Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 18.01.2016, Az.: VgK-51/2015

Nachprüfungsverfahren betreffend die Ausschreibung eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags zur Sammlung und Entsorgung gemischter Siedlungsabfälle; Anforderungen an die Begründung eines Nachprüfungsantrags; Zwingende Beschreibung der behaupteten Rechtsverletzung mit zugehöriger Sachverhaltsdarstellung

Bibliographie

Gericht
VK Lüneburg
Datum
18.01.2016
Aktenzeichen
VgK-51/2015
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2016, 12322
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

In dem Nachprüfungsverfahren
der xxxxxx,
Verfahrensbevollmächtigte: xxxxxx,
- Antragstellerin -
gegen
das xxxxxx,
- Antragsgegner -
beigeladen:
xxxxxx,
Verfahrensbevollmächtigte: xxxxxx,
- Beigeladene -
wegen
Abfallentsorgung/Sammlung auf Park- und Rastanlagen
hat die Vergabekammer durch den Vorsitzenden RD Gaus, MR Gause als hauptamtlichen Beisitzer und den ehrenamtlichen Beisitzer Dipl.-Ing. Kämmle auf die mündliche Verhandlung vom 18.01.2016 beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.

  2. 2.

    Die Gebühren des Nachprüfungsverfahrens werden auf xxxxxx € festgesetzt.

  3. 3.

    Die Kosten (Gebühren und Auslagen der Vergabekammer) des Nachprüfungsverfahrens trägt die Antragstellerin.

  4. 4.

    Die Antragstellerin hat dem Antragsgegner die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Kosten zu erstatten.

Begründung

I.

Mit europaweiter Bekanntmachung vom xxxxxx schrieb die xxxxxx als Vergabestelle das VOL-Verfahren "Abfallentsorgung/Sammlung auf Park- und Rastanlagen an BAB im Geschäftsbereich xxxxxx" als Offenes Verfahren aus. Gegenstand der Ausschreibung ist die Abfallsammlung, die Entleerung von Abfallbehältern und die Stellung und Entleerung von Containern auf BAB Parkplätzen im Bereich der Autobahnmeisterei xxxxxx sowie die Entsorgung dieser Abfälle. Die für zwei Jahre zu erbringenden Leistungen sollen in zwei Losen vergeben werden. Einziges Zuschlagskriterium ist der niedrigste Preis. Nach Maßgabe der Bekanntmachung haben die Bieter zum Nachweis ihrer technischen Leistungsfähigkeit eine Liste der wesentlichen in den letzten Jahren erbrachten Leistungen mit Angabe des Rechnungswertes, der Leistungszeit sowie der öffentlichen oder privaten Auftraggeber und eine Beschreibung der technischen Ausrüstung vorzulegen.

Die Aufforderung zur Angebotsabgabe bestimmt u.a., dass die Eigenerklärung Eignung und die Erklärung zu Leistungen anderer Unternehmer auf den Formblättern HVA L-StB mit dem Angebot einzureichen sind. Erst auf gesondertes Verlangen der Vergabestelle ist das Verzeichnis der Leistungen der anderen Unternehmer um die Namen der anderen Unternehmer zu ergänzen und sind die Verpflichtungserklärungen für Leistungen der anderen Unternehmen vorzulegen.

Das Formblatt "Eigenerklärung zur Eignung" war von den Bietern auszufüllen, soweit von der Vergabestelle angekreuzt. Bei der Angabe von Referenzen hatte die Vergabestelle keine Kreuze gesetzt.

In den Kapiteln 00.00. bis 00.05. des Leistungsverzeichnisses sind die zu säubernden Park- und Rastanlagen beider Lose aufgeführt. Für jede dieser Park- und Rastanlagen werden die Leerung der Müllgroßbehälter, das Aufsammeln der Abfälle auf den gesamten befestigten und unbefestigten Flächen und die Entsorgung der Abfälle ausgeschrieben. Die Größe der zu säubernden Flächen ist nicht angegeben. Die Bieter sind aufgefordert, bei Kalkulation der Abfallsammlung Erschwernisse durch Zäune, Böschungen, Bewuchs und dergleichen (eigenständig) zu berücksichtigen. Die Leerung der Müllgroßbehälter und die Abfallsammlung haben in der Regel zweimal wöchentlich zu erfolgen. Die Verwertung oder Entsorgung ist dem Auftraggeber anhand von Lieferscheinen nachzuweisen.

In der Ausführungsbeschreibung werden u.a. die erwarteten Reinigungsleistungen beschrieben und die zu kalkulierenden Reinigungsintervalle vorgegeben. Die Bieter sind aufgefordert, sich vor Angebotsabgabe über die örtlichen Verhältnisse zu informieren.

Unter Hinweis auf bestehende Engpässe und steigende Preise in der Abfallentsorgung stellte die Antragstellerin dem Antragsgegner mit E-Mail vom 05.11.2015 die Frage, ob eine Anpassung des Preises für die Positionen "Abfälle entsorgen" aufgrund besonderer Umstände möglich sei. Sie wies darauf hin, dass in der Regel jeder Vertrag eine entsprechende salvatorische Klausel enthalte.

Mit E-Mail vom 09.11.2015 an die Antragstellerin teilte der Antragsgegner mit, dass von einer Anpassung der Preise für die Position "Abfälle entsorgen" abgesehen werde und einer Preisanpassung während der 2-jährigen Laufzeit nicht zugestimmt werde.

Mit den Nachsendungen Nr. 1 und Nr. 2 an alle Bieter legte die Vergabestelle ergänzend fest, dass die Sammelbehälter auf den Park- und Rastanlagen von der jeweiligen Autobahnmeisterei geliefert werden. Auch informierte sie die Bieter zu den Leistungen "Abfall sammeln hinterm Zaun" in den Positionen 00.005.001 (Los 1) und 00.02.001 (Los 2) über die abzulaufenden Streckenlängen entlang der Zäune.

Zur Angebotseröffnung lagen 2 Angebote vor. Die Beigeladene bot die Leistungen des Loses 1 zum Preis von xxxxxx € und die des Loses 2 für xxxxxx € an. Die Angebotspreise der Antragstellerin betrugen xxxxxx € für Los 1 und xxxxxx € für Los 2.

Der Antragsgegner dokumentierte die Prüfung und Wertung der Angebote in einzelnen Vermerken und abschließend im Vergabevermerk. Am 26.11.2015 führte er ein Aufklärungsgespräch mit der Beigeladenen. Dem hierüber geführten Vermerk ist zu entnehmen, dass die einzelnen Leistungspositionen unter Durchsicht der Urkalkulation besprochen wurden. Die Beigeladene erläuterte die von ihr kalkulierten Preise und bestätigte deren Auskömmlichkeit. Der Antragsgegner kam zu dem Ergebnis, dass nach dem Ergebnis der Ausschreibung bei beiden Losen der Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen sei.

Mit Informationsschreiben vom 03.12.2015 informierte er die Antragstellerin darüber, dass ihr Angebot nicht das wirtschaftlichste gewesen sei und der Zuschlag am 18.12.2015 auf das Angebot der Beigeladenen erteilt werden soll.

Mit anwaltlichem Rügeschreiben vom 09.12.2015 beanstandete die Antragstellerin den beabsichtigten Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen. Die Beigeladene habe nicht die erforderliche Eignung. Sie zahle nicht den tariflich vorgegebenen Mindestlohn, sie könne keine Referenzen über vergleichbare Leistungen nachweisen und es fehle ihr an der erforderlichen technischen Ausstattung. Im Hinblick auf ihre Ausstattung und auf den von ihr angebotenen niedrigen Preis sei davon auszugehen, dass sie die Absicht habe, die Container zwischenzulagern und umzuschlagen. Dies setze eine Zertifizierung nach dem KrWG voraus, über welche die Beigeladene nicht verfüge.

Das Angebot der Beigeladenen sei unauskömmlich. Die Beigeladene habe vermutlich ihre Angebotskalkulation nicht mit dem Angebot vorgelegt. Sie habe ihr Angebot ohne Kenntnis der konkreten Flächengrößen der zu reinigenden Flächen kalkuliert, sodass davon auszugehen sei, dass sie hierbei eine zu geringe Fläche angesetzt hat. Da sie über keine eigenen Entsorgungsanlagen verfüge, müsse sie die Entsorgung durch einen Nachunternehmer erbringen lassen. Dies habe sie vermutlich im Angebot nicht angegeben. Die Beigeladene werde die ausgeschriebenen Leistungen insbesondere wegen der Entsorgungskosten für die vorgesehene Vertragsdauer von 2 Jahren zu dem von ihr angebotenen günstigen Preis nicht ordnungsgemäß erbringen können, zumal sie im Jahr 2014 einen Jahresfehlbetrag in Höhe von xxxxxx € erwirtschaftet habe.

