Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 18.02.2013, Az.: 13 Verg 1/13

Recht des Auftraggebers zur Ausschließung eines Angebots wegen Insolvenz des Bieters

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
18.02.2013
Aktenzeichen
13 Verg 1/13
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2013, 34024
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2013:0218.13VERG1.13.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VK Niedersachsen - 24.01.2013

Fundstellen

  • FStBW 2013, 594-597
  • FStBay 2014, 139-142
  • FStHe 2013, 532-535
  • GV/RP 2013, 576-579
  • IBR 2013, 369
  • KomVerw/B 2013, 299-302
  • KomVerw/LSA 2013, 295-298
  • KomVerw/MV 2013, 298-301
  • KomVerw/S 2013, 299-302
  • KomVerw/T 2013, 304-307
  • NZI 2013, 6
  • NZI 2013, 10
  • Vergabe-Navigator 2013, 12-13
  • Vergabe-News 2013, 46

Redaktioneller Leitsatz

§ 16 Abs. 1 Nr. 2a VOL/A-EG räumt dem Auftraggeber auf der Tatbestandsseite einen Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Eignungsmerkmale eines Bieters als unbestimmte Rechtsbegriffe sowie auf der Rechtsfolgenseite ein Ermessen ein, ob er das betroffene Angebot im Hinblick auf die Insolvenz des Bieters in der Bewertung zulässt oder nicht. Der der Vergabestelle damit eingeräumte Beurteilungsspielraum bzw. das nachfolgend auszuübende Auswahlermessen erlaubt eine Kontrolle der getroffenen Entscheidung durch die angerufene Vergabekammer und nachfolgend durch das Oberlandesgericht nur daraufhin, ob der Vergabestelle Fehler im Rahmen der Beurteilung der Eignung sowie eine ermessensfehlerhafte Entscheidung vorzuwerfen sind. Diese Kontrolle ist auf die Prüfung beschränkt, ob der Auftraggeber das vorgeschriebene Verfahren eingehalten, die von ihm selbst aufgestellten Bewertungsvorgaben beachtet, den zugrunde liegenden Sachverhalt vollständig und zutreffend ermittelt, keine sachwidrigen Erwägungen angestellt und nicht gegen allgemeine Bewertungsgrundsätze verstoßen hat.

Tenor:

Der Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seiner sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss der Vergabekammer Niedersachsen vom 24. Januar 2013 zu verlängern, wird abgelehnt.

Der Antragstellerin wird aufgegeben, bis zum 5. März 2013 mitzuteilen, ob das Beschwerdeverfahren fortgeführt werden soll.

Gründe

1

I.

Der Antragsteller ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma L. GmbH (Schuldnerin). Über das Vermögen der Schuldnerin wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Göttingen vom 1. Juni 2011 das Insolvenzverfahren eröffnet.

2

Der Antragsgegner hat mit europaweiter Bekanntmachung vom 12. September 2012 im Rahmen des 4. Bauabschnitts der Umsetzung des Sanierungskonzepts für das Schulzentrum S. verschiedene Bauleistungen in 20 Losen im offenen Verfahren ausgeschrieben. Die hier streitgegenständlichen Fenster- und Fassadenarbeiten betrafen das Los Nr. 6. Einziges Zuschlagskriterium war der niedrigste Preis. Neben der Schuldnerin sowie dem Beigeladenen waren drei weitere Angebote fristgerecht eingereicht worden. Das von dem Insolvenzverwalter unterzeichnete Angebot der Schuldnerin war mit einem Preis von 767.152 Euro brutto das preislich günstigste Angebot. Dem Angebot war die Kopie des Beschlusses über die Insolvenzverwalterbestellung beigefügt.

