Landgericht Hannover
Urt. v. 21.02.2023, Az.: 9 O 40/22

Bibliographie

Gericht
LG Hannover
Datum
21.02.2023
Aktenzeichen
9 O 40/22
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2023, 12774
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGHANNO:2023:0221.9O40.22.00

In dem Rechtsstreit
Xxx
hat das Landgericht Hannover - 9. Zivilkammer - durch xxx auf die mündliche Verhandlung vom 16.09.2022 für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Die Klage wird abgewiesen.

  2. 2.

    Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

  3. 3.

    Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Rückzahlung von 124.600,00 € bzgl. zweier Einzelpositionen im Rahmen eines Franchisevertrages aufgrund einer behaupten sittenwidrigen Überteuerung.

Im Jahre 2017 schloss der damals 26jährige Geschäftsführer der Klägerin mit der Beklagten einen Lizenzvertrag bzgl. des Betreibens eines Fitnessstudios (Anlage K 4). Der Vertrag enthält eine Widerrufsbelehrung für den Fall, dass es sich bei dem Vertragspartner um einen Verbraucher handelt (Anlage 9 zum Lizenzvertrag). Parallel hierzu gründete der Geschäftsführer die Klägerin, die die vertraglichen Verpflichtungen in tatsächlicher Hinsicht übernahm. Erst mit Zusatzvereinbarung vom März 2021 vereinbarte der Geschäftsführer der Klägerin mit der Beklagte, dass er den stationären Lizenzbetrieb faktisch durch eine Kapitalgesellschaft, mithin die Klägerin, führen lassen kann.

§ 10.1 des Lizenzvertrages enthält die Verpflichtung die in Anlage 2 des Vertrages genannten Vertragsprodukte von der Beklagten oder von durch die Beklagte benannten Dritten zu beziehen. Die Anlage 2 listet hierbei u.a. die hier streitgegenständliche Studioausstattung: "Mobiliar und Studioausstattung" und "Soft und Hardware" auf. Darüber hinaus wird dem Partner die Möglichkeit eingeräumt, Vertragsprodukte bei dritten Lieferanten zu beziehen, sofern das Vertragsprodukt bei ansonsten gleichen Konditionen, Spezifikationen und gleicher Qualität günstiger bezogen werden kann und die Beklagte nicht eine entsprechende Preissenkung vornimmt. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Lizenzvertrag nebst Anlagen (Anlage K 4) Bezug genommen.

Im Rahmen des Vertrages bezog die Klägerin über die UVW Leasing GmbH die hier streitrelevante Studioausstattung sowie Fitnessgeräte. Für das Mobiliar wurden 77.300,00 € netto und für die Soft- und Hardware 77.200,00 € netto in Rechnung gestellt. In dem Leasingvertrag wurde unter Ziffer 5.2. vereinbart, dass die UVW Leasing GmbH sämtliche Gewährleistungs- und Schadensersatzansprüche gegen Lieferanten, Vorlieferanten, Hersteller, Frachtführer oder Dritte an die Klägerin abtritt. Im Frühjahr 2019 fand zwischen den Parteien eine E-Mail-Korrespondenz bzgl. angeblich fehlerhafter Rechnungen der Beklagten statt, die jedoch ohne konkrete Ergebnis eingestellt wurde. So schrieb der Geschäftsführer der Klägerin an die Beklagte, dass eine gründliche Recherche ergeben habe, dass ihm über das Leasing viel zu hohe Kosten in Rechnung gestellt worden seien. Auch seien andere Geräte bzw. Mengen geliefert worden. Nach seiner Hochrechnung wäre ein Betrag von ca. 309.00,00 € korrekt gewesen, es seien aber 368.000,00 € in Rechnung gestellt worden. Der Geschäftsführer der Beklagten antwortet im Mai 2019, dass er das Gefühl der falschen Abrechnung verstehe, die Klägerin würde sich aber auf Unterlagen beziehen, die nicht Vertragsgrundlage geworden seien. 1 1/2 Jahre später könnten Reklamationen nicht nachvollzogen werden, da Grundlage nur die bei der Leasinggesellschaft vorliegenden Unterlagen sein könnten. Es wurde ein Gespräch in Hannover zur Erörterung der Problematik angeboten, zu dem es aber nicht kam. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben.

