Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 09.09.2009, Az.: 10 B 3462/09

Anspruch auf Durchführung einer Versammlung; Rechtmäßigkeit des Verbots einer Versammlung ; Ermöglichung der Durchführung einer als zentrale Wahlveranstaltung der NPD geplanten Versammlung

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
09.09.2009
Aktenzeichen
10 B 3462/09
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2009, 36062
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGHANNO:2009:0909.10B3462.09.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
OVG Niedersachsen - 11.09.2009 - AZ: 11 ME 447/09

Verfahrensgegenstand

Versammlungsrechtliche Auflagen
- Antrag nach §80 Abs. 5 VwGO -

Hinweis

Hinweis: Verbundenes Verfahren

Verbundverfahren:
VG Hannover - 09.09.2009 - AZ: 10 B 3668/09

In der Verwaltungsrechtssache
...
hat das Verwaltungsgericht Hannover - 10. Kammer -
am 9. September 2009
beschlossen:

Tenor:

Die (B.) wird zu dem Verfahren 10 B 3668/09 beigeladen, da sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt ist, dass die beantragte gerichtliche Entscheidung auch ihr gegenüber nur einheitlich ergehen kann (§65 Abs. 2 VwGO).

Die Verfahren 10 B 3462/09 und 10 B 3668/09 werden zur gemeinsamen Entscheidung miteinander verbunden (§93 Satz 1 VwGO).

Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 17.08.2009 wird wiederhergestellt, soweit sich die Klage richtet gegen

  1. a)

    die in Nr. 5 enthaltene Auflage, die Lautsprecheranlage zu verplomben,

  2. b)

    die in Nr. 8 enthaltene Auflage, dass nur eine Fahne pro 20 Teilnehmer verwendet werden darf,

  3. c)

    die in Nr. 13 enthaltene Auflage, dass die Versammlungsteilnehmer keine Embleme und Tätowierungen sichtbar tragen dürfen, die in den Augen der breiten Öffentlichkeit den Eindruck hervorrufen können, "Hass" zu bedeuten,

  4. d)

    die in Nr. 16. enthaltene Auflage, die Parole "Wir sind wieder da" und alle Parolen mit der Wortfolge " ... nationaler Widerstand" zu unterlassen.

Im Übrigen werden die Anträge abgelehnt.

Der Antragsteller trägt 3/4, die Antragsgegnerin 1/4 der Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für jedes Verfahren auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

1

Die Anträge,

die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 17.08.2009 hinsichtlich der Auflage Nr. 1, Nr. 3, Nr. 5, Nr. 8, Nr. 12, Nr. 13 und Nr. 16 wiederherzustellen,

die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Änderungsbescheid vom 03.09.2009 wiederherzustellen

2

hat nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

3

Nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand spricht nur hinsichtlich des aus dem Tenor ersichtlichen Teils der Auflagen Überwiegendes für die Rechtswidrigkeit der dem Antragsteller mit dem Bescheid der Antragsgegnerin vom 17.08.2009 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 03.09.2009 erteilten Auflagen, so dass die von der Kammer bei ihrer nach §80 Abs. 5 VwGO zu treffenden Ermessensentscheidung vorzunehmende Interessenabwägung nur insoweit zu Gunsten der Antragstellerin ausfällt. Im Übrigen fällt die Interessenabwägung trotz der hohen Anforderungen, die an einen Eingriff in das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit zu stellen sind, zu Lasten der Antragstellerin aus.

4

Nach §15 Abs. 1 des Versammlungsgesetzes - VersG - kann die zuständige Behörde eine Versammlung oder einen Aufzug verbieten oder von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei der Durchführung der Versammlung oder des Aufzugs unmittelbar gefährdet ist.