3

Im Rahmen der Angebotsprüfung war von dem Antragsgegner das Architekturbüro H. beauftragt worden. Die Schuldnerin übersandte dem Architekten eine Referenzliste zum Nachweis ihrer Eignung zur Durchführung der zu vergebenden Leistung. Der Architekt hat die aus der Referenzliste ersichtlichen Projekte, die die Schuldnerin seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens insbesondere auch für öffentliche Auftraggeber ausgeführt hat, beurteilt. In seinem Vermerk vom 28. November 2012 ist der Architekt zu dem Ergebnis gelangt, dass aus technischer Sicht die Schuldnerin das richtige Unternehmen sei, dass er eine Risikoabwägung im Zusammenhang mit einem möglichen Ausschluss der Bieterin wegen des Insolvenzverfahrens jedoch nicht treffen könne. In dem Vergabevermerk vom 11. Dezember 2012 hat der Antragsgegner unter Berücksichtigung der ihm vorliegenden schriftlichen und fernmündlichen Informationen eine Risikoabwägung vorgenommen und empfohlen, den insolventen Bieter im Hinblick auf die sehr unsichere Betriebsprognose und nach Abwägung der für und gegen die Eignung sprechenden Umstände von der Wertung auszuschließen. Auf den Inhalt des Vergabevermerks wird verwiesen. Zuvor hatte der Antragsgegner in einem Schreiben vom 6. Dezember 2012 und einem Telefonat vom 11. Dezember 2012 den Antragsteller um Angaben über die wirtschaftliche Situation des Unternehmens, u. a. die Vorlage eines Insolvenzplans, gebeten. Der Antragsgegner befand sich ferner im Besitz des Sachstandsberichtes des Antragstellers an das Insolvenzgericht Göttingen vom 13. Februar 2012. Weitere bzw. aktuellere Informationen erhielt der Antragsgegner nicht. Ein von dem Antragsteller angebotenes Gespräch zwecks Erläuterung der wirtschaftlichen Situation der Schuldnerin nahm der Antragsgegner nicht an. Das Telefonat vom 11. Dezember 2012 ist in einem Vermerk vom 12. Dezember 2012 festgehalten. Dieses Gespräch hat der Antragsteller mit Schreiben vom 12. Dezember 2012 unter Hinweis auf die technische und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Schuldnerin bestätigt. Mit Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Antragstellers vom 13. Dezember 2012 ist dem Antragsgegner mitgeteilt worden, dass Bieter nicht die Insolvenzschuldnerin, sondern ausschließlich der Antragsteller in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter sei und es keinen Grund gäbe, den Insolvenzverwalter als Bieter vom Angebot auszuschließen.

4

Mit dem Informationsschreiben vom 18. Dezember 2012 hat der Antragsgegner dem Antragsteller mitgeteilt, dass das Angebot des Antragstellers nicht berücksichtigt werden solle. Es liege ein Ausschlussgrund nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 a VOB/A vor. Da dem Antragsgegner keine schriftlichen, prüffähigen Angaben über die wirtschaftliche Situation des insolventen Bieterunternehmens gemacht worden seien, falle die gebotene Abwägung der Interessen des Auftraggebers an einer ordnungsgemäßen vertragsgerechten Auftragserfüllung mit dem Interesse des Bieters am Erhalt des Auftrags zu dessen Lasten aus. Wegen der Einzelheiten wird auf das Informationsschreiben gemäß § 101 a GWB Bezug genommen (Bl. 52 ff d. A.). Diese Entscheidung hat der Antragsteller mit Schreiben vom 19. Dezember 2012 gerügt. Der Antragsteller wirft dem Antragsgegner vor, die Ergebnisse der vorgelegten Referenzliste nicht hinreichend berücksichtigt zu haben. Im Übrigen habe der Antragsteller mit seiner Bewerbung um den Auftrag eine Masseverbindlichkeit angeboten, für deren Erfüllung er persönlich hafte. Ob das Unternehmen der Schuldnerin veräußert und abgewickelt werde, sei unerheblich. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 19. Dezember 2012 verwiesen (Bl. 77 f der Vergabeakten). Der Antragsgegner wies die Rüge mit Schreiben vom 20. Dezember 2012 zurück. Der Antragsteller beantragte unter dem 20. Dezember 2012 die Einleitung eines Vergabenachprüfungsverfahrens. Er beanstandet den Angebotsausschluss unter Vertiefung seiner bisherigen Ausführungen als vergaberechtswidrig und verfolgt das Ziel, den Zuschlag dem Antragsteller zu erteilen. Auf den Antrag vom 20. Dezember 2012 wird verwiesen (Bl. 43 ff. der Vergabeakten). Die Vergabekammer hat mit Beschluss vom 24. Januar 2013 den Nachprüfungsantrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass die Entscheidung des Antragsgegners, das Angebot des Antragstellers auszuschließen, von dem dem Antragsgegner durch § 16 Abs. 1 Nr. 2 a VOB/A-EG eingeräumtem Entscheidungsspielraum gedeckt sei. Das Insolvenzverfahren sei ein Anhaltspunkt für eine gefährdete finanzielle Leistungsfähigkeit des Antragstellers. Daraus lasse sich zwar keine Regelvermutung für eine fehlende finanzielle Leistungsfähigkeit ableiten, jedoch habe der Antragsgegner den Sachverhalt zutreffend ermittelt, keine sachwidrigen Erwägungen in die Eignungsprüfung eingestellt und sein Auswahlermessen unter Berücksichtigung des Interesse des öffentlichen Auftraggebers an einer ordnungsgemäßen Auftragserfüllung und dem Interesse des Antragstellers am Erhalt des Auftrags in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt.

