Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 02.03.2016, Az.: VgK-01/2016
Verpflichtung zur Zurücksetzung eines Vergabeverfahrens auf den Zeitpunkt vor Aufforderung zur Abgabe des Angebotes
Bibliographie
- Gericht
- VK Lüneburg
- Datum
- 02.03.2016
- Aktenzeichen
- VgK-01/2016
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2016, 18137
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 107 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 GWB
- § 16 Abs. 1 Nr. 2 VgV
In dem Nachprüfungsverfahren
der xxxxxx,
Verfahrensbevollmächtigte: xxxxxx,
- Antragstellerin -
gegen
den xxxxxx,
Verfahrensbevollmächtigte: xxxxxx,
- Antragsgegner -
beigeladen:
xxxxxx,
- Beigeladene zu 1 -
und
xxxxxx,
- Beigeladene zu 2 -
wegen
Verhandlungsverfahren Erweiterte Planungsleistungen zur Projektumsetzung für den Ausbau der passiven FTTB/H-Netzinfrastruktur im Landkreis xxxxxx, Vergabebekanntmachungsnummer xxxxxx,
hat die Vergabekammer durch den Vorsitzenden MR Gause, die hauptamtliche Beisitzerin Dipl.-Ing. Rohn und die ehrenamtliche Beisitzerin Dipl.-Ing. Fesun auf die mündliche Verhandlung vom 22.02.2016 beschlossen:
Tenor:
- 1.
Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist. Der Antragsgegner wird verpflichtet, das Verhandlungsverfahren auf den Zeitpunkt vor Aufforderung zur Abgabe des Angebotes zurückzuversetzen, die Bieter unter Ausschluss der das streitgegenständliche Vergabeverfahren begleitenden Berater erneut zur Abgabe eines Angebotes aufzufordern und die Wertung der Angebote durchzuführen. Dabei hat er die aus den Entscheidungsgründen ersichtliche Rechtsauffassung der Vergabekammer zu beachten.
Im Übrigen wird der Nachprüfungsantrag zurückgewiesen.
- 2.
Die Kosten des Verfahrens hat die Antragsgegnerin zu 3/4, die Antragstellerin zu 1/4 zu tragen. Der Antragsgegner ist jedoch von der Entrichtung des auf ihn entfallenden Gebührenanteils befreit.
- 3.
Die Kosten werden auf xxxxxx € festgesetzt.
- 4.
Der Antragsgegner ist verpflichtet, der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu 3/4 zu erstatten. Die Antragstellerin ist verpflichtet, dem Antragsgegner die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu 1/4 zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts war sowohl für die Antragstellerin als auch für den Antragsgegner notwendig.
Begründung
I.
Der Landkreis xxxxxx will über eigene Glasfasertrassen die bisher unterversorgten Gebiete an die Breitbandversorgung heranführen. Sein Ziel ist eine flächendeckende FTTB/H-Infrastruktur. Das aus mehreren Projektphasen bestehende Gesamtprojekt wird als Pilotprojekt des Landes Niedersachsen durch das Breitband Kompetenz Zentrum Niedersachsen begleitet. Zur Vorbereitung und Durchführung war im Jahr 2013 ein Beratungsauftrag ausgeschrieben worden. Den Zuschlag hatte die Beigeladene zu 1 mit ihren Unterauftragnehmern Fa. A und Fa. B erhalten.
In Phase I des Projekts hat die Beigeladene zu 1 eine Netz- und Strukturplanung erstellt, die Fa. A hat das Geschäftsmodell inkl. Businessplan erarbeitet und war zuständig für die Projektsteuerung und wirtschaftliche Beratung bei der Pächtersuche. Die Fa. B war beratend tätig beim Entwurf des Pachtvertrages und bei der Vorbereitung und Durchführung des Verfahrens zur Pächtersuche.
Das Geschäftsmodell sieht vor, dass nach Fertigstellung der passiven Netzinfrastruktur der Pächter die erforderlichen aktiven Komponenten installiert, die Verantwortung für die Backbone Anschaltung übernimmt und den Bürgern und Gewerbetreibenden Endkundenprodukte zu marktkonformen Konditionen anbietet. Der Pächter ist auch für die Herstellung des Endkundenanschlusses an die vorhandene passive Netzinfrastruktur verantwortlich und ihm obliegt die Einrichtung und Aktivierung des Endkundenanschlusses.
In Phase II wurde am xxxxxx.2014 das Vergabeverfahren zur Pächtersuche EU-weit ausgeschrieben. Als Pächter für das Betreibermodell wurde die Fa. C ausgewählt.
In Phase III soll nun ein qualifizierter Dienstleister gefunden und mit der Realisierung der passiven FTTB/H-Netzinfrastruktur beauftragt werden.
Nach Durchführung eines wettbewerblichen Verfahrens hat der Antragsgegner am 14.09.2015 die Fa. A mit ihrem Unterauftragnehmer Fa. B mit der Beratung bei der Vorbereitung und Durchführung des Verfahrens zur Vergabe dieser Planungsleistungen beauftragt.
Mit EU-weiter Bekanntmachung vom xxxxxx.2015 wurden die Planungsleistungen in einem Verhandlungsverfahren europaweit ausgeschrieben. Der Auftrag umfasst die Ausführungsplanung, die Genehmigungsplanung, die Vorbereitung der Vergabe der Bauleistungen, die Begleitung/Ausgestaltung der Vergabe der Bauleistungen, die Objektüberwachung und die Objektbetreuung gemäß § 55 HOAI, Leistungsphasen 4-9.
Im Teilnahmewettbewerb wurden 5 Bewerber ausgewählt und am 03.11.2015 zur Angebotsabgabe aufgefordert. Zu Angebotserstellung erhielten sie die Leistungsbeschreibung mit Anlagen, den Entwurf des Ingenieurvertrags, die Allgemeine Bietererklärung mit Preistabelle und die technische Dokumentation der von der Beigeladenen zu 1 erstellten Netz- und Strukturplanung.
In der Aufforderung zur Angebotsabgabe wurden die Bieter über die beabsichtigte Wertung informiert. Hiernach sollen insgesamt 400 Punkte vergeben werden. Als Zuschlagskriterien sollen gewertet werden:
- die Überzeugungskraft des Bearbeitungskonzepts" mit 30 % (max. 120 Punkte),
- die Überzeugungskraft und Qualität der Beschreibung zum Projektmanagement und zur Termintreue" mit 10 % (max. 40 Punkte),
- die Stringenz der Angebotspräsentation" mit 10 % (max. 40 Punkte) und
- der Angebotspreis" mit 50 % (max. 200 Punkte), wobei die einzelnen Preisbestandteile der Planungsleistungen der Leistungsphasen 4-9 mit unterschiedlichem Gewicht berücksichtigt werden sollen. Die Gewichtung der einzelnen Preisbestandteile ist in einer Tabelle vorgegeben. Das Angebot mit der niedrigsten Wertungssumme soll die jeweils maximal erreichbare Punktzahl erhalten. Alle Angebote mit dem zweifachen der niedrigsten Wertungssumme und darüber erhalten 0 Punkte. Die Punktebewertung für die dazwischenliegenden Angebotspreise erfolgt durch lineare Interpolation.
Das Formblatt "Allgemeine Bietererklärung mit Preistabelle" enthält Vorgaben zur Kalkulation der Preise für die einzelnen Planungsleistungen und die Abfragen der zu wertenden Preise.
Unter Ziff. 5 der Leistungsbeschreibung sind die zu erbringenden Planungsleistungen für die 8 zu erbringenden Teilleistungen detailliert beschrieben.
Innerhalb der Angebotsphase gestellte Bieterfragen wurden gesammelt und in Form eines Frage- und Antwortkataloges beantwortet. Die Vergabeunterlagen wurden nicht gerügt.
Zur Submission lagen 4 Angebote vor. Sie wurden auf inhaltliche und formale Mängel und anschließend technisch geprüft. Es wurde ein Preisspiegel erstellt und geprüft, ob der für die Gesamtleistung angebotene Preis im offenen Missverhältnis zur Leistung steht. Anschließend wurden die einzelnen Positionen der Angebotspreise nach der bekannt gegebenen Methode gewertet, gewichtet und es wurden die Punktzahlen für die Wertung ermittelt. Die Ergebnisse dieser ersten Prüfung und Bewertung wurden in der Vergabeakte im Kapitel "Erste Prüfung" (Stand: 16.12.2015) dokumentiert. Nach deren Ergebnis wurden für jedes Angebot Verhandlungsbedarfslisten zusammengestellt, die den Bietern am 15.12.2015 mit der Einladung zum Verhandlungsgespräch übersandt wurden.
Über die am 21. und 22.12.2016 geführten Verhandlungsgespräche wurden Vermerke gefertigt und zusammen mit handschriftlichen Notizen der Vergabeakte beigefügt.
Nach den Verhandlungsgesprächen hatten alle 3 Bieter Gelegenheit, ihre Angebote zu optimieren. Die optimierten Angebote wurden geprüft und gewertet. Das Ergebnis der abschließenden Wertung wurde in der Vergabeakte dokumentiert.
Nach dem Ergebnis der Ausschreibung hat die Beigeladene zu 1 mit 378 Punkten die höchste Wertung erreicht und soll demgemäß den Zuschlag erhalten. Das Angebot der Beigeladenen zu 2 liegt mit 240 Punkten auf Rang 2, das Angebot der Antragstellerin liegt mit 188 Wertungspunkte auf dem letzten Rang.
Mit Informationsschreiben vom 30.12.2015 informierte der Antragsgegner die Antragstellerin darüber, dass der Zuschlag frühestens am 14.01.2016 auf das höchstbewertete Angebot der Beigeladenen zu 1 erteilt werden soll. Der Antragstellerin wurde mitgeteilt, dass ihr eigenes Angebot am Kriterium Angebotspreis gescheitert sei, bei dem ihr Angebot lediglich 8 von 200 möglichen Wertungspunkten erreicht hat.
Noch am selben Tage bat die Antragstellerin den Antragsgegner per E-Mail um eine detaillierte Aufschlüsselung zur Bewertung ihres Angebotes, um - so teilte sie mit - für Folgeangebote besser aufgestellt zu sein.
Der Antragsgegner bot mit E-Mail vom 05.01.2016 an, die Angebotsbewertung in einem persönlichen Gespräch zu erläutern.
Mit E-Mail vom 06.01.2016 bedankte sich die Antragstellerin für das Gesprächsangebot und wies darauf hin, dass die zum Konsortium gehörende Anwältin, xxxxxx, weitere vergaberechtliche Fragen bearbeiten und sich hiermit am 07.01.2016 beim Antragsgegner melden werde.
Mit E-Mail vom 11.01.2016 bat die Antragstellerin den Antragsgegner unter Hinweis auf den am 14.01.2016 geplanten Vertragsabschluss um Zusendung der schriftlichen Bewertung bis zum 12.01.2016.
Am 12.01.2016 erhielt die Antragstellerin eine Tabelle mit den auf ihr Angebot vergebenen Punktzahlen. Eingetragen waren die gewichteten Wertungen der einzelnen Preisbestandteile der Planungsleistungen und die Wertungen der 3 qualitativen Kriterien.
Mit anwaltlichem Rügeschreiben vom 13.01.2016 beanstandete die Antragstellerin den beabsichtigten Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu 1 als vergaberechtswidrig. Hierzu trug sie vor, die Beigeladene zu 1 habe die Netz- und Strukturplanung erstellt und hierdurch Wissensvorsprünge erlangt, die der Antragsgegner nicht ausgeglichen habe. Im Rahmen dieser Planung sei eine Vor-Ort-Begehung durchgeführt worden, die sich in der zur Angebotserstellung zur Verfügung gestellten Netz- und Strukturplanung nicht wiederfinde. Die Netz- und Strukturplanung sei weitgehend automatisiert erstellt worden. Sie enthalte - nur für Fachleute erkennbare - Mängel und Ungenauigkeiten. Um erhebliche Mehrkosten bei der Realisierung und Baudurchführung zu vermeiden, müssten die Bieter die Pläne einer erneuten Überprüfung und Verifizierung vor Ort unterziehen und dies auch einkalkulieren. Die Beigeladene zu 1 habe ihr Angebot günstiger kalkulieren können, denn sie könne ihre bisherigen Planungsleistungen schlicht fortführen und ihrer weiteren Planung ungeprüft zu Grunde legen.
Umfangreiche Recherchen hätten ergeben, dass die Beigeladene zu 1 zu den Beratern des Antragsgegners langjährige geschäftliche Beziehungen unterhalte. So böten die Beigeladene zu 1, die Fa. A und Fa. B als Partnerunternehmen in einer "ARGE Breitband" ihre Dienstleistungen im Internet an. Vor diesem Hintergrund sei eine neutrale Gestaltung und Bewertung der Angebote ausgeschlossen. Die Befangenheit werde belegt durch die aufgezeigten Mängel und Ungenauigkeiten der den Bietern zur Angebotserstellung überlassenen Planungsgrundlagen. Die beauftragten Berater hätten es unterlassen, diese Mängel dem Antragsgegner aufzuzeigen, was ein Eigeninteresse der Berater daran indiziere, dass die Beigeladene zu 1 den Zuschlag erhält. Das gesamte Vergabeverfahren leide an einem Verstoß gegen § 16 Abs.1 Nr.2 VgV.
Außerdem rügte sie den beabsichtigten Zuschlag auf das offensichtlich nicht auskömmliche Angebot der Beigeladenen zu 1.
Sie fordert den Antragsgegner auf, das Vergabeverfahren ohne die von ihr aufgezeigten Mängel zu wiederholen und sicherzustellen, dass alle Bieter in chancengleicher Weise die Möglichkeit erhalten, zu vergleichbaren und transparenten Bedingungen anzubieten.