Die Klägerin behauptet, der Geschäftsführer der Klägerin sei bei Abschluss des Vertrages Existenzgründer gewesen. Sie behauptet, der Lizenzvertrag sei bzgl. der Positionen Studioausstattung um mehr als 300 % überhöht, der Gesamtvertrag um mehr als 100 %. Die beiden Positionen hätten allenfalls einen Wert von 34.500,00 €. Diese Diskrepanz sei dem Geschäftsführer erstmals im Februar 2019 aufgefallen. Sie ist der Ansicht, dass der vorgerichtliche Schriftverkehr im Jahre 2019 die Verjährung hinsichtlich der hier geltend gemachten Ansprüche gehemmt habe. Darüber hinaus sei eine Gesamtschau der gegenseitigen Leistungen für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit nicht erforderlich, da wegen der Bezugsbindung auch auf Teilleistungen abzustellen sei. Aber auch der Gesamtvertrag sei sittenwidrig, da eine 10jährige Laufzeit eine Knebelung des Franchisenehmers begründe. Das in § 17 festgelegte Wettbewerbsverbot sei in Verbindung mit der langen Vertragslaufzeit rechtswidrig, da die Formulierung "Fitnesstraining" viel zu intransparent sei. Auch die monatliche Gebühr für die Verwaltung der Mitglieder in Höhe von 1.099,00 € netto, zu der die Klägerin verpflichtet sei, sei sittenwidrig überteuert, ebenso wie die Werbemittel in Höhe von 595,00 € netto monatlich. Insgesamt sei von der Klägerin 368.470,00 € bezahlt worden, wobei der Marktwert der Leistung nur 180.450,00 € betragen habe.

Die Klägerin beantragt,

  1. 1.

    die Beklagte zu verurteilen, an sie 124.600,00 € nebst Zinsen in Höhe von 8 %-Punkte, hilfsweise von 9%-Punkten, hilfsweise 5%-Punkte über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1.3.2018, hilfsweise seit dem 1.4.2018, hilfsweise seit dem 16.3.2022 zu zahlen;

  2. 2.

    die Beklagte zu verurteilen, ihr die nicht festsetzbaren, außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten, basierend auf einem Streitwert von 124.600,00 € eine 0,65 Gebühr netto, zzgl. Auslagenpauschale, mithin 1.156,85 € nebst Zinsen in Höhe von 9%-Punkten, hilfsweise 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.3.2022 zu ersetzen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, dass Ansprüche der Klägerin, wenn nicht verjährt, so zumindest verwirkt seien, da die Korrespondenz im Jahre 2019 eingeschlafen sei.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätzen nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

I. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Schadensersatz wegen einer sittenwidrigen Überhöhung des Preises für die Studioausstattung des Fitnesscenters zu. Die Klägerin hat die Voraussetzungen für eine sittenwidrige Überhöhung des Vertrages nicht substantiiert dargelegt, darüber hinaus dürfte ein möglicher Anspruch auch verjährt sein.

1. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist für einen Anspruch der Klägerin allein nicht ausreichend, dass der Preis für die Studioausstattung um insgesamt mehr als 300 % überhöht ist, da dies allein noch keinen Anspruch gemäß § 826 BGB begründet.

Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der in einer Gesamtschau durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann. Schon zur Feststellung der Sittenwidrigkeit kann es daher auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben. (BGH, Urteil vom 25. Oktober 2022 - VI ZR 68/20 -, Rn. 17, juris).

Diese Voraussetzung sind vorliegend nicht gegeben. Zum einen steht einem sittenwidrigen Verhalten der Beklagten schon die Ersetzungsbefugnis in Ziffer 10.1. des Vertrages entgegen. Demnach wäre es der Klägerin möglich gewesen, die Studioausstattung anderweitig - auch teilweise - zu beziehen. Eine mögliche Überhöhung der Preise für die Studioausstattung erscheint bei der Möglichkeit einer Ersetzungsbefugnis nicht als besonders verwerflich. Dass eine Ersetzung von vornherein nicht möglich gewesen sein soll, wird nicht substantiiert geltend gemacht. Darüber hinaus kann ein sittenwidriges Verhalten der Beklagten nur im Rahmen einer Gesamtbetrachtung festgestellt werden und nicht bzgl. einzelner Gegenstände des Vertrages. Eine Überhöhung der Preise von einzelnen Produkten, stellt nämlich kein besonders verwerfliches Verhalten dar, sofern der Gesamtpreis in einem angemessenen Verhältnis zu der Leistung steht. Für eine Gesamtsittenwidrigkeit des Lizenzvertrages bestehen aber keine ausreichenden Anhaltspunkte. So ist die Vertragslaufzeit mit 10 Jahren nicht sittenwidrig überhöht. Vorformulierte Vertragslaufzeiten müssen in einem angemessenen Verhältnis zu den Vertragsabschlussgebühren und sonstigen Investitionen des Franchisenehmers bei Aufnahme des Geschäftsbetriebes stehen und mindestens einen Zeitraum abdecken, innerhalb dessen eine Amortisation typischerweise zu erwarten ist (BGH WM 2004, 144, 149). Dass hier ein Zeitraum von 10 Jahren zu lang sei, ergibt sich nicht ansatzweise aus dem Vortrag der Klägerin.

Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang auch das Wettbewerbsverbot heranzieht, führt dies zu keiner anderen Wertung. Die Klausel bezieht sich nicht nur auf den Begriff des Fitnesstrainings, sondern auf Wettbewerb im Bereich des Easyfitness-Konzepts. Aber auch wenn diese Begriffsbestimmung zu ungenau wäre und dies zu einer Unwirksamkeit der Klausel führen würde, begründete dies nicht die Gesamtnichtigkeit des Gesamtvertrages gemäß § 306 Abs. 3 BGB. Gesamtnichtigkeit tritt nur ein, wenn das Festhalten an dem Vertrag auch unter Berücksichtigung der nach § 306 Abs. 2 BGB vorgesehenen Änderungen eine unzumutbare Härte für eine Vertragspartei darstellen würde. Für den Kunden bedeutet die Nichtanwendbarkeit der AGB praktisch immer eine Verbesserung der Rechtsposition. Eine unbillige Härte kann sich deshalb allenfalls daraus ergeben, dass der nach dem Wegfall maßgebende Vertragsinhalt aus der Sicht des Kunden unklar ist und Ungewissheit und Streit über die beiderseitigen Rechte und Pflichten droht. Das kann dann zutreffend sein, wenn bei einem gesetzlich nicht geregelten Vertragstyp alle oder die Mehrzahl der AGB entfallen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 12. Juli 2013 - VI-U (Kart) 1/13 -, Rn. 62, juris). Eine solche Situation ist hier aber nicht gegeben.

Schließlich ist auch der Vortrag der Klägerin der Gesamtvertrag sei um 100 % überhöht zu unsubstantiiert, um einen Anspruch wegen Sittenwidrigkeit zu begründen. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass es der Klägerin durchaus möglich gewesen ist, aus dem Lizenzvertrag in der Vergangenheit zumindest vor der Corona-Pandemie Gewinne zu erzielen, wie sich aus dem Parallelverfahren Landgericht Hannover 9 O 20/22 ergibt.

2. Darüber hinaus dürfte ein Anspruch der Klägerin aber auch verjährt sein. Der Lizenzvertrag zwischen den Parteien wurde im August 2017 abgeschlossen, der Leasingvertrag am 31.12.2017. Gemäß § 195 BGB beträgt die regelmäßige Verjährung drei Jahre, wobei gemäß § 199 Abs. 1 BGB die Verjährung mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist, beginnt und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

Die Klägerin trägt hierzu ohne nähere Ausführungen vor, dass der Geschäftsführer der Klägerin diese behauptete Diskrepanz zwischen den Werten erstmals im Februar 2019 festgestellt habe. Demnach wäre der Anspruch bei Klageinreichung im Februar 2022 noch nicht verjährt gewesen, da die Verjährung erst am 31.12.2019 begonnen hätte. Jedoch erachtet das Gericht die Nichtkenntnis des Geschäftsführers der Klägerin hinsichtlich der Werte des Leasingvertrages zum Zeitpunkt des Bezuges als grob fahrlässig. Der Geschäftsführer der Klägerin ist als im geschäftlichen Verkehr agierende Person, anders als eine Privatperson, verpflichtet, die von ihm für die Gesellschaft vorgenommene Geschäfte sorgfältig zu prüfen und Schaden von der Gesellschaft abzuwenden. Sofern tatsächlich eine Diskrepanz von über 300 % zwischen Wert und Rechnungsstellung der Studioausstattung vorliegen sollte, würde ein grob fahrlässiges Verhalten des Geschäftsführers vorliegen, dass sich die Klägerin zurechnen lassen müsste.

Eine Hemmung der Verjährung liegt nicht vor. Die von der Klägerin hierzu vorgelegte E-Mail-Korrespondenz betrifft Fehler bei der Rechnungserstellung, da angeblich die in den Preislisten aufgeführten Preise nicht zutreffend übernommen wurden. Eine sittenwidrige Überhöhung wird in der gesamten Korrespondenz nicht angesprochen, so dass der Anspruch auch nicht durch Verhandlungen gehemmt sein konnte.

II. Andere Anspruchsgrundlagen kommen nicht in Betracht. Sofern die Klägerin im Rahmen des Rechtsstreits die mangelhafte Widerrufsbelehrung rügt und der Ansicht ist, dass dem Geschäftsführer der Klägerin als Existenzgründer noch ein Widerruf zustehen würde, ist dies für die vorliegende Entscheidung ohne Relevanz, da unstreitig eine Widerrufserklärung nicht vorliegt.

III. Da der Klägerin keine Hauptforderung gegen die Beklagte zusteht, besteht auch kein Anspruch auf Zahlung von Zinsen oder der Erstattung der außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren.

IV. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.