Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 22.08.2016, Az.: VgK-32/2016

Ausschreibung eines öffentlichen Bauauftrags; Durchführung der Auswahlentscheidung auf Grundlage des einzigen Wertungskriteriums des niedrigsten Preises; Gebot der eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung; Zurückversetzung des Vergabeverfahrens in den Stand unmittelbar nach Abgabe der Angebote; Wiederholung der Wertung unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer

Bibliographie

Gericht
VK Lüneburg
Datum
22.08.2016
Aktenzeichen
VgK-32/2016
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2016, 28816
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

In dem Nachprüfungsverfahren
der xxxxxx,
Verfahrensbevollmächtigte: xxxxxx,
- Antragstellerin -
gegen
das xxxxxx,
- Antragsgegner -
beigeladen:
1. xxxxxx,
Verfahrensbevollmächtigte: xxxxxx,
- Beigeladene zu 1 -
2. xxxxxx,
- Beigeladene zu 2 -
wegen
Ausschreibung Baumaßnahme xxxxxx, 2. BA xxxxxx, Neubau Brücke xxxxxx
hat die Vergabekammer durch den Vorsitzenden RD Gaus, die hauptamtliche Beisitzerin ROAR'in Sandmann und die ehrenamtliche Beisitzerin Dipl.-Ing. Fesun auf die mündliche Verhandlung vom 17.08.2016 beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten aus § 97 Abs. 1, 7 GWB verletzt ist. Das Vergabeverfahren wird zurückversetzt in den Stand unmittelbar nach Abgabe der Angebote. Der Antraggegner hat bei fortbestehender Vergabeabsicht die Wertung unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen.

  2. 2.

    Die Kosten werden auf xxxxxx € festgesetzt.

  3. 3.

    Die Kosten tragen der Antragsgegner und die Beigeladene zu 1 je zu 1/2. Der Antragsgegner ist jedoch von der Entrichtung des auf ihn entfallenden Kostenanteils persönlich befreit.

  4. 4.

    Der Antragsgegner und die Beigeladene zu 1 haben der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Kosten je zur Hälfte zu erstatten. Gegenüber der Antragstellerin haften sie als Gesamtschuldner. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts war für die Antragstellerin notwendig.

Begründung

I.

Der Antragsgegner hat im Zuge der Baumaßnahme xxxxxx, 2. Bauabschnitt xxxxxx, den Brückenneubau xxxxxx mit europaweiter Bekanntmachung vom xxxxxx.2016 im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union, abgesandt am xxxxxx.2016, im offenen Verfahren ausgeschrieben. Konkret handelte es sich dabei um den Neubau von zwei Brücken (xxxxxx und xxxxxx) in Spannbetonbauweise auf Pfahlgründung als Einfeldbauwerke mit mehrstufigen Plattenbalken und einer Stützweite von 23 Metern zur Unterführung der verlegten xxxxxx.

Unter Ziffer IV. 2.1) der EU-Bekanntmachung war als einziges Zuschlagskriterium der niedrigste Preis angegeben. Die Vergabeunterlagen konnten bis zum xxxxxx.2016 angefordert werden. Schlusstermin für den Eingang der Angebote war der xxxxxx.2016.

Zu den Vergabeunterlagen gehörten u.a. die EU-Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes, eine Baubeschreibung, eine Langtextfassung des Leistungsverzeichnis, ein Kurztext-/Preisverzeichnis sowie diverse Baupläne, Ausschreibungszeichnungen und Gutachten. Gemäß Ziffer 5.1 der Aufforderung zur Abgabe eines Angebots waren Nebenangebote nicht zugelassen.

In Bezug auf die Gründung der Brücken und die vorliegenden Baugrundverhältnisse enthielt die Baubeschreibung unter den Gliederungsnummern "1.1.4 Gründung", "2.7 Baugrundverhältnisse" und "3.10.2 Konstruktive und statische Vorgaben, Punkt 1 - Unterbauten und Gründung" nähere Informationen und Vorgaben. Unter 1.1.4 Gründung wurde u.a. ausgeführt, dass die 11 bis 12 m langen Ortbeton-Rammpfähle mit einem Durchmesser von 51 cm 4:1 geneigt und mit ausgerammten Fuß hergestellt werden sollen. Unter Gliederungsnummer "1.4 Gleichzeitig laufende Bauarbeiten" wurde darauf hingewiesen, dass der Antragsgegner beabsichtigt, ein Erschütterungsmonitoring vor, während und nach den erschütterungsträchtigen Arbeiten des Auftragnehmers (Rammarbeiten der Gründungspfähle) durchzuführen. Ferner hieß es:

"Dazu sollen an den jeweils nördlich und südlich gelegenen Wohngebäuden elektronische Rissaufzeichnungen vorgenommen und Erschütterungsmessungen mit einer Dauerüberwachung durchgeführt werden. Grund hierfür ist das Verhindern von Rissen oder Setzungserscheinungen bei der anliegenden Wohnbebauung. Die Rammarbeiten sind daher nur unter gleichzeitigem Betrieb des Erschütterungsmonitorings auszuführen und darauf abzustimmen. Den erschütterungsrelevanten Anweisungen der verantwortlichen Person "Erschütterungsmonitoring" ist unbedingt Folge zu leisten. "

Unter Gliederungsnummer "4.1 Vom Auftraggeber zur Verfügung gestellte Unterlagen" wurde erläutert, dass die Beschreibung "nach Unterlagen der AG" in den einzelnen Leistungspositionen des Leistungsverzeichnisses bedeutet, dass die Ausführungen nach den vom Auftragnehmer zu erstellenden Ausführungsunterlagen auf Grundlage der vom Auftraggeber gestellten Ausschreibungsunterlagen erfolgen sollen.

Im Abschnitt "4.1.3 Gutachten" wurde auf die Anlagen 19 bis 24 verwiesen, die den Vergabeunterlagen in digitaler Form auf einer CD beigefügt waren und je Brückenbauwerk ein mehrteiliges Baugrundgutachten für die herzustellenden Brückenbauwerke beinhalteten. Das Baugutachten bestand jeweils aus einem "Teil A: Baugrundbeurteilung" vom 16.03.2016 bzw. 20.03.2009, einem "Teil B: Gründungsberatung" vom 20.05.2014 und einer "1. Ergänzung zu Teil B" vom 13.06.2014. Für beide Brücken befand sich im Teil A: Baugrundbeurteilung unter Ziffer 7 (Zusammenfassung) die Aussage, dass "die geplante Brücke auf Ortbetonrammpfählen mit ausgerammten Fuß zu gründen" und im "Torf eine Hülse zur Stützung der Frischbetonsäule der Pfähle erforderlich" sei. Außerdem könne bei einem Durchmesser des Vortreibrohres von 51 cm von einer Lastabtragung in den mindestens mitteldicht gelagerten Sanden von Grenzfähigkeiten (charakteristischer Widerstand) von rund 4.400 kN ausgegangen werden (siehe jeweils Ziffer 6.2, 4. Absatz). Diese Aussagen wurden im Teil B: Gründungsberatung wiederholt. Zudem sollten die Pfähle hiernach "als geneigte Pfähle hergestellt" werden (siehe jeweils Ziffer 4).

In der Langtextfassung des Leistungsverzeichnisses hieß es unter der Ordnungsziffer 00.02.0002:

"07.117/128.99.93.19.99 TA 24,00 m

Ortbetonverdrängungspfahl herst.

Ortbetonverdrängungspfahl entsprechend statischen und konstruktiven Erfordernissen nach Unterlagen des AG herstellen. Abgerechnet wird von der Unterkante Verrohrung bis Unterkante der Pfahlkopfplatte bzw. des an den Pfahl anschließenden Bauteils. Bewehrung wird gesondert vergütet. Flachstahl für Abstandskreuz und Distanzringe werden als Betonstahl abgerechnet. Herrichten des Pfahlkopfes, Herstellen eines Pfahlfußes und Einbau eines Hülsenrohres sowie die Durchführung von Probebelastungen werden gesondert vergütet.

Bauteil = Probepfahl Widerlager A und B.

Pfahl = Ortbeton-Rammpfahl, innengerammt.

Pfahldurchmesser = 51 cm.

Pfahllänge über 10 bis 15 m.

Neigung vertikal.

Material =Stahlbeton, Druckfestigkeitsklasse C30/37,

Expositionsklasse XC2 und XD2.

Betonage der Pfähle bis Oberkante Rammebene.

Überschüssigen Pfahlschaft abbrechen.

Leerbohrung/-rammung einrechnen."

Vergleichbare Beschreibungen befanden sich auch unter den Ordnungsziffern 00.02.0012., 01.02.0002. und 01.02.0012.

Unter Ordnungsziffer 00.02.0014. wurde ausgeführt:

"Ortbetonverdrängungspfahl vorbohren

Ortbetonverdrängungspfahl zur Verringerung der Erschütterungsemission im Bereich der oberen Weichschichten vor dem Einbringen vorbohren. Erschwernisse durch die GEC-Säulen und der geotextilen Trennschicht sind einzurechnen.

Bauteil = Probepfahl Widerlager A und B.

Durchmesser der Schneckenbohrung < 51 cm.

Vorbohren = ohne Bodenförderung, bis zu tragfähigen Sanden.

Neigung n = 4.

Die Arbeiten dürfen nur in vorheriger Absprache mit dem AG ausgeführt werden."

Vergleichbare Beschreibungen befanden sich auch unter den Ordnungsziffern 00.02.0004., 01.02.0004 und 01.02.0014

Unter den Ordnungsziffern 00.02.0005., 00.02.0015., 01.02.0005 und 01.02.0015 wurde der Einbau des Hülsenrohres für den Ortbetonverdrängungspfahl mit einem Durchmesser von 51 cm beschrieben.

Die eingereichten und beantworteten Bieterfragen betrafen weder die o. g. Ordnungsziffern noch die Herstellung der Ortbetonrammpfähle.

Acht Bieter reichten fristgemäß ein Hauptangebot ein. Ein von der Antragstellerin zusätzlich eingereichtes Nebenangebot blieb aufgrund des Ausschlusses von Nebenangeboten in der Angebotsaufforderung unberücksichtigt. Gemäß Submissionsprotokoll vom xxxxxx.2016 lag das Hauptangebot der Antragstellerin mit einer Angebotssumme von xxxxxx € auf Rang 3 hinter den Angeboten der Beigeladenen zu 1 mit einer Angebotssumme von xxxxxx € und der Beigeladenen zu 2 mit einer Angebotssumme von xxxxxx €.