Mit Rügeantwort vom 14.01.2016 wies der Antragsgegner die Rügen als verspätet und unbegründet zurück. Er habe im Vorfeld dieses Vergabeverfahrens konkrete Vorkehrungen getroffen, um den Anschein eines Interessenkonfliktes zu vermeiden und einen etwaigen Informationsvorsprung aus der Projektantentätigkeit der Beigeladenen zu 1 auszugleichen. Mit der Offenlegung der gesamten Dokumentation der Netz- und Strukturplanung und einer großzügigen Bemessung der Angebotsfrist habe er dafür gesorgt, dass ein etwaiger Wissensvorsprung ausgeglichen worden sei. So seien auch die anderen Bieter in die Lage versetzt worden, zu den gleichen Wettbewerbsbedingungen wie der vorbefasste Bieter ein Angebot zu legen. Ein Verstoß gegen § 16 VgV liege nicht vor.
Die Auskömmlichkeit des Angebotspreises der Beigeladenen zu 1 sei mit positivem Ergebnis geprüft worden. Zudem sei die Verpflichtung des Auftraggebers zur Prüfung der Angemessenheit von Angebotspreisen grundsätzlich nicht bieterschützend.
Daraufhin wandte sich die Antragstellerin am 14.01.2016 mit einem Nachprüfungsantrag an die Vergabekammer und beanstandete den beabsichtigten Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu 1 als vergaberechtswidrig. Ihre Rügen seien nicht verspätet. Die Vorschrift des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB sei unionsrechtswidrig und damit nicht anzuwenden. Zudem habe sie von den Sachverhalten, die den Rügen zu Grunde liegen, auf ihre Nachfrage erst am 12.01.2016 und zum Teil nur durch Zufall Kenntnis erhalten. Erst an diesem Tag habe auch die anwaltliche Vertretung der Antragstellerin in diesem Vergabeverfahren ihr Mandat übernommen. Bereits am 13.01.2016 - und damit einen Tag nach Kenntnis der Verstöße - sei gerügt worden.
Ihre Rügen seien substantiiert und ihr Antrag sei auch begründet.
Die Berater des Auftraggebers seien im Sinne des § 16 Abs. 1 VgV befangen. Sie arbeiteten seit 2012 mit der Beigeladenen zu 1 als Arbeitsgemeinschaft zusammen und hätten als "ARGE Breitband" ihre Dienstleistungen bis vor kurzem im Internet angeboten. Sie wollen die weitere Zusammenarbeit von der Entscheidung der Vergabekammer abhängig machen.
Die Berater hätten maßgeblichen Einfluss auf alle Entscheidungen des Antragsgegners gehabt, zum Beispiel auf die Festlegung der Ausschreibungsgrundlagen und die Entscheidung über die Teilnahme der Beigeladenen zu 1. Der Antragsgegner sei jeweils nur den Empfehlungen seiner Berater gefolgt. Es sei zu bezweifeln, dass die Fa. A und Fa. B eine ausreichende Neutralitäts- und Verschwiegenheitsvereinbarung abgegeben haben.
Allein dieser Verstoß führe zu Rechtswidrigkeit des Vergabeverfahrens.
Das Verfahren leide außerdem an einem Verstoß gegen § 4 Abs. 5 VOF. Die Beigeladene zu 1 sei nicht nur mit der Netz- und Strukturplanung, sondern - als Hauptauftragnehmer mit ihren Unterauftragnehmern Fa. A und Fa. B - mit allen Leistungen der Projektphasen I und II vorbefasst gewesen. Die rechtliche Bewertung des Antragsgegners zur Vorbefassung gehe insoweit bereits von fehlerhafter Tatsachengrundlage aus. Der Antragsgegner habe den Wissensvorsprung der Beigeladenen zu 1 auch nicht ausgeglichen.
Die im Nachprüfungsverfahren von der Beigeladenen zu 1 erläuterten Gründe für die vermeintlich fehlerhaften Darstellungen der Hausanschlüsse hätten als wichtige Planungsprämisse in den Vergabeunterlagen enthalten sein müssen. Ohne diese waren die Darstellungen missverständlich. Spätestens auf die ausdrücklichen Hinweise und Nachfragen der Antragstellerin im Verhandlungsgespräch hätte der Antragsgegner diese Erläuterungen geben müssen. In Kenntnis dieser Gründe hätten die Bieter anders kalkulieren, und auf höhere Risikozuschläge verzichten können. Es sei zu unterstellen, dass die Beigeladene zu 1 als Hauptauftragnehmer für die Leistung der Phasen I und II auch den von ihr angebotenen Entwurf für den Pachtvertrag kenne. Hierdurch habe sie in den Verhandlungen und in der Kalkulation entscheidende Wissensvorteile gehabt. Während in den Vergabeunterlagen die Notwendigkeit einer engen Zusammenarbeit mit dem Pächter hervorgehoben wurde, so dass auf ein Erfordernis für häufige und intensive Abstimmungen mit dem Pächter zu schließen war, enthält der Pachtvertrag keinerlei Regelungen über Art und Umfang der Abstimmungen. Nur die Beigeladene zu 1 habe gewusst, dass "nur irgendeine" Abstimmung und Beteiligung des Pächters erforderlich sei. Der Pachtvertrag enthalte weitere - insbesondere hinsichtlich der Planung der Personalstärke und der Risikozuschläge - kalkulationsrelevante Regelungen, die in den Vergabeunterlagen nicht, nicht vollständig bzw. nicht konkret und zum Teil falsch wiedergegeben wurden. Für die Angebotserstellung relevant seien z.B. der Verzicht auf feste Fertigstellungstermine bzw. -fristen, die für den Pächter geltenden Vorgaben, die mit ihm vereinbarten Grundsätze für die Zusammenarbeit und das Angebot der Fa. C in Anlage 5 des Pachtvertrages.
Bei seiner Wertung nach Maßgabe der qualitativen Wertungskriterien habe der Antragsgegner nicht die auftragsspezifische Eignung des für die Leistungserbringung vorgesehenen Personals, sondern vergaberechtswidrig die Eignung des Bieterunternehmens bewertet.
Die qualitative Wertung ihres Angebotes sei nicht transparent und enthalte mehrere Wertungsfehler und Vergaberechtsverstöße.
Die Antragstellerin beantragt
- 1.
das auf der Grundlage der europaweiten Bekanntmachung vom xxxxxx.2015 begonnene Vergabeverfahren aufzuheben;
- 2.
dem Antragsgegner aufzugeben, keinen Zuschlag zu erteilen, insbesondere nicht an die Beigeladene zu 1;
- 3.
dem Antragsgegner aufzugeben, bei fortlaufender Beschaffungsabsicht
- a)
das Vergabeverfahren erneut vorzubereiten und zu starten ohne die Hinzuziehung der Fa. A und der Fa. B als mitwirkende Berater in diesem Vergabeverfahren;
- b)
Wissensvorsprünge gegenüber dem Projekttanten, der Beigeladenen zu 1 auszugleichen, insbesondere durch Vorlage einer konkreten Planung, die auch die durchgeführten Vor-Ort-Begehungen und damit eine entsprechende Verifikation erkennen lässt;
- c)
hilfsweise zu b) die Beigeladene zu 1 als Bieter auszuschließen;
- d)
eine ordnungsgemäße Preisprüfung durchzuführen;
- 4.
die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller gemäß § 128 Abs. 4 GWB für notwendig zu erklären;
- 5.
dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Antragsteller aufzuerlegen.
Der Antragsgegner beantragt,
- 1.
den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen;
- 2.
den Antragstellern die Kosten des Nachprüfungsverfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen des Antragsgegners aufzuerlegen;
- 3.
festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung für den Antragsgegner notwendig war.
Der Nachprüfungsantrag sei wegen verspäteter Rügen bereits unzulässig. Die Antragstellerin habe bereits am 30.12.2015 alle wesentlichen Informationen zur Erhebung ihrer Rügen gehabt. Die Rechtsprechung der EU stehe der Anwendbarkeit des § 107 (3) N r.1 GWB nicht entgegen. Für die Rügen sei keine zusätzliche Rechtsauskunft erforderlich gewesen. Die Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin sei als deren juristische Projektverantwortliche bereits mit dem Vergabeverfahren vertraut und nachweislich bereits am 06.01.2016 mit der Sache befasst gewesen. Einen Grund für die Zubilligung einer Frist von 14 Tagen gebe es nicht. Die vorgetragenen Rügen seien unsubstantiiert. Zudem habe das auf Rang 3 liegende Angebot der Antragstellerin keine Chance auf den Zuschlag.
Der Nachprüfungsantrag sei im Übrigen unbegründet. Die Regelungen des § 16 Abs.1 VgV seien auf Beratungsgesellschaften nicht anwendbar. Die Antragstellerin habe keine befangene natürliche Person benannt und auch nicht dargelegt, wie sich die vermeintliche Befangenheit auf die einzelnen Entscheidungen ausgewirkt haben soll. Die Berater des Auftraggebers seien in diesem Vergabeverfahren nicht für die Beigeladene zu 1 tätig geworden und hätten diese auch nicht in sonstiger Weise unterstützt. Es gebe zwischen ihnen keine dauerhafte Geschäftsbeziehung oder gar ein Exklusivitätsverhältnis. Ihr Auftreten als "ARGE Breitband" im Internet sei eine Vertriebsmaßnahme und ohnehin nicht mehr aktuell. Wie die Antragstellerin selbst festgestellt habe, sei die Internetseite der "ARGE Breitband" spätestens ab dem 20.06.2015 nicht mehr gemeinsam betrieben worden. Entscheidend sei, dass die Berater in diesem Vergabeverfahren nicht auf Seiten der Beigeladenen zu 1 tätig geworden seien. Ein Interessenkonflikt im Sinne des § 16 VgV sei nicht erkennbar.
Sämtliche Entscheidungen seien im vorliegenden Vergabeverfahren vom Auftraggeber selbst getroffen worden. Die Fa. A mit ihrem Nachunternehmer Fa. B sei nur beratend tätig. Eine entsprechende Neutralitätserklärung sei Bestandteil des mit ihr geschlossenen Beratungsvertrages.
Inhalt des im Jahr 2013 an die Beigeladene zu 1 und ihre Nachunternehmer erteilten Auftrags waren die Leistung der Strukturplanung inklusive Business Case und optional die Beauftragung der Durchführung der europaweiten Ausschreibung zur Pächtersuche. Diese Option sei erst nach Abschluss der Netz- und Strukturplanung beschlossen und beauftragt worden. Die Beigeladene zu 1 sei hierdurch zwar zwangsläufig Auftragnehmer gewesen, eine Zusammenarbeit mit ihr sei nach Abschluss der Netz- und Strukturplanung aber nicht mehr erforderlich gewesen.
In die Vorbereitungen des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens sei die Beigeladene zu 1 nicht eingebunden gewesen. Einzige inhaltliche Verknüpfung sei die von ihr in Phase I erstellte Netz- und Strukturplanung. Hieraus resultierende Wissensvorsprünge wurden mit der Offenlegung sämtlicher Unterlagen der Netz- und Strukturplanung ausgeglichen. Weitere Wissensvorsprünge gebe es nicht.
Der Pachtvertrag mit dem ausgewählten Pächter sei für die Bieter in diesem Verfahren nicht relevant, alle Informationen zu den Modalitäten des geplanten Ausbaus hätten sie mit dem Ausbau- und Erschließungskonzept in Anlage 13 zur Leistungsbeschreibung erhalten.
Die Hinweise und Fragen der Antragstellerin zu vermeintlichen Mängeln der Netz- und Strukturplanung seien mit dem Frage- und-Antwort-Katalog behandelt bzw. beantwortet worden. Dort sei klargestellt worden, dass die Klärung der Eigentumsverhältnisse entlang der Trassenplanungen nicht Gegenstand der Strukturplanung war und die Planung der Hausanschlüsse erst im Zuge der Planung für die Bauausführung durchzuführen ist.
Wenn die Antragstellerin meint, von dieser Konzeption des Auftraggebers abweichen zu müssen, sei sie für die Folgen selbst verantwortlich. Nach alledem liege kein Verstoß gegen § 4 Abs. 5 VOF vor.
Auch die Prüfung und Wertung der Angebote und die Dokumentation der Vergabeakte seien nicht zu beanstanden. Bei der Wertung seien alle Vorgaben der Ausschreibung eingehalten worden.
Die Auskömmlichkeit des Angebotes der Beigeladenen zu 1 sei ordnungsgemäß geprüft und positiv festgestellt worden. Auffälligkeiten seien im Verhandlungsgespräch aufgeklärt worden.
Die Abfrage und Wertung der auftragsbezogenen Kompetenz des für den Einsatz vorgesehenen Personals sei nach der aktuellen Rechtsprechung des EuGH nicht vergaberechtswidrig. Die qualitative Wertung des Angebotes der Antragstellerin sei fehlerfrei erfolgt und ordnungsgemäß dokumentiert worden. Das Angebot der Antragstellerin sei wegen des schlechten Wertungsergebnisses beim Kriterium Preis selbst dann chancenlos, wenn es bei der qualitativen Wertung für jedes Kriterium die hierfür maximal möglichen Punktzahlen erhalte.
Die Beigeladene zu 1 unterstützt den Vortrag des Antragsgegners.