Der Antragsgegner habe die Auskömmlichkeit des Angebotes offensichtlich nicht geprüft. Selbst wenn der Antragsgegner bei Überprüfung zu dem Ergebnis komme, dass das Angebot der Beigeladenen nicht auszuschließen sei, wäre gleichwohl die Erteilung des Zuschlags an einen anderen Bieter als die Antragstellerin vergaberechtswidrig. Die Angebote seien mangels einer eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung und wegen ungleicher Weitergabe von Informationen an die Bieter nicht miteinander vergleichbar. Im Leistungsverzeichnis fehlten die zur Kalkulation erforderlichen Größen der zu reinigenden Flächen. Die zu kalkulierenden Größen kenne - als bisherige Auftragnehmerin - nur die Antragstellerin. Die Antwort auf die von der Antragstellerin gestellte Frage nach einer Preisanpassungsklausel sei nur an die Antragstellerin gerichtet worden, die übrigen Bieter hätten diese Information nicht erhalten und deshalb - anders als die Antragstellerin - nicht bei ihrer Kalkulation durch entsprechende Risikozuschläge berücksichtigen können bzw. müssen. Schließlich sei bei den steigenden Entsorgungspreisen eine Vertragsdauer von 2 Jahren ohne Preisanpassungsklausel nicht zumutbar. Sie forderte den Antragsgegner unter Fristsetzung zur Abhilfe auf.

Mit E-Mail vom 15.12.2015 forderte der Antragsgegner die Beigeladene unter Hinweis auf ein zuvor geführtes Telefonat auf, eine aktuelle Fahrzeugliste und eine Beschreibung des Entsorgungsweges vorzulegen und folgende Fragen zu beantworten:

- Wird das neue Fahrzeug für die benötigten Container rechtzeitig zu Vertragsbeginn zur Verfügung stehen?

- Haben Sie sich vor der Kalkulation ihrer Preise die Parkplätze ausreichend angesehen?

- Gibt es aufgrund der Vielzahl an Tonnen Müllprobleme mit der Verbrennungsanlage xxxxxx?

- Gibt es Ausweichmöglichkeiten, falls die keinen Müll mehr annehmen?

Die Beigeladene legte mit E-Mail vom 15.12.2015 die angeforderten Unterlagen vor und beantwortete die gestellten Fragen.

Mit Rügeantwort vom 17.12.2015 wies der Antragsgegner die Rügen der Antragstellerin zurück. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beigeladene den gesetzlichen bzw. den tariflich vorgegeben Mindestlohn nicht zahle. Obwohl dies nicht wirksam verlangt worden sei, habe die Beigeladene entsprechende Referenzen benannt. Auch die technische Leistungsfähigkeit sei gegeben, denn die Beigeladene verfüge über geeignete Fahrzeuge und werde ein speziell für die Containerleerung mit Kran ausgerüstetes Fahrzeug kurzfristig beschaffen. Eine Zwischenlagerung bzw. Behandlung von Abfällen sei nach den Vergabeunterlagen zwar nicht vorgesehen. Gegebenenfalls werde die Beigeladene eine hierfür erforderliche Zustimmung der Gewerbeaufsicht rechtzeitig einholen. Alle Bieter hätten innerhalb der Angebotsphase die Möglichkeit gehabt, die zu reinigenden Parkplatzflächen zu besichtigen. Hierbei hätten sie alle kalkulationsrelevanten Randbedingungen erkennen können, auch sei der Umfang der zu reinigenden Flächen erkennbar gewesen. Die Beigeladene habe bestätigt, dass sie zur Kalkulation eine entsprechende Ortsbesichtigung vorgenommen habe. Im Übrigen habe keiner der Bieter die Vorgaben der Ausschreibung gerügt. Die Entsorgung der Abfälle über einen Entsorgungsfachbetrieb sei keine Nachunternehmerleistung. Die Beigeladene habe die gesicherte Entsorgung über einen zertifizierten Entsorgungsfachbetrieb für die Vertragsdauer nachweisen können. Das Angebot der Beigeladenen sei auch nicht unauskömmlich. Die Preisdifferenz zum Ergebnis der eigenen Kostenermittlung wie auch zum Angebot der Antragstellerin sei nicht sehr hoch.

Die Vergleichbarkeit der Angebote sei durch die Vorgaben der Ausschreibung und die Möglichkeit zur Besichtigung aller zu reinigenden Flächen hinreichend gesichert. Auch habe er alle Bieter in gleichem Umfang informiert. Eine Weitergabe der Antwort auf die Frage nach einer die Entsorgungskosten betreffenden Preisanpassung an alle Bieter sei entbehrlich gewesen, da es sich hierbei nur um eine Klarstellung gehandelt habe und die Vergabeunterlagen zweifelsfrei hätten erkennen lassen, dass eine Preisanpassungsklausel nicht Bestandteil der Ausschreibung sei. Bei einer Vertragsdauer von nur zwei Jahren sei diese auch nicht erforderlich. Ein unzumutbares Wagnis für die Bieter sei hiermit nicht gegeben, zumal die Entsorgungskosten nur ca. 20 % des Auftragswertes ausmachten.

Mit Nachprüfungsantrag vom 17.12.2015 wandte sich die Antragstellerin an die Vergabekammer und beanstandete den beabsichtigten Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen als vergaberechtswidrig.

Hierzu trug sie vor, der Antragsgegner habe die Eignung der Beigeladenen nicht sachgerecht geprüft. Er sei den substantiierten Hinweisen darauf, dass die Beigeladene den gesetzlichen Mindestlohn nicht zahle, nicht nachgegangen, sondern habe sich lediglich für den zu vergebenden Auftrag versichern lassen, dass die Beigeladene den Mindestlohn zahlen werde. Er habe die Leistungsfähigkeit der Beigeladenen positiv festgestellt, obwohl diese die in der Ausschreibung verlangten Referenzen nicht nachweisen könne. Bei ordnungsgemäßer Prüfung hätte er auch feststellen müssen, dass die Beigeladene für die kalkulierte und angebotene Leistung nicht über die erforderliche technische Ausstattung verfügt und ihr Betrieb auch nicht entsprechend zertifiziert ist.

Der Antragsgegner habe auch das Angebot der Beigeladenen nicht ordnungsgemäß geprüft und zu Unrecht dessen Auskömmlichkeit bestätigt. In seiner Prüfung der Auskömmlichkeit habe er maßgebliche Umstände vernachlässigt. So sei zu bezweifeln, dass alle zu reinigenden Flächen berücksichtigt worden sind. Auch dürften bei der Prüfung der Kalkulation erforderliche mehrfache An- und Abfahrten beim Einsatz von Fahrzeugen ohne Verdichtungsmöglichkeit unberücksichtigt geblieben sein. Trotz besseren Wissens habe der Antragsgegner wohl auch die gestiegenen Entsorgungskosten nicht berücksichtigt. Soweit er die eigene Schätzung zum Maßstab nehme, sei anzumerken, dass diese fehlerhaft sei, denn sie vernachlässige die Kosten der Positionen 00.05 und 00.02 und berücksichtige auch die gestiegenen Entsorgungskosten nicht.

Bei sachgerechter Prüfung hätte der Antragsgegner feststellen müssen, dass das Angebot der Beigeladenen nicht auskömmlich sei. Die Beigeladene habe bei Angebotserstellung keine Kenntnis von der Größe der zu reinigenden Flächen gehabt und habe vermutlich auch nicht alle Flächen besichtigt. Bei den von ihr angebotenen niedrigen Entsorgungskosten sei sie offensichtlich nicht von aktuellen Preisen ausgegangen, auch habe sie keine entsprechenden Risiken zur Berücksichtigung der fehlenden Preisanpassung für die Entsorgungskosten einkalkuliert. Ihre Aussagen im Rahmen der Angebotsaufklärung ließen darauf schließen, dass ihrer Kalkulation auch kein schlüssiges Entsorgungskonzept zugrunde liege.

Im Rahmen der Akteneinsicht habe sie erkennen können, dass der Antragsgegner der Beigeladenen im Rahmen der Aufklärung vergaberechtswidrig Angebotsänderungen ermöglicht habe. In ihrem ursprünglichen Angebot habe die Beigeladene die Leistung der Entsorgung nicht als Nachunternehmerleistung angegeben. Im Aufklärungsgespräch habe sie erklärt, dass die Entsorgung durch einen Dritten durchgeführt werden solle. Selbst wenn das Angebot der Beigeladenen nicht auszuschließen wäre, könnte der Zuschlag nicht erteilt werden, denn infolge des nicht eindeutigen und unbestimmten Leistungsverzeichnisses lägen keine vergleichbaren Angebote vor. Das Angebot zur Besichtigung könne die fehlenden Angaben nicht kompensieren. Der Antragsgegner halte die Besichtigung der Flächen zwar für notwendig, habe diese aber nicht zwingend verlangt. Außerdem habe der Antragsgegner die Bieter nicht in gleicher Weise über den kalkulationsrelevanten Verzicht auf eine Preisanpassung bezüglich der Entsorgungskosten informiert. Diese Information habe nur die Antragstellerin erhalten, sie habe deshalb entsprechende Risiken einkalkuliert. Den übrigen Bietern sei dagegen nicht klar gewesen, dass sie steigende Entsorgungskosten nicht an den Auftraggeber durchreichen können. Das Risiko steigender Entsorgungskosten sei auch nicht abschätzbar, sodass eine 2-jährige Preisbindung ohne Anpassungsmöglichkeit für die Bieter nicht zumutbar sei.

Sie sei mit ihrem Vortrag auch nicht gemäß § 107 Abs. 3 Nr. 2 und 3 GWB präkludiert, da sie die geltend gemachten Verstöße erst nach Mitteilung über den beabsichtigten Zuschlag, nach rechtlicher Beratung und zum Teil erst nach Akteneinsicht erkannt habe.

