Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 18.04.2016, Az.: VgK-08/2016

Nachprüfung von Generalplanerleistungen für ein Bauvorhaben über eine zweizügige Ganztagsgrundschule mit Mensabetrieb

Bibliographie

Gericht
VK Lüneburg
Datum
18.04.2016
Aktenzeichen
VgK-08/2016
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2016, 18133
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

In dem Nachprüfungsverfahren
der xxxxxx,
Verfahrensbevollmächtigte xxxxxx,
- Antragstellerin -
gegen
die xxxxxx,
Verfahrensbevollmächtigte: xxxxxx,
- Antragsgegnerin -
beigeladen:
xxxxxx,
- Beigeladene -
wegen
Generalplanerleistungen für das Bauvorhaben "Zweizügige Ganztagsgrundschule mit Mensabetrieb am Schulstandort xxxxxx)"
hat die Vergabekammer durch den Vorsitzenden MR Gause, die hauptamtliche Beisitzerin ROAR'in Sandmann und den ehrenamtlichen Beisitzer Dipl.-Ing. Magill auf die mündliche Verhandlung vom 11.04.2016 beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, die Bewertung der finalen Angebote unter ausschließlicher Berücksichtigung der Angebote zur Variante 4 zu wiederholen, dabei die aus der Begründung ersichtliche Auffassung der Vergabekammer zu berücksichtigen und Prüfung und Ergebnis der erneuten Bewertung in der Vergabeakte zu dokumentieren.

  2. 2.

    Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Antragsgegnerin ist jedoch von der Entrichtung der Kosten befreit.

  3. 3.

    Die Kosten werden auf xxxxxx € festgesetzt.

  4. 4.

    Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts durch die Antragstellerin war notwendig.

Begründung

I.

Die Antragsgegnerin hat die Absicht, den Schulstandort xxxxxx zu einer zweizügigen Ganztagsgrundschule mit Mensabetrieb auszubauen. Sie erwägt, hierzu das vorhandene Schulgebäude bei laufendem Schulbetrieb zu erweitern oder vollständig neu zu erstellen. Mit europaweiter Bekanntmachung vom xxxxxx.2015 hat sie hierfür ein Verhandlungsverfahren zur Vergabe der Generalplanungsleistungen ausgeschrieben. Verhandlungen sollen mit mindestens 3 und höchstens 5 Bewerbern geführt werden.

Die im Teilnahmewettbewerb erfolgreichen Bewerber wurden mit Schreiben vom 24.09.2015 aufgefordert, sich mit der Vorlage eines indikativen Angebotes bis zum 22.10.2015 an der ersten Verhandlungsrunde zu beteiligen. Es wurde eine zweite Verhandlungsrunde angekündigt, in der die Bewerber zur Abgabe finaler Angebote aufgefordert werden sollen. Hierzu hieß es bereits unter Ziffer VI. 3) der Auftragsbekanntmachung vom xxxxxx.2015:

"Nach Prüfung und Bewertung der indikativen Angebote, Ideenskizzen und Kostenschätzungen sowie nach Auswertung der Präsentationen/Verhandlungsgespräche beabsichtigt der Auftraggeber, die Entscheidung für eine der genannten Varianten zu treffen und diese sodann zum Gegenstand der zweiten (finalen) Verhandlungsrunde zu machen, so dass in der finalen Verhandlungsrunde, in der die Bieter zur Abgabe verbindlicher Angebote aufgefordert werden, der Beschaffungsgegenstand feststeht."

Mit den Vergabeunterlagen erhielten die Bewerber auf CD eine "Immobilienwirtschaftliche Analyse über das Objekt Grundschule xxxxxx...", das Raumprogramm für Neubau/Erweiterung, das technische Anforderungsprofil sowie weitere Dokumente mit Informationen zur Lage des Schulgebäudes, zu dessen Zustand, zu Lage und Zuschnitt der vorhandenen Räume und zu den Instandhaltungs- und Energiekosten der letzten 3 Jahre. Das für das Bauvorhaben am Schulstandort xxxxxx in Frage stehende Grundstück wurde durch einen Auszug aus dem Liegenschaftskataster, den Katasterplan sowie den Entwurf des Generalplanervertrags, der in § 1 ebenfalls das maßgebliche Flurstück benennt, näher bezeichnet.

Als Angebot vorgelegt werden sollten Konzepte zu den in der immobilienwirtschaftlichen Analyse erarbeiteten Varianten 3 (Anbau rückwärtig klein), 4 (Anbau rückwärtig groß) und 5 (Neubau). In der Aufforderung zur Angebotsabgabe wurden die von den Bewerbern erwarteten Beiträge näher beschrieben.

Vorzulegen sind hiernach:

1. technische Konzepte zu allen 3 Varianten, in denen die Bewerber u.a. darlegen sollen, wie die Anforderungen des Raumprogramms am besten erfüllt werden können und welche Kosten sie jeweils für die Umsetzung der Varianten ermitteln,

2. Lebenszykluskostenbetrachtungen zu allen 3 Varianten, in denen die Bewerber erläutern sollen, wie die Gesamtkosten von der Errichtung bzw. Betriebs- und Nutzungsphase bis zur Verwertung des Gebäudes positiv beeinflusst werden können,

3. Konzepte der Gesamtanlage für alle 3 Varianten für den Parallelbetrieb von Grundschule, Kindergarten und Sporthalle vor, während und nach der Baumaßnahme, wobei auch die Lagerung von Baumaterialien und die Unterbringung von Schülern während der Baumaßnahme sowie die Zu- und Abfahrtssituation während und nach der Baumaßnahme zu berücksichtigen sind,

4. ein Konzept für eine ökologische Bauweise,

5. ein Konzept für die Methoden der Terminverfolgung,

6. ein Konzept für die Methoden der Kostenverfolgung,

7. ein Konzept für das Informations- und Kommunikationsmanagement auf der Baustelle und

8. ein Honorarangebot gemäß HOAI.

Auf Seite 4 des Schreibens "Aufforderung zur Angebotsabgabe" vom 24.09.2015 wurden ergänzend noch weitere Hinweise gegeben, auszugsweise heißt es hier:

- "Das beigefügte Raumprogramm wurde seitens der Verwaltung mit der Grundschule als Nutzer abgestimmt. Die genannten Raumgrößen der Nutzflächen sind als Richtwert zu verstehen. Eine kreative organisatorische Lösung von Raumnutzungen seitens des Bewerbers wird gewünscht. Die architektonische Freiheit soll dadurch nicht eingeschränkt werden."

- "Es ist eine flexible Lösung für die Räume im Hinblick auf eine nachhaltige Nutzung und die Synergie der Räume vorzusehen."

- "Die Erfordernisse aus Inklusion (z.B. Fahrstuhl) sollen im vollen Umfang berücksichtigt werden."

In der Bewertungsmatrix werden die vorzulegenden 8 Beiträge zugleich als Auswahlkriterien aufgeführt. Außer bei den Kriterien 8 "Honorarangebot" und 1.2 "Kostenermittlung" wurden als Merkmale für alle Auswahlkriterien genannt: Inhalt, Lösungsansatz, Kreativität, Darstellung, Gesamteindruck.

Mit dem Dokument "Zuschlagskriterien/Bewertungsmatrix für die Bewertung der Konzepte der Verhandlungsrunde" wurden die Bewerber über die Unterkriterien bzw. die Beurteilungsmaßstäbe aller Auswahlkriterien und ihre Gewichtung informiert. Für das Kriterium 1.1 "Technisches Konzept" wurde folgender Beurteilungsmaßstab bekannt gegeben, der in vergleichbarerer Weise auch für die anderen Auswahlkriterien galt:

Keine Beschreibung, theoretische Vorgehensweise1 Punkt
Allgemeine Beschreibung/Darstellung von Möglichkeiten2 Punkte
Konkrete Beschreibung der Vorgehensweise bei einer einfachen Darstellung3 Punkte
Ausführliche Erläuterung anhand einer komplexen Vorstellung von individuellen Möglichkeiten, inhaltlich schlüssig4 Punkte
Sehr transparente Erläuterung anhand einer umfangreichen, sehr komplexen Konzeption, inhaltlich sehr überzeugend5 Punkte

In den Bewerbungsbedingungen unter Ziffer 1.14 "Bewertung der indikativen Angebote nebst Konzepte sowie der finalen Angebote" wurde ergänzend erläutert:

"Der Auftraggeber wird die eingehenden indikativen Angebote nebst Anlagen, sowie die finalen Angebote anhand der in der beigefügten Bewertungsmatrix genannten Zuschlagskriterien inkl. Gewichtung bewerten. Die Bewertungsmatrix wird über sämtliche Verhandlungsrunden einheitlich angewandt."