Sie erläutert, dass mittelständische Unternehmen mit den auf diesem Markt ausgeschriebenen Leistungen häufig personell überfordert seien. Kooperationen bei Breitband-Projekten seien branchenüblich. Sie würden projektweise und mit unterschiedlichen Firmen vereinbart, um den Kunden jeweils optimale Leistungen anbieten zu können. Mit ihren Anlagen 1-12 legte sie Beispiele für in jüngerer Zeit eingegangene Kooperationspartnerschaften u.a. auch mit der Antragstellerin vor. Ihre Zusammenarbeit mit der Fa. A sei nicht intensiver als ihre Zusammenarbeit mit der Antragstellerin. Zusammen mit der Antragstellerin habe sie sogar in wettbewerblicher Konkurrenz zur Fa. A angeboten. Mit der Fa. B habe es eine Zusammenarbeit bisher nur beim Projekt des Antragsgegners gegeben. Nach ihrem Angebot seien weder die Fa. A noch die Fa. B für Nachunternehmerleistungen vorgesehen. Zwischen ihr und den Beratern des Antragsgegners habe es auch keinen direkten Informationsaustausch gegeben. Sämtliche Kommunikation sei über die Vergabestelle des Antragsgegners gelaufen. Es gebe in diesem Verfahren keine gemeinsamen Interessen und auch keine Interessenkonflikte.
Die Beigeladene zu 2 hat sich nicht geäußert.
Die Vergabekammer hat mit Verfügung des Vorsitzenden vom 12.02.2016 gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 GWB die Frist für die abschließende Entscheidung der Vergabekammer in diesem Nachprüfungsverfahren über die gesetzliche 5-Wochen-Frist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 GWB) hinaus bis zum 03.03.2016 verlängert.
Wegen des übrigen Sachverhaltes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die Vergabeakte Bezug genommen.
II.
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig und überwiegend begründet. Die Antragstellerin ist in zweifacher Hinsicht in ihren Rechten gemäß § 97 Abs. 7 GWB verletzt. Die Begleitung des Vergabeverfahrens durch die Fa. A mit ihrem Unterauftragnehmer Fa. B, die als Unterauftragnehmer der Beigeladenen zu 1 und damit auf Bieterseite bereits an den abgeschlossenen Phasen I und II dieses Projektes beteiligt waren und ausweislich einer Information auf der Internetseite der Fa. A zumindest nach außen noch während des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens werbend als "ARGE Breitband" und damit als branchenspezifisches Kompetenzteam aufgetreten sind, stellt einen Verstoß gegen das Verbot der Mitwirkung von als voreingenommen geltenden natürlichen Personen im Vergabeverfahren gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 3b VgV dar. Darüber hinaus hat sich der Auftraggeber ausweislich der Dokumentation in der Vergabeakte zwar um die Vermeidung einer Verfälschung des Wettbewerbs durch die Teilnahme der Beigeladenen zu 1 gemäß § 4 Abs. 5 VOF bemüht. Er hat es jedoch versäumt, den Bietern auch den in der Phase II ausgehandelten Pachtvertrag nebst Anlagen, in einer ggf. hinsichtlich der monetären Regelungen geschwärzten Fassung zur Verfügung zu stellen, obwohl die dortigen Ausführungen durchaus auch für die Angebotskalkulation in der streitgegenständlichen Phase III relevant sein konnten. Aus diesen Gründen ist das Vergabeverfahren gemäß des Tenors zu 1 in den Stand vor Aufforderung zur Angebotsabgabe zurück zu versetzen. Es ist daher vorliegend nicht entscheidungserheblich, dass die dokumentierte Angebotswertung im Übrigen und insbesondere auch hinsichtlich der Angemessenheitsprüfung entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht zu beanstanden ist.
1. Der Nachprüfungsantragsantrag ist überwiegend zulässig. Bei dem Antragsgegner handelt es sich um einen Landkreis und damit um einen öffentlichen Auftraggeber i. S. des § 98 Nr. 1 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gem. § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um freiberufliche Planungsdienstleistungen. § 2 Abs. 1 Satz 1 der VgV enthält eine dynamische Verweisung auf die europarechtlich festgelegten Schwellenwerte, hier die Verordnung (EU) Nr. 1336/2013 vom 13.12.2013. Hinsichtlich des Schwellenwertes ist die Regelung zur Dienstleistungsrichtlinie anzuwenden. Der gemäß Art. 2 Nr. 1 Ziffer 1 b) der VO 1336/2013 für freiberufliche Leistungen maßgebliche Schwellenwert beträgt 207.000 €. Die von dem Antragsgegner vor Beginn des Vergabeverfahrens geschätzten Gesamtkosten überschreiten den Schwellenwert deutlich.
Die Antragstellerin ist auch gem. § 107 Abs. 2 GWB antragsbefugt, da sie ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung von Rechten durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, in dem sie vorträgt, der Antragsgegner habe gegen das Verbot der Mitwirkung von als voreingenommen geltenden natürlichen Personen im Vergabeverfahren gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 3b VgV verstoßen, indem er mit der Begleitung des Vergabeverfahrens die Fa. A mit ihrem Unterauftragnehmer Fa. B, die als Unterauftragnehmer der Beigeladenen zu 1 und damit auf Bieterseite bereits an den abgeschlossenen Phasen I und II dieses Projektes beteiligt waren, beauftragt hat. Auch habe er den Anforderungen an die Vermeidung einer Verfälschung des Wettbewerbs durch die Teilnahme der Beigeladenen zu 1 gemäß § 4 Abs. 5 VOF nicht in jeder Hinsicht genügt. Die Beigeladene zu 1 genieße insbesondere im Hinblick auf den in Phase II des Projekts durch sie federführend als Auftragnehmerin ausgehandelten Pachtvertrag kalkulationsrelevantes, exklusives Insiderwissen und damit vergaberechtswidrige Informationsvorsprünge als Projektant.
Voraussetzung für die Antragsbefugnis gem. § 107 Abs. 2 GWB ist, dass das Antrag stellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass der Antragsteller diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Boesen, Vergaberecht, § 107, Rdnr. 52). Nach herrschender Meinung und Rechtsprechung sind an diese Voraussetzung keine zu hohen Anforderungen zu stellen.
Es genügt für die Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrages, wenn der Bieter schlüssig einen durch die Rechtsverletzung drohenden oder eingetretenen Schaden behauptet und darlegt, dass durch den behaupteten Vergaberechtsverstoß seine Chancen auf den Zuschlag zumindest verschlechtert sein können (vgl. BVerfG, Urteil vom 29.07.2004 - 2 BvR 2248/03; Möllenkamp in: Kulartz/Kus/Portz, GWB Vergaberecht, § 107, Rdnr. 35 ff.). Ob tatsächlich der vom Bieter behauptete Schaden droht, ist eine Frage der Begründetheit (vgl. BGH, Beschluss vom 29.05.2006 - X ZB 14/06). Die Antragstellerin hat ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis dargelegt, indem sie vorgetragen hat, dass sie bei der aus ihrer Sicht gebotenen diskriminierungsfreien Durchführung des Vergabeverfahrens ein preislich deutlich günstigeres Angebot hätte kalkulieren können und damit dann eine Chance auf den Zuschlag gehabt hätte.
Die Antragstellerin ist auch ihrer Pflicht gem. § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB nachgekommen, vor Anrufung der Vergabekammer die geltend gemachten Verstöße gegen die Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren gegenüber dem Auftraggeber unverzüglich zu rügen. Bei der Vorschrift des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist die positive Kenntnis des Bieters von den Tatsachen.
Es kann vorliegend unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des OLG München (Beschluss vom 19.12.2013 - Verg 12/13, zitiert nach ibr-online) dahinstehen, ob die Präklusionsregel gem. § 107 Ab. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH (vgl. Urteil vom 28.01.2010 in den Rs.C-406/08 und C-456/08) überhaupt noch anwendbar ist (zu den unterschiedlichen Auffassungen aktuell VK Südbayern, Beschluss vom 18.03.2015 - Z3-3-3194-1-62-12/14 OLG Dresden, Beschluss vom 07.05.2010, Az.: WVerg 6/10, und OLG Rostock, Beschluss vom 20.10.2010, Az.: 17 Verg 5/10, zitiert nach ibr-online; offen gelassen noch durch OLG Celle, Beschluss vom 16.09.2010, Az.: 13 Verg 8/10). Bei diesen beiden zum irischen und englischen Recht ergangenen Entscheidungen des EuGH ging es um die Frage, ob ein Nachprüfungsantrag zulässig ist, wenn das Verfahren nicht unverzüglich eingeleitet wird. Der EuGH hat in den dortigen Entscheidungen den Unverzüglichkeitsbegriff als zu unbestimmt bewertet.
Das OLG München hat in seiner Entscheidung vom 19.12.2013 - Verg 12/13 offen gelassen, ob die Präklusionsregel des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB nach diesen Entscheidungen des EuGH überhaupt noch anwendbar ist oder dem Europarecht widerspricht. Zumindest aber lasse sich den EuGH-Entscheidungen entnehmen, dass der Primärrechtsschutz nicht durch zu unklare Anforderungen verhindert werden soll. Das bedeutet auch, dass bei einer Auslegung von unbestimmten Rechtsbegriffen nicht zu kleinlich zu verfahren ist (ebenso bereits OLG München, Beschluss vom 06.08.2012 - Verg 14/12, zitiert nach ibr-online). Im Ergebnis hat das OLG München eine innerhalb von sieben Werktagen nach Kenntniserlangung vom gerügten Sachverhalt erfolgte Rüge noch als unverzüglich i. S. des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB gewertet. Zur Begründung hat das OLG betont, dass in der vergaberechtlichen Rechtsprechung auch anerkannt ist, dass zur Abklärung, ob eine Rüge - und damit nachfolgend ein Nachprüfungsantrag - eingereicht werden soll, der Rat eines Anwalts eingeholt werden darf bzw. dem Bieter eine Überlegungsfrist zuzubilligen ist. Dies ist in Anbetracht der nicht leicht durchschaubaren rechtlichen Fragen und der nicht unerheblichen finanziellen Folgen, welche sich an die Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens knüpfen, auch berechtigt.
Die Vergabekammer hält es daher für angemessen, unter Übernahme der Mindestüberlegungsfristen des Art. 2c Rechtsmittelrichtlinie 89/665/EWG eine Rügefrist von 10 Tagen ab positiver Kenntnis des Antragstellers vom geltend gemachten Verstoß gegen Vergabevorschriften zugrunde zu legen. Das wird bestätigt durch die Regelungen des inzwischen im Bundesgesetzblatt veröffentlichten GWB 2016. Nach der dem bisherigen § 107 GWB entsprechenden Vorschrift des § 160 Abs. 3 Nr. 1 GWB 2016 ist von einer Rügefrist von 10 Tagen auszugehen.
Entscheidend bleibt für die Prüfung der Rechtzeitigkeit der Rüge aber weiterhin, ab wann die Antragstellerin positive Kenntnis von dem als vergaberechtswidrig beanstandeten Sachverhalt hatte.
Der Antragsgegner hat die Antragstellerin mit Schreiben vom 30.12.2015 gemäß § 101a GWB abschließend darüber informiert, dass der Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu 1 erteilt werden soll. Auf ihr Angebot könne der Zuschlag nicht erteilt werden, weil ihr Angebot unter Berücksichtigung der in der Bekanntmachung oder den Vergabeunterlagen genannten Kriterien nicht das wirtschaftlichste gewesen sei.
Sie wusste aufgrund dieser Information allerdings nur, dass die Beigeladene zu 1 in der Gesamtwertung die höchste Punktzahl erreicht hatte und dass ihr eigenes Angebot - mit nur 8 von 200 möglichen Punkten - in erster Linie beim Kriterium Angebotspreis gescheitert war. Die in der Wertung erreichten Gesamtpunktzahlen hatte der Antragsgegner nicht bekannt gegeben.
Die bekannte Vorbefassung der Beigeladenen zu 1 an sich war noch kein Anlass für die Annahme eines Verstoßes gegen § 4 VOF. Da, wie die Beigeladene zu 1 dargelegt hat, Kooperationen auf dem Markt der Breitbandversorgung durchaus üblich sind, kann auch nicht unterstellt werden, dass die Antragstellerin den von ihr gerügten Verstoß gegen § 16 Abs.1 VgV bereits aufgrund der Information vom 30.12.2015 hätte rügen können und müssen. Es erscheint zumindest möglich, dass die Antragstellerin einen Anlass für diese Rüge erst später und zufällig in der "ARGE Breitband" auf der Internetseite der Firma A erkannt hat.
Mit Schreiben des Antragsgegners vom 05.01.2016 erfuhr die Antragstellerin, dass ihr Angebot mit 188 Punkten auf Rang 3 liegt. Damit konnte sie sich ausrechnen, dass ihr Angebot in der qualitativen Wertung die maximal möglichen Punkte nur geringfügig verfehlt hat.
Am 11.01.2016 bat sie den Antragsgegner unter Hinweis auf den für den 14.01.2016 beabsichtigten Zuschlag unter Setzung einer kurzen Frist um Zusendung detaillierter Informationen über die Wertung ihres Angebotes. Bereits die in der Email vom 06.01.2016 angekündigten vergaberechtlichen Fragen deuteten darauf hin, dass die Antragstellerin sich nicht mehr nur mit einer Optimierung künftiger Angebote befassen wollte.
Erst bei Eingang der angeforderten Informationen am 12.01.2016 wusste sie, dass sie in der Wertung des Preises bei einer Teilleistung 8 Punkte und bei allen übrigen Teilleistungen 0 Punkte erreicht hatte. Bei den 7 Teilleistungen, bei denen ihr Angebot mit 0 Punkten bewertet worden war, konnte die Antragstellerin darauf schließen, dass der jeweilige Bestbieter mindestens 50 % niedrigere Preise angeboten hatte. Damit hatte sie einen Eindruck von der Größenordnung der von der Konkurrenz angebotenen Preise. Es erscheint plausibel, dass bei ihr Zweifel an der Angemessenheit der offensichtlich sehr viel günstigeren Preise der Beigeladenen aufkamen und dass im Hinblick auf die Vorbefassung der Beigeladenen ein Anlass bestand, die Vergabeunterlagen kritisch auf möglicherweise nicht ausgeglichene Wissensvorsprünge zu überprüfen. An den nur automatisch erzeugten Darstellungen der Hausanschlüsse meint sie erkannt zu haben, dass die Beigeladene bei ihren Vor-Ort-Begehungen als Projektant erworbenes Wissen zurückgehalten und nicht in die den Bietern zur Verfügung gestellte Netz- und Strukturplanung aufgenommen hat.
