Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 07.02.2013, Az.: 5 LA 36/12

Tätigkeit als Lehrkraft und Erziehung von Schülern in eigener pädagogischer Verantwortung als Voraussetzung für eine als Vordienstzeit ruhegehaltfähige Tätigkeit im Schuldienst

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
07.02.2013
Aktenzeichen
5 LA 36/12
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2013, 32157
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2013:0207.5LA36.12.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Hannover - 02.12.2011 - AZ: 13 A 1978/11

Amtlicher Leitsatz

Eine als Vordienstzeit ruhegehaltfähige Tätigkeit im Schuldienst gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. b NBeamtVG (§ 11 Nr. 1 lit. b BeamtVG) liegt nur vor, wenn der Beamte im Schwerpunkt als Lehrkraft tätig war und Schüler in eigener pädagogischer Verantwortung erzogen und unterrichtet hat.

Gründe

1

Der Kläger begehrt die Anerkennung von Vordienstzeiten als ruhegehaltfähig.

2

Der Kläger stand als Lehrer im Dienst der Beklagten. Vor seiner Anstellung war er für die Dauer von 15 Monaten am Regionalen Pädagogischen Zentrum des Landes Niedersachsen in B. im Rahmen des Modellversuchs "Künstler und Schüler" tätig. Dort stand er als "Schauspieler/Lehrkraft" mit einer Arbeitszeit von 40 Wochenstunden in einem Angestelltenverhältnis. In diesem Rahmen erteilte er rund 14 Wochenstunden Unterricht an verschiedenen Schulen, wobei der Unterricht nicht eigenverantwortlich erfolgte, sondern jeweils von einer Lehrkraft der entsprechenden Schule begleitet wurde.

3

Mit Bescheid vom 1. September 20 lehnte es die Beklagte ab, die vorgenannte Zeit als ruhegehaltfähige Dienstzeit zu berücksichtigen, weil es sich nicht um eine Lehrtätigkeit im öffentlichen Schuldienst gehandelt habe. Das Verwaltungsgericht hat die gegen diese Entscheidung gerichtete Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger aufgrund seines relativ geringen Unterrichtsanteils nicht hauptberuflich pädagogisch tätig gewesen sei. Hiergegen wendet er sich mit seinem Zulassungsantrag.

4

II.

Der Zulassungsantrag bleibt ohne Erfolg.

5

Die Voraussetzungen des geltend gemachten Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sind nicht erfüllt.

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Ernstliche Zweifel sind erst dann zu bejahen, wenn bei der Überprüfung im Zulassungsverfahren, also aufgrund der Begründung des Zulassungsantrages und der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts, gewichtige, gegen die Richtigkeit der Entscheidung sprechende Gründe zu Tage treten, aus denen sich ergibt, dass ein Erfolg der erstrebten Berufung mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie ein Misserfolg. Das ist der Fall, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird. Die Richtigkeitszweifel müssen sich auch auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen; es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zur Änderung der angefochtenen Entscheidung führt. Um ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils darzulegen, muss sich der Zulassungsantragsteller substantiiert mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Welche Anforderungen an Umfang und Dichte seiner Darlegung zu stellen sind, hängt deshalb auch von der Intensität ab, mit der die Entscheidung des Verwaltungsgerichts begründet worden ist. Ist das angegriffene Urteil auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, müssen hinsichtlich aller dieser Begründungen Zulassungsgründe hinreichend dargelegt werden (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 25.4.2008 - 5 LA 154/07 -).

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Nach diesen Maßgaben bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Gerichtsbescheids. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung entschieden, dass eine Berücksichtigung der Beschäftigungszeit im Modellversuch "Künstler und Schüler" als ruhegehaltfähige Vordienstzeit gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b) NBeamtVG nicht in Betracht kommt.

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§ 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b) NBeamtVG ermöglicht ebenso wie § 11 Nr. 1 b) BeamtVG die Anrechnung von Zeiten, die ein Beamter vor der Berufung in das Beamtenverhältnis hauptberuflich im öffentlichen oder nicht öffentlichen Schuldienst verbracht hat. Die Vorschrift setzt zunächst voraus, dass der Beamte Dienst an einer öffentlichen oder privaten Schule geleistet hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.6.1968 - BVerwG VI C 63.67 -, DÖD 1968, 233 <234>; Urteil vom 28.10.2004 - BVerwG 2 C 38.03 -, [...] Rn. 22), und zwar hauptberuflich, sodass der Dienst den zeitlichen Mindestumfang der Teilzeitbeschäftigung von Beamten nicht unterschritten hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.5.2005 - BVerwG 2 C 20.04 -, [...] Rn. 19 ff.; Urteil vom 24.6.2008 - BVerwG 2 C 5.07 -, [...] Rn. 12 ff.). Im Hinblick auf die Absicht des Gesetzgebers, den Schullehrer, nicht aber sonstige schulische Mitarbeiter zu privilegieren und das Überwechseln vom nichtöffentlichen in den öffentlichen Schuldienst zu fördern, muss der Beamte ferner die Aufgaben einer Lehrkraft wahrgenommen haben (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.6.1968 - BVerwG VI C 63.67 -, DÖD 1968, 233 <234>; VGH BW, Beschluss vom 6.4.1993 - 4 S 1785/91 -, [...] Rn. 24; Strötz, in: GKÖD, § 11 BeamtVG Rn. 21 <Stand der Bearbeitung: Juni 1998>; Kümmel, BeamtVG, § 11 Rn. 40 <Stand der Bearbeitung: Oktober 2009>; wohl auch Plog/Wiedow, BBG, § 11 BeamtVG Rn. 15 a <Stand der Bearbeitung: Juli 2010>). Kennzeichnend dafür ist, dass Lehrkräfte ihre Schüler in eigener pädagogischer Verantwortung erziehen und unterrichten (vgl. § 50 Abs. 1 Satz 1 NSchG). Werden über diese pädagogische Arbeit im engeren Sinne hinaus auch andere Aufgaben wahrgenommen, muss die Arbeit als Lehrkraft i. S. v. § 50 Abs. 1 Satz 1 NSchG zumindest den Schwerpunkt darstellen.