Im Zeitraum vom 07.06.2016 bis 14.06.2016 führte der Antragsgegner Aufklärungsgespräche mit diesen drei Bietern durch. Der Antragsgegner thematisierte darin unter Bezugnahme auf die Ordnungsziffer 00.02.0002. auch die Herstellung des Ortbetonverdrängungspfahls und das hierfür ggf. einzusetzende Nachunternehmen. Die Beigeladene zu 1 überreichte dem Antragsgegner im Aufklärungsgespräch den Beschluss der Vergabekammer Niedersachsen vom 29.05.2007 (VgK-19/2007).

Die Antragstellerin wies den Antragsgegner mit gesonderten Schreiben vom 07.06.2016 daraufhin, dass die maßgeblichen Pfahlpositionen des Leistungsverzeichnisses zweifelsfrei einen innengerammten Ortbetonrammpfahl fordern würden und kopfgerammte Systeme wertungstechnisch nicht als gleichwertig erachtet werden könnten. In diesem Zusammenhang überreichte sie den Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen vom 20.04.2012 (OLG Bremen, Az. 3/09).

Mit fortgeschriebenen Vergabevermerk vom 12.07.2016 hat der Antragsgegner die einzelnen Verfahrensschritte des Ausschreibungsverfahrens festgehalten. Unter dem ersten Abschnitt "1. Bis zur Bekanntmachung" heißt es unter Ziffer 1.4 - Beschreibung der Baumaßnahme:

"Neubau von zwei Brückenbauwerken im Zuge der xxxxxx, xxxxxx und xxxxxx, wobei xxxxxx vollständig im FFH-Gebiet liegt.

Aufgrund der örtlichen Gegebenheiten wurde sich für eine innengerammte Ortbetonrammpfahlgründung entschieden."

Ferner wurde die Auswahlentscheidung auf Grundlage des einzigen Wertungskriteriums des niedrigsten Preises durchgeführt. Danach soll der Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu 1 erteilt werden.

Am 12.07.2016 erhielt die Antragstellerin das Informationsschreiben nach § 101a GWB vom selben Datum. Der Antragsgegner teilte darin mit, dass beabsichtigt sei, nach Ablauf der Informationsfrist den Zuschlag frühestens am 22.07.2016 an die Beigeladene zu 1 zu erteilen. Das Angebot der Antragstellerin sei nicht das wirtschaftlichste Angebot gewesen.

Mit Schreiben vom 14.07.2016 rügte die Antragstellerin die Vergabeentscheidung. Der Antragsgegner müsse den Zuschlag auf ihr Angebot, "welches das preisgünstigste ausschreibungskonforme Angebot" sei, erteilen. In den maßgeblichen Leistungspositionen zu den Ordnungsziffern 00.02.0012 und 01.02.0012 sei unmittelbar aus der Formulierung "Pfahl = Ortbeton-Rammpfahl, innengerammt" für den fachtechnischen Bieterkreis ersichtlich gewesen, dass der Antragsgegner eindeutig einen innengerammten und nicht kopfgerammten Ortbetonverdrängungspfahl beschrieben habe. Der Antragstellerin sei bekannt, dass die beiden vor ihr liegenden Bieter jeweils keinen innengerammten Ortbetonrammpfahl sondern kopfgerammte Systeme verwenden und auch angeboten hätten. Damit liegen unzulässige Änderungen an den Vergabeunterlagen vor. Die Angebote der vor ihr liegenden Bieter hätten daher zwingend gemäß § 16 EG Abs. 1 Nr. 1 b i. V. m. § 13 EG Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 VOB/A von der weiteren Prüfung und Wertung ausgeschlossen werden müssen. Die Antragstellerin verwies diesbezüglich auf ihr Schreiben vom 07.06.2016 an den Antragsgegner und die dort beigefügte Entscheidung des OLG Bremen vom 20.04.2012 (Az. Verg 3/09), die entsprechend in einem völlig gleichartigen Fall ergangen sei. Sie forderte den Antragsgegner auf, die unter dem 12.07.2016 mitgeteilte Vergabeentscheidung umgehend zu korrigieren und den Zuschlag auf ihr Angebot zu erteilen.

Mit Schreiben vom 19.07.2016 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, dass der Rüge nicht abgeholfen werden könne. Zwar treffe es zu, dass im Leistungsverzeichnis zu den Positionen 00.02.0002., 00.02.0012, 01.02.0002. und 01.02.0012 die Art der Herstellung des Ortbetonrammpfahls mit dem Wort "innengerammt" beschrieben worden sei, weitere und angesichts der wirtschaftlichen Auswirkungen notwendige Ausführungen zu der Art der Herstellung der Ortbetonrammpfähle seien ansonsten weder im Leistungsverzeichnis noch an anderen Stellen der Vergabeunterlagen vorhanden gewesen. So hätte die Leistungsbeschreibung gemäß den Vorgaben der VOB/C DIN 18304 "Ramm-, Rüttel- und Pressarbeiten" oder der DIN EN 12699 "Ausführungen von Arbeiten im Spezialtiefbau - Verdrängungspfähle" insgesamt nähere Angaben zur Baustelle und zur Ausführung enthalten, wenn Beschränkungen hinsichtlich des Bauverfahrens oder des Geräteeinsatzes bestanden und diese direkten Einfluss auf die Kalkulation der Preise gehabt hätten. Auf Grundlage der hier zu Grunde liegenden Leistungsbeschreibung ergebe sich nicht mit hinreichender Klarheit, dass die Bieter in der ihnen gemäß § 4 VOB/B bzw. den einschlägigen DIN-Normen der VOB/C obliegenden Wahl des Bauverfahrens und des Geräteeinsatzes derart hätten eingeschränkt werden sollen, dass faktisch nur ein Bauverfahren zur Ausführung gelangen sollte. Ferner seien auch in der Baubeschreibung keine besonderen oder weitergehenden Anforderungen an die Lärmemissionen (Ziffer 2.9.4) gestellt oder Obergrenzen für Erschütterungen (Ziffer 1.4) festgelegt worden. Insgesamt sei somit durch die Ausschreibungsunterlagen kein bestimmtes Gründungsverfahren vorgeschrieben worden. Der Hinweis auf die Innenrammung des Ortbetonrammpfahls im Erläuterungstext einzelner Leistungspositionen wäre ohne weitere Begründung an anderen Stellen der Vergabeunterlagen nicht ausreichend, um von dem Grundsatz der produktneutralen Ausschreibung abzuweichen. Allen Wettbewerbsteilnehmern sei es daher freigestellt gewesen, ein geeignetes und wirtschaftliches Bauverfahren anzubieten. Er verwies diesbezüglich auch auf den Beschluss der Vergabekammer Niedersachsen vom 29.05.2007 (VgK-19/2007).

Am 20.07.2016 versandte der Antragsgegner erneut Informationsschreiben nach § 101a GWB an die Bieter. Der Zuschlag sollte danach frühestens am 04.08.2016 an die Beigeladene zu 1 erteilt werden.

Die Antragstellerin stellte am 20.07.2016 einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer. Der Nachprüfungsantrag sei zulässig. Zur Begründetheit führt sie aus, dass die Bieter, die nach der Submission preislich gesehen auf den Plätzen 1 und 2 lagen (Beigeladenen zu 1 und 2), gemäß § 16 EG Abs. 1 Nr. 1b i. V. m. § 13 EG Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 VOB/A von der weiteren Prüfung und Wertung hätten ausgeschlossen werden müssen, da sie entgegen der in der Leistungsbeschreibung geforderten innengerammten Ortbetonrammpfähle kopfgerammte Ortbetonrammpfähle angeboten und damit unzulässiger Weise die Leistungsbedingungen abgeändert haben.

In der Leistungsbeschreibung einer öffentlichen Ausschreibung sei die Leistung eindeutig und erschöpfend zu beschreiben, dass alle Bieter die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen müssen und ihre Preise sicher berechnen können. Laut BGH (Urteil vom 22.12.2011, AZ: VII ZR 67/11) sei dafür das objektive Verständnis der potentiellen Bieter in Bezug auf den Wortlaut der Leistungsbeschreibung maßgeblich.

In der Langtextfassung der Leistungsbeschreibung sei in den Ordnungsziffern 00.02.0002, 00.02.0012, 01.02.0002 und 01.02.0012 eindeutig und erschöpfend beschrieben: "Pfahl = Ortbeton-Rammpfahl, innengerammt", so dass die Herstellung der Pfähle zweifelsfrei und zwingend durch eine Innenrammung der Vortreibrohre herzustellen seien. Durch Verwendung dieser Begrifflichkeit sei eine interpretierende Auslegung nicht mehr erforderlich gewesen. Gleichwohl sei unter den Ordnungsziffern 00.02.0004, 00.02.0014, 01.02.0004 und 01.02.0014, die Vorgaben zum Vorbohren der Ortbetonverdrängungspfähle beinhalten, zusätzlich nachzulesen gewesen: "Ortbetonverdrängungspfähle zur Verringerung der Erschütterungsemissionen im Bereich der oberen Weichschichten vor dem Einbringen vorbohren". Die geringere Erschütterung während des Rammvorgangs, eine geringere Lärmentwicklung sowie eine bessere äußere Tragfähigkeit des Pfahls für Druck- und Zugbelastung seien dabei allgemein bekannte Vorteile der Innenrammung gegenüber der Kopframmung. Dies untermauere das objektive Bieterverständnis dahingehend, dass dem Antragsgegner hier Ortbetonrammpfähle angeboten werden sollten, bei denen die Einbringung des Vortreibrohres durch eine Innenrammung erfolgt.

Die Antragstellerin bestreitet auch, dass das kopfgerammte System mit einem Pfahldurchmesser von 51 cm die im Leistungsverzeichnis unter Ordnungsziffer 01.02.0009 vorgegebenen Anforderungen an die Tragfähigkeit von bis zu 4,4 MN Druck- und von bis zu 0,8 MN Zugbelastung erfülle.

Ein Sachverständigengutachten, das dem Beschluss des OLG Bremen vom 20.04.2012 zu Grunde lag, habe zudem ergeben, dass die Bezeichnung eines "innengerammten Ortbetonrammpfahls" beim fachtechnischen Bieterkreis keine andere Schlussfolgerung zulasse, als dass nur innengerammte Ortbetonrammpfähle und eben keine kopfgerammten Ortbetonpfähle anzubieten sein würden. Die Systeme seien nicht gleichwertig.

