Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 03.03.2011, Az.: 10 A 3392/10

Clowns Army; Versammlungsbeschränkung

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
03.03.2011
Aktenzeichen
10 A 3392/10
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2011, 45161
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit ihr erteilter versammlungsrechtlicher Auflagen.

Am 07.08.2010 fand ab 18.00 Uhr im Stadtpark am A-Stadt Congress Centrum (HCC) das Sommerbiwak 2010 statt. Dabei handelt es sich um ein mittlerweile traditionelles Sommerfest für Soldaten der 1. Panzerdivision und deren ziviles Umfeld, zu dem etwa 6.000 bis 7.000 Gäste u.a. aus Wirtschaft und Politik erwartet wurden.

Am 13.07.2010 meldete die Klägerin als Vertreterin des E. A-Stadt e. V. im Namen des Bündnisses gegen das Sommerbiwak der 1. Panzerdivision für den 07.08.2010 mehrere Demonstrationen und Kundgebungen an: Hauptkundgebung von 17.30 bis 19.10 Uhr auf dem Theodor-Heuss-Platz, Demonstrationszug vom Theodor-Heuss-Platz über die Clausewitzstraße zur Ecke Hans-Böckler-Allee und zurück zum Theodor-Heuss-Platz in der Zeit von 18.00 bis 18.30 unter dem Titel „Rave against War“, Demonstrationszug über Adenauerallee, Bristoler Straße, Lüerstraße, Zeppelinstraße zum Theodor-Heuss-Platz. Von 19.10 Uhr an sollte eine Abschlussdemonstration vom Theodor-Heuss-Platz über die Clausewitzstraße bis zur Hans-Böckler-Allee/Ecke Freundallee mit einer Zwischenkundgebung von 19.20 bis 19.30 Uhr in der Clausewitzstraße und einer Abschlusskundgebung in der Hans-Böckler-Allee, Ecke Freundallee führen. Nach Angabe der Klägerin rechnete sie mit ca. 500 Teilnehmern.

Mit Bescheid vom 30.07.2008 erteilte die Beklagte nach Durchführung eines Kooperationsgespräches unter Anordnung der sofortigen Vollziehung für die Versammlung der Klägerin u.a. folgende Auflagen:

3. In der Clausewitzstraße gilt ferner:

-Das Betreiben von mechanischen, elektrotechnischen oder sonstigen Geräten (z.B. Vuvuzelas) zur Erzeugung von Sirenentönen, von Druckgasfanfaren oder nautischen Hörnern (Nebelhörnern o.ä.) wird untersagt.
-Rückkopplungs- oder Störgeräusche der Lautsprecheranlage dürfen nicht bewusst erzeugt oder übertragen werden.

5. Eine Fortsetzung des „Rave against War“ (Aufzug b) über die angemeldete Zeit hinaus ist unzulässig, d.h. dieser Aufzug muss bis spätestens 18.30 Uhr beendet sein. Des Weiteren ist von 18.15. bis 18.20 Uhr die Musik zu unterbrechen.

11. Die Versammlungsleiterin / der Versammlungsleiter hat dafür zu sorgen, dass dunkel gekleidete Teilnehmer der versammlungsrechtlichen Aktion nicht in Blockform nebeneinander gehen.

12. Pantomimisch-spielerische Aktionen kostümierter Personen (insbes. sog. „Clownsarmy“) haben einen Abstand von mindestens 2 Metern zu den eingesetzten Polizeikräften einzuhalten.

Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin im Hinblick auf die Auflagen Nrn. 3, 5 Satz 2 und 11 des angefochtenen Bescheides am 03.08.2010 Anfechtungsklage; zugleich suchte sie im Umfang ihres Klagebegehrens um einstweiligen Rechtsschutz nach. Mit Beschluss vom 05.08.2010 (10 B 3393/10) lehnte das erkennende Gericht den Eilantrag ab; die hiergegen eingelegte Beschwerde wies das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 06.08.2010 (11 ME 306/10) zurück.