Die Antragstellerin beantragt,

  1. 1.

    dem Antragsgegner zu untersagen, auf der Grundlage des bisherigen Verfahrens den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu den Losen 1 und 2 zu erteilen;

  2. 2.

    den Antragsgegner zu verpflichten, die Angebote zu den Losen 1 und 2 unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer neu zu bewerten;

  3. 3.

    hilfsweise den Antragsgegner zu verpflichten, das Vergabeverfahren zu den Losen 1 und 2 in den Stand vor Abgabe der Angebote zurückzuversetzen;

  4. 4.

    dem Antragsgegner die Kosten des Nachprüfungsverfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung aufgewandten Kosten der Antragstellerin aufzuerlegen;

  5. 5.

    die Hinzuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten durch die Antragstellerin für notwendig zu erklären.

Der Antragsgegner beantragt,

  1. 1.

    die Anträge zurückzuweisen.

Er hält den Antrag, soweit er sich auf Vergaberechtsverstöße bezieht, die das Leistungsverzeichnis und die Information der Bieter durch den Auftraggeber betreffen, bereits für unzulässig. Die Antragstellerin habe das Leistungsverzeichnis nicht rechtzeitig vor Angebotsabgabe gerügt. Für sie war aus der Antwort auf ihre Bieteranfrage vom 05.11.2015 auch erkennbar, dass das Schreiben nicht an alle Bieter gerichtet worden sei. Gleichwohl habe sie eine Rüge erst nach Eingang des Informationsschreibens gemäß § 101a GWB vorgetragen.

Der Antrag sei auch unbegründet. Es bestehe kein Anlass, das Angebot der Beigeladenen auszuschließen. Die Beigeladene sei zuverlässig, es gebe insbesondere keine Anhaltspunkte dafür, dass sie den gesetzlichen Mindestlohn nicht zahle. Sie sei auch technisch leistungsfähig und verfüge über für die Leistungserbringung geeignetes technisches Gerät bzw. werde im Auftragsfall hierüber verfügen. Die Beigeladene sei für die Leistungserbringung auch hinreichend zertifiziert. Eine Lagerung der eingesammelten Abfälle sei nicht Gegenstand der Ausschreibung. Für den Fall, dass sich bei der Leistungserbringung jedoch eine Notwendigkeit zur Zwischenlagerung der Abfälle ergeben sollte, habe sie eine entsprechende Genehmigung beantragt. Referenzen über vergleichbare Leistungen seien von den Bietern nicht verlangt worden.

Die Beigeladene habe ihr Angebot ordnungsgemäß kalkuliert. Ihrer Kalkulation habe sie erkennbar die tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten zu Grunde gelegt. Der Vorhalt, sie habe zu geringe Flächengrößen kalkuliert, sei unbegründet. Die von ihr kalkulierte Angebotssumme liege über den vom Auftraggeber geschätzten Kosten und dicht bei der Angebotssumme der Antragstellerin. Einen Grund, die Auskömmlichkeit des Angebotes zu bezweifeln, gebe es nicht.

Der beabsichtigten Erteilung des Zuschlages stünden auch keine Verfahrensfehler entgegen. Das Leistungsverzeichnis sei eindeutig und erschöpfend. Alle Bieter hätten auf Basis gleicher Informationen kalkuliert und angeboten. Die nur an die Antragstellerin gerichtete Antwort auf ihre Bieterfrage vom 05.11.2015 habe keine kalkulationsrelevanten neuen Informationen enthalten. Die von der Antragstellerin hinsichtlich der Entsorgungskosten vermisste Preisanpassungsklausel sei im Hinblick auf den relativ kurzen Vertragszeitraum nicht erforderlich.

Die Beigeladene äußerte sich im Termin der mündlichen Verhandlung umfassend, stellte in der Sache aber keinen Antrag.

Die Vergabekammer hat mit Verfügung des Vorsitzenden vom 18.01.2016 gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 GWB die Frist für die abschließende Entscheidung der Vergabekammer in diesem Nachprüfungsverfahren über die gesetzliche 5-Wochen-Frist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 GWB) hinaus bis zum 15.02.2016 verlängert.

Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Vergabeakte und das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

II.

Der Nachprüfungsantrag ist teilweise unzulässig, im Übrigen unbegründet. Wenn die Antragstellerin gegenüber dem Auftraggeber vorträgt, die Beigeladene zahle nicht den allgemeinverbindlich erklärten Mindestlohn, so ist es erforderlich, dass die Antragstellerin gegebenenfalls auch bereits bei Rüge den ihr bekannten Sachverhalt vollständig mitteilt. Hält sie zurück, von welchem Mitunternehmer sie den Hinweis erhalten hat, und offenbart sie die zugrunde liegende Sachinformation erst eine Woche vor der mündlichen Verhandlung der Vergabekammer, so verstößt sie gegen ihre Verfahrensförderpflicht gemäß § 113 Abs. 2 GWB (nachfolgend zu 1.).

Soweit die Antragstellerin vorträgt, die Leistungsbeschreibung sei nicht eindeutig und erschöpfend gewesen, weil der Antragsgegner den anderen Bietern wichtige und kalkulationsrelevante Daten wie die Größe der abzusammelnden Flächen vorenthalten habe, ist sie gemäß § 107 Abs. 3 Nr. 3 GWB verpflichtet, diesen Mangel der Vergabeunterlagen bis zur Abgabe des Angebots zu rügen. Unterlässt sie dies, kann sie sich im Nachprüfungsverfahren nicht auf die angeblich fehlerhafte Leistungsbeschreibung berufen. Mit ihren weiteren Rügen über Sachverhalte, die der Antragstellerin ohne Akteneinsicht nicht bekannt sein können, genügt die Antragstellerin nicht ihrer Substantiierungspflicht gemäß § 108 Abs. 2 GWB (nachfolgend zu 1.). Auch die Einwendungen gegen die Wertung greifen im Ergebnis nicht durch (nachfolgend zu 2.).

1. Der Nachprüfungsantrag ist nur teilweise zulässig. Bei dem Antragsgegner und Auftraggeber handelt es sich um das Land Niedersachsen, vertreten durch eine Landesbehörde, und damit um einen öffentlichen Auftraggeber gemäß § 98 Nr. 1 GWB. Es handelt sich bei der Sammlung und Entsorgung gemischter Siedlungsabfälle um einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag gemäß § 99 Abs. 4 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gemäß § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, welche die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt worden sind. § 2 Abs. 1 Satz 1 der VgV enthält eine dynamische Verweisung auf die europarechtlich festgelegten Schwellenwerte, hier die Verordnung (EU) Nr. 1336/2013 vom 13.12.2013. Artikel 2 Abs. 2b setzt für Dienstleistungsaufträge einen Schwellenwert von 207.000 € fest. Diesen Wert überschreitet die Kostenschätzung gemäß Ziffer 1.6 des Vergabevermerks deutlich.

Die Antragstellerin ist gemäß § 107 Abs. 1 GWB teilweise antragsbefugt, da sie als Bieterin ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung eigener Rechte durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht. Sie trägt wie unter I. dargestellt vor. Dieser Vortrag ist überwiegend hinreichend substantiiert. Voraussetzung für die Antragsbefugnis ist gemäß § 107 Abs. 2 GWB, dass das den Nachprüfungsantrag stellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass die Antragstellerin diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Boesen, Vergaberecht, 1. Auflage, § 107, Rz. 52). Die Antragstellerin hat ein entsprechendes Rechtschutzbedürfnis dargelegt. Sie hat auch schlüssig dargelegt, dass sie angesichts nur zwei abgegebener Angebote bei nach ihrer Auffassung vergabekonformem Verhalten des Antragsgegners den Zuschlag auch tatsächlich erhalten hätte.

Ob sich diese dargestellte Rechtsverletzung bestätigt, ist keine Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit des Antrages (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27.07.2006, VII-Verg 23/06 Ziffer 1a).

Bei einzelnen Darstellungen der Antragstellerin handelt es sich jedoch erkennbar um unbeachtliche Behauptungen ins Blaue hinein. Gemäß § 108 Abs. 2 GWB muss die Begründung eines Nachprüfungsantrags zwingend eine Beschreibung der behaupteten Rechtsverletzung mit zugehöriger Sachverhaltsdarstellung enthalten. Um den Zugang zum Nachprüfungsverfahren zu eröffnen, bedarf es der Darlegung zumindest einer konkreten, nicht völlig vagen und pauschal behaupteten Vergaberechtsverletzung. Eine aufs Geradewohl oder ins Blaue hinein aufgestellte Behauptung ist unzulässig und damit unbeachtlich (vgl. OLG Frankfurt Beschluss vom 08.12.2009, Az. 11 Verg 06/09; VK Brandenburg, Beschluss vom 06.12.2011 - VK 52/11). Nach OLG München (Beschluss vom 07.08.2007 - Verg 08/07) darf der Antragsteller in der Rüge und im Nachprüfungsantrag keine pauschalen und unsubstantiierten Behauptungen in der Erwartung aufstellen, die Amtsermittlungspflicht der Vergabekammer werde zum Nachweis eines Vergabeverstoßes führen. Die Vergabekammer ist bei einem Vortrag "ins Blaue hinein" von der Notwendigkeit einer vollständigen Sachaufklärung von Amts wegen entbunden (VK Niedersachsen, Beschluss v. 26.08.2014 - VgK-31/2014). Andererseits dürfen an die Substantiierung einer Rüge keine zu hohen Anforderungen gestellt werden, weil ein Bieter naturgemäß nur begrenzten Einblick in den Ablauf des Vergabeverfahrens haben wird. Deshalb darf er im Vergabenachprüfungsverfahren behaupten, was er auf der Grundlage seines - oft nur eingeschränkten - Informationsstands redlicherweise für wahrscheinlich oder möglich halten darf, etwa wenn es um Vergabeverstöße geht, die sich ausschließlich in der Sphäre der Vergabestelle abspielen oder das Angebot eines Mitbewerbers betreffen (jurisPK-VergR/Summa, 4. Aufl., Stand 02.07.2015, § 107 GWB, Rdnr. 72f). Ein Bieter darf daher seinen Nachprüfungsantrag auf konkretisierte Vermutungen stützen.