Zum Angebotsschluss am xxxxxx.2015 lagen 3 indikative Angebote vor. Die Verhandlungen mit den Bewerbern fanden am 16.11.2015 statt. Der Inhalt der Verhandlungsgespräche wurde tabellarisch protokolliert. Die indikativen Angebote wurden geprüft und bewertet. Am 25.11.2015 beriet der Schulausschuss in nicht öffentlicher Sitzung eingehend über die vorgelegten Konzepte und gab schließlich eine Empfehlung für die Variante 5 (Neubau) ab. Am xxxxxx2015 entschieden sich Samtgemeindeausschuss und Samtgemeinderat für eine Weiterverfolgung der Variante 4 (Anbau rückwärtig groß).

Mit Schreiben vom 21.12.2015 wurden die Bewerber aufgefordert, ihre Variante 4 zum finalen Angebot zu überarbeiten oder zu erklären, dass sie mit der in der 1. Verhandlungsrunde vorgelegten Variante 4 auch an der finalen Verhandlungsrunde teilnehmen wollen.

Die finalen Angebote der 3 Bewerber wurden rechnerisch, technisch und sachlich geprüft. Weitere Verhandlungsgespräche fanden nicht statt. In die abschließende Wertung wurden nicht nur die Beiträge der finalen Angebote zur ausgewählten Variante 4, sondern auch die Beiträge zu den Varianten 3 und 5 der 1. Verhandlungsrunde einbezogen. Begründet wurde die Einbeziehung im Vermerk vom 01.02.2016 damit, dass eine "Benachteiligung eines Bewerbers verhindert werden soll, der seine Bearbeitung möglicherweise auf eine spezielle Variante konzentriert hat".

Die Bewertung der vorgelegten Konzepte wurde im Dokument "Bewertung der Konzepte in der Verhandlungsrunde" begründet. Im Dokument ist vermerkt, dass in die Wertung "zusätzliche Bewertungsaspekte aus der nicht-öffentlichen Sitzung des Schulausschusses vom 25.11.2015" (Eintragungen in blau) und Bewertungsaspekte der überarbeiteten Konzepte aus der finalen Angebotsrunde (Eintragungen in grün) eingeflossen sind. Die erreichten Punkte wurden jeweils in den Bewertungsmatrizes für die Varianten 3, 4 und 5 sowie anschließend zusammenfassend in den finalen Bewertungsmatrizes eingetragen. Nach dem Ergebnis der finalen Wertung liegt das Angebot der Beigeladenen mit 412,44 Punkten auf Rang 1. Auf Rang 2 folgt mit 375,83 Punkten das Angebot der Antragstellerin. Im Vermerk vom 01.02.2016 wird vorgeschlagen, die Beigeladene mit den Generalplanungsleistungen zu beauftragen. Der Samtgemeindeausschuss der Antragsgegnerin beschloss am xxxxxx.2016 einstimmig die Beauftragung der Beigeladenen.

Mit Informationsschreiben gemäß § 101a GWB vom 18.02.2016 wurden die Bewerber über das Ergebnis der Ausschreibung informiert. Hierbei wurden ihnen die für ihr Angebot erreichten Punktzahlen aller Auswahlkriterien und die erreichte Gesamtpunktzahl ihres Angebotes mitgeteilt, nicht jedoch die Gesamtpunktzahl des erfolgreichen Bewerbers. Sie erfuhren, dass der Auftrag frühestens am 01.03.2016 an die Beigeladene erteilt werden soll.

Mit Schreiben vom 22.02.2016 rügte die Antragstellerin das Informationsschreiben vom 18.02.2016 als unzureichend. Es lasse wesentliche Gründe für die Bewertung ihres Angebotes, dessen vermeintliche Defizite und seine Position im Wettbewerb nicht erkennen.

Am 24.02.2016 erhielt die Antragstellerin das Angebot für eine Besprechung am 29.02.2016. Im Hinblick auf den für den 01.03.2016 angekündigten Zuschlag bat die Antragstellerin die Antragsgegnerin, den Termin für den beabsichtigten Zuschlag um 1 bis 2 Wochen zu verschieben, um die Möglichkeit für ein Nachprüfungsverfahren offen zu halten. Die Antragsgegnerin war nicht zu einer Verschiebung des Zuschlags bereit, bot aber einen Besprechungstermin am 26.02.2016 an.

Das Gespräch fand am 26.02.2016 statt.

Am 29.02.2016 wandte sich die Antragstellerin mit einem Nachprüfungsantrag an die Vergabekammer. Der Nachprüfungsantrag sei zulässig. Sie habe das Informationsschreiben vom 18.02.2016 und die im Gespräch vom 26.02.2016 gegebenen zusätzlichen Informationen jeweils als unzureichend beanstandet, da u.a. die Bekanntgabe des Ergebnisses des Erstplatzierten gefehlt habe, und damit in Sinne von § 107 Abs. 3 GWB unverzüglich gerügt. Die enge Terminierung der Antragsgegnerin habe dazu geführt, dass sie zunächst keine rechtliche Beratung habe einholen können.

Sie habe Zweifel an der sachlichen und technischen Prüfung und an der Objektivität der Angebotswertung. Prüfung und Wertung seien - ohne Hinzuziehung eines Sachverständigen - von nicht ausreichend qualifizierten Mitarbeitern der Antragsgegnerin vorgenommen worden, bei denen sie im Hinblick auf die Auftragsvergaben der letzten 7 Jahre - in denen die Beigeladene bzw. ihre Rechtsvorgängerin ca. 90 % des Bauvolumens über alle Baubereiche der Antragsgegnerin umgesetzt habe - von einer Voreingenommenheit für die Beigeladene ausgehen müsse. Anhand der gegebenen Informationen könne sie vermeintliche Defizite ihres Angebotes nicht nachvollziehen, ihr sei im Gespräch kein Vergleich ihres Angebotes mit dem erstplatzierten Angebot aufgezeigt worden.

Die Antragstellerin beanstandet ferner, dass die in den Vergabeunterlagen enthaltenen Bewertungsblätter und die damit bekannt gegebenen Bewertungskriterien zu pauschal seien, als dass die durchgeführte Bewertung der Angebote anhand dieser Kriterien nachvollziehbar wäre. Die Antragsgegnerin habe die in die Wertung eingeflossenen Bewertungsaspekte sukzessive erweitert und den Bietern nicht vorab bekannt gegeben, was zu einer Wettbewerbsverzerrung und einem Verstoß gegen ihre Pflicht zur Bekanntmachung der Wertungskriterien führe.

Ihre Zweifel beträfen insbesondere die Wertung der "Technischen Konzepte" und die Wertung der "Konzepte der Gesamtanlage". Bei den Varianten 3 und 4 sei ihr eigenes Angebot wegen vermeintlich unzureichender Erfüllung des Raumprogramms abgewertet worden. Eine Abwertung des technischen Konzepts bei der von ihr angebotenen Variante 4 sei bereits aufgrund der Verortung des geforderten Multifunktionsraums mit Ganztagsbetrieb im Souterrain des Bestandsgebäudes erfolgt. Im Hinblick auf die in den Bewerbungsunterlagen vorgegebene maximale Größe der Baukörper und die begrenzten örtlichen Gegebenheiten müsse sie bezweifeln, dass der erfolgreiche Bewerber das Raumprogramm habe optimal erfüllen können. Folglich müsse dies auch bei der Bewertung des Angebots der Beigeladenen zu Punktabzügen im Hinblick auf die Varianten 3 und 4 geführt haben. Sie gehe auch bei Variante 5 davon aus, dass die Beigeladene wegen der Grundstücks- und Baugrenzen mit ihrem technischen Konzept das Raumprogramm nicht vollständig habe umsetzen können. Eine nicht vollständige Umsetzung müsse sich in der Bewertung widerspiegeln oder bei einer Planung über die Grundstücksgrenzen des eindeutig benannten Flurstücks hinaus sogar zu einer Bewertung mit 0 Punkten führen.