Im Klageverfahren wendet sich die Klägerin im Rahmen einer Fortfestsetzungsfeststellungsklage nunmehr gegen die ihr unter Nrn. 5 Satz 2, 11 und 12 erteilten Auflagen. Zur Begründung macht sie geltend, die Voraussetzungen für den Erlass der angegriffenen Auflagen seien nicht gegeben gewesen. Im Licht von Art. 8 GG seien Auflagen nur dann zu treffen, wenn sie erforderlich seien. Die erlassende Behörde müsse diesbezüglich eine Gefahrenprognose treffen und eine entsprechende Begründung abgeben. Mit Blick auf diese Vorgaben sei der angegriffene Bescheid hinsichtlich der in ihm verfügten Auflagen teilweise unverhältnismäßig, teilweise offensichtlich ungeeignet, befürchtete Gesetzesverletzungen zu verhindern, und teilweise zu unbestimmt.

Nachdem die Klägerin das Verfahren hinsichtlich der Auflage zu Ziff. 3 für erledigt erklärt hat, beantragt sie nunmehr,

festzustellen, dass die Auflagen Nrn. 5 Satz 2, 11 und 12 in dem Bescheid der Beklagten vom 30.07.2010 rechtswidrig waren.

Die Beklagte hat sich der Erledigungserklärung angeschlossen und beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist unter Vertiefung im Einzelnen der Auffassung, die angegriffenen Auflagen seien zu Recht ergangen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen. Sämtliche Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

Soweit die Beteiligten das Verfahren hinsichtlich der Auflage zu Ziff. 1 übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, war es in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.

Im Übrigen ist die Klage zulässig aber nicht begründet. Da der für die von der Klägerin angemeldeten Versammlungen vorgesehene Zeitpunkt inzwischen verstrichen ist, ist die Klage als Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO in direkter bzw. entsprechender Anwendung statthaft. Vor Ablauf der Klagefrist und damit vor Bestandskraft des Auflagenbescheides war durch Verstreichen des Versammlungstermins Erledigung eingetreten, so dass in Bezug auf die vom Anfechtungsantrag nicht umfasste Auflage zu Ziff. 12 keine Klagefrist einzuhalten war. Das für die Zulässigkeit erforderliche Feststellungsinteresse liegt darin begründet, dass die Klägerin auch in Zukunft gegen das jährlich stattfindende Sommerbiwak der 1. Panzerdivision Versammlungen durchführen will, die mit der für das Jahr 2010 angemeldeten vergleichbar sind, und sie wiederum Beschränkungen durch die Beklagte befürchten muss, die den hier streitigen Auflagen vergleichbar sind und die Durchführung der Veranstaltung in der angemeldeten Form verhindern. Dass letzteres der Fall ist, hat der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung nicht in Abrede gestellt.

Von einer Wiederholungsgefahr geht die Kammer auch hinsichtlich der Auflage zu Ziff. 12 (Clownsarmy) aus. Zwar wird die Internetseite, über die sich die norddeutschen "Rebel Clowns" nach Erkenntnissen der Kammer ausgetauscht und organisiert haben, nicht mehr gepflegt. Die Seite verweist auf die Seite http:// F., die ihrerseits keine Hinweise auf die Clownsarmy enthält. Die Beteiligtenvertreter gehen nach ihrer in der mündlichen Verhandlung geäußerten Einschätzung indes nicht davon aus, dass sich das Phänomen der Clownsarmy als Form des Protests erledigt hat und damit entsprechende Auflagen nicht mehr erlassen werden.

In der Sache hat die Klage aber keinen Erfolg. Die Auflagen zu Ziff. 5 im Umfang des Klageantrags und zu Ziff. 11 und 12 waren rechtmäßig (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO).

Rechtsgrundlage für die Auflagen war § 15 Abs. 1 VersG. Danach kann die zuständige Behörde die Versammlung oder den Aufzug verbieten oder von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist.