Die hier vorgetragene Behauptung, die Beigeladene habe keine Referenzen vorgelegt, oder falls doch, zu alte Referenzen vorgelegt, ebenso die Behauptung, die Beigeladene habe die Urkalkulation nicht eingereicht, wenn doch, dann sei die Urkalkulation falsch, weil der Nachunternehmer fehle, gehen über das Maß vertretbarer Vermutungen hinaus. Bei diesen Darstellungen, die die Antragstellerin bereits im Nachprüfungsantrag also vor Akteneinsicht abgegeben hat, handelt es sich um Behauptungen ohne konkrete Tatsachengrundlage. Positive Kenntnisse, oder auch nur einen Anscheinsverdacht über ein solches Verhalten hat die Antragstellerin nicht vorgetragen.

Der Vortrag der Antragstellerin zur Einführung einer Preisgleitklausel wegen steigender Entsorgungskosten genügt dagegen der Substantiierungspflicht gemäß § 108 Abs. 2 GWB. In einigen Passagen der Antragsschrift befürchtet die Antragstellerin Kapazitätsengpässe bei der Verbrennung. Sie zieht dies als Begründung für das Erfordernis einer Preisanpassungsklausel heran. Engpässe in der Kapazität der von der Antragstellerin genutzten Verbrennungsanlagen, haben keinen Preisbezug. Sie könnten allenfalls Zweifel an der objektiven Erfüllbarkeit des Auftrags, wenn nur ein Bieter sie vorträgt, an dessen subjektiver Leistungsfähigkeit wecken. Das ist hier nicht zu vertiefen, da die Antragstellerin an anderen Stellen des Nachprüfungsantrags darstellt, sie könne die Abfälle aus diesem Auftrag der Verbrennung zuführen. In diesen Passagen behauptet sie Preissteigerungen, die eine Preisgleitklausel erforderlich machen würden. Sie hinterlegt den Vortrag nicht nur mit einer undatierten dem Jahr 2015 zuzuordnenden Stellungnahme des Bundesverbands Wertstoffe und Entsorgung. Wie sich leider erst in der mündlichen Verhandlung ergeben hat, legte sie dem Antragsgegner zur Begründung einer Preiserhöhung während der Interimsvergabe auch offen, in welchem Umfang sich ihre Entsorgungspreise erhöht haben. Das genügt der Substantiierungspflicht.

Die Antragstellerin hat die im Nachprüfungsverfahren geltend gemachten Vergaberechtsverstöße nur teilweise rechtzeitig im Sinne des § 107 Abs. 3 GWB gerügt. Gemäß § 107 Abs. 3 Nr. 3 GWB ist der Nachprüfungsantrag unzulässig, soweit Verstöße gegen Vergabevorschriften, die in den Vergabeunterlagen erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung benannten Frist zur Angebotsabgabe gerügt werden. Die Antragstellerin hat ihre Rüge erst nach Ablauf der Angebotsabgabefrist erhoben. Eine Rügepräklusion gemäß § 107 Abs. 3 Nr. 3 GWB liegt daher für diejenigen geltend gemachten angeblichen Vergabefehler vor, die der Antragstellerin bereits aus den Vergabeunterlagen objektiv erkennbar waren. Kenntnis oder ein der positiven Kenntnis gleichstehendes Kennen-Müssen liegt nach einem Beschluss des OLG Celle (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 24.09.2014, 13 Verg 9/14) vor, wenn sich der Vergabefehler der Antragstellerin aufdrängen muss.

Das war hier teilweise der Fall. Die Antragstellerin stellt dar, die Leistungsbeschreibung sei nicht eindeutig und erschöpfend, weil sie keine Flächenangaben zu den zu reinigenden Flächen enthalte. Der Hinweis, man möge sich über die Örtlichkeiten informieren genüge nicht. Dieser Gesichtspunkt hätte ihr bereits bei der Angebotskalkulation auffallen müssen. Folglich hätte sie ihn bis zur Abgabe des Angebots rügen müssen. Es mag zwar aus der Perspektive eines Bieters ein zunächst noch nachvollziehbarer Ansatz sein, wenn der Bieter aus einer vermeintlichen Schwäche der Vergabeunterlagen heraus meint, das Angebot besser kalkulieren zu können als die Konkurrenten und daher auf die eigentlich gebotene Rüge verzichtet. Stellt der Bieter jedoch anschließend fest, dass er - möglicherweise aufgrund dieser Schwäche der Vergabeunterlagen - unterboten worden ist, so verliert er aufgrund seines Rügeverzichts die Möglichkeit, diesen ihm bereits frühzeitig bekannten Mangel nachträglich zu rügen. Unzureichende Kenntnis der Gegebenheiten führt zu Kalkulationsirrtümern. Diese führen aber nicht nur zu höheren Angeboten, sondern können im Einzelfall auch ein besonders günstiges Angebot des Konkurrenten auslösen. Die Rügepflicht ist ein Ausdruck von Treu und Glauben. Der Bieter soll mit der Rügepräklusion daran gehindert werden, Rügen auf Vorrat zu sammeln und sie erst dann vorzubringen, wenn er erkannt hat, dass sein Angebot nicht für den Zuschlag vorgesehen ist. Die Rügeobliegenheit soll daher nicht nur die eigene Kalkulation des Bieters verbessern, sondern dazu beitragen, dass der öffentliche Auftraggeber von allen Bietern vergleichbare Angebote abfordert.

Das gilt ebenso für den Einwand, der Antragsgegner habe nicht nur die Antragstellerin, sondern auch alle anderen Bieter darüber informieren müssen, dass eine Preisanpassung nicht vorgesehen sei. Da alle Bieter im Rahmen von deutlich anders abgefassten Bieterrundschreiben gleichermaßen informiert wurden, hätte der Antragstellerin schon aufgrund der formalen Gestaltung der in dieser Angelegenheit erhaltenen Antwort klar sein müssen, dass nicht alle Bieter im gleichen Sinne informiert worden sind. Wenn sie dies als Vergabefehler ansieht, entsteht somit ihre Obliegenheit, dies vor Angebotsabgabe zu rügen. Nur am Rande weist die Vergabekammer darauf hin, dass einem kurzlaufenden Vertrag über nur 2 Jahre eine Vertragsanpassung vergaberechtlich regelmäßig nicht unabdingbar geboten erscheint (vgl. VK Niedersachsen, Beschluss vom 18.09.2012, VgK-36/2012), auch wenn der Antragsgegner in anderen regionalen Geschäftsbereichen solche Preisgleitklauseln routinemäßig in vergleichbare Verträge einflechten sollte.

Der diesem Einwand inhaltlich vorgelagerte Einwand, der Antragsgegner habe es pflichtwidrig unterlassen, eine Preisanpassungsklausel in die Vergabeunterlagen aufzunehmen, ist hier nicht zu erörtern. Die Antragstellerin hat insoweit bis zum Ablauf der Angebotsabgabefrist keine Rüge erhoben, sondern es bei der Bieteranfrage belassen. Damit ist sie gemäß § 107 Abs. 3 Nr. 3 GWB mit diesem Einwand präkludiert. Für die Rüge gibt es keine Formerfordernisse. Das Wort "Rüge" muss nicht ausdrücklich verwendet werden. Entscheidend ist die inhaltliche Darstellung eines Vergabemangels mit einem konkreten Abhilfeverlangen. Die Vergabekammer kommt zu dem Ergebnis, dass die Bieteranfrage der Antragstellerin deutlich dahinter zurückbleibt, daher nicht als Rüge aufgefasst werden kann.

Gemäß § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB ist der Nachprüfungsantrag unzulässig, soweit der Antragsteller den gerügten Verstoß gegen Vergabevorschriften im Vergabeverfahren erkannt und gegenüber dem Auftraggeber nicht unverzüglich gerügt hat.

Die Behauptung, die Beigeladene zahle nicht den Mindestlohn, war zwar bereits Gegenstand der Rüge vom 09.12.2015, jedoch nicht in, gemessen am tatsächlichen Kenntnisstand der Antragstellerin, hinreichend substantiierter Form.

