Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 24.09.2014, Az.: 13 Verg 9/14

Auslegung eines Vergabeprüfungsantrags hinsichtlich des Antragsgegners; Zulässigkeit eines Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
24.09.2014
Aktenzeichen
13 Verg 9/14
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 22429
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2014:0924.13VERG9.14.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VK Niedersachsen - VgK - 17/14 - 10.07.2014

Fundstellen

  • BauR 2015, 316
  • IBR 2014, 684
  • NZBau 2014, 5
  • NZBau 2014, 784-790
  • Vergabe-News 2014, 139-140
  • VergabeR 2015, 60-69
  • ZfBR 2015, 199-204

Amtlicher Leitsatz

1. Die Angabe der Vergabestelle als Antragsgegnerin im Nachprüfungsverfahren und im Verfahren der sofortigen Beschwerde ist regelmäßig dahingehend auszulegen, dass Antragsgegner die hinter der Vergabestelle stehende juristische Person ist, für die die Vergabestelle gehandelt hat.

2. Zur Wahl eines Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb.

3. Dass ein dringender Grund für die Wahl eines Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb fehlt, ist nicht deshalb i.S.d. § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, 3 GWB erkennbar, weil die Dringlichkeit nicht näher begründet ist.

4. Einer Bieterin droht aufgrund der fehlerhaften Wahl des Verhandlungsverfahrens ein Schaden i.S.d. § 107 Abs. 2 Satz 2 GWB unabhängig davon, ob ihr bisher abgegebenes Angebot zuschlagsfähig war und ob der Auftraggeber tatsächlich Verhandlungen mit anderen Bietern geführt hat.

Tenor:

Der Beschluss der Vergabekammer Niedersachsen beim Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr vom 10. Juli 2014

(Az.: VgK - 17/2014) wird aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass der unter dem 15. Mai 2014 erteilte Zuschlag im Vergabeverfahren "Beschaffung von Hauptmaschinen für ein Küstenboot W 3", Geschäftszeichen 03.34-02435-GPJ-018/2014, auf das Angebot der Z. P. S. GmbH & Co. KG gemäß § 101 b Abs. 1 Nr. 1 GWB von Anfang an unwirksam ist.

Dem Antragsgegner wird aufgegeben, das Vergabeverfahren in den Stand vor der Wahl der Verfahrensart zurückzuversetzen und einen Vertrag über die Beschaffung von Hauptmaschinen für ein Küstenboot W 3 bei fortbestehender Beschaffungsabsicht erst nach erneuter Durchführung eines unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats gestalteten Verfahrens abzuschließen.

Der Antragsgegner und die Beigeladene haben als Gesamtschuldner die für die Amtshandlungen der Vergabekammer entstandenen Kosten zur Hälfte zu tragen. Der Antragsgegner und die Beigeladene haben der Antragstellerin jeweils ein Viertel ihrer zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung vor der Vergabekammer entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten. Die Hinzuziehung des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin war notwendig.

Die Antragstellerin hat die für die Amtshandlungen der Vergabekammer entstandenen Kosten zur Hälfte zu tragen. Sie hat dem Antragsgegner und der Beigeladenen jeweils die Hälfte ihrer zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung vor der Vergabekammer entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten. Die Hinzuziehung des Verfahrensbevollmächtigten der Beigeladenen war notwendig.

Der Antragsgegner und die Beigeladene haben die Kosten des Verfahrens der sofortigen Beschwerde einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Antragstellerin zu tragen.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 66.163,43 € festgesetzt.

Gründe

A.

Der Antragsgegner schrieb im April 2014 die Beschaffung von Hauptmaschinen für ein Küstenboot der W. im "beschleunigten Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb" aus. Die Vergabeunterlagen versandte er an drei ausgewählte Anbieter, u. a. an die Antragstellerin und die Beigeladene. Die Unterlagen enthielten Mindestanforderungen für die anzubietenden Maschinen. Der Zuschlag sollte auf das Angebot mit dem niedrigsten Preis erteilt werden. Nach Nr. 1.15 der Leistungsbeschreibung "Allgemeiner Teil" (Teil A) sollte - "auf Grund der besonderen Dringlichkeit" die Informationspflicht nach § 101 GWB entfallen. Eine weitere ausdrückliche Begründung hierfür oder für die gewählte Verfahrensart enthielten die Ausschreibungsunterlagen nicht.

Nach Ablauf des Termins für die späteste Zuschlagserteilung am 16. Mai 2014 stellte die Antragstellerin auf Grund der öffentlichen Bekanntmachung der Zuschlagserteilung fest, dass der Antragsgegner den Zuschlag an die Beigeladene erteilt hatte. Daraufhin erhob die Antragstellerin am 19. Mai 2014 "Einspruch" gegen den Zuschlag und führte aus, dass das Angebot der Beigeladenen nicht den Mindestanforderungen entsprechen könne. Nach anwaltlicher Beratung rügte sie am 26. Mai 2014 auch die Wahl eines Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb und den Verzicht auf eine Vorabinformation der Bieter. Der Antragsgegner wies diese Rügen zurück. Daraufhin beantragte die Antragstellerin die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens mit dem Antrag, die Unwirksamkeit der Zuschlagserteilung festzustellen und das Angebot der Beigeladenen auszuschließen, hilfsweise das Vergabeverfahren in den Stand vor der Bekanntmachung zurück zu versetzen.

Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag zurückgewiesen. Die Antragstellerin sei mit ihren Rügen der Verfahrenswahl und der fehlenden Vorabinformation präkludiert.

Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer sofortigen Beschwerde.

Sie beantragt,

den angefochtenen Beschluss der Vergabekammer Niedersachsen abzuändern und wie folgt neu zu fassen:

1. Es wird festgestellt, dass der unter dem 15. Mai 2014 erteilte Zuschlag im Vergabeverfahren "Beschaffung von Hauptmaschinen für ein Küstenboot W 3", Geschäftszeichen 03.34-02435-GPJ-018/2014, auf das Angebot der Z. P. S. GmbH & Co. KG gemäß § 101 b Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 GWB von Anfang an unwirksam ist.

2. Dem Antragsgegner wird aufgegeben, das Vergabeverfahren in den Stand vor der Bekanntmachung zurück zu versetzen und einen Vertrag über die Beschaffung von Hauptmaschinen für ein Küstenboot W 3 erst nach Durchführung eines unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats gestalteten europaweiten offenen Verfahrens abzuschließen.

Der Antragsgegner beantragt,

die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Vergabekammer Niedersachsen beim Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr vom 10. Juli 2014 (VgK-17/2014) zurückzuweisen.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Wegen des weiteren Vorbringens der Verfahrensbeteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

B.

Die zulässige - insbesondere frist- und formgerecht erhobene - sofortige Beschwerde ist begründet. Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist zulässig und begründet.

I.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.

1. Der Antragsgegner ist sowohl partei- als auch beteiligtenfähig. Parteifähig ist entsprechend § 50 Abs. 1 ZPO, wer rechtsfähig ist. Zwar ist als Antragsgegner sowohl in dem Nachprüfungsantrag als auch in der Beschwerdeschrift das L. N. bezeichnet, das als bloße Behörde nicht selbst rechtsfähig und damit nicht parteifähig ist (vgl. Senat, Beschluss vom 8. November 2012 - 13 Verg 7/12, juris Tz. 25). Diese Bezeichnung ist jedoch auslegungsfähig. Sie ist dahingehend auszulegen, dass Antrags- und Beschwerdegegner das Land Niedersachsen ist.