5

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Antragsteller mit seiner sofortigen Beschwerde, mit der er unter Ausschluss des Beigeladenen die Zuschlagserteilung verfolgt und zunächst die Verlängerung der aufschiebenden Wirkung seiner sofortigen Beschwerde gemäß § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB erreichen möchte. Unter Wiederholung und Vertiefung seines bisherigen Vorbringens vertritt er weiterhin die Auffassung, dass die Vergabestelle ihr Ermessen sachwidrig ausgeübt habe. Wegen der Einzelheiten wird auf die Beschwerdebegründung vom 5. Februar 2013 Bezug genommen (Bl. 3 ff. d. A.).

6

II.

Der Antrag des Antragstellers gemäß § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

7

Der Antrag ist gemäß § 118 Abs. 2 GWB unter Berücksichtigung aller möglichen geschädigten Interessen sowie des Interesses der Allgemeinheit an einem raschen Abschluss des Vergabeverfahrens abzulehnen, weil die nachteiligen Folgen einer Verzögerung der Vergabe bis zur Entscheidung über die Beschwerde die damit verbundenen Vorteile überwiegen.

8

1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig, weil sich der Antragsteller als am Verfahren Beteiligter gegen eine Entscheidung der Vergabekammer wendet, § 116 Abs. 1 GWB. Die sofortige Beschwerde ist auch frist- und formgerecht beim zuständigen Gericht eingelegt worden, §§ 117, 116 Abs. 3 Satz 1 GWB. Die allgemeinen von Amts wegen zu prüfenden Voraussetzungen für die Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens liegen ebenfalls vor. Der Antragsgegner ist ein öffentlicher Auftraggeber, § 98 Nr. 1 GWB, der einen Bauauftrag unter den Voraussetzungen der VOB/A sowie der Vergabebestimmungen im Anwendungsbereich der Richtlinie 2004/18/EG zu vergeben hat, § 99 Abs. 3 GWB. Der Schwellenwert von 5.000.000 Euro gemäß § 127 GWB i. V. m. § 2 Nr. 3 VgV ist im Hinblick auf den Gesamtauftragswert (Sanierung des Schulzentrums) in Höhe von 16.000.000 Euro erreicht. Die Antragsbefugnis des Antragstellers gemäß § 107 Abs. 2 GWB ist ebenfalls gegeben. Der Antragsteller ist Insolvenzverwalter der Bieterin mit dem preisgünstigsten Angebot und Partei kraft Amtes, § 80 InsO. Als solcher hat er ein Interesse an dem Auftrag. Eine konkrete Rechtsverletzung ist dargelegt ebenso wie ein drohender Schaden, da im Falle des Ausschlusses der Bieterin der Zuschlag verwehrt wird. Die Voraussetzungen der unverzüglichen Rüge gemäß § 107 Abs. 3 GWB liegen vor. Wegen der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags kann auf die Ausführungen der Vergabekammer in dem Beschluss vom 24. Januar 2013 zu Ziffer II 2. verwiesen werden (Bl. 23/24 d. A.).