Entgegen der Darstellung des Antragsgegners im nachgelassenen Schriftsatz ist ein hier maßgeblicher Tarifvertrag allgemeinverbindlich. Gemäß der aktuellen Liste des BMAS ist für die Abfallwirtschaft einschließlich Straßenreinigung und Winterdienst, Deutschland, der - TV Mindestlohn vom 07.01.2009, zuletzt geändert am 19.05.2015, verbindlich ab 01.10.2015 durch die siebte Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Abfallwirtschaft einschließlich Straßenreinigung und Winterdienst vom 28.09.2015 (BAnz. AT 30.09.2015 V1) für allgemeinverbindlich erklärt worden. Das dürfte den fachkundigen Bietern klar sein, ist deshalb vom Antragsgegner nicht gesondert mit Zitat des Tarifvertrags in den Vergabeunterlagen darzustellen. Wenn einer der Bieter nun vorträgt, für ihn sei ein anderer Tarifvertrag maßgeblich, ist gemäß den Darstellungen des OLG Düsseldorf (Beschluss vom 19.10.2015, VII - Verg 30 / 13) zu prüfen, ob hier mehrere Tarifverträge nebeneinander angewandt werden können. Für den zu entscheidenden Fall ist das unerheblich, da die Beigeladene mit einer Eigenerklärung vom 21.12.2015 versichert hat, eine dem obigen Tariflohn entsprechende Vergütung zu zahlen.

Die Antragstellerin bezieht sich in der Rüge und im Nachprüfungsantrag auf die nicht belegte Aussage eines ihrer Nachunternehmer, der die Zusammenarbeit mit der Beigeladenen wegen Verstößen gegen den Mindestlohn aufgekündigt habe. Die Vergabekammer konnte zu Beginn des Nachprüfungsverfahrens nur die Namen der Nachunternehmen dem Angebot der Antragstellerin in der Vergabeakte entnehmen. Die Antragstellerin verkennt ihre Substantiierungspflicht, wenn sie vorträgt, auf Ihren Hinweis habe die Vergabestelle oder die Vergabekammer sie befragen müssen, welche Nachunternehmer sie meine und welche Sachverhalte dieser Meldung konkret zu Grunde liege. Gemäß § 108 Abs. 2 GWB muss der Nachprüfungsantrag die Bezeichnung der verfügbaren Beweismittel enthalten. Ein Beweismittel ist erst dann benannt, wenn eine Urkunde vorgelegt oder der Zeuge namentlich mit ladungsfähiger Anschrift benannt wird.

Dies geschah trotz Kenntnis vor Erhebung der Rüge erst weniger als eine Woche vor der Verhandlung über den Nachprüfungsantrag als Anlage 17 eines Schriftsatzes. Auch aus dieser Darstellung ist nicht erkennbar, wann und wie lange gegen die Verpflichtung, den Mindestlohn zu zahlen, verstoßen wurde und gegenüber wie vielen Arbeitnehmern er erfolgte. Der vorgetragene Sachverhalt war somit für die Vergabekammer unter der engen zeitlichen Vorgabe des § 113 Abs. 1 GWB nicht prüffähig. Damit genügte die Antragstellerin nicht ihrer Verfahrensförderpflicht gemäß § 113 Abs. 2 GWB. Der Vortrag der Antragstellerin, ist daher als verspätet zurückzuweisen.

Die Vergabestelle ist dem in der Rüge erhobenen Vorwurf, nicht den Mindestlohn zu zahlen, in einem der Substantiierung angemessenen Umfang nachgegangen. Entgegen der späteren Darstellung der Antragstellerin hat die Beigeladene nicht allgemein, sondern mit ergänzender Stellungnahme vom 21.12.2015 unter konkreter Benennung der Stundenlöhne dargelegt, dass sie den maßgeblichen Mindestlohn zahlen werde. Diese Stellungnahme wurde der Antragstellerin auch am 04.01.2016 von der Vergabekammer übermittelt. Eine Ausweitung des Streits auf etwaige Nebenleistungen des Tarifvertrags erfolgte daraufhin nicht.

Da der Antragsgegner hier im Auftrag des Bundes handelt, ist die Anwendung des NTVergG tatsächlich gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 ausgeschlossen. Selbst wenn das Gesetz für diesen Auftrag gelten würde, wäre die Einhaltung der Vorschrift des § 4 Abs. 1 NTVergG nicht unmittelbar bieterschützend. Danach dürfen öffentliche Aufträge über Dienstleistungen, für deren Erbringung ein Mindestentgelt durch einen für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag festgesetzt ist, nur an Unternehmen vergeben werden, die bei Angebotsabgabe schriftlich erklären, ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bei der Ausführung der Leistung mindestens dieses Mindestentgelt nach den dort jeweils vorgesehenen Bedingungen zu zahlen. Eine Prüfung der Erklärung auf Richtigkeit oder Wahrheit ist in der Vergabephase nicht vorgesehen. Zwar hat die VK Düsseldorf für eine ähnliche Situation anders entschieden (vgl. VK Düsseldorf, Beschluss vom 09.01.2013 - VK-29/2012-L zu § 10 Abs. 1 TVgG-NRW), jedoch findet sich im NTVergG keine vergleichbare Regelung zu der in § 10 Abs. 1 TVgG-NRW normierten Prüfungspflicht in der Vergabe. Auch § 7 NTVergG beinhaltet nur eine Ermessensvorschrift bei insgesamt unangemessen niedrigen Angeboten, nicht aber eine besonders auf die Arbeitskosten fokussierte Prüfpflicht des Auftraggebers in der Vergabephase. Vergabestelle und Vergabekammer sind daher gehalten, zunächst auf die Richtigkeit der Eigenerklärung der Beigeladenen zu vertrauen.

Der Einwand der Antragstellerin, der Antragsgegner habe versäumt, ein Sanktionsrecht und eine Kontrollmöglichkeit für die Einhaltung des Mindestlohns im Vertrag festzulegen, ist gleichfalls nicht überzeugend. Soweit die Antragstellerin darin einen Mangel der Vergabeunterlagen sieht, hätte sie diesen gemäß den obigen Ausführungen zur Rügepflicht bis zum Ablauf der Angebotsabgabefrist rügen müssen.

Zahlt ein Vertragspartner, der sich zuvor verpflichtet hat, den Mindestlohn zu zahlen, diesen nicht, oder zahlt er ihn nur nominal, nutzt aber Umgehungsmöglichkeiten, so handelt es sich um eine allgemeine Vertragspflichtverletzung, die der öffentliche Auftraggeber nach pflichtgemäßem Ermessen, wie jede andere Form der Schlechtleistung, mit Mitteln des Zivilrechts zu bearbeiten hat.

Die Antragstellerin wurde mit Schreiben vom 03.12.2015 über den beabsichtigten Zuschlag an die Beigeladene informiert. Hiergegen wandte sie sich mit der Rüge vom 09.12.2015. Alle Rügeinhalte, die sich auf die Wertung des Antragsgegners beziehen, unterfallen nicht der Rügepräklusion gemäß § 107 Abs. 3 Nr. 3 GWB, da die Wertung erst nach Abgabe der Angebote stattfindet. Sie sind daher daraufhin zu prüfen, ob die Antragstellerin ihre Rüge unverzüglich im Sinne des § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB erhoben hat.

Als unverzüglich galt früher grundsätzlich nur ein Zeitraum von ein bis drei Tagen ab Erkennbarkeit (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 18.09.2003, Az.: 1 Verg 3/03; Bechtold, GWB, § 107, Rdnr. 2). Bei Einschaltung eines Anwaltes bzw. Prüfung schwieriger Rechtsfragen wurde die Frist regelmäßig auf eine Woche ausgedehnt (vgl. VK Nordbayern, Beschluss vom 08.06.2011 - 21.VK3194-14/11; OLG Dresden, Beschluss vom 07.05.2010, WVerg 6/10; OLG München, Beschluss vom 15.03.2012, Verg 2/2; VK Bund, Beschluss vom 17.01.2008, VK1-152/07). Inzwischen nimmt das OLG München eine Rügefrist von sieben Werktagen an (OLG München, Beschluss vom 19.12.2013 - Verg 12/13), das OLG Düsseldorf von 11 Tagen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.06.2013 - Verg 7/13). Die europäische Kommission ist bei ihrer Überprüfung der deutschen Vorschriften zum Ergebnis gelangt, dass die Unbestimmtheit der Vorschrift die Rechtsmittelrichtlinie und die Gebote der Transparenz, Rechtssicherheit und Nichtdiskriminierung verletze. Sie hat daraufhin im Juli 2013 ein informelles Vorverfahren eingeleitet. Die Bundesrepublik hat zugesagt, im Rahmen der Reform des GWB zur Umsetzung der neuen EU-Vergaberichtlinien auch die Vorschrift des § 107 GWB an die europarechtlichen Vorgaben anzupassen. Bis zur Anpassung der Rügefrist auf 10 bzw. 15 Kalendertage dürfte, obgleich die Umsetzungsfrist der neuen EU-Vergaberichtlinien bis zum 17.04.2016 läuft, die Vorschrift des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB wegen der verfassungsrechtlich verbürgten Rechtsschutzgarantie nicht mehr abweichend anzuwenden sein, ohne die Frage vorher dem EuGH oder dem BGH vorzulegen (s. dazu auch Werkstattbeitrag von Eydner, ibr-online, vpr 2014, 2673, eingestellt am 08.04.2014; VK Niedersachsen, Beschluss vom 17.04.2014, VgK-09/2014). Der europäischen Kommission folgend legt die Vergabekammer unter Übernahme der Mindestüberlegungsfristen des Art. 2c Rechtsmittelrichtlinie 89/665/EWG eine Rügefrist von 10 bzw. 15 Tagen ab Kenntnis des Antragstellers vom geltend gemachten Verstoß gegen Vergabevorschriften zugrunde. Das wird bestätigt durch den Kabinettsentwurf des GWB 2016 Stand 14.08.2015, der in der dem bisherigen § 107 GWB entsprechenden Vorschrift des § 160 Abs. 3 Nr. 1 GWB-E von einer Rügefrist von 10 Tagen ausgehen will. Diese Frist hat die Antragstellerin mit ihrer Rüge binnen 6 Tagen gewahrt.