Die Anforderungen an einen Nachprüfungsantrag, der unter hohem Zeitdruck gestellt werden muss, dürfen nicht überspannt werden. Ungewissheiten hinsichtlich des Auftraggebers sind von Amts wegen aufzuklären und gehen nicht zu Lasten des Bieters. Es ist deshalb anerkannt und entspricht gängiger Übung, dass sich der Bieter im Nachprüfungsantrag darauf beschränken kann, die Vergabestelle als Antragsgegner zu nennen. Selbst bei anwaltlich vertretenen Bietern steht dies der Zulässigkeit des Verfahrens nicht entgegen, sofern sich aus der Antragsschrift bzw. den Anlagen zweifelsfrei ergibt, welcher konkrete Beschaffungsvorgang bzw. welche Ausschreibung zur Überprüfung gestellt wird. Die Vergabekammer oder der Senat berichtigen dann von Amts wegen das Rubrum (OLG München, Beschluss vom 31. Mai 2012 - Verg 4/12, juris Tz. 15; Möllenkamp in: Kulartz/Kus/Portz, GWB-Vergaberecht, 3. Aufl., § 108 Rdnr. 20 f.; Summa in: jurisPK-Vergaberecht, 4. Aufl., § 108 Rdnr. 30 f.; noch weitergehender, wenn auch bezogen auf den Sonderfall mehrerer Auftraggeber: OLG Naumburg, Beschluss vom 23. Februar 2012 - 2 Verg 15/11, juris Tz. 29).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist hier das Rubrum - wie geschehen - zu berichtigen. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die richtige Bezeichnung des Auftraggebers auch dadurch erschwert war, dass der tatsächliche Auftraggeber in den Ausschreibungsunterlagen nicht ausdrücklich bezeichnet war. Im Gegenteil ist er auf Seiten 2 f. des Aufforderungsschreibens zur Angebotsabgabe vom 11. April 2014 mit derjenigen Stelle gleichgesetzt, bei der die Angebote einzureichen waren. Dies war das L. N. Auch bei der Zuschlagserteilung mit Schreiben vom 15. Mai 2014 hat dieses nicht ausdrücklich klargestellt, für eine dritte Person zu handeln. Gleiches gilt für die Bestellung vom 23. Mai 2014 (deren Briefkopf allerdings in den Vergabeakten nicht abgedruckt ist). Als Rechnungsempfänger war dort ebenfalls das L. N. angegeben.

Diese Auslegung widerspricht nicht den Grundsätzen, die der Senat in seiner Entscheidung vom 8. November 2012 (13 Verg 7/12, juris) zu Grunde gelegt hat. Dort hat sich die Antragstellerin gerade nicht darauf beschränkt, als Antragsgegner die die Vergabestelle zu nennen, sondern hat aufgrund einer eigenen rechtlichen Bewertung ausdrücklich einen von zwei in Betracht kommenden öffentlichen Auftraggebern als Antragsgegner bezeichnet. Diese rechtliche Wertung war dort nach der Auffassung des Senats unzutreffend. Eine Auslegung, nach der der Nachprüfungsantrag gegen den anderen in Betracht kommenden öffentlichen Auftraggeber gerichtet sein sollte, schied aus.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass vorliegend bereits die Vergabekammer die Bezeichnung des Auftraggebers und Antragsgegners in dem Nachprüfungsantrag ausgelegt und nur eine ausdrückliche Rubrumsberichtigung unterlassen hat. Unter II. 1. a) des angefochtenen Beschlusses (Seite 9) hat sie als Antragsgegner und öffentlichen Auftraggeber das Land Niedersachsen bezeichnet.

Das Land Niedersachsen wird in dem vorliegenden Verfahren von dem L. N. vertreten, so dass es das Ergebnis u. a. des Verfahrens vor der Vergabekammer sowie die in dem Nachprüfungsverfahren und Beschwerdeverfahren ergangenen Zustellungen gegen sich gelten lassen muss (vgl. dazu: Summa, aaO. Rdnr. 31). Die Vertretung des Landes ist grundsätzlich durch den gemeinsamen Runderlass der Staatskanzlei und sämtlicher Ministerien vom 12. Juli 2012 (Nds. MBl. 2012, 578) geregelt. Eine ausdrückliche Regelung der Vertretung in Vergabenachprüfungsverfahren und Verfahren der sofortigen Beschwerde nach § 116 GWB fehlt dort. Vor den ordentlichen Gerichten wird das Land Niedersachsen durch den Landesbetrieb L. N. innerhalb dessen Aufgabenbereichs nach IV. B. 28 des vorgenannten Runderlasses vertreten. Vor Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit wird das Land nach V. 2. c) des Runderlasses durch diejenige Behörde vertreten, die für die streitige Angelegenheit sachlich zuständig ist. Mangels ausdrücklicher abweichender Regelung bestimmt sich die Vertretungsbefugnis für Nachprüfungsverfahren und Verfahren der sofortigen Beschwerde in Analogie zu diesen Regelungen.

Nach dieser Erlasslage wird das Land Niedersachsen hier von dem L. N. vertreten. Sowohl die Durchführung des Vergabeverfahrens als auch des Nachprüfungsverfahrens und des Verfahrens der sofortigen Beschwerde fallen nach dem übereinstimmenden Vortrag des Antragsgegners und der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung nach der Beschaffungsordnung in den Aufgaben- und Zuständigkeitsbereich dieses Landesbetriebes. Dass die Beschaffung letztlich für den Bereich der P. N. erfolgen sollte, ist unerheblich.

2. Der Antragsgegner hat als öffentlicher Auftraggeber einen entgeltlichen Vertrag über die Beschaffung von Lieferleistungen im Sinne des § 99 Abs. 1, 2 GWB ausgeschrieben und vergeben. Auf die zutreffenden Ausführungen der Vergabekammer zur Einordnung des Auftrages als Lieferauftrag und nicht als Bauauftrag unter II. 1. a) des angefochtenen Beschlusses wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.

3. Der Auftrag übersteigt den nach § 100 Abs. Satz 2 Nr. 1, § 127 Nr. 1 GWB i. V. m. § 2 Abs. 1 VgV, Artikel 7 RL 2004/18/EG, Artikel 2 VO (EU) Nr. 1336/13 maßgeblichen Schwellenwert von 207.000,00 €.