5

Die im pflichtgemäßen Ermessen der Ordnungsbehörde stehende Beschränkung der in Artikel 8 Abs. 1 des Grundgesetzes gewährleisteten Versammlungsfreiheit durch die Erteilung von Auflagen bis hin zur Untersagung der Versammlung setzt eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung voraus. Aus der Bedeutung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit folgt, dass nicht jede Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung Auflagen für eine Versammlung rechtfertigt. Unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit hat vielmehr eine Güterabwägung stattzufinden mit der Folge, dass Auflagen nur zulässig sind, wenn es zum Schutz anderer, dem Versammlungsrecht gleichwertiger Rechtsgüter notwendig ist. Zur Annahme einer Gefährdung i.S.v. §15 Abs. 1 VersG genügt nicht eine abstrakte Gefahr; die Gefährdung muss vielmehr nach dem gewöhnlichen Ablauf der Dinge unmittelbar bevorstehen, der Eintritt der Störung mit hoher Wahrscheinlichkeit in aller Kürze zu erwarten sein. Zum Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung müssen "erkennbare Umstände" dafür vorliegen, dass eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Das setzt nachweisbare Tatsachen als Grundlage der Gefahrenprognose voraus; bloße Vermutungen reichen nicht aus (BVerfGE 69, 315 [BVerfG 14.05.1985 - 1 BvR 233/81]<353 f.>). Gemessen an diesen hohen Anforderungen müssen der Verfügung der Antragsgegnerin bezüglich aller dem Antragsteller erteilten und von ihm angegriffenen Auflagen hinreichend konkrete Erkenntnisse entnommen werden können, dass ohne deren Erlass bei der vorgesehenen Veranstaltung ein Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung droht.

6

Die durch den Bescheid vom 17.08.2009 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 03.09.2009 getroffene Entscheidung der Antragsgegnerin, den Antragsteller hinsichtlich seines Aufzugs auf die Route Braunschweiger Platz (Auftaktkundgebung) - Marienstraße - Berliner Allee - Kestnerstraße - Stadtstraße - Bultstraße - Braunschweiger Platz (Abschlusskundgebung) zu verweisen, wird voraussichtlich einer Überprüfung im Klageverfahren standhalten.

7

Nach den gegenwärtigen Erkenntnismöglichkeiten ist die Prognose der Antragsgegnerin, dass die öffentliche Sicherheit in hohem Maße bedroht ist, wenn der Antragsteller den von ihm geplanten Aufzug über die von ihm angemeldete Route oder die von ihm benannten Ersatzstrecken führt, nicht zu beanstanden. Die Kammer geht dabei in Übereinstimmung mit den Ausführungen in den Bescheiden vom 17.08.2009 und 03.09.2009, auf die insoweit zur näheren Begründung Bezug genommen wird, davon aus, dass zur Verhinderung von Personen- und Sachschäden sowie zur Ermöglichung der Durchführung der als zentrale Wahlveranstaltung der NPD geplanten Versammlung ein umfassender Schutz entlang der gesamten Aufzugsstrecke erforderlich ist. Die Strecke ist deutlich vor Aufzugsbeginn bis zum Passieren durch den Aufzug freizuhalten und zu schützen, so dass ein "überschlagender Einsatz" von Kräften nur eingeschränkt in Betracht kommt. Ein Aufzug von Anhängern der rechten Szene durch die Innenstadt von Hannover mit Kundgebungen am Opernplatz mit seiner Nähe zum Memoriam-Mahnmal und dem Steintor zöge eine erhebliche Gegenmobilisierung von Versammlungsgegnern und linksextremen Personen nach sich. Es wäre mit einer erheblichen Gefährdung der Teilnehmer des vom Antragsteller beabsichtigten Aufzugs und der Gegendemonstranten sowie mit schweren gewaltsamen Auseinandersetzungen und Ausschreitungen zu rechnen.

8

Jedenfalls für das vorliegende Rechtsschutzverfahren folgt die Kammer der zuletzt im Erörterungstermin vom 07.09.2009 vom Leiter des Vorbereitungsstabs, dem Leitenden Polizeidirektor (C) vorgetragenen Einschätzung, dass mit den am 12.09.2009 zur Verfügung stehenden Einsatzkräften die öffentliche Sicherheit nicht gewährleistet wäre, würde der Aufzug des Antragstellers wie von ihm angemeldet oder auf einer der von ihm benannten Alternativrouten durchgeführt. Angesichts der plausiblen schriftlichen und mündlichen Darlegungen des Leiters des Vorbereitungsstabs hat die Kammer keinen Anlass zu zweifeln, dass lediglich ca. 2.300 Einsatzkräfte zur Verfügung stehen werden, aber deutlich mehr Kräfte erforderlich wären, um die vom Antragsteller angebotenen Strecken zu sichern. Es ist auch nicht erkennbar, dass die verantwortlichen Polizeibehörden nicht alles Zumutbare unternommen hätten, mehr Einsatzkräfte verfügbar zu haben. Es ist vielmehr nachvollziehbar, dass angesichts verschiedener Gefahrenlagen in anderen Bundesländern und dem Einsatz der Bundespolizei im Zusammenhang mit der anstehenden Bundestagswahl Einsatzkräfte von Polizeien aus anderen Bundesländern und dem Bund nur in vergleichsweise geringem Umfang zur Verfügung stehen.