Am 13.01.2016 und damit bereits einen Tag nach Erhalt der ausführlichen Informationen hat sie ihre Rügen beim Antragsgegner vorgetragen. Sie erfolgten rechtzeitig i. S. d. § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB.
Der Nachprüfungsantrag ist daher zulässig.
2. Der Nachprüfungsantrag ist überwiegend begründet. Die Antragstellerin ist in ihren Rechten gemäß § 97 Abs. 7 GWB verletzt. Die Begleitung des Vergabeverfahrens durch die Fa. A mit ihrem Unterauftragnehmer Fa. B stellt einen Verstoß gegen das Verbot der Mitwirkung von als voreingenommen geltenden natürlichen Personen im Vergabeverfahren gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 3b VgV dar (im Folgenden a). Darüber hinaus hat sich der Auftraggeber ausweislich der Dokumentation in der Vergabeakte zwar um die Vermeidung einer Verfälschung des Wettbewerbs durch die Teilnahme der Beigeladenen zu 1 gemäß § 4 Abs. 5 VOF bemüht. Er hat es jedoch versäumt, den Bietern auch den in der Phase II ausgehandelten Pachtvertrag nebst Anlagen, in einer ggf. hinsichtlich der monetären Regelungen geschwärzten Fassung, zur Verfügung zu stellen, obwohl die dortigen Ausführungen durchaus auch für die Angebotskalkulation in der streitgegenständlichen Phase III relevant sein konnten (im Folgenden b). Aus diesen Gründen ist das Vergabeverfahren gemäß des Tenors zu 1 in den Stand vor Aufforderung zur Angebotsabgabe zurück zu versetzen. Es ist daher vorliegend nicht entscheidungserheblich, dass die dokumentierte Angebotswertung im Übrigen und insbesondere auch hinsichtlich der Angemessenheitsprüfung entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht zu beanstanden ist (im Folgenden c).
a) Die Begleitung des Vergabeverfahrens durch die Fa. A mit ihrem Unterauftragnehmer Fa. B stellt einen Verstoß gegen das Verbot der Mitwirkung von als voreingenommen geltenden natürlichen Personen im Vergabeverfahren gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 3b VgV dar. Gemäß § 16 Abs. 1 VgV dürfen u. a. als Beauftragter oder Mitarbeiter eines Beauftragten eines Auftraggebers bei Entscheidungen in einem Vergabeverfahren für einen Auftraggeber als voreingenommen geltende natürliche Personen nicht mitwirken, soweit sie in diesem Verfahren einen Bieter oder Bewerber beraten oder sonst unterstützen oder als gesetzlicher Vertreter oder nur in dem Vergabeverfahren vertreten. Diese Regelung ist eine Konkretisierung des mit dem vergaberechtlichen Gleichbehandlungsgebot in engem Zusammenhang stehenden Neutralitätsgebots. Der das gesamte Vergaberecht bestimmende Gleichbehandlungsgrundsatz erfordert es sicherzustellen, dass für den Auftraggeber nur Personen tätig werden, deren Interessen weder mit den Interessen eines Bieters noch mit den Interessen eines Beauftragten des Bieters verknüpft sind. Als voreingenommen in diesem Sinne gelten der Bieter und der Bewerber, die ihn in diesem Verfahren vertretenden oder beratenden Personen (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 und 2 VgV) sowie deren nähere Verwandte (§ 16 Abs. 2 VgV). Bei diesen Personen wird unwiderleglich vermutet, dass sie voreingenommen sind. Sie können nicht "neutral" sein (vgl. Sturhahn in: Pünder/Schellenberg, Vergaberecht, § 16 VgV, Rdnr. 12 ff., 14; Rechten in: Willenbruch/Wieddekind, Vergaberecht, 3. Aufl., 4. Los, § 16 VgV, Rdnr. 24 ff.; Beurskens in: Hattig/Maibaum, Praxiskommentar Kartellvergaberecht, § 16 VgV, Rdnr. 3; Weyand, IBR-online-Kommentar, Vergaberecht 2010, Stand: 15.02.2015, § 16 VgV, Rdnr. 5).
Der Neutralitätsgrundsatz als Ausfluss des Gleichbehandlungsgrundsatzes gemäß § 97 Abs. 2 GWB bindet die öffentliche Hand auch dann, wenn es um die Auftragsvergabe in privatrechtlichen Formen geht.
Der Tatbestand des § 16 Abs. 1 Nr. 2 VgV umfasst Personen, die den Bieter selbständig beraten oder unterstützen (z.B. Beratungsunternehmen, Rechtsanwälte), nicht dagegen Personen, die als Bedienstete für den jeweiligen Auftraggeber tätig sind. § 16 Abs. 1 Nr. 2 VgV kann nur für solche Mitarbeiter des Auftraggebers gelten, die unabhängig von ihrer Einbindung in die Struktur des Auftraggebers beratend oder unterstützend für einen Bieter oder Bewerber tätig sind (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 09.04.2009 - 13 Verg 7/08; Weyand, a.a.O., § 16 VgV, Rdnr. 20). Anhaltspunkte dafür, dass die Berater des Antragsgegners im Vergabeverfahren, Herr xxxxxx und Herr xxxxxx für die Fa. A und Herr xxxxxx sowie Herr xxxxxx in persona zugleich für die Beigeladene zu 1 tätig geworden sind, liegen nicht vor, sodass die Fallgruppe des § 16 Abs. 1 Nr. 2 VgV vorliegend nicht einschlägig ist.
Die Mitwirkung der Berater erfüllt aber vorliegend die Fallgruppe des § 16 Abs. 1 Nr. 3 lit. b VgV. Davon erfasst werden diejenigen Personen, die für ein Unternehmen tätig sind, das sowohl geschäftliche Beziehungen zum öffentlichen Auftraggeber als auch zu einem Bieter oder Bewerber unterhält. Auch unter dieses Mitwirkungsverbot fallen in erster Linie Freiberufler, d.h. Rechtsanwälte, Steuerberater, Unternehmensberater, Architekten und Ingenieure. Für diese Fallgruppe ist keine Identität zwischen den Beratern des Auftraggebers im Vergabeverfahren und den Mitarbeitern der Beratungsunternehmen, die für einen Bieter oder Bewerber tätig sind, erforderlich. Ziel des § 16 Abs. 1 Nr. 3 lit. b VgV ist es zu verhindern, dass es innerhalb des sowohl auf Auftraggeberseite als auch auf Bieter- oder Bewerberseite tätigen Unternehmens zu einem Austausch wettbewerblich relevanter Informationen kommt, die dem betreffenden Bieter oder Bewerber gegenüber seinen Konkurrenten einen Wettbewerbsvorsprung vermitteln können (vgl. Schneider in: Kappellmann/Messerschmidt, VOB, 5. Aufl., § 16 VgV, Rn. 35, mit weiteren Nachweisen).
Unerheblich für diese Fallgruppe ist dagegen, ob das eingeschaltete Unternehmen auch auf Bieter-/Bewerberseite" in dem Vergabeverfahren" tätig ist, mithin die Frage, ob sich die geschäftlichen Beziehungen auf das in Rede stehende Verfahren selbst beziehen (vergleiche H.-M. Müller, in: Byok/Jaeger, Vergaberecht, 3. Aufl., § 16 VgV, Rn. 42, mit weiteren Nachweisen).
Unklar ist, wie der Begriff "geschäftliche Beziehungen" eindeutig zu konturieren ist. Darunter werden jedenfalls wirtschaftliche Austauschverhältnisse zu verstehen sein, also regelmäßig Beziehungen auf vertraglicher Basis (vergleiche Ganske in: Reidt/Stickler/Glahs, Vergaberecht, 3. Aufl., § 16 VgV, Rn. 35). Auf jeden Fall setzt dieser Begriff eine gewisse Dauerhaftigkeit und Intensität voraus. Neben klassischen Austauschverträgen kommen im Einzelfall vorvertragliche Schuldverhältnisse ("Letter of Intent") oder auch gemeinsame, in der Sache miteinander verzahnte bzw. sich ergänzende Leistungserbringung gegenüber Dritten in Betracht (Schneider, a. a. O., § 16 VgV, Rn. 36; VK Bund, Beschluss vom 24.4.2012 - VK 2-169/11).
Allerdings führt nicht bereits der "Anschein" einer Doppelmandatschaft und eines damit einhergehenden Verstoßes gegen die Vergabebestimmungen zu einer Verletzung des Diskriminierungsverbotes. Die Vergabekammer hatte in dieser Konsequenz bereits vor Inkrafttreten der Vergabeverordnung für den Fall der Besorgnis einer Doppelmandatschaft von an Vergabeverfahren beteiligten natürlichen Personen entschieden, dass sie im Gegensatz etwa zur Entscheidung des OLG Brandenburg (Beschluss vom 03.08.1999 - 6 Verg 1/99 = NVwZ 1999, S. 1242 ff. - Flughafen BBI) nicht die Auffassung teilt, dass eine Verletzung des Diskriminierungsverbotes bereits vorliegt, wenn lediglich ein "böser Schein" der Parteilichkeit einer am Vergabeverfahren beteiligten natürlichen Person vorliegt. Vielmehr bedürfe es konkreter Umstände, die eine Parteilichkeit besorgen lassen (vgl. VK Lüneburg, Beschluss vom 24.07.2000, Az.: 203-VgK-8/2000; Beschluss vom 27.09.2000, Az.: 203-VgK-10/2000). Auch der Verordnungsgeber hat bei der Regelung des Ausschlusses von als voreingenommen geltenden natürlichen Personen gemäß § 16 VgV nicht den "bösen Schein" für ausreichend erachtet, sondern er geht vom Erfordernis eines tatsächlichen Interessenkonflikts und einer konkreten Auswirkung der Tätigkeit der betroffenen Personen auf die Entscheidungen im Vergabeverfahren aus. Dabei ist der Ausschluss gemäß § 16 VgV an das tatsächliche Vorliegen der dort genannten Tatbestandsvoraussetzungen geknüpft (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 09.04.2009, 13 Verg 7/08).
Unter Zugrundelegung dieses zutreffenden Maßstabes war vorliegend zu berücksichtigen, dass nach dem vorliegenden Sachverhalt ein tatsächlicher Interessenkonflikt auf Seiten der für den Antragsgegner im Vergabeverfahren tätigen Berater besteht, weil die dahinter stehenden Beratungsunternehmen Fa. A und Fa. B, eben nicht nur bei zurückliegenden, abgeschlossenen Projekten wie auch bei den Projektphasen I und II des verfahrensgegenständlichen Projektes auf Bieterseite mit der Beigeladenen zu 1 zusammengearbeitet haben, sondern ausweislich der Internetseite der Fa. A sich Dritten gegenüber und damit insbesondere auch potentiellen Auftraggebern gegenüber als "ARGE Breitband" und damit als Kompetenzteam unter Einschluss der Beigeladenen zu 1 noch während des laufenden Vergabeverfahrens am Markt präsentiert haben.
Die "ARGE Breitband" hatte sich im Rahmen eines gemeinsamen Internetauftritts, ursprünglich unter "xxxxxx" später auf den jeweils eigenen Internetseiten - wie die Antragstellerin mit ihren als Anlage 19 zum Schriftsatz vom 19. Februar 2016 beigefügten Screenshots belegt hat - ihren potentiellen Auftraggebern unter Verwendung der Firmenlogos ihrer Mitglieder wie folgt empfohlen:
"Kommunen werden immer mehr zu Infrastrukturentwicklern für Breitbandnetze. Analysen und Planungen sind zu erstellen, geeignete Maßnahmen müssen geplant und in geeigneter Form umgesetzt werden. Tiefe Marktkenntnisse über Bedarf, Entwicklung, Wettbewerb, Förderrecht und Bestimmungen der Regulierungen sind erforderlich. Hohe Erfahrungen in der Technologie, Betriebswirtschaft, Organisation, Finanzierung, Beihilferecht, Vertragsrecht bis zum Vergaberecht sind unabdingbar.
Alle Kompetenzen für die Breitbandprojekte der öffentlichen Hand sind in der Arbeitsgemeinschaft gebündelt und können zu attraktiven wirtschaftlichen Konditionen aus einer Hand bereitgestellt werden. Das entlastet die öffentliche Verwaltung bei der Projektkoordination und Abstimmung der Projektbeteiligten und sichert ein wirtschaftliches und tragfähiges Projektergebnis ohne Schnittstellenverluste.
Die Arbeitsgemeinschaft Breitbandberatung ist Ihr unabhängiger und neutraler Ansprechpartner für eine ganzheitliche Beratung in einem erfolgreichen Projekt." (Hervorhebung durch die Vergabekammer).
Diese Werbung für "Breitband-Projekte aus einer Hand" geht deutlich über eine einzelfallbezogene oder gar länger zurückliegende Zusammenarbeit in abgeschlossenen Projekten hinaus. Zwar haben die auf Seiten des Antragsgegners anwesenden Berater in der mündlichen Verhandlung versichert, dass man sich seitens der Fa. B und der Fa. A entschieden habe, künftig die Zusammenarbeit in der "ARGE Breitband" nicht mehr fortsetzen zu wollen, um künftig auch den bösen Schein einer Vorbefassung und Doppelmandatschaft zu vermeiden. Diese Maßnahme hat jedoch nur Auswirkungen auf die Zukunft, nicht aber auf das laufende, streitgegenständliche Vergabeverfahren. Denn während die Fa. B durch den Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners vorgetragen hat, dass der entsprechende Hinweis auf die "ARGE Breitband" inzwischen von der Internetseite der Fa. B entfernt wurde, hat die Fa. A unstreitig während des gesamten Vergabeverfahrens auf ihrem Internetauftritt nach außen weiterhin kommuniziert, dass die "ARGE Breitband" gemeinsam am Markt auftritt.