2. Soweit der Nachprüfungsantrag zulässig ist, erweist er sich als unbegründet.

a. Das Angebot der Beigeladenen ist nicht gemäß § 19 EG Abs. 3 a VOL/A auszuschließen. Danach werden Angebote ausgeschlossen, die nicht die geforderten oder nachgeforderten Erklärungen und Nachweise enthalten. Die Darlegung, die Beigeladene habe angeblich die geforderte Eigenerklärung zur Eignung und zur Leistung anderer Unternehmen nicht vorgelegt, trifft nicht zu.

Es fehlt bereits an der Forderung einer solchen Erklärung. Der Antragsgegner hat in der öffentlichen Bekanntmachung unter III.2.3) "Technische Leistungsfähigkeit" keine Angaben zu anderen Unternehmen gefordert, insbesondere nicht die verbindliche Befugnis eingefordert, bei einer bestimmten Entsorgungsanlage Abfälle einer bestimmten Qualität abliefern zu können. Eine solche Anforderung zur technischen Leistungsfähigkeit stellte der Auftraggeber in dem von der Antragstellerin genannten und vom OLG Düsseldorf (Beschluss vom 25.6.2014; VII Verg 38/13) entschiedenen Fall (Nachweis siehe VK Bund, Beschluss vom 04.11.2013, VK 2 - 96 / 13). In jenem Fall der Versorgung mit einem Krebsheilmittel war dem Auftraggeber in besonderem Maße daran gelegen, die ausreichende Versorgung mit diesem lebenswichtigen Medikament sicherzustellen. Daher hat er berechtigterweise die Gewährleistung einer mengenmäßig definierten Versorgungssicherheit als Anforderung an die Bietereignung formuliert. Dem war hier bei einer Entsorgung eines keineswegs außergewöhnlichen Abfalls nicht so. Daher lassen sich die Erwägungen des OLG Düsseldorf in jenem Fall nicht auf diesen Fall übertragen.

In den Vergabeunterlagen hat der Antragsgegner die Formblätter der Serie HVA L-StB verwendet. Im dazu gehörenden Formular "Verzeichnis der Leistungen anderer Unternehmer" kann der Unternehmer die Teilleistung benennen, für die er sich der Fähigkeiten anderer Unternehmen bedienen will. Das bedeutet aber nicht, dass jeder Bieter dieses Verzeichnis mit dem Angebot auszufüllen hat. Gemäß der Aufforderung zur Angebotsabgabe Ziffer 5.1 hat der Antragsgegner keine Unterlagen abgefordert, die mit dem Angebot vorzulegen sind. Gemäß Ziffer 5.2 der Aufforderung zur Angebotsabgabe hat der Bieter erst auf gesondertes Verlangen der Vergabestelle unter anderem eine Verpflichtungserklärung für Leistungen anderer Unternehmen vorzulegen. Entgegen der Annahme der Antragstellerin hat der Antragsgegner solche Unterlagen somit nicht mit dem Angebot abgefordert.

Soweit die Beigeladene eine solche Verpflichtung trifft, hat sie diese Verpflichtung ausweislich der Auswertung der Vergabeunterlagen erfüllt. Da die Beigeladene die von ihr gesammelten Abfälle nicht durch einen anderen Unternehmer bei der Müllverbrennungsanlage anliefert, sondern selbst, war sie auch auf Nachforderung nicht verpflichtet, ein anderes Unternehmen anzugeben.

Die Beigeladene war auch nicht verpflichtet, die Entsorgungseinrichtung, der sie die zu entsorgenden Abfälle andient, als Unternehmen zu benennen, dessen Fähigkeiten sie sich bedient. Gegenstand der Leistung ist gemäß Ziffer II.1.6. der Bekanntmachung eine Leistung der CPV 90 500 000, also Dienstleistungen im Zusammenhang mit Siedlungsabfall. Abfallbeseitigung unterfiele dagegen der CPV 90 510 000. Eine abgeschlossene Abfallbeseitigung sollte daher nicht vergeben werden.

Gleiches ergibt sich aus dem Leistungsverzeichnis. Gemäß Ziffer 00.01.002 und Ziffer 00.01.003 des Langtext-Verzeichnisses des Leistungsverzeichnisses hat der Auftragnehmer die Abfälle aufzusammeln, Wertstoffe zu trennen und einer Verwertung zuzuführen und den Restabfall fachgerecht entsprechend TASi (Technische Anleitung Siedlungsabfall) zu entsorgen. Wie zu entsorgen ist, wird nicht vorgegeben. Gemäß § 3 Abs. 15 KrWG ist die Sammlung von Abfällen deren Einsammeln einschließlich der vorläufigen Sortierung und der vorläufigen Lagerung zum Zweck der Beförderung zu einer Abfallbehandlungsanlage. Gemäß § 3 Abs. 22 KrWG umfasst der Begriff der Abfallentsorgung Verwertungs- und Beseitigungsverfahren einschließlich der Vorbereitung vor der Verwertung oder Beseitigung. Gemäß § 3 Abs. 27 KrWG gehören auch Deponien zu den Beseitigungsanlagen. Somit lässt das Leistungsverzeichnis sowohl die thermische Verwertung in einer Müllverbrennungsanlage zu, als auch die Andienung bei einer Deponie. Für Siedlungsabfall sind beide Entsorgungsverfahren zulässig. Das Leistungsverzeichnis ist erkennbar so abgefasst, dass dem Auftragnehmer weder der Betrieb einer planfestgestellten Deponie, noch der Betrieb einer nach BImSchG genehmigten Verbrennungsanlage auferlegt werden sollte. Vielmehr sollte in beiden Fällen gemäß dem Vorbild der Definitionen des KrWG die vertragliche Verpflichtung mit der Andienung an die ausgewählte Abfallbehandlungsanlage/Entsorgungseinrichtung enden.

Nach Auffassung der Vergabekammer gehört die Leistung der Entsorgungseinrichtung daher nicht mehr zum originären Leistungsgegenstand. Gemäß Ziffer 00.01.0002 des Leistungsverzeichnisses sollen die Entsorgungskosten unter der Ordnung 00.01.0003 abgerechnet werden. Damit wird deutlich, dass der Auftraggeber hier (zwingend) von Fremdkosten des Auftragnehmers ausgeht. Das ist durchaus naheliegend. Es steht dem Auftragnehmer grundsätzlich frei, ob er den nicht verwertbaren Abfall bei einer Deponie anliefert, oder ob er ihn zu einer Müllverbrennungsanlage bringt. Unabhängig davon, ob es sich um eine öffentlich-rechtliche oder um eine privat betriebene Entsorgungseinrichtung handelt, ist der Prozess der Verwertung nach der TASi komplex und bedarf einer besonderen Eignung, die erkennbar nicht mit dieser hier einfach strukturierten Vergabe beabsichtigt war. Es geht daher zu weit, die Betreiber der Verbrennungsanlage als andere Unternehmer anzusehen, die der Auftragnehmer in seiner Eignungserklärung hätte angeben müssen. Die Eignungsanforderungen an die Verbrennungsanlage oder Deponie sind um ein Vielfaches höher als die Anforderung an den Abfallsammler.

b. Die Beigeladene ist nicht wegen eines behaupteten, aber nicht belegten Fehlbetrags von xxxxxx € in einer nicht näher benannten Bilanz als wirtschaftlich nicht leistungsfähig und insoweit als ungeeignet gemäß § 19 EG Abs. 5 VOL/A, § 7 EG Abs. 2 VOL/A anzusehen. Der Betrag ist weder im Verhältnis zum hier vorliegenden Auftragsvolumen, noch im Verhältnis zu den von der Beigeladenen vorgelegten Jahres-Umsatzzahlen relevant. Die Beigeladene hat in der mündlichen Verhandlung zur Überzeugung der Vergabekammer vorgetragen, dass dieser Fehlbetrag mit dem Gewinnvortrag verrechnet worden sei. Da der Jahresgewinn eines Unternehmens erst zum Jahresende feststeht, der Unternehmer jedoch während des Jahres Einnahmen für seinen persönlichen Bedarf benötigt, entnimmt er dem Unternehmen regelmäßig Gewinn in der erwarteten und nicht für Rücklagen oder Investitionen vorgesehenen Höhe. Fällt der tatsächliche Gewinn geringfügig anders aus, als der erwartete Gewinn, wird beides über den Gewinnvortrag miteinander verrechnet. Dies scheint hier der Fall gewesen zu sein. Es kam somit erkennbar nicht dazu, und ist von der Antragstellerin auch nicht in der mündlichen Verhandlung bestätigt worden, dass die Bilanz nicht ausgeglichen werden konnte.