Hinsichtlich der Konzepte der Gesamtanlage für die Anbauvarianten sei ihr eigenes Angebot abgewertet worden, weil sie die zeitlich begrenzte Nutzung von Klassencontainern eingeplant habe. Die Antragstellerin bezweifele, dass die Konzepte der Beigeladenen ohne die Nutzung von weiteren Klassencontainern auskommen, weil für die Anbauvarianten vorab zwei Bestandsklassenräume abgebrochen werden müssen und eine eventuelle Umlegung der Klassen innerhalb des Bestandsgebäudes oder eine andere Ausweichmöglichkeit nach Angabe der Antragsgegnerin nicht in Betracht käme. Die Beigeladene dürfte auch hier nicht die volle Punktzahl auf ihre Konzepte erhalten haben.

Die Antragstellerin beantragt,

  1. 1.

    die Zuschlagserteilung auf das Angebot des xxxxxx zu untersagen,

  2. 2.

    die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Angebotsauswertung unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen,

  3. 3.

    der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der für die notwendige Rechtsverfolgung entstandenen Aufwendungen aufzuerlegen,

  4. 4.

    festzustellen, dass die Beiziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin erforderlich war.

Die Antragsgegnerin beantragt,

  1. 1.

    den Nachprüfungsantrag vom 29.02.2016 als unzulässig zu verwerfen oder als unbegründet zurückzuweisen,

  2. 2.

    der Antragstellerin keine Einsichtnahme in die Vergabeakten zu gewähren,

  3. 3.

    der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen,

  4. 4.

    festzustellen, dass die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig war.

Sie hält den Nachprüfungsantrag mangels entsprechender Rügen bereits für unzulässig.

Soweit die Antragstellerin beanstandet habe, nicht hinreichend informiert worden zu sein, habe sie im Gespräch am 26.02.2016 entsprechende Informationen erhalten. Das Gesamtergebnis des Erstplatzierten sei zudem am 29.02.2016 per E-Mail nachgereicht worden.

Ohne vorher beim Antragsgegner zu rügen, habe sich die Antragstellerin am 29.02.2016 direkt mit einem Nachprüfungsantrag an die Vergabekammer gewandt. Der Nachprüfungsantrag enthalte auch kein bestimmtes Begehren, die Antragstellerin möchte lediglich, dass ihr die detaillierte Wertung des erstplatzierten Bieters offengelegt wird.

Die Vergabestelle habe keine zu kurzen Fristen gesetzt, sondern die Wartefrist gemäß § 101a GWB eingehalten. Die Antragstellerin habe auch keinen Anspruch auf Einblick in die Bewertungsmatrix und das Angebot der Beigeladenen.

Die Zweifel der Antragstellerin an der fachlichen Kompetenz und Neutralität der mit der Wertung befassten Mitarbeiter seien unbegründet. Die Beigeladene bzw. ihre Rechtsvorgängerin habe in den vergangenen 7 Jahren auch nicht 90 %, sondern 54 % ihres Bauvolumens im Hochbau umgesetzt.

Soweit die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren die Wertung der Zuschlagskriterien zu 1.1 "Technisches Konzept" und zu 3 "Konzept der Gesamtanlage" infrage stelle, sei darauf hinzuweisen, dass sie die hierzu vorgetragenen Aspekte im Gespräch am 26.02.2016 nicht einmal zum Gegenstand einer Frage gemacht habe. Gleichwohl sei ihr gegenüber erläutert worden, dass alle Bewerber beim Auswahlkriterium zu 3 "Konzept der Gesamtanlage" Punktabzüge erhalten haben. Die Konzepte der Bewerber zu den Varianten 3, 4 und 5 hätten sich auch hinsichtlich der Ausführlichkeit der Erläuterung, der Komplexität und der Individualität nicht unterschieden, so dass die Bewertungen der Konzepte für jede der drei Varianten gleich und daher in der Gesamtbewertung zusammengefasst worden seien.

Zum Zuschlagskriterium 1.1 "Technisches Konzept" stellt die Antragsgegnerin klar, dass sie die Erfüllung des Raumprogramms, die Anordnung der Räumlichkeiten zueinander und die Raumgeometrie sowie die Gestaltung des Baukörpers in die Bewertung der Angebote einbezogen habe. Fehlende Räume, Auffälligkeiten zur Anordnung der Räume oder Raumgeometrie seien dokumentiert und hinsichtlich der inhaltlichen Überzeugung des jeweiligen Konzepts bewertet worden. Bei Variante 3 seien die räumlichen Anforderungen von keinem Bewerber erfüllt worden. In Bezug auf den Multifunktionsraum mit Ganztagsbetrieb in den Konzepten zu Variante 4 führt die Antragsgegnerin aus, dass, während im Konzept der Beigeladenen ein separater Multifunktionsraum fehle, weil er über eine Mehrfachnutzung des Speiseraums im Erdgeschoss dargestellt worden sei, im Konzept der Antragstellerin die Anordnung des Multifunktionsraums im Kellergeschoss ungünstig sei, weil ein Zugang für Schüler mit körperlicher Behinderung so nicht möglich wäre. Im Konzept der Antragstellerin zu Variante 4 fehle außerdem ein Ruheraum. Auch Angebote, in denen der Neubau zu Variante 5 bis auf das Nachbargrundstück geplant worden sei, haben insofern einen Punktabzug erfahren.

Den Vorwurf der Antragstellerin, die Bewertungskriterien seien zu pauschal, als dass die Bewertung nachvollziehbar wäre, weist die Antragsgegnerin zurück. Auch seien die Wertungsgesichtspunkte nicht sukzessive erweitert worden. Maßgeblich für die Wertung der Angebote seien ausschließlich die Bewertungskriterien und Bewertungsmaßstäbe gewesen, die den Bewerbern mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe vom 24.09.2015 bekannt gegeben wurden.

Die Beigeladene stellt keine Anträge.

Die Vergabekammer hat mit Verfügung des Vorsitzenden vom 22.03.2016 gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 GWB die Frist für die abschließende Entscheidung der Vergabekammer in diesem Nachprüfungsverfahren über die gesetzliche 5-Wochen-Frist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 GWB) hinaus bis zum 20.04.2016 verlängert.

Wegen des übrigen Sachverhaltes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Vergabeakte und das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 11.04.2016 Bezug genommen.

II.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig und begründet. Die Antragsgegnerin hat gegen den vergaberechtlichen Transparenzgrundsatz gemäß § 97 Abs. 1 GWB und gegen § 11 Abs. 6 Satz 2 VOF verstoßen, indem sie bei der Ermittlung des Bieters, der aufgrund des ausgehandelten Auftragsinhalts und der ausgehandelten Auftragsbedingungen im Rahmen der bekannt gemachten Zuschlagskriterien und deren Gewichtung die bestmögliche Leistung erwarten lässt (wirtschaftlichstes Angebot), nicht nur die finalen Angebote zur ausdrücklich von der Antragsgegnerin nach Auswertung der indikativen Angebote als Auftragsgegenstand festgelegten Variante 4, sondern zu gleichen Teilen auch die Bewertung der indikativen Angebote zu den von ihr für die finale Angebotsrunde verworfenen Varianten 3 und 5 zugrunde gelegt hat. Darüber hinaus ist unter Berücksichtigung des den öffentlichen Auftraggebern bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes durch § 11 Abs. 6 Satz 2 VOF eingeräumten Beurteilungsspielraums zwar vorliegend nicht zu beanstanden, dass das Angebot der Antragstellerin in der Wertung beim Zuschlagskriterium "Konzept der Gesamtanlage" einen Punktabzug erhalten hat, weil das Konzept einen nach den Vergabeunterlagen möglichst zu vermeidenden Einsatz von Containern für den Unterricht während der Bauphase zur Kompensation von zwei nicht nutzbaren Klassenräumen vorsieht. Es ist unter Beachtung des vergaberechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes jedoch nicht gerechtfertigt, dass die Beigeladene für dieses Kriterium demgegenüber die volle Punktzahl erhält, nur weil sie ohne nähere Erläuterung im Angebot erklärt, dass auf den Einsatz von Containern verzichtet werden kann. Auch die unterschiedliche Bewertung der Konzepte für den in den Vergabeunterlagen geforderten "Multifunktionsraum inkl. Ganztagsbetreuung" zum Zuschlagskriterium "Technisches Konzept" ist nicht plausibel.