9

Legt man diese rechtlichen Maßgaben zugrunde, ist die Tätigkeit des Klägers im Modellversuch "Künstler und Schüler" nicht als Tätigkeit in Schuldienst anzusehen. Weder hat er Schüler eigenverantwortlich erzogen und unterrichtet, noch stellte die Unterrichtstätigkeit den Schwerpunkt seiner Tätigkeit dar. Die hiergegen erhobenen Einwände überzeugen nicht.

10

Zu Unrecht meint der Kläger zunächst, dass trotz der Angabe "Vollzeit" in seinem Arbeitsvertrag eine Teilzeitbeschäftigung mit 14 Unterrichtsstunden vereinbart worden sei und der Schwerpunkt demnach in der Unterrichtstätigkeit gelegen habe. Dieses Vorbringen trifft in der Sache nicht zu. Die verschiedenen formularmäßigen Arbeitsverträge, die auch die Möglichkeit enthielten, durch Ankreuzen eine Teilzeitbeschäftigung zu vereinbaren, sahen eine Vollzeitbeschäftigung vor, für die der Kläger im Übrigen auch ein volles Gehalt erhielt. In dem Verlängerungsvertrag vom 15. Januar 19 wurde die Arbeitszeit zudem ausdrücklich auf 40 Wochenstunden festgelegt. Dass es sich dabei um kein Versehen handelte, zeigt das Schreiben des niedersächsischen Kultusministers an die Bezirksregierung C. vom 19. Dezember 19 , das explizit von einer vollen Arbeitszeit von 40 Stunden spricht.

11

Hinzu kommt, dass der Kläger selbst in einer von ihm verfassten Aufstellung seiner Tätigkeiten vom 16. Mai 19 beschrieben hat, dass seine Aufgaben erheblich über die 14 Unterrichtsstunden hinausgingen. Der überwiegende Teil seiner Tätigkeit bestand demnach in einer Form der wissenschaftlichen Begleitung und Dokumentation des Modellversuchs, in der Steuerung und Koordination sowie in der Vor- und Nachbereitung der Unterrichtstätigkeit. Dem eigentlichen Unterricht kam - wie das Verwaltungsgericht zu Recht betont hat - nur eine Nebenrolle zu. Auch das zeigt deutlich, dass die Tätigkeit des Klägers keineswegs die eines teilzeitbeschäftigten Lehrers war.

12

Soweit der Kläger weiter einwendet, er habe tatsächlich mehr als 14 Stunden Unterricht erteilt, ist diese - überdies unsubstanziierte - Behauptung nicht glaubhaft. Sie steht in einem offenkundigen Widerspruch zu der eigenen Aufstellung seiner Tätigkeiten vom 16. Mai 19 .

13

Keine andere Betrachtung ermöglicht schließlich sein Vortrag, auch die pädagogische Arbeit mit Lehrern sei stundenmäßig zu berücksichtigen gewesen; zudem habe seine Tätigkeit der eines Fachseminarleiters entsprochen. Dabei kann offen bleiben, ob diese Auffassung zutrifft. Selbst wenn das der Fall wäre, stünde einer Berücksichtigung als ruhegehaltfähige Dienstzeit zwingend entgegen, dass der Kläger auch im Rahmen der 14 Unterrichtsstunden keinen Unterricht in eigener pädagogischer Verantwortung erteilt hat und seine Tätigkeit demnach auch insofern nicht der Tätigkeit einer Lehrkraft gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 NSchG entsprach. Bei seinem Unterricht war stets eine ausgebildete Lehrkraft anwesend, unter deren Aufsicht der Kläger, der zu diesem Zeitpunkt lediglich das erste Staatsexamen absolviert hatte und keine praktische Qualifikation für den Lehrerberuf vorweisen konnte, seinen Dienst verrichtete. Aus diesem Grund war es - wie aus einem Schreiben des Klägers vom 29. Januar 19 hervorgeht - offenbar auch nicht möglich, die Beschäftigungszeit im Modellversuch auf den Vorbereitungsdienst anzurechnen.

14

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).