9

Da unter Berücksichtigung dieser Gegebenheiten auch anlässlich der Erörterung im Termin vom 07.09.2009 keine vom Antragsteller akzeptierte Route aufgezeigt werden konnte, die hinsichtlich Streckenführung und -länge hinreichend geschützt werden könnte, hält die von der Antragsgegnerin in den Bescheiden vom 17.08.2009 und 03.09.2009 festgelegte Route einer Überprüfung zumindest im Eilverfahren stand. Da die Aufzugstrecke nach Kenntnis der Kammer durch zum Teil äußerst belebte Wohn- und Geschäftsstraßen führt, trifft der Vortrag des Antragstellers, die Route führe "zur Hälfte an Bahnschienen und an brachliegenden Bürogebäuden vorbei", nicht zu. Zwar wäre eine Route durch die Innenstadt zweifellos attraktiver, doch auch auf der Alternativroute kann sich die vom Antragsteller repräsentierte NPD in hohem Maße öffentlichkeitswirksam darstellen.

10

Die Entscheidung der Antragsgegnerin erweist sich auch nicht im Hinblick auf die dem DGB ermöglichte Route als fehlerhaft. Wie dem an den Anmelder der DGB-Versammlung unter dem 07.09.2009 ergangenen Auflagenbescheid zu entnehmen ist, wurde auch dessen beabsichtigte Routenführung geändert und in ganz erheblichem Umfang reduziert. Hatte der Veranstalter drei (Teil)Aufzüge geplant, ist nunmehr nur ein Aufzug über die Strecke Klagesmarkt (Auftaktkundgebung) - Otto-Brenner-Straße - Brühlstraße - Leibnizufer - Friederikenplatz - Friedrichswall - Karmarschstraße - Leinstraße - Breite Straße - Osterstraße - Friedrichswall - Trammplatz (ggf. Abschlusskundgebung) möglich. Hieraus wird deutlich, dass die Entscheidung der Antragsgegnerin zum Nachteil des Antragstellers Teil eines kohärenten Gesamtkonzepts ist und die Interessen beider Veranstalter angesichts der Sicherheitslage und der Zahl der zur Verfügung stehenden Einsatzkräfte ausgewogen berücksichtigt. Auch die unter dem 08.09.2009 gegenüber der Partei Die Linke ergangene Entscheidung, durch die von dieser angemeldete und im Bereich der Aufzugsstrecke des Antragstellers liegende Versammlungen untersagt wurden, belegt, dass die Antragsgegnerin bei ihren Entscheidungen betreffend die für den 12.09.2009 angemeldeten Versammlungen die Belange des Antragstellers hinreichend berücksichtigt. Der Antragsteller kann auch nicht mit Erfolg darauf verweisen, die dem DGB zugewiesene Route sei ihm zur Verfügung zu stellen. Denn aus den oben dargelegten Gründen wäre ein ausreichender Schutz des NPD-Aufzugs auf der jetzt dem DGB zugebilligten Route angesichts der Streckenführung und -länge mit den am 12.09.2009 zur Verfügung stehenden Einsatzkräften nicht möglich. Nachvollziehbar hat der Leiter des Vorbereitungsstabs unter ausdrücklichem Bezug auf die Straßenzüge Friederikenplatz, Karmarschstraße und Osterstraße im Erörterungstermin darauf hingewiesen, dass in Bezug auf die erforderlichen Einsatzkräfte ein DGB-Aufzug nicht mit einer NPD-Demonstration vergleichbar ist.