1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Bei der Antragsgegnerin handelt es sich um eine Gebietskörperschaft und damit um einen öffentlichen Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 1 GWB. Der Wert des streitgegenständlichen Auftrags übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gemäß § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Bei den streitgegenständlichen Leistungen handelt es sich um Generalplanungsleistungen und damit um freiberufliche Dienstleistungen im Sinne des § 1 VOF und einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag im Sinne des § 99 Abs. 1 und 4 GWB. § 2 Abs. 1 Satz 1 der VgV enthält eine dynamische Verweisung auf die europarechtlich festgelegten Schwellenwerte, hier in der zum Zeitpunkt der EU-weiten Bekanntmachung vom xxxxxx.2015 geltenden Fassung die Verordnung (EU) Nr. 1336/2013 vom 13.12.2013. Hinsichtlich des Schwellenwertes ist die Regelung zur Dienstleistungsrichtlinie anzuwenden. Der gemäß Art. 2 Nr. 1 Ziffer 1 b) der VO 1336/2013 für freiberufliche Leistungen maßgebliche Schwellenwert beträgt danach 207.000 €. Die von der Antragsgegnerin vor Beginn des Vergabeverfahrens geschätzten Kosten der Generalplanungsleistungen überschreiten den Schwellenwert deutlich.

Die Antragstellerin ist auch antragsbefugt im Sinne des § 107 Abs. 2 GWB, da sie als Bewerberin ein Angebot abgegeben hat, ein Interesse an der Beauftragung mit den ausgeschriebenen Planungsleistungen hat und eine Verletzung von Rechten durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, indem sie vorträgt, sie könne anhand der von der Antragsgegnerin gegebenen Informationen vermeintliche Defizite ihres Angebotes nicht nachvollziehen. Ihr sei insbesondere im Gespräch kein Vergleich ihres Angebotes mit dem erstplatzierten Angebot aufgezeigt worden. Die Antragsgegnerin habe die in die Wertung eingeflossenen Bewertungsaspekte sukzessive erweitert und den Bietern nicht vorab bekannt gegeben, was zu einem Verstoß gegen die Pflicht zur Bekanntmachung der Wertungskriterien führe. Die Antragsgegnerin habe ihr Angebot im Hinblick auf die Kriterien "Technische Konzepte" und "Konzepte der Gesamtanlage" bei den Varianten 3 und 4 zu Unrecht wegen vermeintlich unzureichender Erfüllung des Raumprogramms abgewertet. Im Hinblick auf die in den Bewertungsunterlagen vorgegebene maximale Größe der Baukörper und die begrenzten örtlichen Gegebenheiten bezweifle sie, dass der erfolgreiche Bewerber das Raumprogramm habe optimal erfüllen können. Sie bezweifle ferner, dass die Konzepte der Beigeladenen ohne die Nutzung von weiteren Klassencontainern auskommen, weil für die Anbauvarianten vorab zwei Bestandsklassenräume abgebrochen werden müssen.

Voraussetzung für die Antragsbefugnis nach § 107 Abs. 2 GWB ist, dass das Antrag stellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass der Antragsteller diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Boesen, Vergaberecht, § 107 GWB, Rdnr. 52). Nach herrschender Meinung und Rechtsprechung sind an diese Voraussetzungen keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Es genügt für die Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrags, wenn der Bieter schlüssig einen durch die behauptete Rechtsverletzung drohenden oder eingetretenen Schaden behauptet, also darlegt, dass durch den behaupteten Vergaberechtsverstoß seine Chancen auf den Zuschlag zumindest verschlechtert sein können (BVerfG, Urteil vom 29.07.2004 - 2 BvR 2248/04; Möllenkamp in: Kulartz/ Kus/Portz, GWB-Vergaberecht, § 107, Rdnr. 35 ff.). Ob tatsächlich der vom Bieter behauptete Schaden droht, ist eine Frage der Begründetheit (vgl. BGH, Beschluss vom 29.06.2006 - X ZB 14/06, zitiert nach VERIS). Die Antragstellerin hat eine mögliche Beeinträchtigung ihrer Chancen auf den Zuschlag und damit einen möglichen Schaden schlüssig dargelegt.

Die Antragstellerin ist auch ihrer Pflicht gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB nachgekommen, vor Anrufung der Vergabekammer den geltend gemachten Verstoß gegen die Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren gegenüber der Antragsgegnerin unverzüglich zu rügen. Bei der Vorschrift des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht gemäß § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist die positive Kenntnis des Bieters von den Tatsachen.

Die Antragstellerin wurde durch die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 18.02.2016 gemäß § 101a GWB über das Ergebnis der Ausschreibung informiert. Hierbei wurden ihr die für ihr Angebot erreichten Punktzahlen aller Auswahlkriterien und die erreichte Gesamtpunktzahl ihres Angebotes mitgeteilt, nicht jedoch die Gesamtpunktzahl des erfolgreichen Bewerbers. Sie erfuhr, dass der Auftrag frühestens am 01.03.2016 an die Beigeladene erteilt werden soll. Mit Schreiben vom 22.02.2016 beanstandete die Antragstellerin das Informationsschreiben vom 18.02.2016 als unzureichend. Es lasse wesentliche Gründe für die Bewertung ihres Angebotes nicht erkennen. Die Entscheidung sei nicht nachvollziehbar. Sie bat um Übersendung aussagekräftiger Unterlagen und erklärte ausdrücklich, sie behalte sich vor, ein Nachprüfungsverfahren einzuleiten. Diese Formulierungen genügen vorliegend den inhaltlichen Anforderungen an eine Rüge gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB. Es ist insbesondere vergaberechtlich unschädlich, dass die Antragstellerin, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht anwaltlich vertreten oder beraten war, das Wort "Rüge" nicht verwendete (OLG München, Beschluss vom 05.11.2009 - Verg 15/09, Vergaberecht 2010, S. 677 ff., 682). Zwar müssen in der Rüge die beanstandeten Verstöße gegen die Regeln des Vergaberechts spezifisch benannt werden, der bloß pauschale Hinweis, das Vergabeverfahren sei fehlerhaft, genügt nicht (OLG Celle, Beschluss vom 13.1.2011 - 13 Verg 15/10 = VergabeR 2011, S. 531 ff., 534). In Fällen unverschuldeten Informationsdefizits muss es aber genügen, dass ein Bieter konkrete Tatsachen vorträgt, die den hinreichenden Verdacht eines Vergabeverstoßes begründen. Eine Begründung, insbesondere eine umfassende rechtliche Würdigung der möglichen Rechtsverstöße ist für eine ordnungsgemäße Rüge nicht erforderlich (vgl. Byok in: Byok/Jaeger, Vergaberecht, 3. Aufl., § 107 GWB, Rn. 97, m. w. N.).

Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin lässt sich die Präklusion des Nachprüfungsantrags vorliegend auch nicht damit begründen, dass die Antragstellerin nach Darstellung der Antragsgegnerin diese Beanstandungen gelegentlich oder im Nachgang des Gesprächs vom 26.02.2016 nicht noch einmal wiederholte, sondern erklärt habe, sie müsse prüfen, "ob sie das Verfahren rüge", was die Antragstellerin im Übrigen bestreitet. Unstreitig ist nach dem Vortrag beider Beteiligten, dass die Antragsgegnerin im Gespräch am 26.02.2016 erklärt hat, dass sie ihre Entscheidung aufrechterhält. Wenn sich, wie vorliegend, nach Auffassung des Bieters oder Bewerbers ein bereits gerügter Verstoß hinsichtlich der beanstandeten Entscheidung oder weiterer Entscheidungen der Vergabestelle fortsetzt, kann eine nochmalige Rüge vor der Einleitung des Nachprüfungsverfahrens nicht verlangt werden (Byok, a. a. O., § 107 GWB, Rn. 109; BayObLG, Beschluss vom 12.4.2000 - Verg 1/00 = NZBau 2000, S. 481 ff.,485).

Die schriftliche Rüge vom 22.02.2016 erfolgte auch unverzüglich i. S. d. § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB. Es kann vorliegend unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des OLG München (Beschluss vom 19.12.2013 - Verg 12/13, zitiert nach ibr-online) dahinstehen, ob die Präklusionsregel gem. § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH (vgl. Urteil vom 28.01.2010 in den Rs.C-406/08 und C-456/08) überhaupt noch anwendbar ist (zu den unterschiedlichen Auffassungen aktuell VK Südbayern, Beschluss vom 18.03.2015 - Z3-3-3194-1-62-12/14, OLG Dresden, Beschluss vom 07.05.2010, Az.: WVerg 6/10, und OLG Rostock, Beschluss vom 20.10.2010, Az.: 17 Verg 5/10, zitiert nach ibr-online; offen gelassen noch durch OLG Celle, Beschluss vom 16.09.2010, Az.: 13 Verg 8/10). Bei diesen beiden zum irischen und englischen Recht ergangenen Entscheidungen des EuGH ging es um die Frage, ob ein Nachprüfungsantrag zulässig ist, wenn das Verfahren nicht unverzüglich eingeleitet wird. Der EuGH hat in den dortigen Entscheidungen den Unverzüglichkeitsbegriff als zu unbestimmt bewertet.