4. Die Antragstellerin ist antragsbefugt gem. § 107 Abs. 2 GWB.

a) Die Antragstellerin hat ein Interesse an dem Auftrag. Dies bedarf keiner weiteren Darlegung, weil sie in dem Vergabeverfahren ein Angebot abgegeben hat.

b) Die Antragstellerin hat weiter eine Verletzung in ihren Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend gemacht. Insoweit reicht es aus, dass nach der Darstellung des das Nachprüfungsverfahren betreibenden Unternehmens eine Verletzung eigener Rechte möglich erscheint (BGH, Beschluss vom 10. November 2009 - X ZB 8/09, juris Tz. 27). Sie hat insbesondere vorgebracht, dass die Wahl des Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb gem. § 3 Abs. 4 lit d) VOL/A EG vergabewidrig sei. Damit hat die Antragstellerin Umstände vorgetragen, die - wenn sie zutreffen - ergeben, dass der Antragsgegner Bestimmungen über das Vergabeverfahren missachtet hat. Die Vorschriften über die Wahl der richtigen Verfahrensart sind bieterschützend und begründen subjektive Rechte im Sinne von § 97 Abs. 7 GWB (vgl. im Ergebnis: BGH aaO.; Hausmann/v. Hoff in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, 3. Aufl., § 3 EG Rn. 5 m. w. N.).

Auf die Rüge der weiteren Vergabeverstöße kommt es insoweit nicht mehr entscheidend an.

c) Schließlich hat die Antragstellerin dargelegt, dass ihr schon durch die gerügte falsche Verfahrenswahl ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht (§ 107 Abs. 2 Satz 2 GWB).

aa) Die Antragstellerin hat geltend gemacht, dass das Vergabeverfahren in der jetzigen Form nicht weitergeführt werden könne und eine Neuausschreibung in einem europaweiten offenen Verfahren erforderlich sei. Aus ihren Ausführungen ergibt sich, dass auf Seiten des Antragsgegners weiterhin ein Beschaffungsbedarf bestehe und sie selbst Interesse an einer Erteilung des Zuschlags habe und sich deswegen an einer neuen Ausschreibung beteiligen werde.

Dieses Vorbringen ist ausreichend. Einem Bieter, der sich an dem Vergabeverfahren durch die Abgabe eines Gebotes beteiligt hat, droht regelmäßig auch dann im Sinne von § 107 Abs. 2 Satz 2 GWB ein Schaden durch eine Verletzung von Vergabevorschriften, wenn das eingeleitete Vergabeverfahren aufgrund der Wahl der falschen Verfahrensart nicht durch Zuschlag beendet werden darf und zur Bedarfsdeckung eine Neuausschreibung in Betracht kommt (BGH, aaO., Tz. 31; vgl. allg. auch BGH, Beschluss vom 26. September 2006 - X ZB 14/06, juris Tz. 30 f.).

Der Bundesgerichtshof hat die Annahme eines drohenden Schadens in der vorgenannten Entscheidung vom 10. November 2009 damit begründet, ausreichend sei die Möglichkeit einer Verschlechterung der Aussichten des den Nachprüfungsantrag stellenden Bieters in Folge der Nichtbeachtung von Vergabevorschriften. Eine solche Verschlechterung sei dort in Betracht gekommen. Im Verhandlungsverfahren sei jeder Bieter der ansonsten nicht gegebenen Gefahr ausgesetzt, im Rahmen von Nachverhandlungen von einem Mitbewerber unterboten zu werden; bereits dies könne seine Zuschlagschancen beeinträchtigen (aaO., Tz. 32 f.).

Im vorliegenden Fall hat sich diese dem Verhandlungsverfahren innewohnende Möglichkeit zwar nicht zu Lasten der Antragstellerin ausgewirkt. Der Antragsgegner hat keine Verhandlungen durchgeführt. Das Angebot der Beigeladenen wies von vornherein einen günstigeren Preis als das Angebot der Antragstellerin aus. Jedoch genügt nach der vorzitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs bereits die abstrakte Gefahr der Verschlechterung einer Bieterposition durch Verhandlungen mit anderen Bietern, die dem Verhandlungsverfahren innewohnt. Auch dort war der Zuschlag mittlerweile erteilt worden (aaO., Tz. 11). Dass der dortige Auftraggeber mit dem - zunächst - erfolgreichen Bieter Verhandlungen tatsächlich geführt hätte, ist nicht festgestellt und war für den Bundesgerichtshof nicht entscheidungserheblich. Eine solche Einschränkung widerspräche auch dem der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 26. September 2006 (aaO.) zugrunde liegenden Grundsatz.

Letztlich kann die Problematik, inwieweit sich mit der möglicherweisen falschen Verfahrenswahl verbundene Nachteile konkret ausgewirkt haben müssen, hier aber offen bleiben. Der Antragstellerin drohte aufgrund der -behaupteten falschen Verfahrenswahl bereits deshalb ein Schaden im Sinne des § 107 Abs. 2 Satz 2 GWB, weil mit dieser Verfahrenswahl die weitere Entscheidung des Antragsgegners verbunden war, von einer Vorabinformation nach § 101 a Abs. 2 GWB abzusehen. Hierdurch hat er der Antragstellerin die Möglichkeit genommen, die Einwendungen gegen die Zuschlagsfähigkeit des Angebotes der Beigeladenen bereits vor Zuschlagserteilung vorzubringen. Diese Einwendungen waren jedenfalls nicht von vornherein von der Hand zu weisen. Es ist deshalb nicht auszuschließen, dass der Antragsgegner bei Kenntnis dieser Einwendungen vor Zuschlagserteilung mangels endgültiger Festlegung eher Anlass gesehen hätte, diesen in der Sache nachzugehen, wodurch sich die Chancen der Antragstellerin hätten verbessern können. Auch diesen drohenden Schaden hat die Antragstellerin dargelegt.

bb) Ob das Angebot der Antragstellerin selbst zuschlagsfähig war, was die Beigeladene in Zweifel zieht, ist unerheblich. Der Zugang zum Nachprüfungsverfahren darf nicht mit der Begründung zu verwehrt werden, das Angebot des Antragstellers sei aus anderen als den zur Überprüfung gestellten Gründen auszuscheiden gewesen (BGH, Beschluss vom 26. September 2006, aaO. Tz. 32).

5. Die Antragstellerin ist mit der Rüge der falschen Verfahrenswahl nicht präkludiert.

a) Eine Präklusion käme in entsprechender Anwendung von § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB in Betracht, wenn der Verstoß gegen Vergabevorschriften in den Vergabeunterlagen erkennbar gewesen wäre. An die Stelle der in § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB genannten Rügefrist bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung benannten Frist zur Angebotsabgabe tritt in entsprechender Anwendung dieser Vorschrift die in den Vergabeunterlagen benannte Frist zur Angebotsabgabe (OLG Brandenburg, Beschluss vom 20. September 2011-Verg W 11/11, juris Tz. 58 m. w. N.; a.A. allerdings Summa in: jurisPK Vergaberecht, 4. Aufl., § 107 GWB Rn. 251). Innerhalt dieser Frist hat die Antragstellerin die Wahl der Vergabeart nicht gerügt.