Die Innenrammung sei ferner keine technische Spezifikation, sondern ein besonderes Verfahren, das schon seit Jahren keinem Patentschutz mehr unterliege und durch jeden Bieter frei angeboten werden könne. Es gebe so bereits mehrere Anbieter dieses Verfahren im europäischen Raum. Der Unterschied zwischen den Verfahren liege insbesondere darin, dass bei einer Innenrammung mit Hilfe eines im Innern des Vortreibrohres langsam laufenden sogenannten Freifallbären ein das Vortreibrohr nach unten abschließender Betonpfropfen in das Erdreich eingetrieben werde, wodurch das Vortreibrohr nachgezogen wird. Im Gegensatz dazu werde bei einer Kopframmung das mit einer ablösbaren Fußplatte versehene Vortreibrohr durch eine schnell laufende Kopframmung mit Hilfe eines Hydraulik- oder Dieselrammbären in den tragfähigen Boden getrieben.

Es sei bekannt, dass die Beigeladenen zu 1 und 2 keine innengerammten sondern ausschließlich kopfgerammte Pfähle anbieten. Dies ergebe sich auch aus der Rügeantwort des Antragsgegners vom 14.07.2016, der diese Vermutung der Antragstellerin nicht in Abrede stelle. Dem Vorwurf der Wettbewerbsmanipulation seitens der Beigeladenen zu 1 tritt die Antragstellerin ausdrücklich entgegen. Die Angebote der Beigeladenen entsprechen nicht der Leistungsbeschreibung und ändern die dort gemachten Vorgaben in unzulässiger Weise ab. Die Antragstellerin, die bei der Submission auf Platz 3 gelegen hat, biete insofern als Bestbieterin die geforderte Leistung an. Der Zuschlag müsse damit auf ihr Angebot erteilt werden.

Nach Akteneinsicht weist die Antragstellerin auf die Festlegung des Antragsgegners unter Ziffer 1.4 des Vergabevermerks, wonach er sich aufgrund der örtlichen Gegebenheiten für einen innengerammte Ortbetonrammpfahlgründung entschieden habe, hin. Dies bestätige ebenso eindeutig wie die Verwendung der Begrifflichkeit "innengerammt" im Leistungsverzeichnis, dass der Antragsgegner sich bewusst für das System der Innenrammung entschieden habe. Weitere Erläuterungen in den Vergabeunterlagen für die Entscheidung für dieses System habe es entgegen der Argumentation des Antragsgegners nicht bedurft.

Die Antragstellerin beantragt,

  1. 1.

    ein Nachprüfungsverfahren gemäß § 107 GWB einzuleiten und Akteneinsicht gemäß § 111 GWB in die Vergabeakte zu gewähren;

  2. 2.

    den Antragsgegner zu verpflichten, bei fortgesetzter Vergabeabsicht der Antragstellerin den Zuschlag für die Bauleistung xxxxxx, 2. Bauabschnitt, xxxxxx, Neubau Brücke xxxxxx zu erteilen;

  3. 3.

    hilfsweise: dem Antragsgegner aufzugeben, die Wertung und Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen;

  4. 4.

    dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Antragstellerin aufzuerlegen;

  5. 5.

    festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten seitens der Antragstellerin zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig war.

Der Antragsgegner beantragt,

  1. 1.

    den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen und

  2. 2.

    über die weiteren Anträge von Amts wegen zu entscheiden.

Der Antragsgegner tritt dem Vortrag und der Rechtsauffassung der Antragstellerin entgegen. Er hält den Nachprüfungsantrag für unbegründet. Er wiederholt und vertieft den Vortrag aus seiner Rügeantwort vom 19.07.2016.

Die Angebote der Beigeladenen zu 1 und 2 enthalten keine Abweichungen von den Vergabeunterlagen, die einen Ausschluss der Angebote rechtfertigen könnten. Der Zuschlag könne mitnichten auf das Angebot der Antragstellerin erteilt werden.

Allein aus dem Wort "innengerammt", was unstrittig in den Beschreibungen der Positionen 00.02.0002, 00.02.0012, 01.02.0002 und 01.02.0012 des Leistungsverzeichnisses enthalten sei, lasse sich nicht die zwingende Vorgabe ableiten, dass nur ein innengerammtes Verfahren der Gründung bezuschlagungsfähig sei und andere Verfahren - wie die Kopframmung - damit ausgeschlossen seien. An keiner anderen Stelle der Vergabeunterlagen habe es weitere und angesichts der wirtschaftlichen und bautechnischen Auswirkungen einer ausschließlichen Forderung der Innenrammung notwendige Ausführungen zur Art der Herstellung der Ortbetonrammpfähle gegeben.

Weder die Leistungsbeschreibung habe Beschränkungen hinsichtlich des Bauverfahrens oder des Geräteeinsatzes enthalten, noch seien in der Baubeschreibung erhöhte Anforderungen an die Lärmemission gestellt oder Obergrenzen für die Erschütterungen festgelegt worden, mit denen sich der Antragsgegner auf das innengerammte Verfahren hätte festlegen wollen. Auch die Gutachten zur Baugrundbeurteilung vom 16.03.2009 bzw. 20.03.2009 und Gründungsberatung vom 20.05.2014 und 13.06.2014 haben keine spezielleren Vorgaben enthalten, sondern empfehlen lediglich Ortbetonrammpfähle mit einem ausgerammten Fuß. Diese Herstellung sei dabei durch beide Systeme möglich.

In der Gesamtschau habe sich aus dem objektiven Bieterverständnis heraus nicht erschließen können, dass ein bestimmtes Verfahren gefordert gewesen sei. Der Bieter habe daher vielmehr auf eine produktneutrale Ausschreibung vertrauen dürfen. Der Antragsgegner verweist diesbezüglich auch auf den Beschluss der Vergabekammer Niedersachsen vom 29.05.2007 (VgK-19/2007), in dem die Gleichwertigkeit der vorgenannten Gründungssysteme festgestellt worden sei.

Aber selbst wenn man nicht von einer Gleichwertigkeit der Systeme ausgehe und die Auffassung der von der Antragstellerin zitierten Entscheidung des OLG Bremen vom 20.04.2012 vertrete, dass mit dem Wort "innengerammt" nur ein bestimmtes System gemeint sein könne,

dann bestehe gleichwohl die Notwendigkeit, dass sich die Beschränkung auf dieses System eindeutig und erschöpfend aus den Vergabeunterlagen ergebe. Dies entspreche auch der vorgenannten Entscheidung. Eine eindeutige Festlegung auf das Verfahren der Innenrammung sei den Vergabeunterlagen hier jedoch nicht zu entnehmen.

Aus den Vergabeunterlagen ergeben sich gerade keine Hinweise oder Vorgaben in Bezug auf ein spezielles Gründungsverfahren. Eine solche Beschränkung habe der Antragsgegner auch bewusst nicht vorgenommen, sondern sich an die vergaberechtlichen Grundsätze der Wettbewerbsförderung und der Produktneutralität gehalten sowie wirtschaftliche Erwägungen berücksichtigt.

Die Beigeladenen zu 1 unterstützt den Vortrag des Antragsgegners und beantragt,

  1. 1.

    die Anträge der Antragstellerin zurückzuweisen;

  2. 2.

    die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts für die Beigeladene zu 1 für notwendig zu erklären.

Der Nachprüfungsantrag sei unbegründet, da keine Gründe für einen Ausschluss ihres Angebots gegeben seien. Sie habe ein Pfahlgründungssystem angeboten, das entsprechend den Vorgaben der Verdingungsunterlagen, insbesondere der Baugrundbeurteilung und der Gründungsberatung in Bezug auf die geforderte Sicherheit und Gebrauchstauglichkeit ausschreibungsgemäß und beauftragungsfähig sei. Eine Abweichung von den Vergabeunterlagen liege nicht vor.

Unter der verwendeten Formulierung "Ortbeton-Rammpfahl, innengerammt" sei nicht zwingend nur ein Gründungsverfahren zu verstehen, bei dem die Einbringung des Vortreibrohres durch eine Innenrammung erfolgt. In den Vergabeunterlagen fehle es an einer besonderen Begründung für eine solche Beschränkung auf dieses System, das im Wesentlichen nur von einem Unternehmen mit einer marktbeherrschenden Stellung in Deutschland angeboten werde. Sie habe daher auf eine produktneutrale Ausschreibung vertrauen dürfen und ein Gründungsverfahren angeboten, das im Sinne der Ausschreibung mindestens gleichwertig zu dem von der Antragstellerin angebotenen Herstellungsverfahren sei. Die von der Antragstellerin vorgetragenen Vorzüge des von ihr gewählten Pfahlgründungssystems seien für die hier ausgeschriebene Leistung irrelevant, denn auch aus den Angaben zu den Bodenverhältnissen ergeben sich keine Hinweise darauf, dass Anforderungen an ein verfahrensspezifisches System berechtigt gewesen wären. Für sie sei daher erkennbar gewesen, dass der Antragsgegner nicht ausschließlich ein bestimmtes Gründungsverfahren habe vorgeben wollen. Mit einer entsprechenden Festlegung hätte der Antragsgegner auch gegen das Gebot der Produktneutralität und § 7 EG Abs. 8 VOB/A verstoßen.

Ferner vertritt die Beigeladene zu 1 die Auffassung, dass die Antragstellerin gemeinsam mit ihrem in Bezug auf das Verfahren der Innenrammung marktbeherrschenden Nachunternehmen auf wettbewerbswidrige Weise versuche, die angeblich verfahrensspezifische Leistungsbeschreibung auszunutzen, um sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Es gebe Anhaltspunkte dafür, dass das betreffende Nachunternehmen nur der Antragstellerin einen erheblichen Preisvorteil einräume und damit den Wettbewerb zu Lasten der öffentlichen Hand und der anderen Bieter beeinflusse.

Die Beigeladene zu 2 stellt keine Anträge und hat sich nicht zum Verfahren geäußert.

Wegen des übrigen Sachverhaltes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, das Protokoll der mündlichen Verhandlung am 17.08.2016 und die Vergabeakte Bezug genommen.

II.

Der zulässige Nachprüfungsantrag ist begründet. Die Antragstellerin ist in ihren Rechten aus § 97 Abs. 1, Abs. 7 GWB verletzt. Die vom Antragsgegner verwendete Leistungsbeschreibung ist im Sinne des § 7 EG Abs. 1 Nr. 1 VOB/A eindeutig und erschöpfend. Der Antragsgegner ist daher nicht berechtigt den Inhalt des Leistungsverzeichnisses zu relativieren.