9

2. Der Antrag gemäß § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB ist jedoch zurückzuweisen, weil nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung auf der Grundlage der Vergabe- und Vergabekammerakten sowie der Würdigung des Sachvortrags des Antragstellers nicht damit zu rechnen ist, dass die sofortige Beschwerde in der Sache Erfolg haben wird.

10

Die Vergabekammer hat zu Recht entschieden, dass der Antragsgegner das Angebot des Antragstellers im Hinblick auf die Insolvenz der Bieterin vom weiteren Vergabeverfahren ausschließen durfte. Gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2 a VOB/A-EG kann ein Angebot ausgeschlossen werden, wenn ein Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Diese Vorschrift räumt dem Auftraggeber - auf der Rechtsfolgenseite - ein Ermessen ein, ob er das betroffene Angebot in der Bewertung zulässt oder nicht. Die Prüfung erfordert zuvor eine Eignungsprüfung des Bieters im Hinblick auf die Eignungsmerkmale technische Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit, d. h. es ist zu prüfen, ob der Bieter mit seiner personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung die Gewähr für eine fachgerechte und reibungslose Abwicklung des Auftrags bietet und ob man sich auf ihn verlassen kann (z. B. Summa in Juris PK-Vergaberecht, 3. Aufl. 2011, § 16 VOB/A Rn. 225/226). Bei dieser auf der Tatbestandsebene vorzunehmenden Prüfung steht dem Auftraggeber ein Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Eignungsmerkmale als unbestimmte Rechtsbegriffe zu, weil insoweit eine prognostische in Zukunft gerichtete Entscheidung zu treffen ist (Vergabekammer Brandenburg, Beschluss vom 9. November 2010, Az. VK 50/10, juris Rn. 48). Der der Vergabestelle damit eingeräumte Beurteilungsspielraum bzw. das nachfolgend auszuübende Auswahlermessen erlaubt eine Kontrolle der getroffenen Entscheidung durch die angerufene Vergabekammer und nachfolgend durch das Oberlandesgericht daher nur daraufhin, ob der Vergabestelle Fehler im Rahmen der Beurteilung der Eignung sowie eine ermessensfehlerhafte Entscheidung vorzuwerfen sind. Diese Kontrolle ist auf die Prüfung beschränkt, ob der Auftraggeber das vorgeschriebene Verfahren eingehalten, die von ihm selbst aufgestellten Bewertungsvorgaben beachtet, den zugrunde liegenden Sachverhalt vollständig und zutreffend ermittelt, keine sachwidrigen Erwägungen angestellt und nicht gegen allgemeine Bewertungsgrundsätze verstoßen hat (ständige Rechtsprechung z. B. Vergabekammer Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 21. Juni 2012 - 2 VK LSA 08/12, juris Rn. 62; OLG Frankfurt, Beschluss vom 20. Juli 2004 - 11 VerG 6/04, juris Rn. 51).

11

Dieser - eingeschränkten - Kontrolle hält die Entscheidung des Auftraggebers, der das Ergebnis seiner entscheidungsrelevanten Erwägungen in dem Vergabevermerk vom 11. Dezember 2012, seinem Informationsschreiben gemäß § 101 a GWB vom 18. Dezember 2012 und in dem Nachprüfungsverfahren dargelegt hat, stand:

12

Zu Unrecht wirft der Antragsteller dem Antragsgegner vor, dieser sei davon ausgegangen, dass eine mangelnde Eignung des Antragstellers bereits aufgrund des Insolvenzverfahrens grundsätzlich indiziert sei. Richtig ist, dass es bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit eines Bieters keine Regelvermutung gibt, dass nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens der Bieter finanziell nicht leistungsfähig ist und es daher nicht zulässig wäre, im Rahmen der Prüfung des fakultativen Ausschlusses nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 a VOB/A-EG den Auftraggeber zu berechtigen, sein Ermessen generalisierend zu betätigen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 2. Mai 2012 - VerG 68/11, juris Rn. 14). Insoweit besteht Einigkeit in der Rechtsprechung und Literatur, dass ein fakultativer Ausschluss aufgrund allein bestehender abstrakter Gefährdungslage wie durch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nicht vorgenommen werden darf, sondern es einer konkreten Überprüfung der Eignung mit dem dem Auftraggeber zustehenden Beurteilungsspielraum und einer nachfolgenden ermessensfehlerfreien Entscheidung über den Ausschluss des Bieters bedarf (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 5. Dezember 2006 - VII VerG 56/06, juris Rn. 16; OLG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 30. Mai 2012 - I VerG 2/12, juris Rn. 22). Der Antragsgegner hat vorliegend eine einzelfallbezogene Prognose zur Leistungsfähigkeit des Antragstellers in Einklang mit der zitierten Rechtsprechung durchgeführt und dies auch dokumentiert. Richtig ist zwar, dass der 7. Absatz des Vergabevermerks mit dem Wort "Grundsätzlich indiziert ein eröffnetes Insolvenzverfahren die mangelnde Eignung eines Bewerbers" beginnt. Die folgenden Sätze belegen jedoch (gekennzeichnet durch das Wort "aber" gleich im nachfolgenden Satz) die im Einklang mit der Rechtsprechung stehende zutreffende Rechtsauffassung des Antragsgegners im Hinblick auf die im pflichtgemäßen Ermessen stehende einzelfallbezogene Prognoseentscheidung. Der Antragsgegner hat damit nicht sachwidrig allein die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Grundlage seiner Ermessensentscheidung gemacht. Nicht zu beanstanden ist jedoch der Ausgangspunkt des Auftraggebers, dass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Bieters nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zweifelhaft ist, da mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens feststeht, dass das Vermögen des Bieters zur Deckung der Kosten des Insolvenzverfahrens nicht ausreichend ist.

13

Der Senat weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es hier nicht um die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Antragstellers als Insolvenzverwalter geht, sondern um die der Schuldnerin. Der Insolvenzverwalter ist lediglich Partei kraft Amtes, da der Schuldner mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine Verfügungs-, Prozess- oder Verfahrensbefugnis mehr hat. Die Rechtsfolgen der Verfügungen des Insolvenzverwalters treffen jedoch den Schuldner bzw. die Insolvenzmasse (z. B. Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl., § 80 Rn. 11).

14

Soweit der Antragsteller meint, der Antragsgegner habe sein Ermessen zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht ordnungsgemäß ausgeübt, sich vielmehr bereits am 3. Dezember 2012 und damit vor Einholung maßgeblicher Informationen festgelegt, ergibt sich das aus dem Inhalt der Vergabeakten nicht. Zwar ist das Datum in dem Vergabevermerk handschriftlich vom 3. Dezember 2012 auf den 11. Dezember 2012 geändert worden. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Inhalt des Vermerks bereits am 3. Dezember 2012 feststand. Das Gegenteil ergibt sich aus den Ausführungen des Vermerks selbst, indem die nach dem 3. Dezember 2012 eingeholten Informationen unter Benennung der jeweiligen Daten dargelegt sind. Im Übrigen muss aus dem Vergabevermerk erkennbar sein, dass eine Ermessensausübung stattgefunden hat (z. B. Summa in Juris PK, aaO. § 16 Rn. 220). Dies ist hier unzweifelhaft der Fall. Darüber hinaus können - was der Antragsteller in seiner Beschwerdebegründung auch nicht in Abrede nimmt - Ermessenserwägungen während des Verfahrens nachgeholt werden, wie z. B. im Nachprüfungsverfahren oder anschließendem Gerichtsverfahren.

15

Der Antragsteller sieht in der Formulierung des Antraggegners im 4. Absatz des Vergabevermerks, in dem der Antragsgegner auf eine zufriedenstellende Tätigkeit des zweitgünstigsten Bieters, des Beigeladenen, hinweist, eine sachwidrige Erwägung. Dies ist nicht nachvollziehbar. Der Hinweis auf eine für den Antragsgegner erbrachte zufriedenstellende Tätigkeit des Beigeladenen soll weder dessen gesondert zu prüfende und zu beurteilende Eignung ersetzen noch beinhaltet diese Feststellung eine negative Einzelfallprognose des Antragstellers. Wie sich aus dem nachfolgenden Absatz ergibt, geht es hier um die technische Abwicklung des Auftrags. Der Antragsgegner hat insoweit keine Zweifel an der Kompetenz des Antragstellers. Der von dem Antragsteller gezogene Schluss, die Feststellung der zufriedenstellenden Tätigkeit des Beigeladenen sei zu seinem Nachteil gewertet worden, lässt sich gerade nicht ziehen.