Aus einem so geringen Fehlbetrag in einer Bilanz lässt sich nicht die fehlende finanzielle Leistungsfähigkeit eines Bieters ableiten. Am Rande weist die Vergabekammer darauf hin, dass selbst ein in der Insolvenz befindliches Unternehmen einen Anspruch darauf hat, im Vergabeverfahren mit berücksichtigt zu werden, wenn es ergänzend bestimmte materielle Absicherung zugunsten des Auftraggebers vornimmt, wie einen Insolvenzplan und regelmäßige Sachstandsberichte über die Liquiditätsplanung (VK Niedersachsen, Beschluss vom 24.01.2013, VgK 55/2012; nachfolgend OLG Celle, Beschluss vom 18.02.2013, 13 Verg 1/13; vgl. Möhlenkamp, GewArch. Beilage WiVerw Nr. 03/2015, 172-181).

c. Der Einwand der Antragstellerin, die Beigeladene sei technisch nicht leistungsfähig im Sinne des § 19 EG Abs. 5 VOL/A, weil sie nicht über die zur Zwischenlagerung des Abfalls auf dem Eigenbetriebsgelände erforderliche Zertifizierung zur Abfallbehandlung für Abfälle des Abfallschlüssels 20 03 01 verfüge, ist nicht berechtigt. Die Lagerung und Behandlung der Abfälle ist nicht Gegenstand der Vergabe, folglich ist die behördliche Erlaubnis für eine solche Tätigkeit nicht Voraussetzung für die Erteilung des Zuschlags. Gleichwohl muss der Antragsgegner auf einen begründeten Einwand hin dafür Sorge tragen, dass die Vertragserfüllung nicht unter Verstoß gegen geltendes Recht erfolgt.

Die Beigeladene war bereits bei Abgabe des Angebots zertifizierter Entsorgungsbetrieb. Sie ist aufgrund ihrer Möglichkeiten am Betriebshof technisch in der Lage, Abfälle zur effektiveren Ablieferung an der Entsorgungsanlage zwischenzulagern. Erkennbar fehlte ihr aber die Zertifizierung für diesen wenig speziellen Abfallschlüssel und wie sich nach der mündlichen Verhandlung herausgestellt hat, auch an genehmigter Lagerkapazität. Wie der Antragsgegner in seiner Rügeerwiderung dargestellt hat und in den Vergabeunterlagen belegt ist, hat die Beigeladene jedoch eine ergänzende Zertifizierung für diesen Abfallschlüssel und eine Erweiterung der Befugnis zur Lagerung beantragt, sodass die Vergabekammer keinen berechtigten Zweifel daran hat, dass die Beigeladene auch für den Fall, dass sie Abfälle zwischenlagern will, im wesentlichen Zeitraum der Vertragserfüllung über die zur ordnungsgemäßen Auftragserfüllung notwendigen Zertifikate verfügen wird. Die aktuelle Bestätigung des zuständigen Gewerbeaufsichtsamtes lässt keinen Zweifel daran. Da diese Zertifikate nicht bereits mit Angebotsabgabe vorzulegen waren, konnten sie als Nachweis gemäß § 19 EG Abs. 2 VOL/A auch auf eine sehr späte Anforderung hin vorgelegt werden.

d. Das Angebot der Beigeladenen ist nicht wegen fehlender Referenzen gemäß § 19 EG Abs. 3 a VOL/A auszuschließen. Die Antragstellerin meint im Ergebnis zu Recht, die Beigeladene habe mit dem Angebot Referenzen vorlegen müssen. Der Antragsgegner hat in der europaweiten Bekanntmachung unter III.2.3) "Technische Leistungsfähigkeit" eine Liste der wesentlichen in den letzten Jahren erbrachten Leistungen mit Angabe des Rechnungswertes, der Leistungszeit sowie der öffentlichen oder privaten Auftraggeber verlangt, ebenso eine Beschreibung der technischen Ausrüstung. Von dieser verbindlichen Vorgabe darf der Antragsgegner nicht nachträglich abweichen, da die EU-Bekanntmachung bereits die wesentlichen für die Auftragserfüllung notwendigen und vom potentiellen Auftragnehmer zu erbringenden Leistungen und Nachweise nennen muss. Es soll dem potentiellen Auftragnehmer bereits aus der EU-Bekanntmachung erkennbar werden, ob es sich für ihn lohnt, die Vergabeunterlagen anzufordern und in die Vorbereitung des Angebots Ressourcen zu investieren. Würde ein Auftraggeber in der Bekanntmachung zulässigerweise strenge Anforderungen setzen, die dann in den Vergabeunterlagen nicht mehr gefordert werden, so handelt es sich um eine unzulässige Einschränkung des Wettbewerbs.

Gleichwohl ist dem Antragsgegner genau dies hier unterlaufen. Wie unter 2. a) dargestellt, verwendet der Antragsgegner die Formblattserie HVA L-StB. Im dazu gehörenden Formblatt Eigenerklärung Eignung ist ein Feld für die Benennung von Referenzen vorhanden. Der Antragsgegner hat aber diese Referenzen nach dem Inhalt der Vergabeunterlagen nicht abgefordert, weil er an der betreffenden Stelle kein Kreuz vorgegeben hat. Auch in Ziffer 5.1 der Aufforderung zur Angebotsabgabe hat er keine Anforderung gesetzt. Somit hat er in den Vergabeunterlagen fehlerhafterweise keine Eignungsanforderung gestellt, dass vergleichbare Referenzen mit dem Angebot oder nachträglich vorzulegen sind.

Dennoch fühlten sich beide Bieter wohl aufgrund der EU-Bekanntmachung verpflichtet, Referenzen anzugeben, denn sie haben dort selbst Kreuzchen gesetzt, wo der Antragsgegner dies nach seiner Vergabebekanntmachung hätte vornehmen sollen. Ebenso haben beide Bieter Referenzen angegeben. Die Antragstellerin vertritt aufgrund von Rechtsprechung (OLG Dresden, Beschluss vom 17.01.2014Verg 7/13; VK Niedersachsen, Beschluss vom 21.01.2014, VgK-45/2013) die Auffassung, dass auch ohne ausdrückliche Festlegung des öffentlichen Auftraggebers nur vergleichbare Referenzen die technische Leistungsfähigkeit gewährleisten. In der Literatur wird die gegenteilige Auffassung vertreten (Werner in: Willenbruch Wieddekind Vergaberecht Kompaktkommentar, 3. Auflage 4. Los § 7 VOL/A EG Rdnr. 12), weil § 7 EG Abs. 3 a) VOL/A anders als § 6 EG Abs. 3 Nr. 2b VOB/A nicht ausdrücklich die Vergleichbarkeit als Tatbestandsmerkmal enthält. Auch bei Annahme der strengeren Auffassung der Rechtsprechung, zu der die Vergabekammer wie die Antragstellerin neigt, belegen die von der Beigeladenen vorgelegten Referenzen deren auf diesen Auftrag bezogene technische Leistungsfähigkeit. Dabei ist einleitend festzustellen, dass hier eine sehr einfache Dienstleistung zu vergeben ist. Technisch leistungsfähig ist ein Anbieter, dessen Referenzen die Erwartung rechtfertigen, dass er die zu vergebende Leistung genauso gut wie die Referenzleistungen erbringen werde. Je einfacher die zu vergebende Leistung ist, desto geringer sind die Anforderungen an die Vergleichbarkeit. Erfahrungen mit gleichartigen Tätigkeiten werden nur dann gefordert, wenn die zu vergebende Tätigkeit hohe Anforderungen an die Erfahrung stellt. Zwar hat die Vergabekammer Zweifel, ob ein Rücknahmesystem von Alttonern im strengen Sinne mit der hier zu vergebende Leistung gleichartig ist, jedoch ist diese Tätigkeit anspruchsvoller als die zu vergebende Arbeit, so dass die Vergabekammer an einer Referenzfähigkeit dieser Leistung keine Zweifel hat. Die Gestellung und Entleerung von Umleerbehältern ist sogar als Referenzleistung in etwa vergleichbar mit der Einsammlung von Abfällen. Auch die allgemeinen Entsorgungsdienstleistungen einschließlich Entrümpelungen und Behältergestellung sind mit der Abfallsammlung gleichwertig und vergleichbar. Die als Referenz angegebenen Dienstleistungen sind hinsichtlich der Komplexität ohne weiteres mit dem hier zu vergebenden Auftrag vergleichbar und lassen nicht erwarten, dass die Beigeladene an der nicht sonderlich schwierigen Aufgabe, Parkplätze von Abfall zu reinigen, scheitern müsste.