Dieser noch während des Vergabeverfahrens andauernde gemeinsame Auftritt der Beraterunternehmen erfüllt die Voraussetzungen für gleichzeitige und hinreichend dauerhafte und intensive geschäftliche Beziehungen zum Auftraggeber und zum Bieter oder Bewerber im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 3 lit. b VgV (vgl. VK Bund, Beschluss vom 24.4.2012 - VK 2-169/11). Hinzu kommt vorliegend, dass sowohl die Beigeladene zu 1 als auch die Fa. A und die Fa. B auch das verfahrensgegenständliche Projekt in sämtlichen Phasen im Ergebnis exklusiv begleitet haben. Während die Beigeladene zu 1 in den Phasen I und II als Bieter und Auftragnehmer und in der hier streitbefangenen Phase III wiederum als Bieter aufgetreten ist, haben die Fa. A und die Fa. B in den Phasen I und II auf Bieterseite und nunmehr in Phase III als Berater auf Auftraggeberseite mitgewirkt.
In der Rechtsfolge dürfen die in § 16 Abs. 1 VgV genannten Personen für einen öffentlichen Auftraggeber bei Vorliegen der Ausschlusstatbestände der Nrn. 3 lit. a und 3 lit. b nicht bei Entscheidungen in einem Vergabeverfahren mitwirken, es sei denn, dass dadurch für die Personen kein Interessenkonflikt besteht oder sich die Tätigkeiten nicht auf die Entscheidungen in dem Vergabeverfahren auswirken (§ 16 Abs. 1 Nr. 3 VgV a. E.). Somit kann die Vermutung der Voreingenommenheit in den Fällen der Nr. 3 bei Vorliegen der Voraussetzungen widerlegt werden. Hierfür trägt der Auftraggeber jedoch die Beweislast (vgl. H.-M. Müller, am angegebenen Ort, § 16 VgV, Rn. 43, m. w. N.).
Den entsprechenden Nachweis konnte der Antragsgegner vorliegend aber angesichts der Gesamtkonstellation nicht führen. Das Vorliegen eines Interessenkonflikts ist im Wege der Gesamtschau aller in Betracht kommenden Umstände zu ermitteln. Zu berücksichtigen ist dabei unter anderem die Intensität des eigenen wirtschaftlichen Interesses am unternehmerischen Wohlergehen des Bieters/Bewerbers und das Maß, nach dem die Person dem Bieter/Bewerber verpflichtet ist (vergleiche H.-M. Müller, a. a. O., § 16 VgV, Rn. 47, m. w. N). Ein gewisser Interessenkonflikt ist vorliegend für die Berater des Antragsgegners aber nicht von der Hand zu weisen, da, wie oben dargelegt, die hinter den Beratern stehenden Unternehmen gemeinsam mit der Beigeladenen zu 1 während des gesamten Vergabeverfahrens noch gegenüber dem Markt als "ARGE Breitband" und damit als eng verzahntes, erfahrenes Kompetenzteam aufgetreten sind. Vorherige organisatorische Vorkehrungen, um eine Interessenkollision zu vermeiden (sogenannte "chinese Walls" - vgl. Schneider, a. a. O, § 16 VgV, Rn. 40) haben weder der Antragsgegner noch die Verfahrensbevollmächtigten vorgetragen. Dabei handelt es sich um Maßnahmen, die unabhängige Vertraulichkeitsbereiche schaffen und gewährleisten, dass diejenigen Personen des Unternehmens, die für den Bieter oder Bewerber tätig sind, keinen Zugang zu vergaberelevanten Unterlagen und Informationen des Auftraggebers haben.
Ist aber, wie vorliegend, ein Interessenkonflikt nicht ausgeschlossen, kann die Vermutung der Voreingenommenheit nur durch den Nachweis widerlegt werden, dass sich die Tätigkeit für den Bieter oder Bewerber nicht auf die Entscheidungen im Vergabeverfahren ausgewirkt hat. Dieser Nachweis wiederum ist aber in der Praxis nur schwer zu erbringen. Er kommt praktisch nur bei gebundenen Vergabeentscheidungen ohne Beurteilungsspielraum oder Ermessen wie etwa bei einem zwingenden Angebotsausschluss in Betracht. Allein in diesen Fällen lässt sich ausschließen, dass die Mitwirkung der voreingenommen Person einen Einfluss auf das Vergabeverfahren und die unter ihrer Beteiligung getroffenen Entscheidungen gehabt hat (vgl. OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 11.05.2004 - 11 Verg 8 und 9/04 = NZBau 2004, Seite 567 ff., 570, Schneider, a. a. O., § 16 VgV, Rn. 32). Vorliegend haben die Berater des Antragsgegners aber - wie üblich - die gesamte Angebotswertung inklusive der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes und damit Entscheidungen vorbereitet und begleitet, bei denen dem öffentlichen Auftraggeber ein erheblicher vergaberechtlicher Beurteilungs- und Ermessensspielraum zukommt.
Die Verletzung des § 16 VgV führt jedoch nicht dazu, dass das Vergabeverfahren per se vollständig aufgehoben werden muss. Vielmehr ist zu gewährleisten und anzuordnen, dass die maßgeblichen Entscheidungen im Vergabeverfahren unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes einer Überprüfung unter Ausschluss der als voreingenommen geltenden Personen unterzogen und durch den Auftraggeber neu getroffen werden (vgl. OLG Koblenz, Beschl. v. 05.09.2002 - 1 Verg 2/02, VergabeR 2002, S. 617 ff., 623; H.-M. Müller, am angegebenen Ort, § 16 VgV, Rnrn. 68, 69). Ein Bieter kann deshalb nicht den Ausschluss des Zuschlagsbieters auf § 16 VgV stützen, sondern nur die Wiederholung der Entscheidung fordern (vgl. VK Baden- Württemberg, Beschluss vom 17. Dezember 2009,1 VK 61/09).
Das Mitwirkungsverbot des § 16 VgV erstreckt sich nach seinem Wortlaut ausdrücklich nur auf Entscheidungen "in einem Vergabeverfahren". Nach der überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur folgt daraus, dass § 16 VgV konkret nur diejenigen Entscheidungen erfasst, die nach Veröffentlichung der Bekanntmachung und vor Erteilung des Zuschlags bzw. Aufhebung des Vergabeverfahrens liegen (vgl. OLG München, Beschluss vom 12.11.2010 - Verg 21/10 - zitiert nach ibr-online; OLG Koblenz, Beschluss vom 05.09.2002, Az.: 1 Verg 2/02 = VergabeR 2002, Seite 617 ff., 621; OLG Jena, Beschluss vom 08.04.2003, Az.: 6 Verg 9/02 = VergabeR 2003, Seite 577 ff., 578; VK Bund, Beschluss vom 06.06.2005, Az.: VK 2-33/05; Rechten, in: Willenbruch/Bischoff, VergabeR, § 16 VgV, Rdnr. 16 ff.; Kühnen in: Kapellmann/Messerschmidt, VOB, 3. Auflage, § 16 VgV, Rdnr.3; Müller, in: Byok/Jaeger, VergabeR, 2. Auflage, § 16 VgV, Rdnr. 1659; Reidt in: Reidt/Stickler/Glahs, VergabeR, 2. Auflage, § 16 VgV, Rdnr. 9; a. A. OLG Hamburg, Beschluss vom 04.11.2002, Az.: 1 Verg 3/02). Da das Vergabeverfahren selbst erst mit der EU-Bekanntmachung beginnt (vgl. Celle, Beschluss vom 11.02.2010, Az.: 13 Verg 16/09; OLG Naumburg, Beschluss vom 08.10.2009, Az.: 1 Verg 9/09) fallen nach dieser Auffassung, die sich in Rechtsprechung und Lehre durchgesetzt hat, Entscheidungen, die nicht im Vergabeverfahren selbst, sondern im Vorfeld des Vergabeverfahrens über ein Vergabeverfahren getroffen werden, und die Erstellung der Leistungsbeschreibung im Vorfeld des Vergabeverfahrens nicht unter das Mitwirkungsverbot des § 16 VgV. Dieser Auffassung ist zuzustimmen. Die Mitwirkung an einer Leistungsbeschreibung fällt regelmäßig nicht in den Anwendungsbereich des § 16 VgV weil es an den vom Wortlaut der Vorschrift geforderten Bietern fehlt, die an der Entscheidung mitgewirkt haben könnten. Denn § 16 VgV setzt zumindest einen Bieter/Bewerber voraus, der jedoch vor der Vergabebekanntmachung noch nicht vorhanden sein kann (vergl. H.-M. Mueller in: Byok/Jaeger, Vergaberecht, 3. Aufl., § 16 VgV, Rnrn. 28 und 64, m. w. N.).
Es ist daher vorliegend erforderlich, aber auch ausreichend und angemessen, den Antragsgegner zu verpflichten, das Vergabeverfahren auf den Zeitpunkt vor Aufforderung zur Angebotsabgabe zurückzuversetzen und das Vergabeverfahren ab diesem Zeitpunkt inklusive der Angebotswertung ohne Mitwirkung der bisherigen Berater erneut durchzuführen. Einer Verpflichtung zur Wiederholung von Teilen der Projektphasen I und II, deren Ergebnisse in das Vergabeverfahren eingeflossen sind oder gar der Vorbereitung des Vergabeverfahrens oder der Erstellung der Leistungsbeschreibung selbst bedurfte es nicht. Auch die Durchführung des Teilnahmewettbewerbs ist vorliegend unstreitig und nicht Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens.
b) Darüber hinaus hat sich der Auftraggeber ausweislich der Dokumentation in der Vergabeakte zwar um die Vermeidung einer Verfälschung des Wettbewerbs durch die Teilnahme der Beigeladenen zu 1 gemäß § 4 Abs. 5 VOF bemüht. Er hat es jedoch versäumt, den Bietern auch den in der Phase II ausgehandelten Pachtvertrag nebst Anlagen in einer ggf. hinsichtlich der monetären Regelungen geschwärzten Fassung zur Verfügung zu stellen, obwohl die dortigen Ausführungen durchaus auch für die Angebotskalkulation in der streitgegenständlichen Phase III relevant sein konnten.
§ 4 Abs. 5 VOF verpflichtet den öffentlichen Auftraggeber ebenso wie § 6 EG Abs. 7 VOB/A und § 6 EG Abs. 7 VOL/A in den Fällen, in denen ein Bieter oder Bewerber vor Einleitung des Vergabeverfahrens den Auftraggeber beraten oder sonst unterstützt hat, sicherzustellen, dass der Wettbewerb durch die Teilnahme dieses Bieters oder Bewerbers nicht verfälscht wird. Inhaltlich befasst sich die Vorschrift somit mit der Frage, wie der Auftraggeber zu verfahren hat, wenn sich Unternehmen an dem Vergabeverfahren als Bewerber oder Bieter beteiligen möchten, die ihn zuvor beraten oder unterstützt haben. Dieser Personenkreis wird allgemein mit dem Begriff der "Projektanten" bezeichnet (vgl. Röwekamp in: Müller-Wrede, VOF, 5. Aufl., § 4, Rn. 76; Schranner in: Ingenstau/Korbion, VOB, 19. Aufl., § 6 EG VOB/A, Rn. 32; Hausmann/von Hoff in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOB/A, 2. Aufl., § 6 EG, Rn. 88, m. w. N.). Durch die Teilnahme eines derartigen Projektanten kann eine erhebliche Wettbewerbsverzerrung verursacht werden, da dieser in der Regel die an die ausgeschriebenen Leistungen gestellten Anforderungen besser beurteilen kann und sein Angebot deshalb leichter an die Bedürfnisse des Auftraggebers anzupassen vermag als andere, vorher unbeteiligte Bieter. Ein Wettbewerbsvorteil kann sich zudem daraus ergeben, dass das vorbefasste Unternehmen als Berater des Auftraggebers den Gegenstand und die Bedingungen des Auftrags mit Rücksicht auf seine eigene spätere Bieterstellung beeinflusst hat (vgl. Hausmann/von Hoff, a. a. O., § 6 EG, Rn. 88).
Allerdings resultiert nicht aus jeder Vorbefassung automatisch auch ein Wettbewerbsvorteil. Vielmehr ist jeweils anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu prüfen, über welchen Informationsvorsprung der Projektant verfügt und ob sich dieser speziell im Hinblick auf die Aufgabenbeschreibung oder die Wertungskriterien zur Ermittlung desjenigen Bewerbers, der die bestmögliche Leistung erwarten lässt (vergleiche § 11 Abs. 6 VOF), wettbewerbsverzerrend auswirken kann (vergl. Röwekamp, a. a. O., § 4 VOF, Rn. 76; OLG München, Beschluss vom 10.02.2011 - Verg 24/10 VergabeR 2011, S. 739 ff., 745).
Gleichwohl ist die Teilnahme vorbefasster Unternehmen trotz dieser geschilderten Gefahren nicht nur grundsätzlich, sondern im Regelfall zulässig. § 4 Abs 5 VOF regelt nicht etwa einen automatischen Ausschlusstatbestand. Der Auftraggeber ist nicht verpflichtet und nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 03.03.2005 - C - 34/03 = VergabeR 2005, 319) auch nicht ohne weiteres berechtigt, einen Bewerber oder Bieter, der ihn vor Einleitung des Vergabeverfahrens beraten oder unterstützt hat, vom Wettbewerb auszuschließen. Er hat aber sicherzustellen, dass der Anspruch der übrigen Teilnehmer auf einen fairen und chancengleichen Wettbewerb gewahrt wird (vgl. Schranner, a. a. O., § 6 EG, Rn. 32). Entscheidend ist dabei stets, ob sich aus der Vorbefassung tatsächlich ein Wettbewerbsvorteil ergibt bzw. - wenn der Wettbewerbsvorteil vorliegt - ob dieser durch geeignete Maßnahmen ausgeglichen werden kann.