Das OLG München hat in seiner Entscheidung vom 19.12.2013 - Verg 12/13 offen gelassen, ob die Präklusionsregel des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB nach diesen Entscheidungen des EuGH überhaupt noch anwendbar ist oder dem Europarecht widerspricht. Zumindest aber lasse sich den EuGH-Entscheidungen entnehmen, dass der Primärrechtsschutz nicht durch zu unklare Anforderungen verhindert werden soll. Das bedeutet auch, dass bei einer Auslegung von unbestimmten Rechtsbegriffen nicht zu kleinlich zu verfahren ist (ebenso bereits OLG München, Beschluss vom 06.08.2012 - Verg 14/12, zitiert nach ibr-online). Im Ergebnis hat das OLG München eine innerhalb von sieben Werktagen nach Kenntniserlangung vom gerügten Sachverhalt erfolgte Rüge noch als unverzüglich i. S. des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB gewertet.

Die Vergabekammer hält es daher für angemessen, unter Übernahme der Mindestüberlegungsfristen des Art. 2c Rechtsmittelrichtlinie 89/665/EWG eine Rügefrist von 10 Tagen ab positiver Kenntnis des Antragstellers vom geltend gemachten Verstoß gegen Vergabevorschriften zugrunde zu legen. Diese Auslegung wird bestätigt durch die Regelungen des inzwischen im Bundesgesetzblatt veröffentlichten GWB 2016. Nach der dem bisherigen § 107 GWB entsprechenden Vorschrift des § 160 Abs. 3 Nr. 1 GWB 2016 ist von einer Rügefrist von 10 Tagen auszugehen. Entscheidend bleibt für die Prüfung der Rechtzeitigkeit der Rüge aber weiterhin, ab wann die Antragstellerin positive Kenntnis von dem als vergaberechtswidrig beanstandeten Sachverhalt hatte.

Die nur vier Tage nach Erhalt des Informationsschreibens vom 18.02.2016 abgesetzte schriftliche Rüge erfolgte daher auch unverzüglich i. S. d. § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB.

2. Der Nachprüfungsantrag ist auch begründet. Die Antragstellerin ist gemäß §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 Satz 1 GWB in ihren Rechten verletzt. Die Antragsgegnerin hat gegen den vergaberechtlichen Transparenzgrundsatz gemäß § 97 Abs. 1 GWB und gegen § 11 Abs. 6 Satz 2 VOF verstoßen, indem sie bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes zu gleichen Teilen auch die Bewertung der indikativen Angebote zu den Varianten 3 und 5 zugrunde gelegt hat, obwohl die Antragsgegnerin nach Auswertung der indikativen Angebote als Auftragsgegenstand ausdrücklich die Variante 4 als Auftragsgegenstand festgelegt und die Bieter konsequenter Weise auch nur zur Abgabe von finalen Angeboten zur Variante 4 aufgefordert hatte (im Folgenden a). Darüber hinaus ist unter Berücksichtigung des den öffentlichen Auftraggebern bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes durch § 11 Abs. 6 Satz 2 VOF eingeräumten Beurteilungsspielraums vorliegend unter Beachtung des vergaberechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes zu beanstanden, dass nur das Angebot der Antragstellerin in der Wertung beim Zuschlagskriterium "Konzept der Gesamtanlage" einen Punktabzug für ihren Ansatz zur Kompensation von zwei nicht nutzbaren Klassenräumen während der Bauphase erhalten hat, nur weil die Beigeladene ohne jede nähere Erläuterung im Angebot erklärt hat, dass auf den Einsatz von zusätzlichen Containern verzichtet werden kann (im Folgenden b). Auch die unterschiedliche Bewertung der Konzepte für den in den Vergabeunterlagen geforderten "Multifunktionsraum inkl. Ganztagsbetreuung" zum Zuschlagskriterium "Technisches Konzept" ist nicht plausibel (im Folgenden c).

a. Die Berücksichtigung der indikativen Angebote zu den Varianten 3 und 5 bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten finalen Angebotes zur festgelegten Variante 4 verstößt gegen den vergaberechtlichen Transparenzgrundsatz gemäß § 97 Abs. 1 GWB und gegen § 11 Abs. 6 Satz 2 VOF.

Gemäß § 11 Abs. 6 Satz 2 VOF schließt der Auftraggeber den Vertrag mit dem Bieter, der aufgrund des ausgehandelten Auftragsinhalts und der ausgehandelten Auftragsbedingungen im Rahmen der bekannt gemachten Zuschlagskriterien und deren Gewichtung die bestmögliche Leistung erwarten lässt. Der Begriff der "bestmöglichen Leistungserbringung" in der VOF ist gleichbedeutend mit dem wirtschaftlichsten Angebot nach § 21 EG Abs. 1 VOL/A, § 16 Abs. 6 Nr. 3 VOB/A und § 97 Abs. 5 GWB bzw. dem wirtschaftlich günstigsten Angebot nach Art. 53 Abs. 1 lit. a VKR (vgl. Müller-Wrede, VOF, 4. Auflage, § 11, Rdnr. 99, m. w. N.; OLG Rostock, Beschluss vom 16.05.2001 - 17 W 1/01 und 17 W 2/01 = VergabeR 2001, S. 315 ff., 318). Der Begriff der bestmöglichen Leistung ist gegenüber dem Begriff des wirtschaftlichsten Angebotes nur scheinbar weiter gefasst. Darin kommt zum Ausdruck, dass der Wertungsvorgang nach der VOF nur begrenzt objektivierbar und im Übrigen von subjektiven Elementen geprägt ist, wobei der Auftraggeber auch die im Rahmen der Verhandlungen gewonnenen Eindrücke von der Leistungsfähigkeit der Bieter berücksichtigen kann (vgl. VK Bund, Beschluss vom 15.05.2009 - VK2-21/09). Der Auftraggeber muss denjenigen Bewerber auswählen, der am ehesten die Gewähr für eine sachgerechte und qualitätsvolle Leistungsverfüllung bietet (vgl. Müller-Wrede, a. a. O., § 11 VOF, Rdnr. 100, m. w. N.).

Bei der Bewertung der Angebote selbst steht dem Auftraggeber ein erheblicher Beurteilungsspielraum zu. Die Entscheidung kann von der Vergabekammer nur daraufhin überprüft werden, ob die maßgeblichen Verfahrensvorschriften eingehalten worden sind, der Sachverhalt zutreffend und vollständig ermittelt und berücksichtigt worden ist oder sachfremde Erwägungen eingeflossen bzw. vorgegebene Beurteilungsmaßstäbe verletzt worden sind (vgl. OLG München, Beschluss vom 17.01.2008 - Verg 15/07 = VergabeR 3/2008, S. 574 ff., 577; VK Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 05.09.2013 - 2VK 12/13, zitiert nach ibr-online). Der öffentliche Auftraggeber ist jedoch gemäß § 11 Abs. 6 Satz 2 VOF bei seiner Vergabeentscheidung an die von ihm bekannt gegebenen Zuschlagskriterien und deren Gewichtung gebunden (vgl. Müller-Wrede, a. a. O., § 11 VOF, Rdnr. 110).

Gemäß § 11 Abs. 5 VOF berücksichtigen die Auftraggeber bei der Entscheidung über die Auftragserteilung verschiedene, durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigte Kriterien, z.B. Qualität, fachlicher oder technischer Wert, Ästhetik, Zweckmäßigkeit, Umwelteigenschaften, Kundendienst und technische Hilfe, Leistungszeitpunkt, Ausführungszeitraum oder -frist und Preis/Honorar. Diese Zuschlagskriterien und ihre Unterkriterien sowie ihre Gewichtung hat der öffentliche Auftraggeber den Bietern mit der Aufgabenbeschreibung, der Vergabebekanntmachung oder der Aufforderung zur Angebotsabgabe bekannt zu geben. Dieser Bekanntmachungspflicht ist die Antragsgegnerin in nicht zu beanstandender Weise mit ihren Aufforderungen zur Angebotsabgabe vom 24.09.2015 (für die indikativen Angebote) und vom 21.12.2015 (finale Angebote) nachgekommen.