b) Entgegen der Auffassung der Vergabekammer war es für die Antragstellerin nach den Vergabeunterlagen nicht erkennbar, dass die getroffene Wahl des Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb fehlerhaft erfolgt ist. Dabei kann offen bleiben, ob die Antragstellerin - wovon die Vergabekammer ausgegangen ist - mit der Regelung der Vergabeverfahrensarten gut bewandert ist und ob der Umstand, dass es sich nach den Feststellungen der Vergabekammer bei allen Vergabeverfahren, in denen die Antragstellerin den Zuschlag erhalten hat, um Verhandlungsverfahren handelte (dabei in rund der Hälfte der Verfahren um solche ohne vorherigen Teilnahmewettbewerb), für ein individuell gesteigertes Problembewusstsein oder vielmehr dafür spricht, dass die Antragstellerin solche Vergabeverfahren nicht als seltene Ausnahmefälle ansehen musste. Selbst wenn einem Bieter im Allgemeinen und der Antragstellerin im Besondern bekannt sein mag oder sein muss, dass das gewählte Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb nur in Ausnahmefällen in Betracht kommt, ergaben sich vorliegend aus den Vergabeunterlagen doch keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass ein solcher Ausnahmefall hier nicht vorlag.

aa) § 101 GWB und § 3 VOL/A EG begründen eine Hierarchie der Verfahrensarten. Die Vergabe von Aufträgen über Liefer- und Dienstleistungen oberhalb der Schwellenwerte des § 2 VgV erfolgt gem. § 3 Abs. 1 VOL/A EG grundsätzlich im offenen Verfahren, in begründeten Ausnahmefällen kann ein nicht offenes Verfahren gewählt werden, § 3 Abs. 2 VOL/A EG. Nur unter besonderen Voraussetzungen dürfen das Verhandlungsverfahren mit oder ohne Teilnahmewettbewerb gewählt werden, § 3 Abs. 3, 4 VOL/A EG. Dabei ist das Verhandlungsverfahren ohne Vergabebekanntmachung gegenüber dem Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung wiederum nur in engen Ausnahmefällen zulässig. Nach dem hier in Betracht kommenden § 3 Abs. 4 d) VOL/A EG kann ein Auftrag in einem Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb vergeben werden, soweit dies unbedingt erforderlich ist, wenn aus dringlichen zwingenden Gründen, die die Auftraggeber nicht voraussehen konnten, die vorgeschriebenen Fristen nicht eingehalten werden können; die Umstände, die die zwingende Dringlichkeit begründen, dürfen dabei auf keinen Fall dem Verhalten der Auftraggeber zuzuschreiben sein. Dieser Tatbestand ist eng auszulegen (Kulartz in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, 3. Aufl., § 3 EG Rn. 59). Als zwingende und dringliche Gründe kommen nur akute Gefahrensituationen und höhere Gewalt in Betracht, die zur Vermeidung von Schäden für Leib und Leben der Allgemeinheit ein sofortiges, die Einhaltung von Fristen ausschließendes Handeln erfordern. Ebenso hohe Anforderungen sind an die Unvorhersehbarkeit des Ereignisses zu stellen (Senat, Beschluss vom 29. Oktober 2009 - 13 Verg 8/09, juris Tz. 63).

bb) Aus den Vergabeunterlagen ergab sich nicht, dass diese Voraussetzungen für die getroffene Wahl der Verfahrensart fehlten.

In dem Betreff des Bieteranschreibens vom 11. April 2014 war lediglich das gewählte Verfahren ("Beschleunigtes Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb gem. § 3 Abs. 4 lit d) VOL/A-EG") bezeichnet. Im ersten Absatz des Anschreibens war festgehalten, dass der Auftrag bis spätestens zum 1. Februar 2015 abgewickelt sein müsse, was für sich genommen zumindest für eine objektiv bestehende Dringlichkeit sprach. In Nummer 1.15 der Leistungsbeschreibung Teil A war - wiederum ohne nähere Begründung - festgestellt, aufgrund "der besonderen Dringlichkeit" entfalle die Informationspflicht nach § 101 a GWB (§ 101 a Abs. 2 GWB). Hieraus ist für den Empfänger des Schreibens zunächst nur zu entnehmen, dass der Auftraggeber nach Prüfung eine besondere Dringlichkeit angenommen hat.

Die Leistungsbeschreibung Teil B enthält demgegenüber einzelne Angaben, aus denen Rückschlüsse auf die Gründe für die vorgenommene Ausschreibung gezogen werden könnten: Im Abschnitt "Allgemeines" ist dargelegt, dass das betreffende Polizeiküstenboot zu keiner Zeit nach seiner Indienststellung eine zufriedenstellende Fahrgeschwindigkeit erreicht habe. Im Jahr 2013 sei eine dies betreffende Bewertung der Fahreigenschaften vorgenommen worden. Die zu geringe Geschwindigkeit resultiere aus dem Bau des Fahrzeuges aus Stahl, wohingegen die Planungen ursprünglich einen Bau komplett aus Aluminium vorgesehen hätten. Für sein Gewicht sei das Schiff daher untermotorisiert. Die gemittelte Fahrgeschwindigkeit habe eine Geschwindigkeit von 16,8 Knoten erbracht. Demgegenüber sei ausgerechnet worden, dass eine Geschwindigkeit von 19,6 Knoten bei einer Maschinenleistung von 1.440 kW pro Maschine erreichbar sei. Ausweislich der angegebenen Leistungsdaten wiesen die bislang eingebauten Maschinen eine Leistung von je 1.170 kW auf.

Wäre die Annahme der besonderen Dringlichkeit in den Vergabeunterlagen ausdrücklich oder sonst erkennbar mit diesem Sachverhalt begründet worden, spräche viel für die Erkennbarkeit einer fehlerhaften Wahl der Verfahrensart. Tatsächlich standen diese Ausführungen indes weder in einem Zusammenhang mit der Annahme einer besonderen Dringlichkeit noch erfolgten sie aus Sicht des maßgeblichen Empfängerhorizontes der angesprochenen Adressaten zur Begründung einer solchen Annahme. Eine solche Begründung war nicht notwendig. Der dargelegte Sachverhalt war auch offensichtlich ungeeignet, eine besondere Dringlichkeit zu begründen. Auch wenn der genaue Zeitpunkt der Indienststellung (der ausweislich der Erörterungen in der Verhandlung vor der Vergabekammer im Jahr 2000 lag; Bl. 756 VA) nicht genannt war, lag es doch nahe, dass diese bereits längere Zeit zurück lag mithin die tatsächlich erreichbare Geschwindigkeit des Polizeiküstenboots bereits seit längerem hinter der rechnerisch erreichbaren Geschwindigkeit zurückblieb. Dass dies gravierendere Folgen gehabt hätte, ist nicht ersichtlich. Aus der Darlegung ergab sich darüber hinaus, dass dieser Sachverhalt bereits längere Zeit bekannt war. Die Annahme, die Angaben seien zur Erläuterung einer besonderen Dringlichkeit erfolgt, lag daher fern. Die Angaben waren vielmehr damit zu erklären, dass die Erhöhung der Maschinenleistung, die in der Ausschreibung gefordert wurde, gegenüber der Leistung der ursprünglich eingebauten Maschinen erläutert werden sollte. Damit bestanden aber für den Adressaten keine Anhaltspunkte dafür, dass die angenommene Dringlichkeit nicht auf anderen nicht mitgeteilten Umständen beruhte.