16

Im Rahmen der Beurteilung der finanziellen Leistungsfähigkeit hat sich der Antragsgegner Informationen über den Bestand und die Fortführung des Unternehmens der Insolvenzschuldnerin sowie deren finanziellen Situation beschafft. Hierzu hat er - wie im Vergabevermerk festgehalten ist - u. a. Internetrecherchen sowie fernmündliche Erkundigungen eingeholt. Zu Unrecht wirft der Antragsteller dem Antragsgegner vor, auf die zur Insolvenztabelle angemeldeten Forderungen komme es zur Beurteilung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Antragstellers nicht an. Für den Antragsgegner ist es durchaus von erheblicher Bedeutung, welche Gläubiger in welcher Höhe Forderungen zur Insolvenztabelle angemeldet haben, um sich ein umfassendes Bild über die wirtschaftliche Krise der Bieterin und damit deren Zuverlässigkeit zu machen. Trotz durchgeführter Recherchen hat der Antragsgegner hierzu keine ausreichenden Angaben erhalten. Ein Insolvenzplan besteht nicht. Im Gegensatz zu der Auffassung des Antragstellers kann der Antragsgegner diesen Umstand bei seiner Beurteilung berücksichtigen. Denn hieraus können sich Anhaltspunkte für die Fortführung des Unternehmens der Insolvenzschuldnerin ergeben. Auszugehen ist davon, dass die Insolvenzordnung als Ziel des Insolvenzverfahrens entweder die Verwertung des Schuldnervermögens mit anschließender Erlösverteilung oder insbesondere zum Erhalt des Unternehmens abweichende Regelungen in einem Insolvenzplan vorsieht (§ 1 InsO). Der Insolvenzplan im Sinne des § 217 InsO kann insbesondere dem formulierten Ziel der Fortführung des Schuldnerunternehmens dienen. Wenn der Antragsteller im Vergabeverfahren wiederholt betont, eine Fortführung des Unternehmens bzw. die übertragene Sanierung sei nach wie vor beabsichtigt, so würde dies die Vorlage eines Insolvenzplans nahelegen, d. h. das Fehlen eines Insolvenzplans spricht indiziell nicht für die von dem Antragsteller aufgestellten Behauptungen. Der Umstand, dass die Gläubigerversammlung einen Insolvenzplan nicht in Auftrag gegeben hat, ist unerheblich. Auch der Insolvenzverwalter ist zur Vorlage eines Insolvenzplans berechtigt (Uhlenbruck, aaO., vor § 217 Rn. 34). Liegt ein Insolvenzplan nicht vor, so ist es aus Sicht des öffentlichen Auftraggebers sachgerecht, konkrete Angaben zu Verbindlichkeiten des Unternehmens zu erfragen. Dies hat der Antragsgegner getan und - unstreitig - keine Informationen z. B. durch Vorlage eines Liquiditätsstatus erhalten. Im Hinblick auf die reibungslose Durchführung des zu vergebenden Auftrags und die sich anschließende Gewährleistungszeit ist es für den die öffentlichen Interessen zu wahrenden Auftraggeber von entscheidender Bedeutung, ob das in Insolvenz geratene Bieterunternehmen über eine ausreichend gesicherte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und zwar auch für den 5-jährigen Gewährleistungszeitraum verfügt. Hierzu hat der Antragsgegner keine verlässlichen Informationen erhalten. Nicht zu beanstanden ist in diesem Zusammenhang, dass der Antragsgegner das vom Antragsteller angebotene Gespräch nicht geführt hat. Ein solches Gespräch macht nur Sinn, wenn der Antragsgegner zuvor in schriftlicher Form über notwendige Angaben zur finanziellen Situation des Unternehmens verfügt, um sachgerecht in einem Gespräch reagieren zu können.