11

Der Antrag bleibt auch erfolglos, soweit er sich gegen die in der Auflage Nr. 3 enthaltene Verpflichtung des Versammlungsleiters richtet, "vor Beginn der o.g. versammlungsrechtlichen Aktion den Teilnehmern die o.g. Route und die in dieser Verfügung enthaltenen Auflagen bekannt zu geben." Wie sich aus dem Gesamtzusammenhang erschließt und von den Vertretern der Antragsgegnerin im Erörterungstermin bestätigt wurde, bezieht sich die genannte Verpflichtung auf die zum Zeitpunkt der Versammlung maßgebliche Route und die sonstigen dann wirksamen Auflagen. Änderungen von Route oder Auflagen durch nachfolgende Bescheide oder gerichtliche Entscheidungen sind also zu berücksichtigen.

12

Soweit in der Auflage Nr. 5 geregelt wird, dass ein Lautstärkepegel von 90 dB(A), gemessen in einem Meter Abstand von der Emissionsquelle (Lautsprecher) nicht überschritten werden darf, und dass die Musikbeschallung während des Aufzugs die Dauer von 7 Minuten nicht überschreiten darf und anschließend jeweils eine mindestens 5 Minuten dauernde Musikpause einzulegen ist, bestehen keine durchgreifenden Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Verfügung. Die Kammer folgt insoweit der Begründung des Bescheides vom 17.07.2009, dass diese Einschränkungen zur Vermeidung von Gesundheitsschäden und unzumutbaren Belästigungen erforderlich sind. Soweit der Antragsteller geltend macht, angesichts der zu erwartenden Gegendemonstranten dürfe der Lautsprechereinsatz nicht begrenzt werden, ist er darauf zu verweisen, dass nach dem Konzept der Antragsgegnerin der vom Antragsteller angemeldete Aufzug und die zu erwartende Gegendemonstration räumlich getrennt werden. Im Übrigen geht die Kammer davon aus, dass die Polizei vor Ort in der Lage sein wird, den Versammlungsablauf zu sichern und auch bei Gegendemonstranten die Einhaltung der Lärmrichtwerte durchzusetzen.

13

Wie der Vortrag des Antragstellers, die Dezibelzahl des Lautsprechers müsse von dem Trillerpfeiffkonzert der Gegendemonstranten abhängen, zeigt, behält er sich ohne Erlass einer solchen Auflage vor, über 90 dB(A) hinauszugehen. Daher ist es gerechtfertigt, den zu erwartenden Gefahren durch die angefochtene Auflage zu begegnen. Andererseits ist nicht erkennbar und von der Antragsgegnerin auch nicht belegt, dass sich der Antragsteller an eine solche Auflage nicht halten wird. Deshalb ist es nicht erforderlich, ihm die Plombierung der Anlage vorzuschreiben.

14

Die Auflage in Nr. 8 des Bescheides vom 17.08.2009, wonach die Verwendung von Fahnen - außer der Bundesflagge und den aktuellen Flaggen der bestehenden deutschen Bundesländer und der Flagge der Europäischen Union, deren Einsatz unbeschränkt bleibt - nur mit der Maßgabe gestattet wird, dass eine Fahne pro 20 Teilnehmer verwendet werden darf, dürfte einer Überprüfung im Hauptsacheverfahren nicht standhalten. Zu einer vergleichbaren Auflage hat die Kammer in ihrem Urteil vom 17.12.2007 - 10 A 3583/06 - ausgeführt:

"Die Begrenzung der Anzahl der schwarzen Fahnen stellt eine Verletzung des Artikel 8 Abs. 1 GG dar. Es fehlen nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass schwarze Fahnen eine eindeutig auf den Nationalsozialismus bezogene Symbolik haben bzw. diesen Aussagegehalt durch das spezifische Erscheinungsbild der Versammlung erhalten und damit eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellen (vgl. BVerfG, Beschluss v. 29. März 2002 - 1 BvQ 9/02 - NVwZ 2002, 983). Da die Auflage vorliegend auf den vermeintlichen Symbolgehalt der Fahnen und damit auf den Inhalt einer Aussage bezogen ist, ist sie auch am Maßstab des Artikel 5 Abs. 1 und 2 GG zu messen (vgl. BVerfG, a.a.O., sowie BVerfG, Beschluss v. 24. März 2001 - 1 BvQ 12/01 - zitiert nach [...]). Es sind keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Verwendung von Symbolen wie Trauerfahnen in Anlehnung an Versammlungen nationalsozialistischer Prägung erfolgt und dadurch zugleich als Einschüchterung zu werten ist. Eine solche Bewertung findet auch in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts keine Stütze (vgl. BVerfG, Beschluss v. 29. März 2002 - 1 BvQ 9/02 - NVwZ 2002, 983)."