Sie hat sich auch nach Auswertung der indikativen Angebote in nicht zu beanstandender Weise entschieden und festgelegt, die Bieter ausschließlich zur Abgabe von finalen Angeboten zur Variante 4 aufzufordern. Dazu hatte sie bereits unter Ziffer VI. 3) der Auftragsbekanntmachung vom xxxxxx.2015 festgelegt:

"Nach Prüfung und Bewertung der indikativen Angebote, Ideenskizzen und Kostenschätzungen sowie nach Auswertung der Präsentationen/Verhandlungsgespräche beabsichtigt der Auftraggeber, die Entscheidung für eine der genannten Varianten zu treffen und diese sodann zum Gegenstand der zweiten (finalen) Verhandlungsrunde zu machen, so dass in der finalen Verhandlungsrunde, in der die Bieter zur Abgabe verbindlicher Angebote aufgefordert werden, der Beschaffungsgegenstand feststeht." (Hervorhebung durch die Vergabekammer)

Sie hätte dann aber konsequenterweise bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes gemäß § 11 Abs. 6 Satz 2 VOF die Bewertung nur anhand der finalen Angebote zur Variante 4 vornehmen dürfen. Stattdessen wurden auch die Beiträge zu den von der Antragsgegnerin verworfenen Varianten 3 und 5 der ersten Verhandlungsrunde - sogar mit gleicher Gewichtung - einbezogen. Erläutert und begründet wurde die Einbeziehung im Vergabevermerk vom 01.02.2016 (Ordner Vergabeakte, Vergabe/Auftrag) wie folgt:

"Die Angebote wurden rechnerisch, technisch und sachlich geprüft und gemäß der Bewertungsmatrix bewertet. Hierbei wurden die finalen Angebote der Bieter hinsichtlich der Kriterien 1.1 bis 1.2 und 8.1 im Hinblick auf die Variante 4 neu bewertet. Die Bewertung hinsichtlich der 1. Runde und hinsichtlich der 2. Runde (finale Runde) wurden zu einer finalen Bewertungsmatrix zusammengefasst. Eine Benachteiligung eines Bewerbers, der seine Bearbeitung möglicherweise auf eine spezielle Variante konzentriert hat, soll damit verhindert werden (siehe Anlage 1)."

Nach dem Ergebnis der finalen Wertung liegt das Angebot der Beigeladenen mit 412,44 Punkten von insgesamt 500 erreichbaren Punkten auf Rang 1 vor dem Angebot der Antragstellerin mit 375,83 Punkten.

Die Berücksichtigung der indikativen Angebote zu den ausdrücklich verworfenen Varianten 3 und 5 bei der finalen Angebotswertung ist mit dem vergaberechtlichen Transparenzgrundsatz gemäß § 97 Abs. 1 GWB und den Regelungen des auf diesem Grundsatz basierenden § 11 Abs. 6 Satz 1 VOF jedoch nicht vereinbar.

Die Entscheidung, an welchen Verhandlungsteilnehmer der Auftrag vergeben werden soll, ist im Vergaberecht grundsätzlich auftragsbezogen, d.h. nicht die Person des Verhandlungsteilnehmers soll Gegenstand der Entscheidung sein - ihre Eignung wurde bereits im Bewerbungsverfahren festgestellt -, sondern das Angebot zum festgelegten Beschaffungsgegenstand. Die Vergabeentscheidung ist von dem Auftraggeber aufgrund des ausgehandelten Auftragsinhalts sowie der ausgehandelten Auftragsbedingungen zu treffen. Dies spiegelt die zwei Gegenstände der Vertragsverhandlungen, gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 VOF "Leistungsgegenstand" und "abgeforderte Angebote", wieder. Dadurch wird der sachliche Gegenstand der Vergabeentscheidung umrissen, also gewissermaßen das "was" der Entscheidung (vgl. Müller-Wrede, VOF, 5. Aufl., § 11, Rn. 134, 137, 138). Als Leistungsgegenstand hatte die Antragsgegnerin vorliegend für die finale Angebotsrunde ausdrücklich und ausschließlich die Variante 4 festgelegt. Dementsprechend waren die Bieter auch dazu aufgerufen worden, ausschließlich ein überarbeitetes Angebot für die Variante 4 abzugeben oder aber zu erklären, dass das diesbezügliche indikative Angebot für die finale Angebotswertung unverändert stehen bleiben soll. Würde man stattdessen, wie vorliegend geschehen, (indikative) Angebote zu nach der 1. Angebotsrunde verworfenen Varianten mit berücksichtigen, wäre es denkbar, dass ein Bieter, der hinsichtlich der für die finale Angebotsrunde allein maßgeblichen Variante nach den Feststellungen des öffentlichen Auftraggebers eindeutig das wirtschaftlichste Angebot abgegeben hat, gleichwohl nicht den Zuschlag erhält, weil ein anderer Bieter hinsichtlich der verworfenen Varianten deutlich mehr Punkte erhalten hat.

Bereits aus diesem Grunde war die Antragsgegnerin vorliegend zu verpflichten, die Angebotswertung im Hinblick auf die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes gemäß § 11 Abs. 6 Satz 2 VOF unter ausschließlicher Beschränkung auf die finalen Angebote zur Variante 4 zu wiederholen. Weder die indikativen Angebote zu den verworfenen Varianten 3 und 5 selbst, noch die diesbezüglichen Ergebnisse der ersten Verhandlungsrunde dürfen dabei berücksichtigt werden. Erst dadurch kann die Antragsgegnerin ermitteln, welcher Bieter für die allein entscheidungserhebliche Variante 4 aufgrund des ausgehandelten Auftragsinhalts und der ausgehandelten Auftragsbedingungen im Rahmen der bekannt gemachten Zuschlagskriterien und deren Gewichtung die bestmögliche Leistung im Sinne des § 11 Abs. 6 Satz 2 VOF erwarten lässt.

b. Darüber hinaus ist unter Berücksichtigung des den öffentlichen Auftraggebern bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes durch § 11 Abs. 6 Satz 2 VOF eingeräumten Beurteilungsspielraums vorliegend unter Beachtung des vergaberechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes zu beanstanden, dass nur das Angebot der Antragstellerin in der Wertung beim Zuschlagskriterium "Konzept der Gesamtanlage" einen Punktabzug für ihren Ansatz zur Kompensation von zwei nicht nutzbaren Klassenräumen während der Bauphase erhalten hat, während die Beigeladene für dieses Kriterium die Höchstpunktzahl erhalten hat, nur weil sie in ihrem Konzept ohne jede nähere Erläuterung erklärt hat, dass auf den Einsatz von zusätzlichen Klassencontainern verzichtet werden kann.

In der Bewertungsmatrix wurden die von den Bietern auszuarbeitenden 8 Beiträge zugleich als Auswahlkriterien aufgeführt. Außer bei den Kriterien 8 "Honorarangebot" und 1.2 "Kostenermittlung" wurden als Merkmale für alle Auswahlkriterien genannt: Inhalt, Lösungsansatz, Kreativität, Darstellung, Gesamteindruck. In den Bewerbungsbedingungen unter Ziffer 1.14 "Bewertung der indikativen Angebote nebst Konzepte sowie der finalen Angebote" wurde ergänzend erläutert, dass die Bewertungsmatrix über sämtliche Verhandlungsrunden einheitlich angewandt wird.

Die Antragstellerin hatte in der Aufforderung zur Abgabe der indikativen Angebote vom 24.09.2015 als 3. Zuschlagskriterium das in der ersten Verhandlungsrunde von den Bietern noch für alle drei Varianten auszuarbeitende "Konzept der Gesamtanlage" festgelegt und die diesbezüglichen Anforderungen wie folgt beschrieben:

"Konzepte der Gesamtanlage für alle 3 Varianten für den Parallelbetrieb von Grundschule, Kindergarten und Sporthalle vor, während und nach der Baumaßnahme, wobei auch die Lagerung von Baumaterialien und die Unterbringung von Schülern während der Baumaßnahme sowie die Zu- und Abfahrtssituation während und nach der Baumaßnahme zu berücksichtigen sind."