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Nach dem Ergebnis der von dem Antragsgegner eingeholten Informationen ist das gefundene Ergebnis, dass die finanzielle Leistungsfähigkeit anscheinend nicht gesichert sei, nicht zu beanstanden. Der Antragsgegner hat - wie aus den Vergabeakten ersichtlich ist - umfängliche Ermittlungen zur Situation der Insolvenzschuldnerin eingeholt. In diesem Zusammenhang hat er u. a. den Bericht des Antragstellers vom 13. Februar 2012 an das Insolvenzgericht mit einbezogen. Danach war zum damaligen Zeitpunkt die geplante übertragene Sanierung fraglich und eine Schließung des Betriebes eher wahrscheinlich. Tatsächlich hat eine übertragene Sanierung in der Folgezeit nicht stattgefunden, vielmehr sind dahingehende Verhandlungen mit potentiellen Vertragspartnern gescheitert. Weitergehende Erkenntnisse konnte der Antragsgegner nicht gewinnen. Auch hier hätte es an dem Antragsteller gelegen, dem Antragsgegner notwendige Informationen zukommen zu lassen.

18

Dem Antragsgegner kann ferner nicht vorgeworfen werden, die vorgelegten Referenzen willkürlich und damit sachwidrig beurteilt zu haben. Der Antragsgegner hat ein Architekturbüro mit der Prüfung der Referenzen beauftragt. Dieses hat in nachvollziehbarer Weise die Projekte überprüft, die das insolvente Unternehmen seit Eröffnung des Insolvenzverfahrens für öffentliche Auftraggeber ausgeführt hat bzw. die Ausführung plante. Das Architekturbüro hat an der technischen Fachkunde der Schuldnerin keine Zweifel gehabt, vermochte jedoch - nachvollziehbar - keine seriöse Risikoabwägung unter Berücksichtigung der finanziellen Leistungsfähigkeit zu treffen. Das Ergebnis ist in der Vergabeempfehlung des Architekturbüros festgehalten. Diese Vergabeempfehlung hat der Antragsgegner in seine Bewertung der finanziellen Leistungsfähigkeit des Antragstellers einbezogen und einerseits den Erfolg bei der Abwicklung der Aufträge der Referenzobjekte berücksichtigt, andererseits aber auch die dort aufgetretenen Schwierigkeiten in seine Abwägung eingestellt. Dies ist nachvollziehbar dargestellt und daher nicht zu beanstanden. Bei der Frage der Leistungsfähigkeit geht es weniger um das Volumen der abgewickelten Aufträge als vielmehr darum, mit welchen Schwierigkeiten und Risiken der Antragsgegner im Falle von Störungen bei der Abwicklung des Auftrags rechnen muss. Dies unterliegt dem eigenen Ermessen des Antragsgegners, der nicht ungeprüft die Aussagen des Architekten, die sich ohnehin nur auf die technische Fachkunde beziehen, übernehmen darf.

19

Richtig ist, dass der Antragsteller eine Vertragserfüllungsbürgschaft in Höhe von 5 % der Auftragssumme angeboten hat. Dies hat der Antragsgegner für nicht ausreichend erachtet, um einen möglichen Mangel der Liquidität auszugleichen. Entgegen der Darstellung des Antragstellers ist der Sachverhalt im Zusammenhang mit der zu erbringenden Werkplanung nicht fehlerhaft ermittelt. Ausweislich des Bauzeitenplans ist die Werkplanung Fassade zu Beginn der Bauarbeiten zu erfüllen, so dass im Falle von Leistungsstörungen frühzeitig die vom Antragsgegner beschriebenen Probleme auftreten können.

