, der Insolvenzverwalter habe die grundlegende Entscheidung des BGH über die drohende Interessenkollision aus dem Jahr 1991 zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 01.04.2010 kennen und seiner Anzeigepflicht rechtzeitig nachkommen müssen. Dass die Beauftragung Dritter zulässig sei, wie das Amtsgericht im vorliegenden Fall annimmt, ändere nichts an der Anzeigepflicht.

Ebenso wenig entfalle die rechtzeitige Anzeigepflicht vor Beauftragung angesichts des Umstandes, dass dem Insolvenzgericht aus vielen Verfahren bekannt sei, dass der Insolvenzverwalter derartige Beauftragungen an die genannte Anwalts- und Steuerberaterkanzlei wiederholt oder regelmäßig vornehme. Verzichte er auf diese Anzeige, werde dem Gericht die Möglichkeit zur Prüfung verwehrt.

Das Amtsgericht führt in der angefochtenen Entscheidung aus, die mögliche Entlassung des Insolvenzverwalters sowie eine mögliche Kürzung der Insolvenzverwaltervergütung stellten Mittel dar, die dafür Sorge tragen sollen, Nachteile für die Masse abzuwenden. Da der Insolvenzverwalter bei Antragstellung seine Tätigkeit beendet hatte, stelle sich die Kürzung seiner Vergütung mangels frühzeitiger Anzeige einer möglichen Interessenkollision als zum Schutz der Masse folgerichtig dar.

Auf eine inhaltliche Betrachtung der Beauftragung Dritter gemäß §§ 4 und 5 der Insolvenzverwaltervergütungsverordnung komme es somit nicht mehr an.

II.

Die sofortige Beschwerde ist gem. § 63 Abs. 3 Satz 1 InsO statthaft und auch im Übrigen zulässig.

Die sofortige Beschwerde ist zudem begründet.

Ein Abzug für die Beauftragung Dritter iHv. 13.952,16 € ist nicht vorzunehmen.

Das Insolvenzgericht zitiert vollkommen zutreffend die maßgeblichen Entscheidungen des BGH vom 24.01.1991 (IX ZR 250/89) - ergangen noch zur Zeit der Geltung der Konkursordnung - und vom 26.04.2012 (IX ZB 31/11). Im Fall der Delegation von Aufgaben auf Dienstleister mit Beteiligung des Insolvenzverwalters obliegt dem Verwalter danach eine Anzeigepflicht. Dabei ist das Insolvenzgericht vor Vertragsschluss bzw. Beauftragung der Dienstleister (BGH, B. v. 26.04.2012 - IX ZB 31/11 - Rn. 17 a.E. nach Juris) zu informieren und zwar in unmissverständlicher Form, schriftlich oder zur Niederschrift des Gerichts (BGH, B. v. 24.01.1991 - IX ZR 250/89, Rn. 43 n. Juris).

Dieser Anzeigepflicht ist der Beschwerdeführer nicht nachgekommen.

Zum einen genügt nicht die Angabe seiner Beteiligung an der Kanzlei XXX in dem Fragebogen für die Vorauswahlliste der Insolvenzverwalter, denn die Information soll nicht allein dem Gericht dienen, sondern auch dem Gläubigerausschuss. Beiden muss in jedem einzelnen Verfahren die Möglichkeit gegeben werden zu prüfen, ob eine Interessenkollision besteht und um gegebenenfalls die Übertragung auf einen anderen Dienstleister vorschlagen zu können (Haarmeyer/Lissner/Metoja, 1. Aufl. 2022, Kapitel 5, Rn. 11). Der Gläubigerausschuss erhält jedoch allein durch die Information in der Vorauswahlliste keine Kenntnis.

Zum anderen hat auch vom Zeitpunkt her die Information so frühzeitig zu erfolgen, dass das Insolvenzgericht die gebotene Prüfung vornehmen kann. Die Angabe in einem mehr als 1,5 Jahre nach Eröffnung erteilten Zwischenbericht ist dafür jedenfalls dann zu spät, wenn bis dahin bereits die Drittunternehmen beauftragt worden sind. Die Kammer teilt die Auffassung des Erstgerichts, dass ein deutlich hervorgehobener Hinweis im Bericht zur ersten Gläubigerversammlung ein geeigneter Zeitpunkt sein könnte, jedoch stets unter der Prämisse, dass bis dahin noch keine Beauftragungen erfolgt sind.