Der Begriff der "öffentlichen Sicherheit" umfasst dabei den Schutz zentraler Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre, Eigentum und Vermögen des Einzelnen sowie die Unversehrtheit der Rechtsordnung und der staatlichen Einrichtungen, wobei in der Regel eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit angenommen wird, wenn eine strafbare Verletzung dieser Schutzgüter droht. Unter "öffentlicher Ordnung" wird die Gesamtheit der ungeschriebenen Regeln verstanden, deren Befolgung nach den jeweils herrschenden sozialen und ethischen Anschauungen als unerlässliche Voraussetzung eines geordneten menschlichen Zusammenlebens innerhalb eines bestimmten Gebiets angesehen wird (BVerfGE 69, 315, 352, "Brockdorf II").

Die "unmittelbare Gefährdung" i.S.d. § 15 Abs. 1 VersG setzt eine konkrete Sachlage voraus, die bei ungehindertem Geschehensablauf mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden an den der Versammlungsfreiheit entgegenstehenden Rechtsgüter führt. Die Gefährdung muss nach dem gewöhnlichen Ablauf der Dinge unmittelbar bevorstehen, der Eintritt der Störung aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte bzw. nachweisbarer Tatsachen mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein. Bloße Verdachtsmomente und Vermutungen reichen für sich allein nicht aus (BVerfGE 69, 315, 353 f.; BVerfGE 87, 399, 409; BVerfG, Beschl. v. 19.12.2007 - 1 BvR 2793/04 -, NVwZ 2008, 671, 672; BVerfG, Beschl. v. 04.09.2009 - 1 BvR 2147/09 -, NJW 2010, 141, 142). Gefordert sind vielmehr konkrete ordnungsbehördliche Erkenntnisse als Grundlage der Gefahrenprognose, so z.B. je nach Gefahrentyp über die Zahl und den Kreis der zu erwartenden Versammlungsteilnehmer, über Aufrufe zu Gewalttaten oder sonstige konkrete Indizien für befürchtete Straftaten (BVerfG, Beschl. v. 21.04.2000 - 1 BvQ 10/00 -, NVwZ-RR 2000, 554, 555).

Die Voraussetzungen für den Erlass der Auflage zu Ziff. 5 Satz 2 lagen nach diesen Maßstäben vor.

Bereits in ihrem im Eilverfahren ergangenen Beschluss vom 05.08.2010 hat die Kammer die Rechtmäßigkeit dieser Auflage bejaht und zur Begründung ausgeführt:

„Auch die Auflage, von 18.15 bis 18.20 Uhr die Musik des „Rave against War“ zu unterbrechen, ist nicht zu beanstanden. In Übereinstimmung mit ihrer bisherigen Rechtsprechung (z.B. Urteil vom 31.05.2010 - 10 A 346/09 -) und der Auffassung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (z.B. Beschluss vom 11.09.2009 - 11 ME 447/09 -) geht die Kammer davon aus, dass eine Unterbrechung der Musikbeschallung nach fünfzehn Minuten für die Dauer von fünf Minuten zum Schutz der den „Rave“ begleitenden Polizeibeamten erforderlich ist. Dass eine Polizeibegleitung angesichts der von der Antragsgegnerin angestellten Gefahrenprognose erforderlich ist, steht außer Frage. Andererseits steht das - für fünf Minuten untersagte - Abspielen von (laut Angabe des Veranstalters im Kooperationsgespräch Techno-) Musik nur in einem sehr entfernten Zusammenhang zum Versammlungsrecht der Antragstellerin.“

Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht ist dem in seinem auf die Beschwerde der Klägerin ergangenen Beschluss vom 06.08.2010 mit folgenden Erwägungen gefolgt:

„Die Auflage Nr. 5 dient dem aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn folgenden Gesundheitsschutz der eingesetzten Polizeibeamten. Verbindliche normative Grenzwerte für den dienstbedingt hinnehmbaren Lärm bestehen - soweit ersichtlich - für niedersächsische Polizeibeamte außerhalb der offenen Regelungen des allgemeinen Arbeitsschutzrechts nicht, so dass insoweit eine einzelfallbezogene bewertende Konkretisierung angezeigt ist. Wie den Beteiligten bekannt ist, hat der Senat bereits in seinem o. a. Beschluss vom 11. September 2009 eine vergleichbare, in Teilen noch weitergehende "Lärmpause" bezogen auf Musikdarbietungen innerhalb einer Versammlung für rechtmäßig erachtet. Gründe für eine abweichende Beurteilung werden von der Antragstellerin in der Beschwerdebegründung nicht substantiiert genannt und sind auch sonst nicht zu erkennen, zumal Musikdarbietungen als Teil einer nach Art. 8 GG geschützten Versammlung ohnehin nur im begrenztem Umgang zu dem vorrangig geschützten Meinungs- und Gedankenaustausch beitragen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 12.7.2001 - 1 BvQ 28 und 30/01 -, NJW 2001, 2459 ff. [BVerfG 12.07.2001 - 1 BvQ 28/01]). Eine Dezibelbegrenzung kommt der Wirkung der angeordneten "Lärm- bzw. Musikpause" von fünf Minuten nicht gleich und wäre - sollte sie sich auf die gesamte Dauer der Veranstaltung beziehen - auch kaum als milderes Mittel zu bezeichnen.“

Das Vorbringen der Klägerin im Klageverfahren bietet keine Veranlassung für eine hiervon abweichende Beurteilung, sondern lediglich zu folgender Ergänzung:

Entgegen der Auffassung der Klägerin muss die Beklagte zur Rechtfertigung der angegriffenen Auflage nicht den Nachweis erbringen, dass es in der Vergangenheit bereits zu Gesundheitsschädigungen von Polizeibeamten durch Musikbeschallung während einer Versammlung gekommen ist. Denn lärmbegrenzende Auflagen sind nicht erst dann rechtmäßig, wenn sie der Verhinderung von Gesundheitsgefahren dienen, sondern schon dann, wenn sie erheblichen Lärmbeeinträchtigungen entgegenwirken. Die Kammer folgt auch insoweit der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts, das in seinem Beschluss vom 10.11.2010 (11 LA 298/10) hierzu u.a. ausgeführt hat:

„Der Kläger geht davon aus, dass Lärmschutzauflagen versammlungsrechtlich nur zum Schutz vor Gesundheitsgefahren zulässig seien. Dies trifft jedoch nicht. Der Schutz unbeteiligter Dritter vor Immissionen, die von einer Versammlung ausgehen, greift vielmehr schon unterhalb der Schwelle der andernfalls drohenden Gesundheitsgefahr ein. Wie der Kläger im Ansatz selbst zutreffend ausführt, umfasst nämlich die öffentliche Sicherheit, zu deren Schutz nach § 15 Abs. 1 VersammlG Auflagen zulässig sind, die Einhaltung der gesamten Rechtsordnung. Dazu zählen - soweit hier erheblich - auch die Bestimmungen des Bundesimmissionsschutzgesetzes (insbesondere zu Gunsten von Anrainern einer Versammlung) sowie des Arbeitsschutzrechts, das grundsätzlich auch für niedersächsische Landesbeamte und damit auch für Polizeibeamte im Rahmen des Einsatzes bei Versammlungen gilt, vgl. § 82 NBG. Und diese Normen bieten eben schon Schutz vor erheblichen Lärmbelästigungen, d. h. unterhalb der Schwelle der andernfalls drohenden Gesundheitsgefahr, wie sich im Einzelnen aus den folgenden Ausführungen ergibt.