e. Der Einwand der Antragstellerin, die Beigeladene habe keine Fahrzeuge, die dem Fahrzeugpool der Antragstellerin vergleichbar seien, ist vergaberechtlich nicht relevant. Wie oben unter d. dargestellt wurde in der EU-Bekanntmachung unter Ziffer III. 2.3. eine Beschreibung der technischen Ausrüstung abgefordert. Der Antragsgegner hat allerdings weder hier noch später in den Vergabeunterlagen Mindestanforderungen für die technische Ausrüstung gesetzt. Betriebswirtschaftlich ist der Antragstellerin allgemein zuzustimmen, dass ein Fahrzeug mit Presse bei voller Auslastung langfristig wirtschaftlicher sein mag, als der Einsatz eines Fahrzeuges ohne Presse. Es ist jedoch Sache der Beigeladenen, ihr Angebot selbstständig zu kalkulieren. Der Antragsgegner hat das Angebot der Beigeladenen auf Auskömmlichkeit geprüft und keine Beanstandungen festgestellt. Ein wirtschaftliches Risiko der Insolvenz während der Vertragsphase trifft den Antragsgegner. Das Risiko, dass der Auftrag nicht die erhofften Gewinne erwirtschaftet, trifft die Beigeladene. Überdies ist es nicht erforderlich, dass ein Bieter bereits mit Erstellung des Angebotes über alle Betriebsmittel verfügt, die zur Erfüllung des Auftrags erforderlich sind. Es ist durchaus zulässig und nicht unüblich, dass ein Bieter in der sogenannten Rüstphase zwischen der Erteilung des Zuschlags und dem vorgesehenen Vertragsbeginn Einsatzmittel erwirbt, die er erstmalig für den neu gewonnenen Auftrag benötigt. Vergaberechtlich bedenklich ist all dies nicht. Die Antragstellerin verkennt ihre Befugnisse, wenn sie meint festlegen zu können, welche Fahrzeuge für die Auftragserfüllung geeignet sind und welche nicht. Derartige Vorgaben kann allenfalls der Auftraggeber festlegen. Der Bieter bestimmt nicht den Inhalt des zu erfüllenden Auftrags.

f. Ob die Beigeladene Nachunternehmer einsetzt, obliegt ihrer Kalkulationsfreiheit. Die Vergabekammer hat die Unterlagen des Antragsgegners geprüft und festgestellt, dass die Beigeladene nicht gegen die Verpflichtung, die von ihr vorgesehenen Nachunternehmer rechtzeitig zu benennen verstoßen hat. Den von der Antragstellerin behaupteten Verstoß gegen § 18 EG VOL/A wegen einer Angebotsänderung sieht die Vergabekammer nicht, da die Beigeladene nach Prüfung der Vergabeunterlagen alle geforderten Unterlagen rechtzeitig vorgelegt hat.

g. Das Angebot der Beigeladenen ist nicht als ungewöhnlich niedrig auszuschließen. Nach § 19 EG Abs. 6 VOL/A verlangen die Auftraggeber vom Bieter Aufklärung, wenn ein Angebot im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig erscheint. Auf Angebote, deren Preise im offenbaren Missverhältnis zur Leistung stehen, darf der Zuschlag nicht erteilt werden. § 19 EG Abs. 6 S. 2 EG VOL/A dient in erster Linie dem Schutz des Auftraggebers, der davor bewahrt werden soll, Verträge mit Auftragnehmern einzugehen, die wegen einer unauskömmlichen Preiskalkulation in die Gefahr geraten, ihren Leistungsverpflichtungen nicht auftragsgemäß nachkommen zu können. (vgl. VK Bund, Beschluss vom 05.10.2012, VK 3-111/12).

Als Indiz für ein ungewöhnlich niedriges Angebot, welches den öffentlichen Auftraggeber zur Aufklärung des Angebots berechtigt, wird im Allgemeinen ein erheblicher Preisabstand zu den nächst niedrigsten Angeboten angesehen. Im Bereich der VOL/A orientieren sich Rechtsprechung und Schrifttum je nach Branche und je nach individueller Bewegung der Preise auf dem Markt mehrheitlich an einer Aufgreifschwelle von etwa 20 %, ab der der öffentliche Auftraggeber verpflichtet ist, eine Prüfung der Auskömmlichkeit im Interesse der Konkurrenten vorzunehmen (vgl. OLG Brandenburg Beschluss vom 22.03.2011, Verg W 18/10; VK Niedersachsen, Beschluss vom 30.06.2010 - VgK-26/2010). Bezugspunkt ist jeweils das zweitniedrigste Angebot. Die Aufgreifschwelle ist überschritten, wenn das niedrigste Angebot das nächst höhere Angebot um 20 % unterschreitet. Hier liegt der im Rahmen der Akteneinsicht der Antragstellerin offen gelegte Preisunterschied unter 20 %. Die Angebote der Beigeladenen liegen bei 91% bzw. 95% der Angebotspreise der Antragstellerin, so dass für die Antragstellerin jedenfalls nach erfolgter Akteneinsicht keine sachliche Veranlassung mehr bestand, diesen Gesichtspunkt im Nachprüfungsverfahren aufrecht zu erhalten.

Die Vergabekammer hat die Entsorgungspreise der Bieter nicht vergleichen können, da die Antragstellerin ihre Entsorgungspreise nicht offengelegt hat. Stattdessen hat sie mit Anlage 19 im Nachprüfungsverfahren lediglich eine Notwendigkeit zur Preiserhöhung aufgrund gestiegener Entsorgungskosten behauptet. Unter der Annahme, dass die von der Antragstellerin geforderte Preiserhöhung mit den gestiegenen Entsorgungskosten identisch sei, hat die Vergabekammer auch in Kenntnis der von der Beigeladenen angegebenen Entsorgungskosten keine durchgreifenden Zweifel an der Auskömmlichkeit des Gesamtangebots der Beigeladenen.

h. Der Antragsgegner hat nicht gegen seine Dokumentationspflichten verstoßen, weil sich die Bekanntmachung bei der Akteneinsicht nicht in der teilweise zur Wahrung der Betriebsgeheimnisse der Beigeladenen verschlossenen Vergabeakte finden ließ. Die EU-Bekanntmachung gehört nicht zum Mindestgehalt einer Vergabedokumentation gemäß § 24 EG VOL/A. Es besteht kein Zweifel daran, dass eine EU-weite Bekanntmachung stattgefunden hat. Der zuvor aus der Vergabeakte des Antragsgegners gescannte Text der EU-Bekanntmachung wurde der Antragstellerin im Termin zur Akteneinsicht neu ausgedruckt und übergeben. Die Antragstellerin hat nicht substantiiert dargelegt, worin sich die von ihr behaupteten unterschiedlichen Fassungen der EU- Bekanntmachung voneinander unterscheiden, und welcher Nachteil ihr durch die angeblichen Unterschiede in den Bekanntmachungen entstanden sein soll.

III. Kosten

Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB in der seit dem 26.06.2013 geltenden Fassung.

Die in Ziffer 2 des Tenors festgesetzte Gebühr ergibt sich aus einer Interpolation des Auftragswertes innerhalb des Gebührenrahmens nach § 128 Abs. 2 GWB. Die von der Vergabekammer festzusetzende regelmäßige Mindestgebühr beträgt 2.500 €, die Höchstgebühr 50.000 € und die Höchstgebühr in Ausnahmefällen 100.000 €.

Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes in der zzt. gültigen Fassung vom Dezember 2009. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 € (§ 128 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 € zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000 € (§ 128 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. € (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996-1998) gegenübergestellt. Dazwischen wird interpoliert.

Der zu Grunde zu legende Auftragswert beträgt nach dem Angebot der Antragstellerin xxxxxx € brutto. Dieser Betrag entspricht dem Interesse der Antragstellerin am Auftrag.

Bei einer Ausschreibungssumme von xxxxxxx € brutto ergibt sich eine Gebühr in Höhe von xxxxxx €. Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten oder Kosten durch Zeugenvernehmungen in der mündlichen Verhandlung sind nicht angefallen.

Die in Ziffer 3 des Tenors verfügte Kostenlast folgt aus § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Nachprüfungsverfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Für die Ermittlung des Unterliegens ist nicht auf einen etwaigen Antrag abzustellen. Gemäß § 114 GWB ist die Vergabekammer an Anträge nicht gebunden und kann auch unabhängig davon auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens einwirken. Da die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren unterlegen ist, hat sie die Kosten zu tragen.

Gemäß Ziffer 4 des Tenors hat die Antragstellerin dem Auftraggeber als Antragsgegner die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Aufwendungen gemäß § 128 Abs. 4 GWB zu erstatten.

Etwaige Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig. Nach § 128 Abs. 4 Satz 2 GWB sind Aufwendungen des Beigeladenen nur erstattungsfähig, wenn die Vergabekammer sie aus Billigkeitsgründen der unterlegenen Partei auferlegt. Dabei setzt die Erstattungsfähigkeit voraus, dass der Beigeladene sich mit demselben Rechtsschutzziel wie der obsiegende Verfahrensbeteiligte aktiv am Nachprüfungsverfahren beteiligt hat (OLG Brandenburg, Beschluss vom 9.02.2010 - Verg W 10/09, zitiert nach Tz. 46; OLG Celle Beschluss vom 29.06.2010, 13 Verg 4710 zit. nach ibr-online). Hier hat die Beigeladene sich nicht schriftsätzlich geäußert. Sie war im Termin anwesend, allerdings ohne Anträge zu stellen. Es gibt daher keinen Grund, sie in die Kostenentscheidung mit einzubeziehen.

Die Antragstellerin wird aufgefordert, innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses den Betrag von xxxxxx € unter Angabe des Kassenzeichens

xxxxxx

auf folgendes Konto zu überweisen:

xxxxxx

IV. Rechtsbehelf

...

Gaus
Gause
Kämmle