Mit dem Dokument "Zuschlagskriterien/Bewertungsmatrix für die Bewertung der Konzepte der Verhandlungsrunde" wurden die Bewerber über die Unterkriterien bzw. die Beurteilungsmaßstäbe aller Auswahlkriterien und ihre Gewichtung informiert. Für das Kriterium 3 "Konzept der Gesamtanlage" wurde folgender Beurteilungsmaßstab bekannt gegeben, der in vergleichbarerer Weise auch für die anderen Auswahlkriterien galt:

Keine Beschreibung, theoretische Vorgehensweise1 Punkt
Allgemeine Beschreibung/Darstellung von Möglichkeiten2 Punkte
Konkrete Beschreibung der Vorgehensweise bei einer einfachen Darstellung3 Punkte
Ausführliche Erläuterung anhand einer komplexen Vorstellung von individuellen Möglichkeiten, inhaltlich schlüssig4 Punkte
Sehr transparente Erläuterung anhand einer umfangreichen, sehr komplexen Konzeption, inhaltlich sehr überzeugend5 Punkte

Ausweislich der Dokumentation in der Vergabeakte (Bewertungskonzepte - Bewertungsmatrizes und dort angefügte tabellarische Bewertung der Konzepte in der Verhandlungsrunde) haben sowohl die Antragstellerin als auch die Beigeladene für das von ihm vorgelegte Konzept der Gesamtanlage eine überdurchschnittliche Bewertung erhalten. Im Gegensatz zur Beigeladenen hat die Antragstellerin jedoch die mögliche Höchstbewertung um einen Punkt verfehlt. Den Punktabzug hat die Antragsgegnerin damit begründet, dass das Konzept der Antragstellerin zur Gewährleistung der Aufrechterhaltung des Unterrichts während der Bauphase den Einsatz von zwei zusätzlichen Klassencontainern zur Kompensation von zwei im Zuge der Baumaßnahme entfallenden Klassenräumen vorsieht.

Diese Begründung trägt unter Berücksichtigung des dem öffentlichen Auftraggeber bei der Bewertung zukommenden Beurteilungsspielraums vorliegend den Punktabzug, weil die Antragsgegnerin den Bietern bereits mit Aufforderung zur Angebotsabgabe vom 24.09.2015 mitgeteilt hat, dass die Nutzung weiterer Klassencontainer - über die vorhandenen hinaus - wenn auch nicht ausgeschlossen, so doch unerwünscht ist. Dort heißt es in der Kurzbeschreibung des Auftrags/Aufgabenbeschreibung:

"Die gesamte Baumaßnahme soll bei laufendem Schulbetrieb erfolgen. Entsprechende Möglichkeiten zur Unterbringung der Grundschüler während der Bauzeit sind vorzusehen; Mobilcontainer sollten dabei nach Möglichkeit vermieden werden."

Die Antragstellerin hat in der mündlichen Verhandlung vor der Vergabekammer erklärt, dass sie durchaus damit gerechnet habe, dass der von ihr vorgesehene Containereinsatz bei der Bewertung des Konzeptes der Gesamtanlage negativ vermerkt werden würde. Sie gehe jedoch nach wie vor davon aus, dass die Umsetzung der Baumaßnahme ohne Klassencontainer nicht möglich sei, da für die Anbauvarianten vorab zwei Bestandsklassenräume abgebrochen werden müssen. Eine eventuelle Umlegung der Klassen innerhalb der Bestandsgebäude sei nach Auskunft der Schulleitung nicht möglich. Insofern sei der Einsatz von Klassencontainern bei der Planung der Baumaßnahme unumgänglich. Daher müsse zumindest auch die Beigeladene in gleichem Maße für das Konzept der Gesamtanlage einen Punktabzug erhalten.

Die Beigeladene hatte in ihrem indikativen Angebot vom 30. Oktober 2015, dessen Bestand sie mit Schreiben vom 14.01.2016 für die finale Angebotsrunde ausdrücklich bestätigt hat, zum Konzept der Gesamtanlage keine Ausführungen dazu gemacht, wie sie den Abriss der beiden Bestandsklassenräume während der Baumaßnahme kompensieren will. Sie hat lediglich ausgeführt:

"Im Bestand sind z. Zt. im EG 7 Klassenräume, ein Gruppenraum und 2 Klassenräume (Container) vorhanden. Der Einsatz von zusätzlichen Containern ist nicht vorgesehen und auch nicht zwingend erforderlich. Gegebenenfalls ist im Einzelfall der Einsatz provisorischer Ersatzräume sinnvoll, sofern sich die Bauzeit und damit die Belastung für die Schule nennenswert reduzieren lassen."

Die Antragsgegnerin hat demgegenüber in der tabellarischen Bewertung der Konzepte in der Verhandlungsrunde zum Konzept der Gesamtanlage bei der Beigeladenen positiv hervorgehoben, dass die Unterbringung der Grundschüler während der Maßnahme in mindestens 8 Klassen gewährleistet sei - ohne zusätzliche Container. In der Bewertungsmatrix zu Variante 4 hat sie in der Folge dann das Konzept der Beigeladenen mit 5 Punkten bewertet. Sie hat im Nachprüfungsverfahren schriftsätzlich und auch in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass sie die unterschiedliche Bewertung auch für gerechtfertigt hält. Sie hält das Konzept der Beigeladenen, den Schulbetrieb während der Bauphase ohne zusätzliche Container aufrechtzuerhalten durchaus für schlüssig und möglich. Sie habe bereits in der Bekanntmachung darauf hingewiesen, dass der Schulstandort zu einer zweizügigen Ganztagsschule mit Mensabetrieb ertüchtigt werden solle. Davon ausgehend sei zu berücksichtigen, dass bereits in der Bauphase die vorhandenen Klassenräume nicht mehr in gleicher Weise ausgelastet werden, wie dies aktuell teilweise noch der Fall sei.

Zu diesen Erwägungen der Antragsgegnerin enthalten die Vergabeunterlagen jedoch keinerlei Hinweise. Aus der Tatsache, dass die Baumaßnahmen der Ertüchtigung zu einer zweizügigen Ganztagsschule dienen, lässt sich der status quo der aktuellen Auslastung nicht ableiten. Erst recht lässt sich daraus nicht ableiten, dass bereits in der Bauphase mit einer geringeren Auslastung der Klassenräume zu rechnen ist. Bekannt war den Bietern allein, dass im Zuge der Baumaßnahmen zwei Bestandsklassenräume abgebrochen und insoweit kompensiert werden müssen. Angesichts dieser Tatsache rechtfertigt die bloße Absichtserklärung der Beigeladenen, ohne zusätzliche Container auskommen zu können, die unterschiedliche Bewertung der Konzepte der Gesamtanlage jedenfalls nicht.

c. Auch die unterschiedliche Bewertung der Konzepte für den in den Vergabeunterlagen geforderten "Multifunktionsraum inkl. Ganztagsbetreuung" zum Zuschlagskriterium "Technisches Konzept" ist nicht plausibel. Die Antragsgegnerin hatte die diesbezüglichen Anforderungen wie folgt beschrieben:

"Technische Konzepte zu allen 3 Varianten, in denen die Bewerber u.a. darlegen sollen, wie die Anforderungen des Raumprogramms am besten erfüllt werden können und welche Kosten sie jeweils für die Umsetzung der Varianten ermitteln". (Hervorhebung durch die Vergabekammer)

Auf Seite 4 des Schreibens "Aufforderung zur Angebotsabgabe" vom 24.09.2015 wurden ergänzend noch weitere Hinweise gegeben, auszugsweise heißt es hier:

- "Das beigefügte Raumprogramm wurde seitens der Verwaltung mit der Grundschule als Nutzer abgestimmt. Die genannten Raumgrößen der Nutzflächen sind als Richtwert zu verstehen. Eine kreative organisatorische Lösung von Raumnutzungen seitens des Bewerbers wird gewünscht. Die architektonische Freiheit soll dadurch nicht eingeschränkt werden."

- "Es ist eine flexible Lösung für die Räume im Hinblick auf eine nachhaltige Nutzung und die Synergie der Räume vorzusehen."

- "Die Erfordernisse aus Inklusion (z.B. Fahrstuhl) sollen im vollen Umfang berücksichtigt werden."