Nach § 22 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 3 Abs. 1 BImSchG sind nicht genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass nicht nur Gefahren, sondern auch erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft verhindert werden, soweit sie nach dem Stand der Technik vermeidbar sind. Wie das Bundesverwaltungsgericht wiederholt entschieden hat (vgl. etwa für Feuerwehrsirenen: Urt. v. 29.4.1988 - 7 C 33/87 -, BVerwGE 79, 254 ff., sowie für das Glockenschlagen: Urt. v. 30.4.1992 - 7 C 25/11 -, NJW 1992, 2779 ff., m. w. N.), sind diese Bestimmungen auch auf Anlagen i. S. d. BImSchG, zu denen grundsätzlich auch Lautsprecher gehören (vgl. Jarass, BImSchG, 8. Aufl., § 3, Rn. 72; § 22, Rn. 10), anzuwenden, die gerade dazu bestimmt sind, eine möglichst hohe Lautstärke zu erzeugen und damit verbunden Aufmerksamkeit zu erregen. Dieser Verwendungszweck führt nicht zum Ausschluss vom Schutzbereich des Bundesimmissionsschutzgesetzes, sondern ist vielmehr bei der einzelfallbezogenen Bestimmung des zu wahrenden Lärmpegels zu berücksichtigen. Hierfür wiederum können insbesondere die Maximalwerte der TA Lärm als Richtschnur dienen (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.4.1992, a. a. O., sowie Beschl. v. 2.9.1996 - 4 B 152/96 -, NVwZ 1997, 390 f.; Kutscheidt, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, BImSchG, § 3, Rn. 20 h). Ein Grund, von dieser Rechtsprechung allgemein zu Gunsten von Versammlungen abzusehen, besteht auch aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht. Von diesen in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen ist zutreffend auch die Beklagte ausgegangen. Denn sie hat sich für die Begrenzung der Geräusche, die von den auf der Versammlung des Klägers eingesetzten Lautsprechern ausgehen, an dem nach Ziffer 6.3 Satz 2 TA Lärm auch für einzelne, kurzfristige Geräuschspitzen bei seltenen Ereignissen höchstens zulässigen Immissionsrichtwert von 90 dB (A) orientiert.

Gleiches gilt, soweit die umstrittene Auflage auch aus Gründen des Arbeitsschutzes, insbesondere nach § 82 NBG, § 3 Abs. 1 Satz 6 sowie § 7 der Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung vom 9. März 2007 (BGBl. I S. 261), erlassen worden ist, weil danach ebenfalls einzelfallbezogen ggf. erforderliche Lärmschutzmaßnahmen zu bestimmen sind und solche Maßnahmen jedenfalls nicht bereits allein deshalb grundsätzlich ausscheiden, weil der Lärm von einer Versammlung ausgeht.

Da es zur Rechtfertigung der Lärmschutzauflage insgesamt, also auch hinsichtlich der darin (Sätze 3 und 4) zusätzlich angeordneten Lärmpause für die Musik, keiner Gesundheitsgefahr, sondern "nur" einer andernfalls eintretenden erheblichen Belästigung bedarf, erübrigen sich die vom Kläger weiterhin vermissten näheren Ausführungen dazu, ab welchem Lärmpegel eine solche Gesundheitsgefahr zu erwarten und wann es in der Vergangenheit zu versammlungsbedingten Gehörschäden bei Anwohnern oder Polizisten gekommen sei. Ebenso wenig kommt es deshalb auf den Nachweis einer lärmbedingten Einschüchterung oder Provokation von Polizisten oder Einwohnern oder den Einwand an, der von der Versammlung des Klägers ausgehende, für die Anlieger in der Regel nur kurzzeitige Lärm erreiche das gesundheitsschädigende Ausmaß bei Weitem nicht.

Die Polizeibeamten konnten sich der Musik ohne Beeinträchtigung ihrer dienstlichen Aufgaben weder durch Ausweichen noch durch Verwendung von Hilfsmitteln, etwa Ohrschützern, entziehen (vgl. etwa HAZ v. 28.7.2010) und müssen sich zudem auf die Verwendung von (passivem) Lärmschutz auch arbeitsschutzrechtlich nicht verweisen lassen. … Schließlich ergab sich aus der Anmeldung kein erkennbarer Bezug der durch die Auflage zeitlich begrenzten Musik zum inhaltlichen Anliegen der Demonstration, so dass die Auflage auch nicht als besonders schwerwiegender Eingriff in die Versammlungs- oder Meinungsfreiheit des Klägers eingestuft werden kann. Denn Redebeiträge sind von der Beklagten nicht zeitlich begrenzt worden.“