15

Hiervon abzurücken gebieten weder die Begründung des angefochtenen Bescheides noch der Vortrag der Antragsgegnerin im vorliegenden gerichtlichen Verfahren. Ergänzend ist daher lediglich darauf hinzuweisen, dass auch das OVG Bautzen (Urteil vom 28.07.2009 - 3 B 60/06) eine vergleichbare Auflage für rechtswidrig erklärt hat.

16

Soweit sich der Antragsteller gegen die Auflage Nr. 12 wendet, bleibt sein Antrag erfolglos. Zu einer vergleichbaren Auflage hat die Kammer in ihrem Beschluss vom 31.07.2009 (10 B 2925/09) ausgeführt:

"Schließlich werden sich auch die in Ziffer 7. der angegriffenen Verfügung genannten Bekleidungsvorschriften voraussichtlich als rechtmäßig erweisen. Dabei legt die Kammer den Antrag zugunsten des Antragstellers dahingehend aus, dass er nicht nur die Ausführungen in Absatz 2, sondern auch die Regelung in Absatz 1 erfasst, denn in Absatz 1 wird die eigentliche Regelung getroffen, wonach das Tragen gleichartiger Kleidungsstücke als Ausdruck einer gemeinsamen politischen Gesinnung untersagt ist. Die in Absatz 2 getroffenen Ausführungen enthalten demgegenüber keine eigenständige Regelung, sondern nehmen ausdrücklich ("Darunter fällt auch ...") auf die Regelung in Absatz 1 Bezug, die durch Absatz 2 lediglich erläutert wird. Dabei erkennt die Kammer keine hinreichenden Mängel in der Bestimmtheit dieser Ausführungen. Bereits aus dem Wortlaut "Darunter fällt auch" wird deutlich, dass es sich bei den genannten Kleidungsstücken nur um Beispiele mit Hinweischarakter handelt, die das Verbot des Tragens gleichartiger Kleidung aus Absatz 1 erläutern sollen und dabei auf Kleidungsstücke Bezug nehmen, die üblicherweise von Teilnehmern politisch ähnlich ausgerichteter Demonstrationen getragen werden. Dieser sprachlich nicht ganz gelungene Hinweis ist nach Auffassung der Kammer unschwer dahingehend zu verstehen, dass auf das Tragen gleichartiger durchweg dunkler T-Shirts in geschlossenen Blöcken, gleichartiger durchweg dunkler Pullover in geschlossenen Blöcken, gleichartiger durchweg dunkler Polo-Shirts in geschlossenen Blöcken etc. hingewiesen werden sollte. In materieller Hinsicht wirft das Verbot, als Ausdruck einer politischen Gesinnung gleichartige Kleidung zu tragen, im Hinblick auf §3 Abs. 1 VersG keine tiefgreifenden Bedenken auf."

17

Der Vortrag des Antragstellers gibt keine Veranlassung zu einer abweichenden Beurteilung.

18

Soweit sich der Antragsteller gegen die unter Nr. 13 getroffenen Auflagen wendet, ist sein Antrag teilweise erfolgreich. Zu einer vergleichbaren Auflage hat die Kammer in ihrem Urteil vom 17.12.2007 (10 A 3583/06) ausgeführt:

"Soweit der Beklagte in seinem Bescheid verfügt hat, dass die Versammlungsteilnehmer keine Embleme oder Tätowierungen sichtbar tragen dürfen, die in den Augen der breiten Öffentlichkeit den Eindruck hervorrufen können, "Hass" zu bedeuten, war die Verfügung rechtswidrig.