Der Anwendungsbereich des § 4 Abs. 5 VOF ist durch den vorliegenden Sachverhalt eröffnet. Die Beigeladene zu 1 hat zwar nicht an der Erstellung der Leistungsbeschreibung mitgewirkt. Der Anwendungsbereich der Vorschrift erfasst jedoch nicht nur eine derartige, dem Vergabeverfahren unmittelbar vorgelagerte Mitwirkung des Projektanten. Es ist vielmehr erforderlich, aber auch ausreichend, dass die vor Beginn des Vergabeverfahrens ausgeübte Beratung oder sonstige Unterstützung des Auftraggebers sich gerade auf den Auftrag bezieht, um den sich der betreffende Bewerber bzw. Bieter selbst bewerben möchte. Dies ist immer dann der Fall, wenn der Auftraggeber durch den künftigen Bieter bei der Vorbereitung der Vergabe dieses Auftrags selbst unterstützt wurde (zum Beispiel bei der Bestimmung oder Beschreibung des Auftragsgegenstandes) oder aber wenn jedenfalls Leistungen erbracht wurden, die einen mit dem zu vergebenden Auftrag untrennbaren Zusammenhang aufweisen. Letzteres ist immer dann der Fall, wenn Vorleistungen erbracht wurden, auf die der zu vergebende Auftrag unmittelbar aufbaut (vgl. Röwekamp, a. a. O., § 4 VOF, Rn. 77; VK Nordbayern, Beschluss vom 04.05.2009 - 21 - VK-3194-06/09).
Vorliegend hatte die Beigeladene zu 1 bereits die Phasen I und II des verfahrensgegenständlichen Projekts als Hauptauftragnehmer realisiert und dabei eine Netz- und Strukturplanung erstellt, durch die Fa. A als Unterauftragnehmer ein Geschäftsmodell inklusive Businessplan erarbeitet und schließlich - in der Phase II - wiederum mit der Fa. A als Unterauftragnehmer das Vergabeverfahren zur Pächtersuche für das Betreibermodell durchgeführt, das zur Auswahl des künftigen Betreibers Fa. C führte. Das vorliegend streitbefangene Vergabeverfahren in der Phase III des Projekts dient der Beauftragung eines qualifizierten Dienstleisters zur Realisierung der passiven FTTB/H-Netzinfrastruktur und baut unmittelbar auf den Arbeitsergebnissen der Aufträge aus den Phasen I und II auf.
Der Antragsgegner hat ausweislich der Dokumentation in der Vergabeakte die Projektantenproblematik im Zusammenhang mit der Vorbefassung der Beigeladenen zu 1 auch frühzeitig selbst erkannt und sich erkennbar darum bemüht, etwaige Informationsvorteile der Beigeladenen zu 1 aus der Vorbefassung in der Phase I gemäß § 4 Abs. 5 VOF gegenüber den übrigen Bietern auszugleichen. In einem 3-seitigen Vermerk vom 03.11.2015 (Vergabeakte, Ordner 2, Register 3) hat sich der Antragsgegner detailliert mit dem Umgang mit der Vorbefassung der Beigeladenen zu 1 durch die Erstellung der Strukturplanung auseinandergesetzt. Der Antragsgegner ist ebenfalls davon ausgegangen, dass der Anwendungsbereich des § 4 Abs. 5 VOF vorliegend eröffnet ist und er deshalb als Auftraggeber verpflichtet ist, einen etwaigen Informationsvorsprung der Beigeladenen zu 1 gegenüber den übrigen Wettbewerbern auszugleichen. Im Vermerk heißt es unter "2. Verpflichtung des Landkreises xxxxxx zur Herstellung eines fairen Wettbewerbs":
"Der Landkreis xxxxxx ist somit verpflichtet sicherzustellen, dass der Wettbewerb durch die Teilnahme der xxxxxx (Beigeladene zu 1) nicht verfälscht wird. D.h., es besteht eine Pflicht des Auftraggebers, geeignete Maßnahmen zu treffen, um dennoch einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten und die Einhaltung des Gleichbehandlungs- und Nichtdiskriminierungsgrundsatzes sicherzustellen. Das erfordert grundsätzlich, dass sämtliche objektiv notwendigen Informationen an alle beteiligten Unternehmen weitergegeben werden, damit ein objektiv gleicher Informationsstand für alle Bieter bzw. Bewerber erreicht wird."
In der Folge führt der Vermerk aus, dass der Ausgleich eines etwaigen Informationsvorsprungs nach Auffassung des Antragsgegners erfolgt ist:
"Der Landkreis xxxxxx hat sich entschieden, einen etwaigen Informationsvorsprung von xxxxxx (Beigeladene zu 1) mit der Offenlegung der von xxxxxx (Beigeladene zu 1) erstellten Strukturplanung auszugleichen. Alle Bewerber, die sich im Teilnahmewettbewerb qualifiziert haben, erhalten mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe die bisherige technische Dokumentation. Damit hat jeder Bewerber die Möglichkeit, die Ergebnisse der von xxxxxx (Beigeladene zu 1) erbrachten Planungsleistungen zur Kenntnis zu nehmen und zu prüfen. Der Landkreis hat sich zudem entschieden, die Frist zur Angebotsabgabe mit mehr als einem Monat ab Versand der Angebotsaufforderung so großzügig wie möglich zu bemessen. Damit hat der Landkreis die aus seiner Sicht erforderlichen Maßnahmen zum Ausgleich eines etwaigen Informationsvorsprungs der xxxxxx (Beigeladenen zu 1) getroffen. Dies wurde hier dadurch bestätigt, dass kein Bieter im Vergabeverfahren darüber hinausgehende Unterlagen angefordert hat."
Der Vermerk schließt mit der Feststellung des Antragsgegners, dass ein Ausschluss des vorbefassten Bieters ohnehin nur "ultima ratio" sei. Deshalb sei hier ein Ausschluss der xxxxxx (Beigeladene zu 1) vom Verfahren gemäß § 4 Abs. 5 VOF nach pflichtgemäßer Ermessensausübung durch den Landkreis nicht in Betracht gekommen. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass xxxxxx (Beigeladene zu 1) den Auftrag zur Strukturplanung im Rahmen eines wettbewerblichen Verfahrens erlangt hat und im Wettbewerb erlangte Vorteile nicht vollständig wieder ausgeglichen werden müssen. Insgesamt habe der Landkreis xxxxxx somit ausreichend sichergestellt, dass der Wettbewerb durch die Teilnahme der xxxxxx (Beigeladene zu 1) nicht verfälscht wird.
Der Antragsgegner hat dementsprechend den Bietern mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe die von der Beigeladenen zu 1 in der Projektphase I erarbeitete Strukturplanung mit insgesamt 14 Anlagen zur Leistungsbeschreibung, darunter insbesondere auch die "Technische Dokumentation NGA-Strukturplanung des Landkreises xxxxxx" (Anlage 11) und das "Ausbau und Erschließungskonzept 150925 (Cluster)" (Anlage 13) zur Verfügung gestellt.
Die Beigeladene zu 1 hat allerdings in der mündlichen Verhandlung vor der Vergabekammer am 22.02.2016 auf den Vorhalt der Antragstellerin, die NGA-Strukturplanung weise Mängel und Widersprüche auf, weil die Vor-Ort-Begehung entweder nicht durchgeführt wurde oder nicht abgebildet sei, erklärt, dass sie bei der NGA-Strukturplanung gemeinsam mit dem niedersächsischen Breitbandkompetenzzentrum wichtige Planungsprämissen erarbeitet und festgelegt hat, die in die Netzstrukturplanung eingeflossen seien. Eine der Planungsprämissen sei es gewesen, die GIS-Daten als Planungsgrundlage zu verwenden und die festgestellten, zum Teil erheblichen vor-Ort-Abweichungen zwar in der Leitungsführung zu berücksichtigen, diese aber auf der nicht korrigierten Planungsgrundlage abzubilden. Daraus würden sich die von den Antragstellern angesprochenen Mängel im Planwerk ergeben, das der Ausschreibung zugrunde gelegt wurde. Es sei zwar eine Vor-Ort-Begehung erfolgt und es sei verabredet worden, dass dies zu entsprechenden Anpassungen der Planung führe. Es sei aber auch verabredet gewesen, die Planungsgrundlage nicht anzupassen.
Die Vergabekammer teilt die Auffassung der Antragstellerin, dass der Antragsgegner im Rahmen der Informationsausgleichspflicht des § 4 Abs. 5 VOF verpflichtet war, die Bieter auf mögliche Unschärfen der Planungsgrundlage und die von der Beigeladenen zu 1 bei der Strukturplanung festgestellten Abweichungen in der Leitungsführung gegenüber den GIS Daten hinzuweisen. Denn die Bieter hatten ihrer Kalkulation ausdrücklich die von der Beigeladenen zu 1 in der Projektphase I erarbeitete Strukturplanung zu Grunde zu legen.
Der Antragsgegner hat es darüber hinaus versäumt, den Bietern den in der Projektphase II von der Beigeladenen zu 1 als Hauptauftragnehmer und der Fa. A als Unterauftragnehmer mit der Fa. C ausgehandelten Vertragsentwurf für den "Pachtvertrag über die Nutzung einer passiven Netz-Infrastruktur" nebst Anlagen zur Verfügung zu stellen. Dieser Vertragsentwurf, den der Antragsgegner auf Anforderung der Vergabekammer und im Nachgang zur mündlichen Verhandlung mit Schriftsatz vom 23.02.2016 für die Vergabekammer in ungeschwärzter und für die Antragstellerin in teilweise (hinsichtlich des vereinbarten Entgelts und sonstiger monetärer Vereinbarung) geschwärzter Fassung übersandt hat, enthält durchaus Informationen, die über die den Bietern bislang mit den Vergabeunterlagen zur Verfügung gestellten Informationen zur Strukturplanung hinaus für die Kalkulation des hier streitbefangenen Planungsauftrags relevant sein können und deshalb zur Vermeidung eines wettbewerbswidrigen Informationsvorsprungs der vorgefassten Beigeladenen zu 1 gemäß § 4 Abs. 5 VOF hätte offen gelegt werden müssen. Im Hinblick auf die Belange des künftigen Pächters muss dies selbstverständlich unter Schwärzung der vereinbarten monetären Angaben und unter Ausschluss der Anlagen 5 (Angebot Fa. C) und 6 (Teilnahmeantrag Fa. C) erfolgen. Einer Offenlegung der Anlagen 5 und 6 bedarf es nicht, denn die hierin enthaltenen relevanten Informationen, nämlich die Leistungsbeschreibung und das Ausbau- und Erschließungskonzept, wurden als selbständige Anlagen 2 und 4 in den Pachtvertrag aufgenommen.
Die Kenntnis der Regelungen des Pachtvertrages ist für den vorliegend streitbefangenen Planungsdienstleistungsauftrag schon deshalb bieterrelevant, weil der Netzausbau nach den Vorgaben des Antragsgegners unstreitig eng mit dem Pächter abzustimmen ist. Er unterliegt einer gemeinsamen Ausbau- und Erschließungsplanung, weil der Netzausbau wiederum abhängig ist von einer ausreichenden Anzahl von Vorverträgen in den Versorgungsbereichen (sog. Vorvermarktungsquote). Dies hat der Antragsgegner in seinem Vergabevermerk vom 14.01.2016 unter IV. Aufgabenstellung/Projektbeschreibung ausdrücklich noch einmal betont.
In der Vorbemerkung zur Leistungsbeschreibung heißt es dazu auf Seite 3:
"Nach Fertigstellung der passiven Netzinfrastruktur (gemäß konzeptioneller Ausbau- und Erschließungsplanung) übernimmt der Pächter die Installation der erforderlichen aktiven Komponenten. Er ist verantwortlich für die Backbone Anschaltung und dafür, den Bürgern und Gewerbetreibenden Endkundenprodukte (Internet, Telefon, und TV) zu marktkonformen Konditionen anzubieten. Die Einbeziehung des Pächters in die Umsetzungsplanung ist somit wichtiger Bestandteil der Aufgabenstellung."
Die Antragstellerin hat im Zuge des Nachprüfungsverfahrens auf diese Notwendigkeit der Abstimmung hingewiesen und bemängelt, dass nur die Beigeladene zu 1 als Auftragnehmer der Projektphase II die Frage des mit diesen Abstimmungen entstehenden Aufwands sinnvoll einschätzen konnte. Soweit die Beigeladene zu 1 in der mündlichen Verhandlung demgegenüber erklärt hat, sie habe einerlei Kenntnis über den Pachtvertrag, weil sie die Suche nach dem Pächter und die entsprechenden Abstimmungen seinerzeit der Fa. A und der Fa. B als Unterauftragnehmer überlassen hat, ist dieser Vortrag unschlüssig. Auftragnehmer und damit verantwortlich für die Projektphase II gegenüber dem Auftraggeber war die Beigeladene zu 1, auch wenn sie sich zur Erfüllung der Dienste von Nachunternehmern bedient hat. Sie musste sich daher schon aus vertragsrechtlichen Gründen zumindest mit dem Entwurf des Pachtvertrages als Ergebnis der Tätigkeit ihrer Nachunternehmer befassen.