Weiter war in der Leistungsbeschreibung Teil B auf Seite 3, Abs. 4 angegeben, dass die Anlieferung an eine noch über eine Ausschreibung zu bestimmende Werft für den Einbau erfolgen müsse, ein Wertaufenthalt ab Oktober 2014 für ca. 6 Monate geplant sei und die Lieferung aus diesem Grund bis zum 1. Februar 2015 erfolgen müsse. Auch diese Umstände lassen für den Adressaten nicht hinreichend erkennen, dass es an einer Dringlichkeit des Beschaffungsbedarfs fehle oder dieser vorhersehbar gewesen sei. Insbesondere schließt dies - auch in Zusammenschau mit den vorgeschilderten Umständen - nicht aus, dass zusätzlich zu der bereits von Anfang an bestehenden Untermotorisierung kurzfristig weitere Umstände hinzugetreten wären, die eine Dringlichkeit des Beschaffungsbedarfs begründeten, so etwa ein unvorhersehbarer Defekt der Maschinen, aufgrund dessen diese nicht mit voller Leistung gefahren werden können, sodass sich die tatsächliche erreichbare Geschwindigkeit weiter erheblich reduzierte. Nach den Ausschreibungsunterlagen wäre auch ein Totalausfall der Maschinen als Grund für die Neubeschaffung nicht ausgeschlossen. Dass ein Werftaufenthalt erst für die Zukunft geplant war, steht dem nicht entgegen, weil früher Werftkapazitäten nicht zur Verfügung gestanden haben mögen oder Ersatzmaschinen ohnehin nicht früher lieferbar gewesen wären.

Eine solche akute und unvorhersehbare Einschränkung der Einsatzbereitschaft des Polizeiküstenbootes, aufgrund derer dieses nicht mehr zur Gefahrenabwehr einsetzbar gewesen wäre, hätte aus Sicht eines Bieters die getroffene Wahl der Verfahrensart rechtfertigen können. Allein aufgrund der Möglichkeit einer solchen akuten Notlage war der in der Wahl der Verfahrensart liegende Verfahrensverstoß aufgrund der Vergabeunterlagen nicht erkennbar. Ob der vorgesehene Beschaffungsweg, bei dem der Auftraggeber die Maschinen selbst erwirbt und einer Werft zum Einbau zur Verfügung stellt, anstatt eine Werft mit der Remotorisierung und dem Einkauf der Maschinen zu beauftragen, ungewöhnlich ist und üblicherweise nur bei dem Ausfall einer Maschine gewählt wird, was die Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat, kann offen bleiben.

Ausweislich des in den Vergabeakten enthaltenen Vermerks zur Wahl des Vergabeverfahrens vom 2. April 2014 sollte den Vergabeunterlagen zwar ein Vermerk "Verkürzte Ausschreibung zur Remotorisierung des 'Polizeiküstenbootes W3'" beigefügt werden, bei dem es sich nach dem Schriftsatz des Antragsgegners vom 27. Juni 2014 (Bl. 468 VA) um das Schreiben der Z. P. N. an das L. N. vom 17. März 2014 handelte. Dieser Vermerk war den an die potenziellen Bewerber übersandten Unterlagen jedoch nicht beigefügt.

Sonstige Umstände, die im Zusammenhang mit den Vergabeunterlagen die Erkennbarkeit des Vergabeverstoßes begründen könnten (vgl. dazu Wiese in: Kulartz/Kus/Portz, § 107 GWB Rn. 122), sind nicht dargelegt oder ersichtlich. Soweit sich die Beigeladene darauf berufen hat, die aktuell eingebauten Maschinen seien von der Antragstellerin produziert worden, weshalb diese die laufenden Wartungsarbeiten durchführen und hierdurch Kenntnis davon haben dürfte, ob die Maschinen defekt wären, handelt es sich um eine unbeachtliche Spekulation.

cc) Der mögliche Fehler der Verfahrenswahl war entgegen der dem angefochtenen Beschluss wohl mit zugrundeliegenden Auffassung auch nicht deshalb erkennbar, weil die der Antragstellerin übersandten Unterlagen keine konkreten Angaben zur Dringlichkeit enthielten. Es ist nicht ersichtlich, dass selbst ein in Vergabesache erfahrener Bieter eine solche Begründung der Dringlichkeit erwartet.

Dass fehlende Erläuterungen einer Verfahrenswahl die Erkennbarkeit eines möglichen Vergabeverstoßes begründeten, folgt auch nicht aus dem Beschluss des OLG Brandenburg vom 20. September 2011. Das OLG Brandenburg hat dort (Verg W 11/11, juris Tz. 63) maßgeblich darauf abgestellt, dass das Fehlen einer besonderen Dringlichkeit aufgrund der Art der zu beschaffenden Waren und Leistungen und anhand der Verfahrensgestaltung erkennbar gewesen sei; die Beschaffung von Endoskopiegeräten stelle einen "normalen Beschaffungsvorgang" dar, die Zuschlags- und Bindefrist sei auf mehrere Monate festgelegt gewesen (aaO. Tz. 64). Vergleichbare Anhaltspunkte fehlen hier. Die Beschaffung von Schiffsmaschinen für ein Polizeiboot kann durchaus hinreichend dringlich sein. Sowohl die Angebots- als auch die Bindefrist waren knapp bemessen.

dd) Im Ausgangspunkt geht der angefochtene Beschluss zwar zutreffend davon aus, dass aufgrund der Ausschreibungsunterlagen Anhaltspunkte dafür bestanden, dass es sich bei der Wahl der Verfahrensart und auch bei dem Wegfall der Informationspflicht nach § 101 a GWB um Ausnahmen handelte. Ob dies auch für die Antragstellerin unter Berücksichtigung ihrer individuellen Kenntnisse erkennbar war, kann offen bleiben. Auch wenn hiernach Verdachtsmomente dafür bestanden haben mögen, dass die engen Voraussetzungen für die getroffene Verfahrenswahl nicht erfüllt waren, begründet dies doch keine Rügeobliegenheit. Maßgeblich ist vielmehr, ob sich das Vorliegen eines Vergaberechtsverstoßes im Einzelfall aufdrängte (Summa in: jurisPK-Vergaberecht, § 107 GWB Rn. 258). Der Verstoß muss so offensichtlich sein, dass er einem durchschnittlich erfahrenen Bieter bei der Vorbereitung seines Angebots bzw. seiner Bewerbung auffallen muss (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 3. August 2011 - VII-Verg 16/11, juris Tz. 44). Hiernach war die Antragstellerin vorliegend nicht gehalten, die konkreten Gründe für die Annahme der Voraussetzungen der getroffenen Verfahrenswahl bei dem Antragsgegner zu erfragen oder eine Verdachtsrüge zu erheben.

ee) Die entsprechende Rüge ist auch nicht nach § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB präkludiert. Es ist nicht ersichtlich, dass die Antragstellerin den gerügten Verstoß im Vergabeverfahren erkannt und gegenüber dem Auftraggeber nicht unverzüglich gerügt hätte.

Zwar hat die Antragstellerin nach Kenntnis des erteilten Zuschlages mit Faxschreiben vom 26. Mai 2014 mitgeteilt, dass die Voraussetzungen für die Verfahrenswahl und den Verzicht auf die Informations- und Wartefrist als nicht gegeben angesehen werden. Insoweit ist aber schon nicht ersichtlich, ob dieser Rüge eine entsprechende Kenntnis zugrunde lag - die maßgeblichen Umstände, die einen Vergabefehler begründeten, sind in dieser Rüge nicht vorgetragen - oder ob es sich um eine taktisch motivierte Rüge handelte. Jedenfalls ist nicht ersichtlich, ab wann eine mögliche Kenntnis bestand. Nach dem durch die Vorlage der Anlage ASt 17 (Bl. 563 VA) plausibilisierten Vortrag der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin wurde die entsprechende Rüge von diesen vorformuliert.