Auch wenn die Vorgabe, innengerammte Ortbetonpfähle zu erstellen, nur an einer untergeordneten Stelle des Leistungsverzeichnisses zu finden ist, handelt es sich um eine eindeutige Vorgabe, die der Antragsgegner in der Vergabedokumentation als seinen Willen bestätigt hat. Die Argumentation des Antragsgegners, er habe das Geschriebene nicht so gemeint, ist intransparent. Wollte man dem folgen, so stünde es jedem Auftraggeber offen, willkürlich nach Eingang der Angebote zu entscheiden, ob von der Leistungsbeschreibung objektiv abweichende Angebote zuzulassen sind, weil man die Vorgaben im Leistungsverzeichnis nicht so gemeint habe. Der Rückgriff auf angeblich fehlende notwendige Erläuterungen in sekundären Vergabeunterlagen ist auch nicht geeignet, den Inhalt des Leistungsverzeichnisses zu verändern. Die unterlassene Erläuterung einer Festlegung hat keinen eigenen Aussagewert, erst recht keinen Erklärungswert gegen den ausdrücklichen Wortlaut des Leistungsverzeichnisses.

Dem Antragsgegner verbleibt auch bei vollständigem Obsiegen der Antragstellerin ein eigener Wertungsspielraum. Ein Nachprüfungsantrag, der in der Hauptsache darauf gerichtet ist, der Antragstellerin den Zuschlag zu erteilen, ist daher immer erfolglos. Da die Vergabekammer nicht an Anträge gebunden ist, kann sie den erfolglosen Hauptantrag bei der Kostenentscheidung unberücksichtigt lassen, wenn sie dem Hilfsantrag auf eine neu durchzuführende Wertung in vollem Umfang stattgibt (vergleiche nachfolgend zu III).

1. Obwohl das GWB 2016 und die VgV 2016 zum Zeitpunkt der Entscheidung der Vergabekammer bereits in Kraft getreten sind, hat die Vergabekammer aufgrund der Überleitungsvorschrift des § 186 Abs. 2 GWB 2016 das GWB einschließlich der darauf beruhenden nachrangigen Normen in der bis April 2016 geltenden Fassung anzuwenden. Gemäß § 186 Abs. 2 GWB 2016 werden Vergabeverfahren, die vor dem 18.04.2016 begonnen haben, einschließlich der sich an diese anschließenden Nachprüfungsverfahren nach dem Recht zu Ende geführt, dass zum Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens galt. Das OLG Düsseldorf hat mit Beschluss vom 17.12.2014 (Verg 26/14) definiert, wann das Vergabeverfahren beginnt. Es habe begonnen, wenn sich der öffentliche Auftraggeber dazu entschließe, einen (gegenwärtigen oder künftigen) Bedarf nicht durch Eigenleistung, sondern durch Beschaffen von Lieferungen oder Leistungen als Nachfrage auf dem Markt zu decken (interner Beschaffungsentschluss) und er darüber hinaus zweckbestimmt äußerlich wahrnehmbare Anstalten treffe, den Auftragnehmer mit dem Ziel eines Vertragsabschlusses auszuwählen (externe Umsetzung). Letzteres ist die europaweite Bekanntmachung der beabsichtigten Vergabe. Das hier streitige Vergabeverfahren wurde erst am xxxxxx.2016 im Supplement der des Amtsblatts der EU bekannt gemacht. Dennoch ist nicht das neue Vergaberecht anzuwenden, da der Antragsgegner bereits am xxxxxx.2016 durch Versendung der Vergabeunterlagen alles veranlasst hat, um das Vergabeverfahren zu beginnen. Es kommt nicht auf das vom Auftraggeber nicht beeinflussbare Datum der tatsächlichen Veröffentlichung an, sondern auf seinen Versand der Unterlagen. Es ist das zu diesem Zeitpunkt geltende Recht anzuwenden. Die Vergabekammer sieht sich wegen der geltenden Vergaberichtlinie 2014/24/EU gehalten, die anzuwendende EU-Richtlinie 2004/18/EG und das alte nationale Vergaberecht so anzuwenden, dass kein Widerspruch zur Richtlinie 2014/24/EU und dem neuen Vergaberecht entsteht.

EuGH und BGH haben gelegentlich anderer Fälle entschieden, dass beschlossenes EU-Recht eine inhaltliche Vorwirkung auf die Entscheidungspraxis der Verwaltungen und der Justiz entfalte. Nach der Rechtsprechung des EuGH (C-129/96, Urteil vom 18.12.1997, Inter-Environnement Wallonie, Rz. 45) darf der Staat innerhalb der Umsetzungsfrist keine Vorschriften erlassen, die geeignet sind, das Ziel der Richtlinie ernsthaft in Frage zu stellen (vgl. BVerwGE 107, S. 1 ff., S. 22). Ebenso hat der BGH (BGHZ 138, S. 55) für die Rechtsanwendung entschieden: Der BGH sah sich an einer richtlinienkonformen Auslegung nicht dadurch gehindert, dass die Frist für die Umsetzung der Richtlinie zur vergleichenden Werbung noch nicht abgelaufen war. Lasse sich Richtlinienkonformität mittels einfacher Auslegung im nationalen Recht herstellen, so sei der Richter jedenfalls nach deutschem Rechtsverständnis befugt, sein bisheriges Auslegungsergebnis zu korrigieren und den geänderten rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen Rechnung zu tragen. Die Vergabekammer ist daher verpflichtet, das aufgrund einer Überleitungsvorschrift anzuwendende Recht so anzuwenden, dass kein inhaltlicher Widerspruch zur nationalen Umsetzung der Richtlinie 2014/25/EU auftritt. Zur Erleichterung der Lesbarkeit setzt die Vergabekammer das ab 2016 geltende Recht gelegentlich in Klammern hinter die anzuwendende Vorschrift.

2. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Bei dem Antragsgegner und Auftraggeber handelt es sich um eine Gebietskörperschaft, nämlich das Land Niedersachsen (vgl. BGH Beschluss vom 20.03.2014, X ZB 18/13 Rdnr. 18; OLG Celle, Beschluss vom 08.11.2012 - 13 Verg 7/12; 10.06.2013, 13 Verg 6/13) vertreten durch eine Landesbehörde und damit um einen öffentlichen Auftraggeber gemäß § 98 Nr. 1 GWB (§ 99 Nr. 1 GWB 2016). Die Antragstellerin hat den Antragsgegner im Rubrum ihres Nachprüfungsantrags richtig bezeichnet.

Es handelt sich um einen öffentlichen Bauauftrag gemäß § 99 Abs. 3 GWB (§ 103 Abs. 3 GWB 2016), da der Antragsgegner in seiner Eigenschaft als öffentlicher Auftraggeber einen entgeltlichen Vertrag über Bauleistungen zu schließen beabsichtigt. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um einen Bauauftrag gemäß § 1 EG-VOB/A. Der hier streitbefangene Auftrag übersteigt ausweislich der eingegangenen Angebote den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gemäß § 100 Abs. 1 GWB (§ 106 GWB 2016) zunächst scheinbar nicht. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, welche die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt worden sind. § 2 Abs. 1 Satz 1 der VgV enthält eine dynamische Verweisung auf die europarechtlich festgelegten Schwellenwerte. Diese setzen in der delegierten Verordnung (EU) 2015/2170 der Kommission vom 24. November 2015 für Bauaufträge einen Schwellenwert von 5.225.000 € fest. Die Angebote liegen darunter. Allerdings ist die konkrete Baumaßnahme nur ein kleiner Teil der Errichtung von zwei Brückenbauwerken, welche wiederum zu einem Abschnitt eines Autobahnbaus gehören. Die Vergabekammer hat keinen Zweifel daran, dass das Gesamtprojekt des zu bauenden Autobahnabschnitts diese Summe deutlich übersteigt.

Der Antragsgegner hat sich nicht auf die Regelung des § 3 Abs. 7 Satz 5 VgV (§ 3 Abs. 9 VgV 2016) berufen, die Vergabekammer folglich eine solche Sondersituation nicht zu prüfen. Gliedert der Auftraggeber die Beschaffung in mehrere Lose so gilt die Vergabeverordnung nur dann für jedes einzelne Los, wenn der geschätzte Wert jedes Loses bei Bauleistungen über 1 Mio. € liegt. Unterschreiten einzelne Lose den Wert von 1 Mio. €, sind sie nur dann von der Anwendung der Vergabeverordnung befreit, wenn die Summe der Werte dieser Lose 20 % des Gesamtwertes aller Lose nicht übersteigt.

Die Antragstellerin ist gemäß § 107 Abs. 2 GWB (§ 160 Abs. 2 GWB 2016) antragsbefugt, da sie als Bieterin ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung eigener Rechte durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht. Sie trägt vor, die Angebote der Beigeladenen genügten nicht den Anforderungen des Leistungsverzeichnisses. Voraussetzung für die Antragsbefugnis ist gemäß § 107 Abs. 2 GWB, dass das den Nachprüfungsantrag stellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass die Antragstellerin diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Boesen, Vergaberecht, 1. Auflage, § 107, Rz. 52). Die Antragstellerin hat ein entsprechendes Rechtschutzbedürfnis dargelegt. Sie hat auch schlüssig dargelegt, dass sie als bei Ausschluss der Beigeladenen zu 1 und zu 2 formal Mindestbietende bei vergabekonformem Verhalten des Antragsgegners den Zuschlag auch tatsächlich erhalten hätte.

Ob sich diese dargestellte Rechtsverletzung bestätigt, ist keine Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit des Antrages (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27.07.2006, VII-Verg 23/06 Ziffer 1a).

Die Antragstellerin hat die im Nachprüfungsverfahren geltend gemachten Vergaberechtsverstöße rechtzeitig im Sinne des § 107 Abs. 3 GWB (§ 160 Abs. 3 GWB 2016) gerügt. Gemäß § 107 Abs. 3 Nr. 3 GWB ist der Nachprüfungsantrag unzulässig, soweit Verstöße gegen Vergabevorschriften, die in den Vergabeunterlagen erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung benannten Frist zur Angebotsabgabe gerügt werden. Die Antragstellerin hat ihre Rüge erst nach Ablauf der Angebotsabgabefrist erhoben. Eine Rügepräklusion gemäß § 107 Abs. 3 Nr. 3 GWB liegt dennoch nicht vor, da die Antragstellerin ihr Angebot ausschließlich nach dem wörtlichen Inhalt der Baubeschreibung und des Leistungsverzeichnisses erstellte, und sie daher nicht damit rechnen musste, dass der Antragsgegner abweichend von dem Inhalt der Vergabeunterlagen werten würde.