20

Die dem Antragsgegner für den Ausschluss des Antragstellers zukommende Ermessensentscheidung gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2 a VOB/A-EG ist nicht zu beanstanden. Der Antragsgegner hat seine Wertung nachvollziehbar in seinem Vergabevermerk vom 11. Dezember 2012, dem Informationsschreiben gemäß § 101 a GWB vom 18. Dezember 2012 sowie zulässigerweise während des Nachprüfungsverfahrens in dem Schriftsatz vom 7. Januar 2013 dokumentiert. Der Antragsgegner hat ersichtlich ernsthaft die Möglichkeit in Erwägung gezogen, das Angebot des Antragstellers zu berücksichtigen und nur aufgrund der über die mit dem Insolvenzverfahren stets einhergehende abstrakte Gefahr hinausgehenden besonderen Umstände des Einzelfalles das Angebot des Antragstellers von der Wertung ausgeschlossen. Die von dem Antragsgegner auf der Tatbestandsebene gefundene negative Prognose der finanziellen Leistungsfähigkeit des Antragstellers haben eine entsprechende Wirkung auf die Ermessensentscheidung (vgl. OLG München, Beschluss vom 22. November 2012 - Verg 22/12, juris Rn. 60, wonach ein Ermessen des Auftraggebers im Falle negativer Prognose ausgeschlossen sein soll). Der Antragsgegner hat nach negativer Beurteilung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit eine Abwägung auf der Rechtsfolgenseite vorgenommen. In diese Entscheidung hat er die Angebotssumme des Antragstellers ins Verhältnis zu der Angebotssumme des nächst günstigsten Bieters, des Beigeladenen, gesetzt. Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist es nicht sachwidrig, in die Risikoabwägung die Differenz der Angebotssummen einzustellen. Es geht um die wirtschaftlichen Folgen des Auftrags und es ist nachvollziehbar, dass sich die Risikobereitschaft zugunsten eines insolventen Bieters erhöht, je größer die Differenz zum nächstgünstigen Bieter ist. Ferner durfte der Antragsgegner die Personalentwicklung bei der Schuldnerin berücksichtigen. Die Reduzierung von 140 Mitarbeitern auf zunächst 70 bzw. jetzt nur noch 39 (s. Insolvenzverwalterbericht vom 13. Januar 2013, Bl. 203 ff. d. Vergabeakten) Mitarbeiter kann sich nachteilig auf die sachgerechte Abwicklung des Auftrags auswirken, zumal die Schuldnerin zumindest noch an einem weiteren großen aktuellen Projekt beteiligt ist (vgl. Referenzliste Projekt Nr. 1362, Bl. 37 d. A.).

21

Im Rahmen der Beurteilung der finanziellen Leistungsfähigkeit muss der mit der Insolvenz immanenten Gefahr des Verlustes des Auftragnehmers begegnet werden. Aus diesem Grund verdient die finanzielle Leistungsfähigkeit ein besonderes Augenmerk des Auftraggebers, auch wenn es der insolvente Bieter im Vergleich zu anderen Bietern als "Härte" empfindet. Soweit der Antragsteller "zur Sicherung" des finanziellen Risikos auf seine eigene Haftung als Insolvenzverwalter verweist, ist dies unerheblich. Dabei geht es um Sekundäransprüche, die im Rahmen der Frage und Beurteilung ordnungsgemäßer und fristgerechter Erfüllung der Primäransprüche nachrangig zu beurteilen sind.

22

Die Entscheidung des Antraggegners ist daher ermessensfehlerfrei.

23

Der auf die Entscheidung des BGH vom 15. November 2011, IX ZR 169/11, bezogene Einwand des Antragstellers in seinem Schriftsatz vom 13. Februar 2013 bleibt erfolglos. Es geht dort um die Unwirksamkeit sog. Lösungsklausen, die das Wahlrecht des Insolvenzverwalters hins. der Erfüllung der zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgeschlossenen, aber noch nicht erfüllten Verträge betreffen, § 103 InsO. Der konkrete Fall betraf zudem einen fortlaufenden Vertrag (Energielieferung). Eine mit der hier zu entscheidenden Fallkonstellation vergleichbare Situation besteht nicht.

24

3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die Kosten des Verfahrens nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB sind Kosten des Beschwerdeverfahrens, über die entsprechend §§ 91 ff. ZPO einheitlich im Rahmen der Entscheidung über die Kosten in der Hauptsache zu befinden ist.