Ob der Beschwerdeführer auch gehalten ist, das Verhältnis zur XXX offenzulegen, lässt die Kammer offen.

Die Erwägungen des Erstgerichts im angefochtenen Beschluss, mit dem das Erstgericht eine Parallele zur Rechtsprechung des BFH zieht, sind gut nachvollziehbar. Entscheidend kommt es darauf hier aber nicht an, denn auch wenn der Beschwerdeführer die Anzeigepflicht verletzt hat, so führt dies nicht zu einer Kürzung der Vergütung.

Dabei verkennt die Kammer nicht, dass bei einer sanktionslosen Anzeigepflichtverletzung theoretisch "Tür und Tor" geöffnet sein und die Anzeigeobliegenheit ausgehöhlt werden könnte, sofern nur der Masse kein Schaden entsteht. Die Sorge um eine Aushöhlung rechtfertigt aber nicht einen von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweichenden Abzug.

Bereits in der grundlegenden Entscheidung vom 24.01.1991 (a.a.O.) hat der BGH entschieden, dass eine Verletzung Schadensersatzansprüche nach sich ziehen kann (BGH a.a.O., Leitsatz 3 u. Rn. 45 nach Juris).

Voraussetzung solcher ist aber stets auch ein tatsächlicher Schaden für die Masse.

Ein solcher ist hier aber gerade nicht eingetreten. Die Kammer vermag danach weder der Argumentation des Amtsgerichts zu folgen noch der des Landgerichts Gießen (Beschluss vom 29.05.2020 - 7 T 68/20; ZinsO 2023, 1230 ff.= NZI 2021, 595 ff.). Insoweit auch in der Kommentarliteratur (Haarmeyer/Lissner/Metoja, 1. Aufl. 2022, Kapitel 5, Rn. 14) ausgeführt wird, dass bei Nichtbeachtung der Offenbarungspflicht im Einzelfall die dadurch der Masse entstandenen Kosten bei der Festsetzung der Verwaltervergütung in Abzug gebracht werden könnten, bleibt offen, in welcher Einzelfällen dies angezeigt sein könnte.

Im vorliegenden Fall verbietet sich ein Abzug zudem auch deswegen, weil zum einen zumindest dem Insolvenzgericht seit vielen Jahren die gesellschaftlichen Verflechtungen des häufig als Verwalter bestellten Beschwerdeführers bekannt sind. Zum anderen bestand auch noch nach der Mitteilung im Zwischenbericht über einen langen Zeitraum die Gelegenheit zur Prüfung der Beauftragung Dritter und bei Feststellung einer Interessenkollision als schärfstes Mittel auch die Möglichkeit zur Abberufung des Verwalters oder als milderes Mittel zur Beauftragung anderer Dienstleister. Von diesen Möglichkeiten hat das Gericht aber keinen Gebrauch gemacht.

Wenn aber diese Möglichkeiten nicht genutzt werden, ist es dem Insolvenzgericht verwehrt, am Ende allein aus dem Grund der Verletzung der Anzeigepflicht heraus einen Abzug vorzunehmen.

Nach alledem ist dem Vergütungsantrag auf die sofortige Beschwerde hin ohne Abzug des Betrages in Höhe von 13.952,16 € stattzugeben. Die unstreitige Vergütung beträgt 81.093,66 € abzüglich 8.109,36 € für die Tätigkeit als vorläufiger Verwalter, d.h. 72.984,30 €. Von diesem Betrag ist der bereits entnommene Vorschusses in Höhe von 35.638,67 € in Abzug zu bringen. Es verbleibt ein Restbetrag in Höhe von 37.345,63 €.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, denn Kosten für das Beschwerdeverfahren fallen nicht an.