Die Antragstellerin hat bei der Bewertung des technischen Konzepts vier von fünf möglichen Punkten erhalten, während das technische Konzept der Beigeladenen mit der Höchstpunktzahl bewertet wurde. Die Abwertung des technischen Konzepts der Antragstellerin hat die Antragsgegnerin im Vergabevermerk vom 01.02.2016 und in der tabellarischen Bewertung der Konzepte in der Verhandlungsrunde damit begründet, dass die Antragstellerin den im Raumprogramm geforderten Multifunktionsraum im Kellergeschoss verorten will. Dabei sei unklar, wie dieser Raum im Kellergeschoss für gehbehinderte Schüler erschlossen werden soll.

Auch hier trägt die dokumentierte Begründung den vorgenommenen Abzug von einem Punkt bei der Bewertung des technischen Konzepts der Antragstellerin. Denn die Antragsgegnerin hatte den Bietern bei aller Einräumung von kreativen Freiheiten bei der Umsetzung des Raumprogramms deutlich vorgegeben, dass die Erfordernisse aus der Inklusion im vollen Umfang berücksichtigt werden sollen. Damit hatten die Bewerber insbesondere in den Konzepten auch darzulegen, wie der Zugang auch für schwerbehinderte Schüler gewährleistet werden kann.

Auf der anderen Seite hatten die Bieter zu berücksichtigen, dass ausweislich der Unterlagen zum Raumprogramm, die die Antragsgegnerin den Bietern auf einer CD als Teil der Vergabeunterlagen beigefügt hatten, die Berücksichtigung eines separaten "Multifunktionsraums mit Ganztagsbetrieb, NMB" mit einer Sollraumgröße von 60 m2 ausdrücklich gefordert war.

Die Beigeladene hatte in ihrem technischen Konzept zu Variante 4 keinen separaten Multifunktionsraum vorgesehen. Vielmehr heißt es dazu in ihrem Angebot:

"Die Unterbringung der geforderten Räume ist möglich und eine für den modernen Schulbetrieb geeignete Raumzuordnung umsetzbar. Positiv sind die großen Öffnungsmöglichkeiten im EG zwischen Aula, Speisesaal und Flur 3. Das ermöglicht dem GBS-Bereich eine große Nutz- und Spielfläche."

Aus den dem Angebot beigefügten Plänen zu Variante 4 ergibt sich aus einer Eintragung, dass die Beigeladene die Funktion des geforderten Multifunktionsraums für den Ganztagsschulbetrieb in der Aula mit verorten will. Die Beigeladene hat dort den Eintrag "Aula/GBS 179,53 m2" vorgenommen.

Die Antragsgegnerin hat diesen Ansatz der Beigeladenen in der tabellarischen Auswertung als "kreative Lösung für Rückzugsbereiche" bewertet. Auf der anderen Seite hat die Antragsgegnerin im Zuge des Nachprüfungsverfahrens aber betont, dass sie die von den Bietern vorgelegten Konzepte auf Erfüllung des Raumprogramms in gleicher Weise geprüft und gewertet habe. Fehlende Räume, Auffälligkeiten zur Anordnung der Räume oder Raumgeometrie seien in der Tabelle "Bewertung der Konzepte in der Verhandlungsrunde" dokumentiert und hinsichtlich der inhaltlichen Überzeugung des jeweiligen Konzeptes bewertet worden. Die Tatsache, dass im technischen Konzept der Beigeladenen die Ausweisung eines gesonderten Multifunktionsraums fehlt, hat sie jedoch nicht berücksichtigt.

Demgegenüber hat sie im Zuge des Nachprüfungsverfahrens darauf hingewiesen, dass beim technischen Konzept der Antragstellerin die Ausweisung eines Ruheraumes und eines Lagerraumes fehlen. Stattdessen hat die Antragstellerin in ihrem Angebot einen "Krankenraum" mit einer Größe von 10,85 m2 vorgesehen. Die Antragstellerin hat in der mündlichen Verhandlung erläutert, dass sie die Bezeichnung "Krankenraum" gewählt hat, weil diese nach ihren Erfahrungen synonym sei mit dem Begriff "Ruheraum". Ein derartiger Raum werde regelmäßig für beide Funktionen benutzt.

Auch hier ist die unterschiedliche Bewertung jedenfalls mit der in der Vergabeakte dokumentierten Begründung nicht nachvollziehbar.

Im Übrigen ist die dokumentierte Bewertung der hier allein maßgeblichen Konzepte zu Variante 4 - auch hinsichtlich der übrigen Zuschlagskriterien - nicht zu beanstanden, wobei jedoch auch hier, wie oben unter II. 2. a) ausgeführt, zu beachten ist, dass bei der nach dem Tenor zu 1 erneut durchzuführenden Bewertung der finalen Angebote die indikativen Angebote zur Variante 3 und 5 aus der 1. Verhandlungsrunde außer Betracht bleiben müssen und keinen Einfluss auf die Bewertung der Variante 4 haben dürfen.

Die Vergabekammer weist darauf hin, dass auch durch die Vorgaben dieses Beschlusses angesichts des bisher geringen Abstandes bei der Bewertung der Konzepte und des deutlichen Abstandes beim Zuschlagskriterium "Honorarangebot gemäß HOAI" weiterhin möglich bleibt, dass auch die erneute Angebotswertung ergibt, dass die Beigeladene das wirtschaftlichste Angebot abgegeben hat. Der Nachprüfungsantrag gegen die bisherige, in der Vergabeakte dokumentierte Wertung der finalen Angebote ist jedoch begründet.

III. Kosten

Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB in der seit dem 24.04.2009 geltenden Fassung (Art. 1 Nr. 27 des Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechtes vom 20.04.2009, BGBl. I, S. 790).

Die in Ziffer 3 des Tenors festgesetzte Gebühr ergibt sich aus einer Interpolation des Auftragswertes innerhalb des Gebührenrahmens nach § 128 Abs. 2 GWB. Die von der Vergabekammer festzusetzende regelmäßige Mindestgebühr beträgt 2.500 €, die Höchstgebühr 50.000 € und die Höchstgebühr in Ausnahmefällen 100.000 €.

Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes in der zzt. gültigen Fassung aus Dezember 2009. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 € (§ 128 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 € zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000 € (§ 128 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. € (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996-1998) gegenübergestellt. Dazwischen wird interpoliert.

Der zu Grunde zu legende Auftragswert beträgt xxxxxx € brutto. Dieser Betrag entspricht dem im Angebot zur Variante 4 geforderten Bruttohonorar der Antragstellerin und damit ihrem Interesse am Auftrag.

Bei einer Ausschreibungssumme von xxxxxx € brutto ergibt sich eine Gebühr in Höhe von xxxxxx €. Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten oder Kosten durch Zeugenvernehmungen in der mündlichen Verhandlung sind nicht angefallen.

Die in Ziffer 2 des Tenors verfügte Kostentragungspflicht folgt aus § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Nachprüfungsverfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Hier war zu berücksichtigen, dass der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin begründet ist.

Die Antragsgegnerin ist jedoch von der Pflicht zur Entrichtung der Kosten (Gebühren und Auslagen) gemäß § 128 Abs. 1 GWB i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 3 BVwKostG befreit (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 13.07.2005, Az.: 13 Verg 9/05; OLG Dresden, Beschluss vom 25.01.2005, Az.: WVerg 0014/04).

Gemäß Ziffer 4 des Tenors hat die Antragsgegnerin der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Aufwendungen gemäß § 128 Abs. 4 GWB zu erstatten. Gemäß § 128 Abs. 4 GWB i. V. m. § 80 Abs. 2 VwVfG in entsprechender Anwendung war auf den Antrag der Antragstellerin gem. Ziffer 4 des Tenors auszusprechen, dass die Zuziehung eines Rechtsanwalts im Nachprüfungsverfahren für die Antragstellerin notwendig war. Ungeachtet der Tatsache, dass das GWB für das Nachprüfungsverfahren 1. Instanz vor der Vergabekammer keine rechtsanwaltliche Vertretung vorschreibt, bedurfte die Antragstellerin gleichwohl wegen der Komplexität des Vergaberechts und des das Nachprüfungsverfahren regelnden Verfahrensrechts einerseits sowie auch der Komplexität des konkreten streitbefangenen Vergabeverfahrens rechtsanwaltlicher Beratung und Begleitung.

Angesichts der Tatsache, dass die Antragsgegnerin im Nachprüfungsverfahren unterlegen ist, hat sie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Kosten der Antragstellerin zu tragen. Die Beigeladene war an der Kostenquote nicht zu beteiligen, weil sie keinen eigenen Antrag gestellt hat.

IV. Rechtsbehelf

...

Gause
Sandmann
Magill