Die Antragstellerin hat außerdem darauf hingewiesen, dass der Antragsgegner im Rahmen ihrer Angebotspräsentation vom 22.12.2015 zu Leistungsphase 7 angemerkt habe, dass die Begleitung und Ausgestaltung der Vergabe der Bauleistungen clusterweise erfolgen soll. Das beruhe darauf, dass die Bauleistungen nach der Vorgabe der Vergabestelle clusterweise realisiert werden sollten. Näheres würde sich gegebenenfalls aus dem Pachtvertrag ergeben, der allerdings der Antragstellerin nicht vorgelegt wurde.
Die Beigeladene zu 1 hatte aufgrund ihrer Kenntnisse aus der Projektphase II durchaus einen anderen Wissensstand als die übrigen Bieter. Während es etwa in der Leistungsbeschreibung zur angestrebten Vorvermarktungsquote unter 2.3, lit. e, g und f zum "Ausbaukonzept (Grunderschließung des Zielmarktes)" heißt:
"Bedingung für eine Baufreigabe (Investitionsfreigabe) ist die Erreichung einer Vorvermarktungsquote (Verträge) von mindestens 60 % bei den Haushalten/Gewerbebetrieben je Cluster des Zielmarktes. Nach Erreichen der Vorvermarktungsquote durch den Pächter, beauftragt der Landkreis xxxxxx den/die ausgewählten Planer mit der Durch-/Ausführung der Baumaßnahme. Unterhalb einer 60-%igen Vorvermarktungsquote je Cluster wird fallweise die Baufreigabe durch den Verpächter geprüft und gegebenenfalls erteilt.",
geht der Entwurf zum Pachtvertrag von einer geringeren Mindestvorvermarktungsquote aus. Dort heißt es auf Seite 6 unter "§ 2 Vertragsgegenstand":
"Der Verpächter beauftragt ein oder mehrere Bauunternehmen mit dem Ausbau eines Netzes. Der Ausbau erfolgt sukzessive und beginnt jeweils, sobald für einen Teilabschnitt (nachfolgend auch als "Cluster" bezeichnet) - gemessen am Zielmarktvolumen - mindestens 50 % der möglichen Anschlüsse (Haushalte und Gewerbetreibende) Vorverträge über die Bereitstellung eines Standard-Internetproduktes des Pächters abgeschlossen haben (nachfolgend bezeichnet als "Vorvermarktungsquote").
Aber auch unabhängig von der unterschiedlichen Festlegung der Vorvermarktungsquote in der Leistungsbeschreibung und dem Pachtvertrag hätte die Zurverfügungstellung des Pachtvertrages nebst Anlagen Klarheit hinsichtlich des zu kalkulierenden Abstimmungsaufwandes gewährleistet - gerade weil im Pachtvertrag keine aufwendigen Abläufe für diese Abstimmung beschrieben werden.
Der Antragsgegner war daher zu verpflichten, im Rahmen der notwendigen erneuten Aufforderung zur Angebotsabgabe den Bietern zum Ausgleich des Informationsvorsprungs der Beigeladenen zu 1 gemäß § 4 Abs. 5 VOF auch den geschwärzten Pachtvertragsentwurf nebst Anlagen (mit Ausnahme der Anlagen 5 und 6) zur Verfügung zu stellen. Ein Ausschluss der Beigeladenen zu 1 vom Vergabeverfahren wäre dagegen unverhältnismäßig und auch im Rahmen des § 4 Abs. 5 VOF nicht gerechtfertigt.
c) Aufgrund der festgestellten, oben unter a und b erörterten Vergaberechtsverstöße ist daher - mit Ausnahme der Auswirkung auf die Kostenentscheidung - vorliegend nicht entscheidungserheblich, dass die dokumentierte Angebotswertung im Übrigen und insbesondere auch hinsichtlich der Angemessenheitsprüfung entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht zu beanstanden ist. Anders als in der VOL/A und der VOB/A findet sich in der VOF keine Vorschrift zur Überprüfungspflicht des Auftraggebers bei ungewöhnlich niedrigen Preisen oder ein Ausschlusstatbestand für den Fall, dass ein offensichtliches Missverhältnis zwischen dem vom dem Bewerber genannten Preis und der von ihm angebotenen Dienstleistung besteht. Lediglich § 12 Abs. 2 lit. d VOF macht deutlich, dass auch in der VOF der Ausschluss ungewöhnlich niedriger Angebote möglich sein muss. Denn die Dokumentationspflichten umfassen gemäß § 12 Abs. 2 lit. d VOF ausdrücklich auch die Gründe für die Ablehnung von ungewöhnlich niedrigen Angeboten. Im Übrigen gelten, da eine nationale Umsetzung des Art. 55 VKR in der VOF nicht erfolgt ist, die Regelungen zur Behandlung ungewöhnlich niedriger Angebote in Art. 55 VKR unmittelbar (vgl. Müller-Wrede, VOF, 5. Aufl., § 11, Rn. 89, m. w. N.).
Der Antragsgegner hat den deutlichen Preisabstand zwischen dem Angebot der Beigeladenen zu 1 und dem preislich auf Rang 2 liegenden Angebot der Beigeladenen zu 2 zum Anlass genommen, die Angemessenheit des von der Beigeladenen zu 1 geforderten Preises der erforderlichen Plausibilitätsprüfung zu unterziehen. Sie hat Prüfung und Ergebnis in einer den Anforderungen des § 12 VOF genügenden Weise in der Vergabeakte (Ordner 2, V, Register 7) in einem Vermerk vom 29.12.2015 dokumentiert.
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin bietet weder die Dokumentation des Vergabeverfahrens in der Vergabeakte noch der Vortrag der Beteiligten im Nachprüfungsverfahren einen Anhaltspunkt dafür, dass die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes vorliegend nicht in vergaberechtskonformer, transparenter Weise erfolgt ist und das Angebot der Antragstellerin nicht angemessen gewürdigt worden ist.
Gemäß § 11 Abs. 6 Satz 2 VOF schließt der Auftraggeber den Vertrag mit dem Bieter, der aufgrund des ausgehandelten Auftragsinhalts und der ausgehandelten Auftragsbedingungen im Rahmen der bekannt gemachten Zuschlagskriterien und deren Gewichtung die bestmögliche Leistung erwarten lässt. Der Begriff der "bestmöglichen Leistungserbringung" in der VOF ist gleichbedeutend mit dem wirtschaftlichsten Angebot nach § 21 EG Abs. 1 VOL/A, § 16 Abs. 6 Nr. 3 VOB/A und § 97 Abs. 5 GWB bzw. dem wirtschaftlich günstigsten Angebot nach Art. 53 Abs. 1 lit. a VKR (vgl. Müller-Wrede, VOF, 4. Auflage, § 11, Rdnr. 99, m. w. N.; OLG Rostock, Beschluss vom 16.05.2001 - 17 W 1/01 und 17 W 2/01 = VergabeR 2001, S. 315 ff., 318). Der Begriff der bestmöglichen Leistung ist gegenüber dem Begriff des wirtschaftlichsten Angebotes nur scheinbar weiter gefasst. Darin kommt zum Ausdruck, dass der Wertungsvorgang nach der VOF nur begrenzt objektivierbar und im Übrigen von subjektiven Elementen geprägt ist, wobei der Auftraggeber auch die im Rahmen der Verhandlungen gewonnen Eindrücke von der Leistungsfähigkeit der Bieter berücksichtigen kann (vgl. VK Bund, Beschluss vom 15.05.2009 - VK2-21/09). Der Auftraggeber muss denjenigen Bewerber auswählen, der am ehesten die Gewähr für eine sachgerechte und qualitätsvolle Leistungsverfüllung bietet (vgl. Müller-Wrede, a. a. O., § 11 VOF, Rdnr. 100, m. w. N.).
Bei der Bewertung der Angebote selbst steht dem Auftraggeber ein erheblicher Beurteilungsspielraum zu. Die Entscheidung kann von der Vergabekammer nur daraufhin überprüft werden, ob die maßgeblichen Verfahrensvorschriften eingehalten worden sind, der Sachverhalt zutreffend und vollständig ermittelt und berücksichtigt worden ist oder sachfremde Erwägungen eingeflossen bzw. vorgegebene Beurteilungsmaßstäbe verletzt worden sind (vgl. OLG München, Beschluss vom 17.01.2008 - Verg 15/07 = VergabeR 3/2008, S. 574 ff., 577; VK Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 05.09.2013 - 2VK 12/13, zitiert nach ibr-online). Der öffentliche Auftraggeber ist jedoch gemäß § 11 Abs. 6 Satz 2 VOF bei seiner Vergabeentscheidung an die von ihm bekannt gegebenen Zuschlagskriterien und deren Gewichtung gebunden (vgl. Müller-Wrede, a. a. O., § 11 VOF, Rdnr. 110).
Gemäß § 11 Abs. 5 VOF berücksichtigen die Auftraggeber bei der Entscheidung über die Auftragserteilung verschiedene, durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigte Kriterien, z.B. Qualität, fachlicher oder technischer Wert, Ästhetik, Zweckmäßigkeit, Umwelteigenschaften, Kundendienst und technische Hilfe, Leistungszeitpunkt, Ausführungszeitraum oder -frist und Preis/Honorar. Diese Zuschlagskriterien und ihre Unterkriterien sowie ihre Gewichtung hat der öffentliche Auftraggeber den Bietern mit der Aufgabenbeschreibung, der Vergabebekanntmachung oder der Aufforderung zur Angebotsabgabe bekannt zu geben. Dieser Bekanntmachungspflicht ist die Antragsgegnerin in nicht zu beanstandender Weise mit ihrer Aufforderung zur Angebotsabgabe vom 03.11.2015 nachgekommen. In der Aufforderung zur Angebotsabgabe wurden die Bieter über die beabsichtigte Wertung informiert. Hiernach sollen insgesamt 400 Punkte vergeben werden. Als Zuschlagskriterien sollen gewertet werden:
- die Überzeugungskraft des Bearbeitungskonzepts" mit 30 % (max. 120 Punkte),
- die Überzeugungskraft und Qualität der Beschreibung zum Projektmanagement und zur Termintreue" mit 10 % (max. 40 Punkte),
- die Stringenz der Angebotspräsentation" mit 10 % (max. 40 Punkte) und
- der Angebotspreis" mit 50 % (max. 200 Punkte), wobei die einzelnen Preisbestandteile der Planungsleistungen der Leistungsphasen 4-9 mit unterschiedlichem Gewicht berücksichtigt werden sollen. Die Gewichtung der einzelnen Preisbestandteile ist in einer Tabelle vorgegeben.
Das Formblatt "Allgemeine Bietererklärung mit Preistabelle" enthält Vorgaben zur Kalkulation der Preise für die einzelnen Planungsleistungen und die Abfragen der zu wertenden Preise. Unter Ziff. 5 der Leistungsbeschreibung sind die zu erbringenden Planungsleistungen für die 8 zu erbringenden Teilleistungen detailliert beschrieben.
Der Antragsgegner hat ausweislich des mit der Vergabeakte vorgelegten Vergabevermerks vom 14.01.2016 (Ordner 1, Zusammenfassender Vergabevermerk) und der dort in Bezug genommenen Dokumentation der Prüfung und Endauswertung der verbindlichen Angebote (Ordner 3, V, Register Nr. 2) in vergaberechtlich nicht zu beanstandender Weise durchgeführt und Wertung und Ergebnis in einer den Anforderungen des § 12 VOF genügenden Weise in der Vergabeakte dokumentiert. Der Antragsgegner hat sämtliche Angebote nicht nur anhand des Zuschlagskriteriums des niedrigsten Preises, sondern auch anhand der bekannt gemachten qualitativen Zuschlagskriterien und der bekannt gemachten Gewichtung gewertet.
Insgesamt ist daher festzustellen, dass der Antragsgegner auch bei der Bewertung der qualitativen Zuschlagskriterien ausschließlich die Kriterien, Maßstäbe und Feststellungen berücksichtigt hat, die er den Bietern mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe und der Leistungsbeschreibung bekannt gemacht hatte. Entscheidend ist dabei, dass der Antragsgegner bei der Bewertung keine sachfremden, überraschenden oder unter die Kriterien nicht zu subsumierenden Gesichtspunkte hat einfließen lassen. Vielmehr hat der Antragsgegner negative Feststellungen und positive, punkteerhöhende Aspekte bei allen Bieterkonzepten gleichmäßig und nachvollziehbar berücksichtigt. Anhaltspunkte für eine willkürliche Beurteilung liegen nicht vor.
Der Antragsgegner hat sich im Rahmen des ihm durch § 11 Abs. 5 und 6 VOF i. V. m. § 20 VOF eingeräumten Beurteilungsspielraums gehalten.
Der Antragsgegner hat entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch nicht in unzulässiger Weise Eignungs- und Zuschlagskriterien vermengt. Zu Recht hat der Antragsgegner darauf hingewiesen, dass der EuGH mit seinem Urteil vom 26.3.2015 in der Rechtssache C-601/13 ("Ambisig") entschieden hat, dass es bei der Vergabe eines Auftrags über Dienstleistungen mit intellektuellem Charakter nicht gegen Art. 53 Abs. 1 lit. a der Richtlinie 2004/18/EG verstößt, wenn der öffentliche Auftraggeber ein Kriterium aufstellt, nach dem die Qualität der von den Bietern für die Ausführung des Auftrags konkret vorgeschlagenen Teams unter Berücksichtigung der Zusammensetzung des jeweiligen Teams sowie der Erfahrung und des beruflichen Werdegangs der betroffenen Personen bewertet wird. Der EuGH darauf hingewiesen, dass Art. 53 Abs. 1 lit. a der Richtlinie 2004/18/EG dem Auftraggeber einen größeren Ermessensspielraum über die Auswahl der Zuschlagskriterien einräumt als seinerzeit die vormalige Richtlinie 92/50/EWG. Auch das OLG Düsseldorf hat mit Beschluss vom 29.04.2015 - VII-Verg 35/14 (zitiert nach ibr-online) im Hinblick auf diese neue EuGH Rechtsprechung entschieden, dass die bisherige strikte Trennung von Eignungs- und Zuschlagskriterien in Bezug auf das Team, welches den Auftrag ausführen soll, aufzugeben ist. Daher durfte der Antragsgegner vorliegend insbesondere bei der Bewertung des Kriteriums "Überzeugungskraft des vorgestellten Bearbeitungskonzepts zur Umsetzung der Aufgabenstellung über alle Leistungsphasen" auch konkret auftragsbezogen die Kompetenz des hier von den Bietern für den Einsatz vorgesehenen Personals berücksichtigen.