Gemäß § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB ist der Nachprüfungsantrag unzulässig, soweit der Antragsteller den gerügten Verstoß gegen Vergabevorschriften im Vergabeverfahren erkannt und gegenüber dem Auftraggeber nicht unverzüglich gerügt hat. Die Antragstellerin erhielt Kenntnis davon, dass der Antragsgegner beabsichtigte, die von ihr angebotene Innenrammung nicht als einzige Form der Gründung zuzulassen. Sie wies daher den Antragsgegner am 07.06.2016 daraufhin, dass ausschließlich innengerammte Ortbetonpfähle zulässig seien. Bei diesem Schreiben handelt es sich weder formal, noch inhaltlich um eine Rüge. Es fehlt der Hinweis auf den vergaberechtlichen Fehler verbunden mit der Bitte um Abhilfe. Das war allerdings auch nicht erforderlich, da ein möglicher Vergabefehler des Antragsgegners erst dann vorliegen kann, wenn der Antragsgegner sich abschließend entschieden hat, die Angebote in einer bestimmten Weise zu werten. Der Antragsgegner hat sich bis zur Information über seine Wertung im Schreiben vom 12.07.2016 noch nicht abschließend positioniert, sodass ein möglicher Vergabefehler hier noch nicht vorlag, sondern allenfalls in Zukunft entstehen könnte. Die Kenntnis der Antragstellerin von einer möglichen künftigen Wertung führte daher noch nicht zur Rügepflicht.

Die Antragstellerin wurde mit Schreiben vom 12.07.2016 durch Verwendung des Formblatts "HVA B-StB Information GWB I" darüber informiert, dass ihr Angebot nicht das wirtschaftlichste Angebot gewesen sei und der Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu 1 erteilt werden soll. Auf das Schreiben der Antragstellerin vom 07.06.2016 ging der Antragsgegner nicht ein. Obgleich es hier nicht entscheidungsrelevant ist, wirbt die Vergabekammer erneut gegenüber dem Antragsgegner für eine aussagekräftige Information unterlegener Bieter. Der Bieter, der die Gründe des Auftraggebers verstehen kann, beginnt nur selten ein Nachprüfungsverfahren.

Gegen die Auswahlentscheidung des Antragsgegners wandte sich die Antragstellerin mit der Rüge vom 14.07.2016. Über die Bedeutung des Begriffs "unverzüglich" bestand zur alten hier anzuwendenden Rechtslage aufgrund der Entscheidungen des EuGH vom 28.01.2010 Streit. Im Juli 2013 leitete die europäische Kommission ein informelles Vorverfahren gegen die Bundesrepublik ein, weil der Begriff "unverzüglich" unbestimmt sei, daher die Rechtsmittelrichtlinie und die Gebote der Transparenz, Rechtssicherheit und Nichtdiskriminierung verletze. Seitdem wendet die VK Niedersachsen in Abkehr von früherer strengerer Rechtsprechung (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 18.09.2003, Az.: 1 Verg 3/03) eine Rügefrist von 10 Tagen ab Kenntnis des Antragstellers vom geltend gemachten Verstoß gegen Vergabevorschriften an, wie sie jetzt in § 160 Abs. 3 Nr. 1 GWB 2016 enthalten ist (VK Niedersachsen, Beschluss vom 17.04.2014, VgK-09/2014). Da die Antragstellerin ihre Rüge binnen zehn Tagen nach Erhalt der Bieterinformation gemäß § 101a GWB (§ 134 GWB 2016) versandte, wahrte sie diese Frist, sodass keine Präklusion gemäß § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB vorliegt.

Die Antragstellerin hielt auch die Frist gemäß § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB ein, da sie unmittelbar nach Erhalt der Rügeantwort vom 19.07.2016 den Nachprüfungsantrag erhob.

3. Der Nachprüfungsantrag ist begründet. Der Antragsgegner hätte die Angebote der Beigeladenen zu 1 und Beigeladenen zu 2 wegen Verstoß gegen § 16 EG Abs. 1 Nr. 1 b) i.V. m. § 13 EG Abs. 1 Nr. 5 VOB/A (§ 16 EU Nr. 2 VOB/A i.V.m. § 13 EU Abs. 1 Nr. 5 VOB/A) von der Wertung ausschließen müssen, weil sie den eindeutigen Vorgaben des Leistungsverzeichnisses widersprachen. Er hat durch die fehlerhafte Wertung die Antragstellerin in ihren Rechten aus § 97 Abs. 1, Abs. 7 GWB verletzt.

Der Antragsgegner hat unter vollständiger Beachtung des § 7 EG VOB/A (§ 7 EU VOB/A) im Leistungsverzeichnis an den unter I. benannten Stellen verbindlich vorgegeben, dass der Ortbetonrammpfahl innengerammt erstellt werden solle. Ebenso hat er in der Vergabedokumentation ausgeführt, sich aufgrund der örtlichen Gegebenheiten für eine innengerammte Ortbeton-Rammpfahlgründung entschieden zu haben. Die Leistungsbeschreibung ist daher eindeutig und erschöpfend. Nach § 7 EG Abs. 1 Nr. 1 VOB/A bezweckt das Gebot der eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung, die Vorstellungen des Auftraggebers von der gewünschten Leistung in Bezug auf technische Merkmale oder Funktionen, Menge und Qualität für den Bieter so deutlich werden zu lassen, dass dieser Gegenstand, Art und Umfang der Leistung zweifelsfrei erkennen kann. Eine Leistungsbeschreibung ist dann eindeutig und erschöpfend, wenn keine unterschiedlichen Auslegungsmöglichkeiten in Betracht kommen, die den Bieter im Unklaren lassen, welche Leistungen von ihm in welcher Form und unter welchen Bedingungen angeboten werden sollen (VK Sachsen, 03.05.2016 - 1/SVK/005-16). Dabei ist auf einen verständigen und sachkundigen, mit den Beschaffungsleistungen vertrauten Bieter abzustellen (OLG Schleswig, Beschluss vom 30.04.2015 - 1 Verg 7/14; VK Bund, Beschluss vom 01.02.2016 - VK 1-122/15, noch nicht bestandskräftig). Die Vorgabe einen innengerammten Ortbeton-Rammpfahl herzustellen lässt für den sachkundigen Bieter keine Interpretation zu. Der Antragsgegner hat völlig zu Recht in allen Vergabeunterlagen auf die Nennung eines bestimmten Unternehmens verzichtet und nur das technische Verfahren beschrieben. Eine Differenzierung zwischen Innenrammung (Vergabeunterlagen) und Innenrohrrammung (Empfehlung Arbeitskreis = EA Pfähle) ist fachlich unbekannt. Beide Begriffe meinen dasselbe. Eine Innenrammung ohne Rohr ist technisch nicht durchführbar.

Es ist dem Antragsgegner nicht möglich, sich nach Eingang der Angebote von dem objektiven Inhalt dieser klaren Aussagen zu distanzieren.

Es stellt eine nach § 13 EG Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 VOB/A unzulässige Änderung der Vergabeunterlagen dar, wenn das Angebot eines Bieters eine Vorgabe des Leistungsverzeichnisses nicht einhält. Solche Angebote können allenfalls als Nebenangebot gewertet werden (OLG Celle, Beschluss vom 19.02.2015, 13 Verg 12/14).

Die Entscheidung der Vergabekammer des Jahres 2007 (Beschluss vom 29.05.2007, VgK-19/2007) kann der Antragsgegner für die Auslegung des hier relevanten Sachverhalts nicht heranziehen. Beschlüsse der Vergabekammern sind nicht Gegenstand der Vergabeunterlagen, daher dem Bieter regelmäßig nicht zugänglich. Es ist daher nicht möglich, dass der Autor der Baubeschreibung oder des Leistungsverzeichnisses eine darin enthaltene Aussage unter Rückgriff auf eine dem durchschnittlichen sachkundigen Bieter nicht bekannte Einzelfallentscheidung entgegen dem ausdrücklichen Wortlaut verstanden wissen will.

Der vorliegende Fall ist weder mit der im Jahre 2007 von der VK Niedersachsen entschiedenen Sachlage, noch mit dem im Jahr 2012 vom OLG Bremen (Beschluss vom 20.04.2012, Verg 3/09) entschiedenen Fall vergleichbar. In beiden vorentschiedenen Fällen waren Nebenangebote zugelassen (§ 8 EU Abs. 2 Nr. 3 VOB/A), hier jedoch nicht.

In dem von der VK Niedersachsen entschiedenen Fall enthielt die Baubeschreibung keine Aussage zur Art der Rammung. Die fehlende Aussage in der Baubeschreibung konnte allerdings durch einen Verweis auf einen Bauwerksplan und eine Anlage zur Baubeschreibung konkretisiert werden. Der Bauwerksplan enthielt die Vorgabe innengerammter Ortbetonpfähle, im Gutachten wurde das mit Vorgaben zur Bildung eines Pfahlfußes begründet, so dass diese Vorgaben sowohl durch ein vollständig innengerammtes Verfahren, als auch durch ein im wesentlichen kopfgerammtes Verfahren mit späterer Innenrammung des Pfahlfußes erfüllt werden konnten. Das hat zu dem Satz geführt, dass die Herstellung eines ausgerammten Pfahlfußes in der Literatur ebenfalls als Innenrammung bezeichnet werde. Das abgegebene Nebenangebot war daher nach damaliger Lage der Rechtsprechung gleichwertig, bei heutiger Rechtsprechung hätte man es auch mangels Abweichung von der Baubeschreibung und des Leistungsverzeichnisses als weiteres Hauptangebot ansehen können (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21.10.2015-Verg 28/14; ursprünglich OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23.03.2010, VII - Verg 61 / 09; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 02.11.2011 - Verg 22/11, nachfolgend BGH, 23.01.2013 - X ZB 8/11).

Die nach mehreren Überarbeitungen heute gültige DIN EN 12699 hat weder die Auffassung der von der VK Niedersachsen benannten Literatur, noch die Interpretation der VK Niedersachsen übernommen. Sie enthält unter Ziffer 8.5 "zeitweilig verrohrte Pfähle" Ausführungen zur Herstellung von Ortbetonpfählen. In Ziffer 8.5.2.3 werden für den Fall der Innenrammung verschiedene zulässige Pfropfen benannt. Eine Differenzierung in "vollständig innengerammt" und "im Wesentlichen kopfgerammt, beim aufgeweiteten Pfahlfuß aber innengerammt" fehlt. Ziffer 8.5.2.5.1 stellt zulässige Verfahren für die Herstellung eines aufgeweiteten Pfahlfußes dar, ohne sich zur Art der Rammung zu äußern. Da die DIN EN 12699 die Art der Rammung nicht beschreibt, kann der Begriff der Innenrammung für einen sachkundigen Bieter objektiv nicht einschränkend auf den aufgeweiteten Pfahlfuß beschränkt werden.

Eine allgemeine Aussage in einem Leistungsverzeichnis kann im Rahmen der Gleichwertigkeitsprüfung zugelassener Nebenangebote durch weitere Mindestvoraussetzungen in den Anlagen zum Leistungsverzeichnis oder zur Baubeschreibung konkretisiert werden. Das war in jenem Fall der Vergabekammer Niedersachsen der Fall, nicht aber hier, weil der Antragsgegner keine Nebenangebote zugelassen hat.