Entgegen der Auffassung der Beigeladenen (Bl. 670 f. VA) war diese Rüge jedenfalls nicht deshalb verfristet, weil sie nach Mitteilung durch die Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin durch E-Mail vom 23. Mai 2014 (15.22 Uhr) nicht unverzüglich erhoben worden wäre. Die am 26. Mai 2014 erhobene Rüge war jedenfalls noch rechtzeitig.

Somit braucht nicht entschieden zu werden, ob § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB mit dem Unionsrecht vereinbar ist.

6. Aufgrund der vorstehenden Erwägungen war auch die Rüge einer Verletzung von § 101 a GWB nicht präkludiert.

Es kann damit offenbleiben, ob die Verletzung der nach § 101 a Abs. 1 GWB bestehenden Informationspflicht sich gleichsam als Fortsetzung des früheren Verstoßes der - möglicherweise - fehlerhaften Verfahrenswahl darstellte, sodass bei einer Versäumnis der rechtzeitigen Rüge des letztgenannten Vergaberechtsverstoßes auch die Rüge des erstgenannten präkludiert wäre (vgl. im Einzelnen Wiese in: Kulartz/Kus/Portz, § 107 Rn. 75 m. w. N.), und ob bereits die Mitteilung unter 1.15 der Leistungsbeschreibung Teil A, nach der die Informationspflicht aufgrund der besonderen Dringlichkeit entfalle, genügender Anlass für eine Rüge war oder ob vielmehr trotz dieser "Ankündigung" der Grundsatz gilt, dass vorsorgliche Rügen künftigen vergaberechtswidrigen Verhaltens nicht zu verlangen seien (dazu: Wiese § 107 GWB Rn. 95 m. w. N.).

7. Die Antragstellerin hat den Nachprüfungsantrag innerhalb der durch § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB vorgegebenen Frist erhoben.

8. Die erfolgte Zuschlagserteilung steht der Statthaftigkeit des Nachprüfungsverfahrens nicht nach § 114 Abs. 2 GWB entgegen. Der der Beigeladenen erteilte Zuschlag ist nach § 101 b Abs. 1 Nr. 1 GWB unwirksam.

a) Der Antragsgegner hat gegen § 101 a GWB verstoßen. Die ihm nach § 101 a Abs. 1 GWB obliegende Informationspflicht entfiel nicht nach § 101 a Abs. 2 GWB. Es lag kein Fall vor, in dem ein Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung wegen besonderer Dringlichkeit nach § 3 Abs. 4 d) VOL/A EG gerechtfertigt war.

aa) Die Wahl dieser Verfahrensart kommt nur in akuten Gefahrensituationen und Fällen höherer Gewalt in Betracht, die zur Vermeidung von Schäden für Leib und Leben der Allgemeinheit ein sofortiges, die Einhaltung von Fristen ausschließendes Handeln erfordern. Diese Gründe müssen unvorhersehbar gewesen sein. An die Unvorhersehbarkeit sind hohe Anforderungen zu stellen (Senat, Beschluss vom 29. Oktober 2009 - 13 Verg 8/09, juris Tz, 63). Vorhersehbar sind alle Umstände, die bei einer sorgfältigen Risikoabwägung oder Berücksichtigung der aktuellen Situation und deren möglicher Fortentwicklung nach allgemeiner Lebenserfahrung eintreten können (Kulartz in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, 3. Aufl., § 3 EG Rn. 79). Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Ausführungen unter I. 5. b) aa) Bezug genommen.

Im vorliegenden Fall hat der Antragsgegner die besondere Dringlichkeit mit dem Schreiben der Z. P. N. vom 17. März 2014 an das L. N., auf das der dortige Vermerk vom 2. April 2014 Bezug nimmt, damit begründet, dass bereits im Mai 2014 eine Zwischenbesichtigung des Polizeiküstenbootes hätte durchgeführt werden müssen. Dieser Frist sei durch die BG Verkehr absprachegemäß bis zum Jahreswechsel 2014/2015 verlängert worden, weil das Polizeiküstenboot ab Oktober 2014 für ca. sechs Monate planmäßig zur Erneuerung der Hauptmaschinen und zur Besichtigung durch die BG Verkehr in eine Werft habe verbracht werden müssen. Dieser Termin sei erforderlich, da die Sicherheitszeugnisse hätten erneuert werden müssten. Bestandteil dieser Zeugniserneuerung sei die Remotorisierung. Eine Verzögerung über diesen Werfttermin hinaus führe zum Erlöschen der Sicherheitszertifikate und damit zur Stilllegung des Polizeiküstenbootes. Ein Ersatzboot zur Wahrnehmung der wasserschutzpolizeilichen Präsenzverpflichtung sei nicht vorhanden. Deshalb sei eine Anlieferung der neuen Motoren bis zum 1. Februar 2015 erforderlich. Es sei mit einer Lieferzeit von jedenfalls acht Monaten zu rechnen. Deshalb sei eine Vergabe bis spätestens zum 1. Juni 2014 erforderlich.

Weder dieser Vermerk noch sonstige aktenkundige Umstände belegen bereits hinreichend eine Dringlichkeit der Neubeschaffung. Zunächst bleibt offen, ob eine Erneuerung der Sicherheitszeugnisse zwingend eine Neumotorisierung erfordert oder ob diese nur deshalb vorgenommen werden soll, um das Geschwindigkeitspotenzial des Polizeiküstenbootes zu steigern, und diese Remotorisierung nur aufgrund des ohnehin anstehenden Werftaufenthalts ab Oktober 2014 geplant wurde. Unklar ist daher, ob das Polizeiküstenboot ohne die ausgeschriebenen neuen Hauptmaschinen zwingend stillgelegt werden muss.

Auch dies unterstellt, folgt aus dem dokumentierten Sachverhalt keine besondere Dringlichkeit. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass das Polizeiküstenboot bei einer Verzögerung des Einbaus neuer Hauptmaschinen über den ins Auge gefassten Termin im Februar 2015 hinaus endgültig stillgelegt würde. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sich lediglich die Erneuerung der Sicherheitszeugnisse entsprechend verzögern würde, sodass das Polizeiküstenboot nur für einen entsprechend längeren für die Beschaffung benötigten Zeitraum ausfallen würde, als dies aufgrund des vorgesehenen Werftaufenthaltes ohnehin der Fall sein wird. Dass dies eine Gefahrensituation darstellte, aufgrund derer zur Vermeidung von Schäden für Leib und Leben der Allgemeinheit ein sofortiges, die Einhaltung der Fristen ausschließendes Handeln des Antragsgegners erforderlich wäre, ist nicht dargelegt oder ersichtlich. Der Antragsgegner hat bereits nicht dargelegt, wie die wasserschutzpolizeilichen Aufgaben im seinem Zuständigkeitsbereich während des ohnehin geplanten Werftaufenthaltes erfüllt werden sollen, insbesondere, ob diese auch durch größere Küstenboote der .W. H. oder S.-H. nicht zeitweilig übernommen werden können.