Im Übrigen ist durch die Dokumentation in der Vergabeakte belegt, dass die Tatsache, dass das Angebot der Antragstellerin nach der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes nur auf dem 3. Rang liegt, nicht auf die Bewertung zurückzuführen ist, die sie im Hinblick auf die qualitativen Zuschlagskriterien erhalten hat. Die Antragstellerin hat hier vielmehr, ebenso wie die Beigeladenen fast ausschließlich deutlich überdurchschnittliche oder Höchstbewertungen erhalten. Selbst wenn die Antragstellerin bei allen Bewertungskriterien die Höchstpunktzahl erhalten hätte, würde sich der Rang des Angebotes der Antragstellerin allein deshalb nicht verbessern, weil sie mit Abstand den höchsten Angebotspreis gefordert hat. Die entsprechende Preisübersicht ist in der Anlage 1 zur Handlungsempfehlung zum "Wertungsverfahren zum Verhandlungsverfahren" (Ordner 3, V, Register Nr. 2) ebenfalls ausführlich dokumentiert.
Wie bereits in der mündlichen Verhandlung am 22.02.2016 dargelegt, hält die Vergabekammer zwar die vom Antragsgegner im Rahmen der Wertung durchgeführte Ermittlung der Punktzahlen zur Bewertung der Preise für fehlerhaft. Denn nach dem Ergebnis der Ausschreibung war eine lineare Interpolation für die Bewertung von insgesamt 4 Preisen durchzuführen, für das Angebot der Antragstellerin lediglich für die Wertung des Preises für Leistungsphase 8. Bei korrekter Ermittlung hätte die Antragstellerin statt der vom Antragsgegner ermittelten 8 Punkte 12,74 Punkte erhalten. Bei entsprechend korrigierter Wertung der Preise der beiden Beigeladenen ergeben sich aber nur geringe Veränderungen in den Wertungspunktzahlen und insgesamt keine Änderung der Rangfolge der Angebote.
Gemäß § 114 Abs. 1 GWB trifft die Vergabekammer die geeigneten Maßnahmen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Sie ist dabei an die Anträge nicht gebunden und kann auch unabhängig davon auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens einwirken. Aufgrund der oben unter II. 2 a und b festgestellten Tatsache, dass der Antragsgegner gegen das Verbot der Mitwirkung von als voreingenommen geltenden natürlichen Personen im Vergabeverfahren gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 3b VgV verstoßen und auch den Informationsvorsprung der Beigeladenen zu 1 aus der Projektantentätigkeit in Phase I und II des verfahrensgegenständlichen Projekts nicht vollständig gemäß § 4 Abs. 5 VOF gegenüber den übrigen Bietern ausgeglichen hat, war der Antragsgegner zu verpflichten, das Verhandlungsverfahren auf den Zeitpunkt vor Aufforderung zur Abgabe des Angebotes zurück zu versetzen, die Bieter unter Ausschluss der das streitgegenständliche Vergabeverfahren begleitenden Berater erneut zur Abgabe eines Angebotes aufzufordern und die Wertung der Angebote durchzuführen. Dabei hat er die aus den Entscheidungsgründen ersichtliche Rechtsauffassung der Vergabekammer zu beachten.
III. Kosten
Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB in der seit dem 24.04.2009 geltenden Fassung (Art. 1 Nr. 27 des Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechtes vom 20.04.2009, BGBl. I, S. 790).
Die in Ziffer 3 des Tenors festgesetzte Gebühr ergibt sich aus einer Interpolation des Auftragswertes innerhalb des Gebührenrahmens nach § 128 Abs. 2 GWB. Die von der Vergabekammer festzusetzende regelmäßige Mindestgebühr beträgt 2.500 €, die Höchstgebühr 50.000 € und die Höchstgebühr in Ausnahmefällen 100.000 €.
Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes in der zzt. gültigen Fassung aus Dezember 2009. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 € (§ 128 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 € zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000 € (§ 128 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. € (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996-1998) gegenübergestellt. Dazwischen wird interpoliert.
Unter Zugrundelegung des vom Antragsgegner geprüften, in der Vergabeakte dokumentierten und gewerteten Angebotspreises der Antragstellerin in Höhe von xxxxxx € (Gesamtpreis aller Einzelpositionen bei Erschließung aller Cluster inkl. angenommenen Zeitaufwand) ergibt sich eine Gebühr in Höhe von xxxxxx €. Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten oder Kosten durch Zeugenvernehmungen in der mündlichen Verhandlung sind nicht angefallen.
Die in Ziffer 2 des Tenors verfügte Kostentragungspflicht folgt aus § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Nachprüfungsverfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Hier war zu berücksichtigen, dass der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zum überwiegenden Teil begründet ist. Zum Teil war der Nachprüfungsantrag aber unbegründet. Daher war die Antragstellerin mit einer Quote von 1/4 an den Kosten zu beteiligen.
Der Antragsgegner ist jedoch von der Pflicht zur Entrichtung seines Kostenanteils gemäß § 128 Abs. 1 GWB i. V. m. § 8 Abs. 1 N r. 3 BVwKostG befreit (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 13.07.2005, Az.: 13 Verg 9/05; OLG Dresden, Beschluss vom 25. 01. 2005, Az.: WVerg 0014/04).
Gemäß Ziffer 4 des Tenors hat der Antragsgegner der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Aufwendungen gemäß § 128 Abs. 4 GWB zu erstatten. Gemäß § 128 Abs. 4 GWB i. V. m. § 80 Abs. 2 VwVfG in entsprechender Anwendung war auf den Antrag der Antragstellerin gem. Ziffer 4 des Tenors auszusprechen, dass die Zuziehung eines Rechtsanwalts im Nachprüfungsverfahren für die Antragstellerin notwendig war. Ungeachtet der Tatsache, dass das GWB für das Nachprüfungsverfahren 1. Instanz vor der Vergabekammer keine rechtsanwaltliche Vertretung vorschreibt, bedurfte die Antragstellerin gleichwohl wegen der Komplexität des Vergaberechts und des das Nachprüfungsverfahren regelnden Verfahrensrechts einerseits sowie auch der Komplexität des konkreten streitbefangenen Vergabeverfahrens rechtsanwaltlicher Beratung und Begleitung.
Angesichts der Tatsache, dass der Antragsgegner im Nachprüfungsverfahren überwiegend unterlegen ist, hat er die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Kosten der Antragstellerin zu 3/4 tragen. Die Beigeladenen waren an der Kostenquote nicht zu beteiligen, weil sie keinen eigenen Antrag gestellt haben.
Kosten des Antragsgegners:
Gemäß Ziffer 4 des Tenors hat die Antragstellerin dem Antragsgegner die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Aufwendungen und damit die Anwaltskosten zu 1/4 zu erstatten.
Die Erstattungspflicht der Antragstellerin bezüglich der Kosten des Antragsgegners, die diesem zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstanden sind, folgt aus § 128 Abs. 4 GWB i. V. m. § 80 VwVfG. Danach war festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes durch den Antragsgegner im konkreten Verfahren erforderlich war. Auch wenn man von öffentlichen Auftraggebern grundsätzlich verlangen darf, dass sie über das notwendige personelle Know-how bezüglich der für eine Ausschreibung erforderlichen Rechtsgrundlagen, insbesondere der VOL/A und der VOB/A verfügen, bedurfte der Antragsgegner für eine angemessene Reaktion in der auch für einen erfahrenen öffentlichen Auftraggeber ungewohnten Situation eines vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens besonderen rechtskundigen Beistandes.
Nach den zu § 80 VwVfG geltenden Grundsätzen ist die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes dann notwendig, wenn sie vom Standpunkt eines verständigen Beteiligten für erforderlich gehalten werden durfte (BVerwGE 55, 299, 306). Dies ist nach der herrschenden Lehre nicht nur in schwierigen und umfangreichen Verfahren zu bejahen, sondern entspricht der Regel (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl., § 80, Rdnr. 45; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 5. Aufl., § 80, Rdnr. 81). Dieser Grundsatz soll allerdings nur im Verhältnis des Bürgers zum Staat gelten. Zugunsten der Ausgangsbehörde im Verwaltungsverfahren wird demgegenüber die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten nur in besonders gelagerten Einzelfällen angenommen, da die Ausgangsbehörde in der Regel mit eigenem Fachpersonal so gut ausgestattet sein muss, dass sie ihre Verwaltungstätigkeit, zu der auch die Mitwirkung im Vorverfahren (Widerspruchsverfahren) gehört, ohne fremde Unterstützung ausführen kann. Diese für die Situation der Ausgangsbehörde in einem Widerspruchsverfahren zutreffende Auffassung kann jedoch nicht auf das vergaberechtliche Nachprüfungsverfahren übertragen werden. Schon beim materiellen Vergaberecht handelt es sich um eine überdurchschnittlich komplizierte Materie, die nicht nur in kurzer Zeit zahlreiche Veränderungen und Neuregelungen erfahren hat, sondern auch durch komplexe gemeinschaftsrechtliche Fragen überlagert ist. Entscheidend aber ist, dass das Nachprüfungsverfahren gerichtsähnlich ausgebildet ist, die Beteiligten also auch prozessuale Kenntnisse haben müssen, um ihre Rechte umfassend zu wahren. Deshalb ist im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren die nach § 80 VwVfG gebotene Rechtspraxis zur Erstattung der Rechtsanwaltskosten nicht übertragbar (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.11.2001, Az.: Verg 1/01; OLG Stuttgart, Beschluss v. 19.07.2000, 2 Verg 4/00, NZBau 11/2000, S. 543 ff.). Denn durch seinen Charakter als gerichtsähnlich ausgestaltetes Verfahren unterscheidet sich das Vergabenachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer eben grundlegend von dem Widerspruchsverfahren nach der VwGO.
Ob die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts durch einen öffentlichen Auftraggeber notwendig war und dessen Kosten im Vergabeverfahren deshalb nach § 128 Abs. 4 GWB i. V. m. § 80 Abs. 2 VwVfG bzw. § 120 GWB i. V. m. § 78 Satz 1 GWB zu erstatten sind, kann aber nicht allgemein, sondern nur an Hand der Umstände des Einzelfalles entschieden werden und richtet sich nach den objektiv anzuerkennenden Erfordernissen im jeweiligen Einzelfall nach einer ex-ante-Prognose (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 09.02.2011 - 13 Verg 17/10, Beschluss vom 04.05.2011 -13 Verg 1/11). Bei der Abwägung der Einzelfallumstände ist zu berücksichtigen, ob die Problematik des Nachprüfungsverfahrens mehr auf auftragsbezogenen Sach- und Rechtsfragen beruht und der öffentliche Auftraggeber über juristisch hinreichend geschultes Personal verfügt, welches zur Bearbeitung der im jeweiligen Nachprüfungsverfahren relevanten Sach- und Rechtsfragen in der Lage ist; dann soll eher keine Notwendigkeit bestehen. Nach dieser Maßgabe war es für den Antragsgegner im vorliegenden Vergabeverfahren notwendig, einen Bevollmächtigten zu beauftragen. Denn der Nachprüfungsantrag betraf nicht allein Probleme des gewöhnlichen materiellen, in den Vergabe- und Vertragsordnungen geregelten Vergaberechts, das eine Vergabestelle nach der oben zitierten aktuellen Rechtsprechung zumindest in der Regel auch ohne anwaltlichen Beistand rechtlich bewerten, einordnen und vertreten muss. Streitgegenstand waren hier insbesondere auch die verfahrensrechtlichen Regelungen des GWB und dort insbesondere die Voraussetzungen für die Präklusion gemäß § 107 Abs. 3 GWB und die dazu ergangene Rechtsprechung.
Unabhängig davon ist aber für die Beurteilung der Notwendigkeit der Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts auch das beim öffentlichen Auftraggeber vorhandene oder verfügbare Personal und dessen Befähigung zur Bearbeitung der Sach- und Rechtsprobleme im Nachprüfungsverfahren zu berücksichtigen (vergl. OLG Celle, Beschluss vom 30.10.2014 - 13 Verg 8/14). Für die Notwendigkeit einer solchen Beauftragung spricht, wenn bei dem Auftraggeber vorhandenes juristisches ausgebildetes Personal im Nachprüfungsverfahren nicht versiert ist und mit anderen Unternehmensaufgaben als der Wahrnehmung von Nachprüfungsverfahren hinreichend ausgelastet ist (vergleiche OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20.7.2000 - VII-Verg 1/00, zitiert nach VERIS). Ferner sind die Bedeutung des Verfahrens und der Zeitfaktor zu berücksichtigen (vgl. OLG Düsseldorf, a. a. O.). Der Antragsgegner bedurfte daher anwaltlicher Unterstützung.
Angesichts der Tatsache, dass die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren überwiegend Erfolg hatte, hat sie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Kosten des Antragsgegners nur zu 1/4 tragen.
Die Antragstellerin wird aufgefordert, innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses den auf sie entfallenden Gebührenanteil von xxxxxx € unter Angabe des Kassenzeichens
xxxxxx
auf folgendes Konto zu überweisen:
xxxxxx
xxxxxx
IV. Rechtsbehelf
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