In dem vom OLG Bremen entschiedenen Fall hatte der Auftraggeber eine Innenrammung vorgegeben. Das zugelassene Nebenangebot der Beigeladenen war nach sachverständiger Einschätzung nur hinsichtlich des Pfahlfußes gleichwertig, nicht hinsichtlich der Lärm- und Vibrationsemissionen in der Bauphase, so dass der Auftraggeber das Nebenangebot hätte ausschließen müssen. Auch in diesem Fall ging es also um die eingeräumte Befugnis, gleichwertige Nebenangebote vorzulegen.

Daran fehlt es hier. Es ist daher zwar folgerichtig, aber rechtsirrig, wenn die Beigeladene zu 1 darauf abstellt, das von ihr angebotene Verfahren sei "mindestens gleichwertig" zu dem von der Antragstellerin angebotenen Verfahren.

Der Auftraggeber, der ursprünglich Nebenangebote ausschließen wollte, kann sich auch nachträglich dazu entschließen, Nebenangebote zuzulassen. Er muss dies allerdings transparent allen Bietern vor Ablauf der Frist zur Angebotsabgabe in Form einer geänderten Bekanntmachung (VK Bund, Beschluss vom 17.09.2014-VK 1-72/14) mitteilen, in den geänderten Vergabeunterlagen die qualitativen Anforderungen an Nebenangebote benennen, die zur Gleichwertigkeitsprüfung erforderlich sind, und gegebenenfalls im Rahmen der Transparenzherstellung die Frist zur Angebotsabgabe verlängern, damit die Bieter ausreichend Zeit haben, ihr Angebot auf die geänderten Voraussetzungen umzustellen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.01.2015-Verg 31/14; VK Niedersachsen, Beschluss vom 07.10.2015-VgK -31/2015). An all dem fehlt es hier.

Hier bemühen sich Beigeladene zu 1 und Antragsgegner darum, eine konkrete Aussage des Leistungsverzeichnisses zu relativieren.

Die Beigeladene zu 1 verwischt die Unterschiede der Rammarten. Da aber Pfahlfuß und Pfahlschaft in verschiedenen Leistungsziffern zu kalkulieren sind, kann die verbindliche Vorgabe der Innenrammung eindeutig dem Pfahlschaft zugeordnet werden. Ein kopfgerammter Schaft wird auch bei innengerammtem Fuß nicht zu einem innengerammten Schaft.

Abwegig ist die Darstellung der Beigeladenen zu 1, die wenigen Richtschläge beim Einsetzen des Schaftes in das vorgebohrte Loch würden aus einem im Wege der Innenrammung in eine Tiefe von 12 Meter versenkten Schaft einen kopfgerammten Pfahl machen.

Die Vergabekammer ist eine gemäß § 105 Abs. 2 GWB (§ 157 Abs. 2 GWB 2016) mit gerichtsähnlicher Unabhängigkeit versehene, vor allem aber bewusst interdisziplinär zusammengesetzte Entscheidungsbehörde, deren Beisitzer gründliche Kenntnisse des Vergabewesens, deren ehrenamtlichen Beisitzer auch über mehrjährige praktische Erfahrung auf dem Gebiet des Vergabewesens verfügen. Zudem werden die ehrenamtlichen Beisitzer einzelfallbezogen ausgewählt, um besondere Fachkenntnisse in der Entscheidung des konkreten Falles nutzen zu können. Das führt dazu, dass die Vergabekammer bestimmte Sachverhalte auch ohne Sachverständigengutachten (vgl. OLG Celle Beschluss vom 17.12.2015, 13 Verg 7/15, Ziffer 1 e.) mit zumindest hinreichender Sachkunde und innerhalb der gesetzlich vorgegebenen Frist gemäß § 113 GWB (§ 167 GWB 2016) abschließend bewerten und entscheiden kann.

Der Antragsgegner verweist auf angeblich fehlende Aussagen in den Anlagen zur Baubeschreibung. Er zieht die Schlussfolgerung, weil die Vorgaben des Leistungsverzeichnisses nicht in anderen Teilen der Vergabeunterlagen wiederholt werden, könne er nun Angebote werten, die vom objektiv erkennbaren Inhalt des Leistungsverzeichnisses abweichen.

Jedes Angebot, das die klaren Anforderungen der Leistungsbeschreibung nicht genau erfüllt, muss der Antragsgegner ohne eigenes Ermessen gemäß § 16 EG Abs. 1 Nr. 1 b) i.V. m. § 13 EG Abs. 1 Nr. 5 VOB/A wegen einer Änderung der Vergabeunterlagen ausschließen (VK Nordbayern, Beschluss vom 10.03.2016-21.VK-3194-03/16). Nach dieser Vorschrift sind Angebote auszuschließen, die den Bestimmungen des § 13 EG Abs. 1 Nr. 1, 2 und 5 VOB/A nicht entsprechen. In § 13 Abs. 1 Nr. 5 VOB/A ist ausgeführt, dass Änderungen an den Vergabeunterlagen unzulässig sind. Das ist dem Antragsgegner auch sehr genau bekannt, weil er sich erst kürzlich in einem anderen Verfahren auf diese Position zurückgezogen hat (vgl. OLG Celle Beschluss vom 17.12.2015, 13 Verg 7/15). Der Grundsatz gilt auch dann, wenn es ein anderes Verfahren gibt, das technisch gleichwertige oder sogar bessere Ergebnisse erzielt.

Der Antragsgegner kann sich auch nicht auf die obige Entscheidung der VK Niedersachsen berufen, weil in dem hier zu entscheidenden Fall Nebenangebote nicht zugelassen sind, eine Gleichwertigkeitsprüfung daher nicht stattfinden darf.

Es gehört zu den typischen Nachteilen der nebenangebotsfreien deskriptiven Leistungsbeschreibung, dass sie die Sachkenntnis der Bieter nicht nutzt. Gleichwohl gibt es gute Gründe für ein solches Verfahren, weil die Nichtzulassung von Nebenangeboten den Auftraggeber vor langfristig vielleicht qualitätsmindernder Kreativität der Bieter in Form von potentiellen Abmagerungsangeboten schützt. Diese Sicherheit bindet den öffentlichen Auftraggeber allerdings strikt an seine Vorgaben, auch wenn ein anderes Angebot qualitativ gleichwertig und unter der Annahme, es ließen sich Nachträge vermeiden, zugleich preiswerter ist.

Von den Vergabeunterlagen gibt die Baubeschreibung dem sachkundigen Bieter Aufschluss darüber, was in welcher Form gebaut werden soll. Das Leistungsverzeichnis konkretisiert die in der Baubeschreibung enthaltenen Aussagen so genau, dass der Bieter zu jeder Ziffer des Leistungsverzeichnisses bestimmte Arbeiten zuordnen kann, die er unter dieser Ziffer abrechnen muss, damit die Angebote nach gleichen Kriterien gewertet werden können (BGH, Beschluss vom. 18.05.2004, XZB 7/04 = BGHZ 159, 166 ff). Weitere Vergabeunterlagen wie die Baugrundgutachten geben technische Erläuterungen zu den in den Ziffern des Leistungsverzeichnisses zu bepreisenden Arbeiten. Es gibt somit eine konkretisierende Hierarchie in den Vergabeunterlagen. Der Auftraggeber kann zwar in weiteren nachgeordneten Vergabeunterlagen allgemeine Aussagen der Baubeschreibung konkretisieren oder erläutern, er darf aber nicht in nachgeordneten Vergabeunterlagen eindeutige und konkrete Aussagen zum Beispiel der Baubeschreibung oder des Leistungsverzeichnisses relativieren. Durch solche nachträgliche Interpretationsversuche würde die Leistungsbeschreibung an Klarheit und Eindeutigkeit verlieren.

Es ist unerheblich, dass die Vorgabe der Innenrammung nicht in der Baubeschreibung auftaucht. Dies wäre erst dann erforderlich, wenn diese Vorgabe für das Verständnis der auszuführenden Baumaßnahme wesentlich wäre. Der Antragsgegner hat aber in der mündlichen Verhandlung zu Recht darauf hingewiesen, dass das Ergebnis bei beiden Rammarten gleich sei. Auch die Vergabekammer teilt die Auffassung, dass mit beiden Rammarten sowohl die geforderte Zugbelastung, als auch die geforderte Druckbelastung erreichbar sind. In der Baubeschreibung kann sich der Antragsgegner darauf beschränken darzustellen, was er errichten will. Er muss nicht darstellen, wie er es errichten lassen will.

Unerheblich ist auch, dass die Forderung der Innenrammung an weiteren Stellen des Leistungsverzeichnisses nicht erneut erhoben oder bezogen auf die konkrete Leistungsposition wiederholt worden ist. Eine Anforderung des Leistungsverzeichnisses ist bereits dann eindeutig und erschöpfend, wenn sie einmal aufgestellt worden ist, ohne dass es der stetigen Wiederholung bedarf.

Ebenso ist unerheblich, dass die Anforderung nicht baufachlich begründet oder durch technische Erläuterungen und Grenzwerte konkretisiert worden ist. Der Bieter hat zu liefern, was der Auftraggeber fordert. Eine Diskussion über den Leistungsinhalt findet jedenfalls dann nicht statt, wenn der Auftraggeber und Antragsgegner Nebenangebote ausdrücklich ausschließt, kein Verstoß gegen das Gebot der produktneutralen Vergabe vorliegt und die im Leistungsverzeichnis gewünschte Form der Ausführung nicht erkennbar zu mangelbehafteten Bauwerken führen wird.

Entgegen der Darstellung des Antragsgegners in der mündlichen Verhandlung kommt die Vergabekammer zu der Auffassung, dass ein innengerammter Pfahl bauartbedingt und typischerweise deutlich weniger Lärmemissionen und Vibrationen verursacht, als ein kopfgerammter Pfahl. Beim innengerammten Pfahl richtet sich der Schlag unmittelbar über den vom Stahlrohr ummantelten Pfropfen in das Erdreich. Beim kopfgerammten Verfahren muss zusätzlich jedes Mal die Masse des Stahlrohres in Bewegung versetzt werden. Die erforderliche Energie ist daher höher. Beim innengerammte Verfahren befindet sich die Quelle des Lärms und der Vibration immer unter der Erde am Pfahlfuß. Von dort breitet sie sich in alle Richtungen aus, wird durch das Erdreich vergleichsweise stark gedämmt, gelangt daher nur teilweise an die Erdoberfläche. Beim kopfgerammten Pfahl ist die Quelle der Schläge immer oberirdisch und versetzt zudem den noch oberhalb des Erdbodens verbliebenen Pfahlschaft in Schwingungen, was ungedämmten Lärm erzeugt.