Unabhängig davon wären entsprechende Umstände, die eine Dringlichkeit begründeten, aber auch nicht unvorhersehbar. Die ungenügende Leistung der bisherigen Hauptmaschinen war seit Jahren bekannt. Ausweislich der Angaben in der mündlichen Verhandlung vor der Vergabekammer vom 4. Juli 2014 (Bl. 756 VA) fanden Überlegungen zum Austausch der Maschinen bereits seit "etwa 2012" statt. Die konkret in Bezug genommene Bewertung erfolgte im Jahr 2013. Auch die Erforderlichkeit der anstehenden Erneuerung der Sicherheitszeugnisse war planbar.

bb) Im Bereich der Daseinsvorsorge - und vergleichbar wohl auch im Bereich der Gefahrenabwehr - kann der Aspekt der Zurechenbarkeit und Vorhersehbarkeit zwar hinter die Notwendigkeit der Kontinuität der Versorgungsleistung zurücktreten. Die damit einhergehende Absenkung der Hürden für die Wahl eines Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb nach § 3 Abs. 4 d) VOL/A EG ist aber allenfalls für eine zeitlich befristete Interimsbeauftragung gerechtfertigt (OLG Frankfurt, Beschluss vom 30. Januar 2004 - 11 Verg 15/13, juris Tz. 50 m. w. N.; Kulartz in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, § 3 VOL/A EG Rn. 81).

cc) Entgegen der Auffassung der Beigeladenen wurde der Verstoß gegen § 101 a GWB nicht dadurch geheilt, dass die Antragstellerin nach erfolgtem Zuschlag darüber informiert wurde, dass der Antragsgegner das Angebot der Beigeladenen bezuschlagt hat, weil diese den besseren Preis angeboten hat.

Eine solche Heilung kommt nicht in Betracht. Die von der Beigeladenen in Bezug genommene Kommentierung von Fett (in: Willenbruch/Wieddekind, Kompaktkommentar Vergaberecht, 2. Aufl., 8. Los, § 101 b GWB, Rn. 4), richtig sei, dass eine Vergabestelle einen derartigen Verstoß in aller Regel ohne Probleme im Rahmen eines anhängigen Nachprüfungsverfahrens heilen könne, ist missverständlich. Sie bezieht sich auf eine Entscheidung des OLG Naumburg (Beschluss vom 27. Mai 2010 - 1 Verg 1/10, juris Tz. 81), in der die Heilung eines Verstoßes gegen § 101 a GWB in einem Fall angenommen wurde, in dem ein Zuschlag noch nicht erfolgt war. In einem Fall in dem - wie vorliegend - bereits ein Zuschlag erfolgt ist, kommt eine Heilung durch Nachholung der erforderlichen Informationen sowohl nach dem Wortlaut als auch nach Sinn und Zweck der Vorschrift des § 101 a Abs. 1 GWB nicht in Betracht. Schon dem Wortlaut nach ist die Informationspflicht vor Zuschlagserteilung zu erfüllen. In der Information ist der früheste Zeitpunkt des Vertragsschlusses mitzuteilen. Auch dem Sinn und Zweck, dem voraussichtlich unterliegenden Bewerber vor dem Zuschlag genügend Zeit zur Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens einzuräumen (vgl. König in: Kulartz/Kus/Portz § 101 a GWB Rn. 5), kann eine nach erteiltem Zuschlag erlangte Information nicht gerecht werden.

Eine Heilung des Verstoßes gegen die Informationspflicht ist auch nicht deshalb eingetreten, so eine teilweise vertretene Auffassung - die Unwirksamkeit des Vertrages bei einer Nachholung der Information im Nachprüfungsverfahren nur dann eintritt, wenn sich der Ausschluss des Bewerbers vor dem Hintergrund der gegebenen Begründung der Zuschlagentscheidung als vergaberechtswidrig erweist (vgl. König in: Kulartz/Kus/Portz § 101 b GWB, Rn. 3, S. 695 f.). Vorliegend war die getroffene Wahl der Verfahrensart vergaberechtswidrig.

dd) Ob der Zuschlag auch nach § 101 b Abs. 1 Nr. 2 GWB unwirksam ist, kann hiernach offenbleiben.

b) Die Antragstellerin hat die Unwirksamkeit des Zuschlags innerhalb der Frist des § 101 b Abs. 2 GWB geltend gemacht.

II.

Der damit zulässige Nachprüfungsantrag ist jedenfalls mit den Rügen begründet, das Verhandlungsverfahren sei zu Unrecht gewählt worden und der Verzicht auf eine Vorabinformation über den beabsichtigten Zuschlag sein unzulässig gewesen.

1. Der der Beigeladenen erteilte Zuschlag ist aus den unter I.9. genannten Gründen jedenfalls nach § 101 b Abs. 1 Nr. 1 GWB unwirksam.

Aus den dort genannten Gründen hat der Antragsgegner bei der Wahl des Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb gegen § 101 Abs. 7 GWB, § 3 Abs. 4 d VOL/A EG verstoßen.

Ob das eigene Angebot der Antragstellerin zuschlagsfähig war, ist auch für die Frage der Begründetheit des Nachprüfungsantrags unerheblich. Auch ein Bieter, dessen Angebot zu Recht ausgeschlossen werden kann, kann deshalb in seinen Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB verletzt sein, wenn ein anderes Angebot unter Missachtungen der Bestimmungen des Vergabeverfahrens nicht ausgeschlossen wird oder wenn sich der beabsichtigte Zuschlag aus anderen Gründen verbietet und deshalb zur Bedarfsdeckung eine Neuausschreibung vorzunehmen ist (BGH, Beschluss vom 26. September 2006 - X ZB 14/06, juris Tz. 30 f., 47 f., 51 ff.; i. Erg. auch BGH, Beschluss vom 10. November 2009 - X ZB 8/09, juris).

2. Es kann offen bleiben, ob das Angebot der Beigeladenen deshalb hätte ausgeschlossen werden müssen, weil es der vorgenommenen Leistungsbeschreibung nicht entsprach und deshalb eine Änderung der Vertragsunterlagen im Sinne des § 19 Abs. 3 d) VOL/A EG darstellte.

III.

Der Anspruch der Beigeladenen auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG ist gewahrt, obwohl sie entgegen ihrem Begehren keine vollständige Einsicht in die ungeschwärzten Vergabeakten und Verfahrensakten der Vergabekammer erhalten hat.