Die Verfügung war zu unbestimmt. Inhaltlich hinreichende Bestimmtheit im Sinne von §37 Abs. 1 VwVfG setzt voraus, dass insbesondere für den Adressaten des Verwaltungsakts die von der Behörde getroffene Regelung so vollständig, klar und unzweideutig erkennbar ist, dass er sein Verhalten danach richten kann (Vgl. BVerwG, Urteil v. 29. September 1992, - 1 C 36.89 - [...]). Es reicht aus, wenn sich die Regelung aus dem gesamten Inhalt des Bescheides, insbesondere aus seiner Begründung, unzweifelhaft erkennen lässt (BVerwG, Urteil v. 25. April 2001 - 6 C 6/00 - BVerwGE 114, 160 (166 ff.)). Dies ist hinsichtlich des Inhalts der genannten Verfügung nicht der Fall. Für den Betroffenen war unklar und nicht erkennbar, was in den Augen der breiten Öffentlichkeit den Eindruck erwecken könnte, "Hass" zu bedeuten. Unklar war auch, wer mit der "breiten Öffentlichkeit" gemeint war. Dies ergab sich auch nicht im Zusammenhang mit dem übrigen Inhalt der Verfügung.

8.

Die Verfügung, dass die Versammlungsteilnehmer keine Embleme oder Tätowierungen mit Bildern von Totenköpfen oder dem Schriftzug "Hass" sowie keine Bekleidungsstücke mit Aufschriften, aus denen sich durch teilweises Überdecken die Buchstaben- bzw. Zahlenfolgen "NS", "NSD", "NSDA", "NSDAP", "SS", "SA", "ACAB", "18", "88" oder die Abkürzung bzw. erkennbare Abkürzungsteile weiterer verbotener Parteien oder Gruppierungen ergeben kann bzw. können, tragen durften, war rechtmäßig.

Diese Auflagen rechtfertigen sich wegen der ansonsten ernsthaft bestehenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Die Untersagung des Schriftzuges "Hass" ist darauf zurückzuführen, dass dieser Begriff in der rechtsextremistischen Szene als Abkürzung für Begriffe wie "Ausländerhass", "Judenhass" oder "Nationalhass" zu verstehen ist. Durch das sichtbare Tragen des Schriftzuges bei der Versammlung bestand die Gefahr der Erfüllung des Straftatbestandes des §130 StGB (Volksverhetzung). Sofern die Auflage in der rechtsextremistischen Szene verwendete und nicht verbotene Ersatzsymbole bzw. Identifikationsmerkmale wie z.B. die Darstellung von Totenköpfen u.a. betraf, bestand die Gefahr einer Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung durch eine einschüchternde Wirkung auf die Bevölkerung. Im Übrigen bestand die Gefahr, dass durch das gezielte Zurschaustellen der in der Verfügung genannten oder bedeutungsähnlicher Buchstaben- oder Zahlenfolgen auf Kleidungsstücken im Rahmen der Versammlung des Klägers der Straftatbestand des §86 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 i.V.m. §86 Abs. 1 Nr. 4 StGB (Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, insbesondere einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation) erfüllt und damit die öffentliche Sicherheit gefährdet worden wäre."

19

Der Vortrag der Beteiligten bietet keine Veranlassung, hiervon abzuweichen.

20

Soweit sich der Antragsteller gegen das in Nr. 16 der Auflagen enthaltene Verbot richtet, die Parole "Wir sind wieder da" und alle Parolen mit der Wortfolge " ... nationaler Widerstand" zu verwenden, ist sein Antrag erfolgreich. Jedenfalls für das vorläufige Rechtsschutzverfahren folgt die Kammer insoweit der Auffassung des OVG Bautzen in seinem Urteil vom 28.07.2009 (3 B 60/06), das zu einer vergleichbaren Auflage ausgeführt hat:

"Schließlich war die Auflage Nr. 13, soweit damit das Skandieren der Parolen "Wir sind wieder da" und "Nationaler Widerstand" verboten wurde, rechtswidrig. Bei beiden Parolen handelt es sich um Meinungsäußerungen, deren Inhalt nicht im Rahmen von Art. 5 GG unterbunden und mit dem daher eine Beschränkung der Versammlungsfreiheit nicht gerechtfertigt werden kann (vgl. zur Parole "Nationaler Widerstand": BVerfG, Beschl. v. 19.12.2007, a.a.O.). Im Ansatz zutreffend hat daher das Verwaltungsgericht die in §15 Abs. 1 VersammlG vorausgesetzte Gefahr für die öffentliche Ordnung nicht aus dem Inhalt der Äußerungen, sondern aus der Art und Weise der Durchführung der Versammlung abzuleiten gesucht. Es hat jedoch zu Unrecht hinreichende Anhaltspunkte für eine solche Gefahrenlage bejaht. Das Skandieren von Parolen ist eine versammlungstypische Ausdrucksform und gestattet es für sich genommen nicht, auf jene versammlungsspezifischen Wirkungen zu schließen, die zu der bloßen Äußerung bestimmter Meinungsinhalte hinzutreten müssen, um Beschränkungen der Versammlungsfreiheit unter Berufung auf die öffentliche Ordnung zu rechtfertigen. Soweit die Beklagte annimmt, dass die untersagten Parolen selbst einen aggressiven, kämpferischen Duktus hätten und ihr Skandieren der Versammlung ein militantes Gepräge verliehe, das auf die überwiegend friedliche Bevölkerung einschüchternd wirke, folgt dem der Senat für die Parolen "Wir kriegen euch" und "Wir kriegen euch alle" (siehe nachfolgend unter 2. b), nicht aber für die Parolen "Wir sind wieder da" und "Nationaler Widerstand".

Die Auffassung der Beklagten und ihr folgend des Verwaltungsgerichts, die Parole "Nationaler Widerstand" sei gerechtfertigt, weil das rechtsextreme politische Spektrum in der Vergangenheit hierunter die Überlegenheit des deutschen Volkes als eine Art ausschließlicher Blutsgemeinschaft propagiert habe, stellt auf den Inhalt der Aussage ab. Eine nachvollziehbare Begründung für die weitere Annahme, dass durch das Skandieren eine besonders militante, aggressive und fremdenfeindliche Stimmung erzeugt werde, fehlt. Wenn die Parole bei vergleichbaren Veranstaltungen laut skandiert worden ist, hätte die Prüfung nahe gelegen, ob und warum Gefahren seinerzeit eingetreten waren und ob die jetzige Prognose damit auf hinreichende Tatsachen gegründet ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 19.12.2007, a.a.O.).

Die Parole "Wir sind wieder da!" soll nach dem angegriffenen Bescheid eine der Losungen der 1972 in den USA gegründeten NSDAP/AO sein, deren Ziel es sei, die Wiederzulassung der NSDAP in der Bundesrepublik Deutschland zu verfolgen. Nach dem Verständnis des Klägers soll die Parole lediglich bedeuten, dass er trotz zahlreicher Strafverfahren und Verbote wiederum demonstriere und sich durch diese Verfahren nicht von seinen Auftritten in der Öffentlichkeit abhalten lasse. Es bedarf keiner weiteren Ausführung, dass die Parole in dieser inhaltlichen Bedeutung nicht untersagt werden kann. Eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch das Skandieren der Parole mit der von der Beklagten angenommenen Bedeutung kann ebenfalls nicht angenommen werden. Die Annahme scheitert - ebenso wie bei der Verwendung der untersagten Zahlenfolgen (s.o. unter c) bb)) - daran, dass diese Bedeutung der Parole in der breiten Öffentlichkeit nicht bekannt ist und schon gar nicht dem Nationalsozialismus zugeordnet wird."

21

Die Kostenentscheidung beruht auf §155 Abs. 1 Satz 1 VwGO und berücksichtigt den Umfang des jeweiligen Obsiegens bzw. Unterliegens. Anlass, die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen gemäß §162 Abs. 3 VwGO für erstattungsfähig zu erklären, besteht nicht. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §53 Abs. 3 Nr. 2, §52 Abs. 2 GKG.

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Rechtsmittelbelehrung

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Der Beiladungs- und der Verbindungsbeschluss sind unanfechtbar (§65 Abs. 4 Satz 3, §146 Abs. 2 VwGO).

24

...