Der Vergabekammer ist bekannt, dass die bei der Pfahlgründung zu erwartenden Lärmemissionen maßgeblich von der Art des Untergrundes abhängen, daher nicht vorab berechenbar sind. Deshalb ist es kein handwerklicher Fehler, dass der Antragsgegner nicht vorab Lärm-Emissionsgrenzwerte festgelegt hat, sondern nur in der Baubeschreibung Ziffer 1.4 den Vorbehalt erklärt, im Bauablauf aufgrund des Erschütterungsmonitorings Anordnungen zu treffen. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Antragsgegner solche Anordnungen treffen muss, steigt, wenn er ein eher emissionsintensives Verfahren anwendet. Solche Anordnungen sind nachtragspflichtig, erhöhen daher die Kosten und sind auch geeignet, den vom Antragsgegner gesehenen Kostenvorteil der Angebote der Beigeladenen zu 1 und zu 2 aufzuzehren.

Ausweislich der ausdrücklichen Bestätigung des Gewollten in der Vergabedokumentation handelt es sich bei der Anforderung im Leistungsverzeichnis auch nicht um einen Erklärungsirrtum, indem etwa ein Textbaustein dieses Inhalts unbeabsichtigt in das Leistungsverzeichnis gelangt ist.

Es mag sein, dass der Antragsgegner auf der Ausführungsebene des Planfeststellungsbeschlusses eine solche aus dem Planfeststellungsbeschluss abgeleitete Anforderung nicht für erforderlich hält.

Die Vergabekammer hat nicht zu prüfen, ob es einen sachlichen Grund gibt, in der Bauausführung erhöhte Anforderungen an die Lärmemissionen zu stellen. Die Gründe für diese Anforderungen des Leistungsverzeichnisses sind weder für den Bieter noch für die Vergabekammer relevant, solange die Anforderungen eindeutig und erschöpfend sind.

Die Vergabeunterlagen legen nahe, dass der Antragsgegner bei der Erstellung des Leistungsverzeichnisses Gründe für emissionssenkende Vorkehrungen sah. Er will ausweislich der beigefügten Bauwerkspläne zwischen den Bauwerken xxxxxx und xxxxxx in unmittelbarer Nähe der Baustelle später beidseitig Lärmschutzwände aufstellen. Er hat in den Aufklärungsgesprächen mit den Beigeladenen die Lärmreduzierung beim kopfgerammten Verfahren angesprochen. Dies spricht für ein planfestgestelltes schutzbedürftiges Interesse an einer Lärmvorsorge. Es ist unerheblich, ob der Lärmschutzwall den bei der Darstellung des Erschütterungsmonitorings genannten Menschen oder wie der Antragsgegner in der mündlichen Verhandlung ausführte "nur" dem Schutz der Natur dient.

Ebenso hat der Antragsgegner unter Ziffer 00.02.0004 des Leistungsverzeichnisses das im weichen nicht tragfähigen Untergrund bautechnisch eigentlich nicht erforderliche Vorbohren der Gründungspfähle verlangt. Gründungspfähle werden eigentlich nach DIN EN 12669 Ziffer 8.5.1.2 je nach Bodenbeschaffenheit als sogenannte Vollverdrängungspfähle mit dem Freifall- oder Vibrationsbär in den Untergrund gerammt oder gerüttelt. Einbringhilfen, zu denen das Vorbohren gehört, sind nur unter den Voraussetzungen von Ziffer 7.6 erforderlich. Zur Begründung der Vorgabe des Vorbohrens führt der Antragsgegner aus, Erschütterungen vermindern zu wollen. Außerdem hat er in der Baubeschreibung dargestellt, dass er beabsichtigt, ein Erschütterungsmonitoring durchzuführen, weil nördlich und südlich des Baufelds schützenswerte Wohngebäude gelegen seien. Das mag der der Schadensbeseitigung vorgelagerten Schadensvorsorge dienen. Dennoch spricht dies dafür, dass es zumindest mögliche Betroffene von Erdvibrationen geben kann.

Dagegen ist die von der Antragstellerin hervorgehobene Zugbelastung der innengerammten Säulen für die Vergabekammer nicht aussagekräftig. Die EA Pfähle führt unter Ziffer 2.2.3.2 Ortbetonrammpfahl mit Kopframmung (z.B. xxxxxx), Absatz 5 für einen kopfgerammten Ortbeton Verdrängungspfahl ohne Fuß aus: "Die charakteristischen Pfahlwiderstände im Gebrauchszustand liegen, je nach Untergrundverhältnisses und Durchmesser, in einer Größenordnung zwischen etwa 0,5 MN und 2,5 MN."

Jeweils im "Teil A: Baugrundbeurteilung" vom 16.03. und 20.03.2009 unter Ziffer 6.2, 4. Absatz der Vergabeunterlagen geht der Antragsgegner von einem charakteristischen Widerstand bei einem Durchmesser des Vortreibrohres von rund 4.400 kN aus. Der Vergabekammer ist durchaus bewusst, dass ein direkter Vergleich eines Regelwerks mit einem konkreten Anwendungsfall ohne rechnerische Ableitung nicht seriös möglich ist, da die Bodenverhältnisse und die Abmessungen des Pfahl-Fußes eine wesentliche Rolle spielen. Es bestehen aber wegen des identischen Ergebnisses der verschiedenen Produktionsverfahren keine fachlichen Zweifel daran, dass auch das von der Beigeladenen zu 1 angebotene System abhängig von den konkreten Bodenverhältnissen sowohl die Tragfähigkeit bis zu 4000 KN Druck, als auch die Festigkeit von bis zu 800 KN Zug erreichen kann.

Dies ist hier aber nur unter der hypothetischen Annahme relevant, dass der Antragsgegner für die Art der Ausführung Nebenangebote zugelassen hätte.

Um einen Gegenbeweis zu führen hätte die Antragstellerin unter Bezug auf konkrete DIN-Werte vortragen müssen, wie gering die bei bestimmten typischen Bodenverhältnissen von kopfgerammten Ortbetonverdrängungspfählen erreichbare Zugbelastung ist.

Der Antragsgegner trägt widersprüchlich vor, wenn er einerseits darstellt, die Vorgabe eines bestimmten Rammverfahrens habe wirtschaftliche und bautechnische Auswirkungen, andererseits wohl zu Recht darauf hinweist, der Preisunterschied zwischen dem Angebot der Antragstellerin und dem Angebot der Beigeladenen zu 1 resultiere nicht aus dem angewandten Rammverfahren, sondern aus anderen Positionen.

In der Vorgabe, innengerammte Ortbetonpfähle herzustellen ist auch kein Verstoß gegen § 7 EG Abs. 8 VOB/A (§ 7 EU Abs. 2 VOB/A) zu erkennen. Das von der Antragstellerin angebotene System ist etwa 100 Jahre alt, unterliegt unstreitig keinem Marken-, Patent- oder Typenschutz, kann daher von jedem Unternehmen angeboten werden, das sich dazu entscheidet, dieses Verfahren anzuwenden. Es gibt daher wettbewerblich keine Notwendigkeit, die Beschränkung auf ein System sachlich zu begründen. Eine wettbewerbliche Beschränkung liegt erst dann vor, wenn ein anderer Anbieter rechtlich oder tatsächlich nicht in der Lage ist, ein bestimmtes System anzubieten, nicht bereits dann, wenn die Wettbewerber freiwillig davon abgesehen haben, ein bestimmtes Verfahren in ihr Tätigkeitsprofil aufzunehmen.

Der Antragsgegner hat im nachgelassenen Schriftsatz nach der mündlichen Verhandlung vorgetragen, ein Nachunternehmer habe eine Monopolstellung, weil auch die EA Pfähle unter Ziffer 2.2.3.1 den Ortbeton-Rammpfahl mit Innenrohrrahmung mit dem Namen des Nachunternehmers gleichsetzt. Wie oben dargestellt ist dies rechtlich nicht zutreffend. Es dürfte sich um eine unkritische Übernahme eines marktprägenden Verfahrensbegriffs handeln, wie er in § 7 EG Abs. 8 Satz 2 VOB/A (unverändert § 7 EU Abs. 2 Satz 2 VOB/A) auch in der Leistungsbeschreibung immer noch zugelassen ist (vgl. OLG Düsseldorf, 09.01.2013 - Verg 33/12), obwohl die Vergabekammer große Zweifel daran hat, das etwas vom Menschen Geschaffenes nicht beschreibbar sein soll.

Es gibt nicht ein Unternehmen, das Innenrammungen anbietet, sondern mindestens drei, von denen aber zwei das Verfahren etwas modifiziert haben. Die Beigeladene zu 1 hat zu Recht darauf hingewiesen, dass der Nachunternehmermarkt sehr eng ist, weil innengerammte Ortbetonpfähle faktisch nur von sehr wenigen Unternehmen eingebaut werden. Daher beabsichtigten alle Bieter hinsichtlich der Gründungsleistungen Nachunternehmer einzusetzen. Es ist zu erwarten dass sich alle Hauptanbieter bei korrekter Interpretation des Leistungsverzeichnisses bei demselben Nachunternehmer um Übernahme der Arbeiten beworben haben werden. Dieser könnte durch unterschiedliche Preise für seine Nachunternehmerleistung bei ansonsten eng beieinander liegenden Angeboten faktisch anstelle des Auftraggebers über die Vergabe des Auftrags entscheiden.

Solche Oligopole oder Monopole auf der 2. Wettbewerbsebene können wettbewerbsentscheidend sein. Es besteht wie die Beigeladene zu 1 völlig zu Recht ausgeführt hat, die konkrete Gefahr der Wettbewerbsmanipulation. Der Vergabekammer sind vergleichbare Missstände durchaus bekannt (VK Niedersachsen, Beschluss vom 12.08.2010, VgK-32/2010, Abfallentsorgung durch Nachunternehmer-Pferdefuhrwerk auf Insel; nachfolgend OLG Celle, Beschluss vom 02.12.2010, 13 Verg 12/10 Ziffer 2d.). Solche Konstruktionen werden jedoch vom Vergaberecht regelmäßig nicht erfasst. Das OLG Celle hat seine Entscheidung bei ansonsten deutlicher Aussage nicht auf diesen Sachverhalt gestützt. Das OLG München (Beschluss vom 05.11.2009 - Verg 15/09, Hersteller des ausgeschriebenen Produkts beliefert je Region nur ein Unternehmen) hat sich nur zur Zulässigkeit der produktspezifischen Vergabe geäußert. Die VK Niedersachsen (VK Niedersachsen, Beschluss vom 23.01.2015 - VgK-47/14) hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem noch kein Wettbewerbseingriff vorlag.