1. Bei der Bestimmungen des Umfangs des Akteneinsichtsrechts im Beschwerdeverfahren nach §§ 116 ff. GWB ist das Geheimhaltungsinteresse der konkurrierenden Bewerber gegenüber dem Rechtsschutzinteresse des um Akteneinsicht nachsuchenden Beteiligten unter Berücksichtigung des Transparenzgebotes im Vergabeverfahren und des Grundrechts der Verfahrensbeteiligten auf rechtliches Gehör abzuwägen. Diese Abwägung führt dazu, dass Akteneinsicht in dem Umfang gewährt wird, in dem dies zur Durchsetzung der subjektiven Rechte der Beteiligten - beschränkt auf den Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens - erforderlich ist und ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse nicht entgegensteht. Das Verfahren wird dadurch nicht intransparent. Es ist Sache der Nachprüfungsinstanzen zu beurteilen, ob ein schützenswertes Betriebs- und Geschäftsgeheimnis vorliegt oder nicht, welches der begehrten Akteneinsicht unter Abwägung der Belange der Beteiligten entgegensteht (EuGH, Urteil vom 14. Februar 2008 - C-450/06, juris Tz. 55; OLG Brandenburg, Beschluss vom 30. Januar 2014 - Verg W 2/14, juris Tz. 71; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 5. März 2008 - VII-Verg 12/08, juris Tz. 16). Grundsätzlich ist das Geheimschutzbegehren eines Bewerbers konkret nachvollziehbar darzulegen und zu begründen (OLG Düsseldorf, aaO.), soweit sich das Geheimhaltungsinteresse nicht von selbst erklärt (Kus in: Kulartz/Kus/Porz, GWB-Vergaberecht, 3. Aufl., § 111 Rn. 57; OLG Düsseldorf, aaO. Tz. 18 betreffend die Höhe des Kaufpreises und ähnliche Vertragskomponenten).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze war der Beigeladenen keine Einsicht in das Angebot der Antragstellerin und die weiteren in der Verfügung des Vorsitzenden vom 20. August 2014 bezeichneten Aktenbestandteile zu gewähren. Diese Aktenteile sind für die Entscheidung dieses Rechtsstreites ohne Bedeutung. Sie betreffen insbesondere überwiegend die Zuschlagsfähigkeit des Angebotes der Antragstellerin und den Vergleich beider abgegebener Angebote.

2. Ein Anspruch auf umfassende Akteneinsicht ist nicht deshalb begründet, weil die Akten umfassend der Antragstellerin übersandt wurden. Ein Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht besteht nicht. Ob die Antragstellerin die Akten tatsächlich - wie von ihr dargelegt - ungelesen zurückgesandt hat, ist unerheblich.

IV.

Der Entscheidungstenor war teilweise in Abweichung von der Antragsformulierung zu fassen. Da in dem vorliegenden Vergabeverfahren eine Bekanntmachung nicht erfolgt ist, konnte das Vergabeverfahren nicht in den Stand vor einer solchen zurückversetzt werden. Vielmehr war es in den Stand vor der (fehlerhaften) Wahl der Verfahrensart zurückzuversetzen.

Dem Antragsgegner war auch nicht aufzugeben, einen Vertrag über die Beschaffung von Hauptmaschinen in einem europaweiten offenen Verfahren abzuschließen. Der Senat kann auf der Grundlage des vorliegenden Verfahrens nicht ausschließen, dass auch andere Verfahrensarten als das offene Verfahren nach § 3 Abs. 1 VOL/A EG in Betracht kommt. Festzuhalten war allein, dass das gewählte Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb nach § 3 Abs. 4 e) VOL/A EG unzulässig war.

Schließlich war die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Durchführung eines erneuten Vergabeverfahrens auf den Fall eines fortbestehenden Beschaffungsbedarfs zu beschränken.

V.

1. Der Antragsgegner und die Beigeladene unterliegen im Beschwerdeverfahren im vollen Umfang. Die abweichende Formulierung des Entscheidungstenors gegenüber dem Antrag stellt kein Unterliegen der Antragstellerin dar. Diese hat ihr Rechtsschutzziel, den Zuschlag im Verhandlungsverfahren an die Beigeladene zu verhindern, erreicht.

Die Beigeladene ist an den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu beteiligen. Ein Unternehmen, dass gem. § 109 GWB beigeladen worden ist und dass die damit durch § 119 GWB begründete Stellung als Beteiligter im Beschwerdeverfahren auch nutzt, in dem es beim Beschwerdegericht Schriftsätze einreicht, an einer mündlichen Verhandlung teilnimmt oder sich sonstwie in außergerichtliche Kosten verursachender Weise am Beschwerdeverfahren beteiligt, unterliegt den Grund-sätzen, die für dieses Prozessverfahren hinsichtlich der Kostentragung gelten (BGH, Beschluss vom 9. Februar 2004 - X ZB 44/03, juris Tz. 41; Senat, Beschluss vom 27. August 2008 - 13 Verg 2/08, juris Tz. 5). Dass die Beigeladene in der mündlichen Verhandlung keinen ausdrücklichen Antrag gestellt hat, ist unerheblich. Eine solche Antragstellung ist zwar hinreichende, aber nicht notwendige Bedingung für eine Kostentragung (Senat, Beschluss vom 12. Januar 2012 - 13 Verg 8/11, juris Tz. 77). Ausreichend ist vielmehr, dass die Beigeladene sich mit dem Ziel, eine Zurückweisung der sofortigen Beschwerde zu erreichen, durch Schriftsätze und eine umfangreiche Stellungnahme in der mündlichen Verhandlung inhaltlich an dem Verfahren beteiligt hat. Neben dem Antragsgegner hat mithin auch die Beigeladene als im Wesentlichen unterliegende Partei die in der Beschwerdeinstanz entstandenen Kosten in entsprechender Anwendung von § 91 ZPO zu tragen. Für die Kostenerstattung haften der Antragsgegner und die Beigeladene entsprechend § 100 Abs. 1 ZPO nach Kopfteilen (vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 2006 - X ZB 14/06, juris Tz. 63).

2. Die Kosten des Nachprüfungsverfahrens vor der Vergabekammer fallen demgegenüber nach § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB zur Hälfte der Antragstellerin zur Last. Diese wäre mit ihrem dort gestellten Hauptantrag, dem Antragsgegner aufzugeben, unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer die Angebotswertung unter Ausschluss des Angebots der Beigeladenen mit dem Ziel der Zuschlagserteilung fortzusetzen, unterlegen. Es entspricht billigem Ermessen, diesem Unterliegen das gleiche Gewicht beizumessen wie dem Teil des dortigen Begehrens der Antragstellerin, mit dem diese letztlich obsiegt hat.

Im Übrigen fallen die Kosten des Nachprüfungsverfahrens vor der Vergabekammer nach § 128 Abs. 3 Satz 1, 2 GWB dem Antragsgegner und der Beteiligten, die sich auch dort inhaltlich an dem Verfahren beteiligt hat, als Gesamtschuldner zur Last.

Nach § 128 Abs. 4 GWB haben die Beteiligten jeweils den entsprechenden Teil der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen des Gegners zu tragen. Es entspricht der Billigkeit, der Antragstellerin auch die hälftigen zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beigeladenen aufzuerlegen, die sich aktiv mit dem Ziel einer Zurückweisung des Nachprüfungsantrags an dem Verfahren beteiligt hat.

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten war nach § 128 Abs. 4 Satz 4 GWB i. V. m. § 80 Abs. 2 VwVfG sowohl für die Antragstellerin als auch für die Beigeladene notwendig.

VI.

Die Entscheidung über die Festsetzung des Gegenstandswertes für das Beschwerdeverfahren folgt aus § 50 Abs. 2 GKG.