Meist werden Oligopole der zweiten Ebene den Wettbewerb nicht beeinflussen, da die Leistungen eines Nachunternehmers nur auf kleine Teilbereiche des Gesamtangebots beschränkt sind, daher den Gesamtpreis nicht prägen (anders im Fall OLG München, Beschluss vom 05.11.2009 - Verg 15/09). Da Wettbewerb primär auf Bieterseite stattzufinden hat, wäre es zuerst Aufgabe der Beigeladenen, ein marktrelevantes Verfahren in den Katalog der angebotenen Anwendungen aufzunehmen.

Soweit dann noch Handlungsbedarf besteht, Angebotsoligopole oder -monopole der zweiten Ebene mit den Mitteln des Vergaberechtes und nicht mit den Mitteln des Kartellrechts zu lösen, muss sich der Auftraggeber den Unwägbarkeiten öffnen, die mit der Zulassung von Nebenangeboten verbunden sind. Das wäre aber dann von den Beigeladenen vor Angebotsabgabe zu rügen gewesen.

4. Gemäß § 114 Abs. 1 GWB (§ 168 GWB 2016) hat die Vergabekammer die geeigneten Maßnahmen zu treffen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und die Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Diese Vorschrift vermittelt der Vergabekammer einen weiten Entscheidungsspielraum, der nur im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes Schranken findet. Die Vergabekammer ist an Anträge nicht gebunden und kann auch unabhängig davon auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens einwirken (§ 114 Abs. 1 Satz 2 GWB). Die gewählte Maßnahme muss sich eignen, die Rechtsverletzung sicher zu beseitigen. Sie soll gleichzeitig das mildeste der geeigneten Mittel hierfür sein.

Hier hat die Vergabekammer Wertungsfehler festgestellt. Eine Verpflichtung, die Wertung der Angebote unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen, ist daher geeignet, die Verletzung der Rechte der Antragstellerin zu heilen. Diese Möglichkeit der Fehlerkorrektur ist das Mittel mit der geringsten Eingriffstiefe, um gegenüber der Antragstellerin eingetretenen Rechtsverletzungen sicher zu beseitigen. Sie ist auch nicht unverhältnismäßig.

Eine weitere Zurückversetzung mag der Antragsgegner von sich aus unter Abwägung der erhofften wirtschaftlichen Vorteile und der aus der Zurückversetzung folgenden erhöhten Aufwendungen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.01.2015 - Verg 29/14) in Betracht ziehen (vgl. auch VK Niedersachsen, Beschluss vom 09.10.2015, VgK-39/2015). Er kann somit Nebenangebote zulassen, damit das von der Beigeladenen zu 1 befürchtete Monopol eines Nachunternehmers beseitigen. Eine solche Maßnahme ist jedoch aus wettbewerblicher Sicht nicht erforderlich, daher von der Vergabekammer nicht zu verfügen.

Wegen der Möglichkeit der weiteren Zurückversetzung oder der Aufhebung dieses Vergabeverfahrens bei zugleich fortbestehender Vergabeabsicht, sowie wegen des Verbots eines Kontrahierungszwanges (BGH, Beschluss vom 20.03.2014, X ZB 18 / 13 Rn.20) sieht die Vergabekammer keinen Anspruch der Antragstellerin, auf ihr Angebot unmittelbar den Zuschlag zu erteilen (so vormals unter dem Vorbehalt, aufgrund der streitgegenständlichen Ausschreibung den Auftrag vergeben zu wollen OLG Celle, Beschluss vom 10.01.2008, 13 Verg 11 / 07). Es ist allerdings richtig, dass der Antragsgegner ohne weitere Zurückversetzung des Vergabeverfahrens und ohne Änderung der Vergabeunterlagen die Angebote der Beigeladenen zu 1 und Beigeladenen zu 2 wird ausschließen müssen, sodass das Angebot der Antragstellerin das preislich niedrigste in der Wertung verbleibende Angebot sein wird und deutlich erhöhte Chancen auf den Zuschlag hat.

III. Kosten

Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB (§ 182 GWB 2016) in der seit dem 26.06.2013 geltenden Fassung.

Die in Ziffer 2 des Tenors festgesetzte Gebühr ergibt sich aus einer Interpolation des Auftragswertes innerhalb des Gebührenrahmens gemäß § 128 Abs. 2 GWB (§ 182 Abs. 2 GWB 2016). Die von der Vergabekammer festzusetzende regelmäßige Mindestgebühr beträgt 2.500 €, die Höchstgebühr 50.000 € und die Höchstgebühr in Ausnahmefällen 100.000 €.

Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes in der zzt. gültigen Fassung vom Dezember 2009. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 € eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 € zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000 € eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. € (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996 - 1998) gegenübergestellt. Dazwischen wird interpoliert.

Die Antragstellerin hat ein Angebot über xxxxxx € brutto abgegeben. Dieser Betrag entspricht dem mutmaßlichen Interesse der Antragstellerin am Auftrag.

Bei einer Vergabesumme von xxxxxx € brutto ergibt sich eine Gebühr in Höhe von xxxxxx €. Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten oder Kosten durch Zeugenvernehmungen in der mündlichen Verhandlung sind nicht angefallen.

Die in Ziffer 3 des Tenors verfügte Kostenlast folgt aus § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB (§ 182 Abs. 3 Satz 1 GWB 2016). Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Nachprüfungsverfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Die Vergabekammer konnte den Hauptantrag der Antragstellerin nicht positiv entscheiden, da dem Antragsgegner immer ein eigener Beurteilungsspielraum in der Wertung zusteht, in den die Vergabekammer nicht eingreifen darf (vgl. VK Niedersachsen, Beschluss vom 08.11.2013, VgK-34/2013). Die Gründe sind unter II. Ziffer 4 des Beschlusses wiedergegeben. Die Erfolgsaussichten eines unmittelbar auf den Zuschlag gerichteten Nachprüfungsverfahrens sind auch bei eindeutiger Rechtslage sehr schlecht, weil die Vergabekammer keinen Kontrahierungszwang ausüben darf, auch nicht unter Vorbehalt.

Die Antragstellerin hat ihr Anliegen mit dem Hilfsantrag zu Ziffer 3 auf eine neue Wertung vollständig durchgesetzt. Für die Beurteilung des Unterliegens ist nicht schematisch auf die im Verfahren gestellten Anträge abzustellen. Da die Vergabekammer gemäß § 114 Abs. 1 Satz 2 GWB nicht an Anträge gebunden ist und unabhängig davon auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens einwirken kann, haben die Anträge im Nachprüfungsverfahren nicht die Funktion, den Streitgegenstand oder den Umfang des Nachprüfungsverfahrens exakt mitzubestimmen. Es ist daher für die Beurteilung des Obsiegens darauf abzustellen, ob die Beteiligten das mit ihrem jeweiligen Antrag verfolgte Verfahrensziel materiell erreicht haben (vgl. Brauer in: Kulartz/Kus/Portz, Kommentar zum GWB Vergaberecht, 3. Aufl., § 128, Rn. 16; ebenso Thiele in: Kulartz/Kus/Portz/Prieß, Kommentar zum GWB Vergaberecht, 4. Aufl. § 182, Rn. 16; Hardraht/Schulz in: Willenbruch/Wieddekind, Vergaberecht Kompaktkommentar, 3. Aufl., 15. Los, § 128 GWB, Rn. 23). Hier kommt die Vergabekammer dem im Hilfsantrag genannten Verfahrensziel der Antragstellerin materiell in vollem Umfang nach. Daher sieht die Vergabekammer keine Veranlassung, den Nachprüfungsantrag teilweise zurückzuweisen. Folglich haben der Antragsgegner und die Beigeladene zu 1 die Gebühr der Vergabekammer in vollem Umfang zu zahlen.

Der Antragsgegner ist grundsätzlich von der Pflicht zur Entrichtung seines Kostenanteils gemäß § 128 Abs. 1 Satz 2 GWB i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 3 BVerwKostG befreit (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 13.07.2005, Az.: 13 Verg 9/05; OLG Dresden, Beschluss vom 25. 01. 2005, Az.: WVerg 0014/04). Zwar ist das BVerwKostG mit Wirkung vom 15.08.2013 aufgehoben worden, jedoch ist es aufgrund der starren Verweisung aus § 128 Abs. 1 Satz 2 GWB (§ 182 Abs. 1 Satz 2 GWB 2016) auf das BVerwKostG in der Fassung vom 14.08.2013 hier weiter anzuwenden. Inhaltlich entspricht die dortige Regelung § 8 BGebG. Damit sich diese persönliche Kostenbefreiung nicht zu Lasten der Beigeladenen zu 1 auswirkt verzichtet die Vergabekammer auf die ansonsten übliche gesamtschuldnerische Haftung der Kostenschuldner.

Es entspricht der Billigkeit, der Beigeladenen zu 1 die Aufwendungen der Antragstellerin aufzuerlegen, da sie sich aktiv mit dem auch ausdrücklich beantragten Ziel einer Zurückweisung des Nachprüfungsantrags an dem Verfahren beteiligt hat. Dagegen sind der Beigeladenen zu 2, die das Verfahren nur passiv begleitet hat und auch nicht für den Zuschlag vorgesehen war, keine Kosten aufzuerlegen.

Gemäß Ziffer 4 des Tenors haben der Antragsgegner und die Beigeladene zu 1 der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Kosten gemäß § 128 Abs. 4 Satz 1 GWB (§ 182 Abs. 4 Satz 1 GWB 2016) zu erstatten.

Gemäß § 128 Abs. 4 GWB i. V. m. § 80 Abs. 2 VwVfG in entsprechender Anwendung war antragsgemäß auszusprechen, dass die Zuziehung eines Rechtsanwalts durch die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren notwendig war. Obwohl das GWB für das Nachprüfungsverfahren 1. Instanz vor der Vergabekammer keine rechtsanwaltliche Vertretung vorschreibt, ist wegen der Komplexität des Vergaberechts, des Verfahrensrechts im Nachprüfungsverfahren sowie der Komplexität des konkreten streitbefangenen Vergabeverfahrens rechtsanwaltliche Beratung und Begleitung für die Antragstellerin erforderlich.

Die Beigeladene zu 1 wird aufgefordert, innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses den Betrag von xxxxxx € unter Angabe des Kassenzeichens

xxxxxx

auf folgendes Konto zu überweisen:

xxxxxx

Gaus
Sandmann
Fesun