Auch die Auflage zu Ziff. 11, derzufolge die Versammlungsleiterin/der Versammlungsleiter dafür zu sorgen hat, dass dunkel gekleidete Teilnehmer der versammlungsrechtlichen Aktion nicht in Blockform nebeneinander gehen, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Im Hinblick auf die nicht zu beanstandende Gefahrenprognose der Beklagten und die Äußerungen der Klägerin im Kooperationsgespräch vom 28.07.2010 bestand die hinreichende Wahrscheinlichkeit der Bildung eines „Schwarzen Blocks“ bei den von der Klägerin für den 07.08.2010 angemeldeten versammlungsrechtlichen Aktionen. Seit längerem treten bei Versammlungen sowohl des linken als auch des rechten Spektrums - teilweise gegen den Willen des Veranstalters - „Schwarze Blöcke“ in Erscheinung, deren Auftreten als Verstoß gegen das Uniformierungsverbot des § 3 Abs. 1 VersG und als Gefährdung der öffentlichen Ordnung verstanden werden kann. Die Beklagte hat in ihrem Bescheid vom 30.07.2010 unter sorgfältiger Auswertung der von ihr gewonnenen Erkenntnisse den zutreffenden Schluss gezogen, dass die Teilnahme von Mitgliedern des linksextremen politischen Spektrums an den gegen das Sommerbiwak gerichteten Versammlungen und die Beabsichtigung von Störaktionen als äußerst wahrscheinlich angesehen werden musste. Diese Einschätzung teilte auch das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in seinem im Eilverfahren ergangenen Beschluss vom 06.08.2010 (S. 3,4 des Entscheidungsabdrucks). Angesichts dieses Befundes war es auch gerechtfertigt, die Bildung eines „Schwarzen Blocks“ zu erwarten, zumal die Klägerin im Kooperationsgespräch geäußert hatte, ihr sei nicht bekannt, ob ein „Schwarzer Block“ komme, sie könne das aber auch nicht ausschließen.

Bedenken gegen die Bestimmtheit (§ 1 Abs. 1 Nds. VwVfG, § 37 Abs. 1 VwVfG) der danach notwendigen Auflage hat die Kammer nicht. Im Kontext mit der Begründung dieser Auflage wird deutlich, dass durch das Verbot des Tragens dunkler Kleidung in geschlossenen Blöcken verhindert werden sollte, dass dem Bürger durch das Auftreten „Schwarzer Blöcke“ als Gesamtbild eine suggestivmilitante, aggressionsstimulierende und einschüchternde Wirkung vermittelt wird. Als solches trägt es der verfassungsrechtlichen Erwägung Rechnung, dass unfriedliche Versammlungen den Grundrechtsschutz des Art. 8 Abs. 1 GG nicht in Anspruch nehmen können. Für die Klägerin war damit klar erkennbar, dass auf Grund dieser Auflage die jeweilige Versammlungsleiterin/der jeweilige Versammlungsleiter die Bildung „Schwarzer Blöcke“ zu unterbinden hatte. Offenbar hatte sie den Inhalt dieser Verpflichtung auch tatsächlich erkannt, da sie im Kooperationsgespräch keine diesbezüglichen Nachfragen stellte.

Dass die Verpflichtung, die Bildung eines „Schwarzen Blocks“ zu verhindern, auch auf eine andernfalls drohende Gefährdung der öffentlichen Ordnung gestützt werden kann, hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in seinem im Eilverfahren ergangenen Beschluss vom 06.08.2010 herausgestellt:

„Schließlich greifen auch die zur Beschwerdebegründung vorgetragenen Einwände gegen die Auflage Nr. 11 zur Verhinderung des Auftritts eines sog. "Schwarzen Blocks" nicht durch. Insoweit geht es nicht (vorrangig) um eine Durchsetzung des ohnehin schon aus § 3 VersammlG folgenden Uniformverbots, sondern - wie die Beklagte auf Seite 18 ihres Bescheides unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts deutlich gemacht hat - um die verfassungsrechtlich zulässige Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Ordnung (i. S. d. § 15 VersammlG) infolge der Art und Weise der Durchführung einer Versammlung durch ein aggressives, die Bürger einschüchterndes Verhalten der Versammlungsteilnehmer, durch das ein Klima der Gewaltdemonstration und potentieller Gewaltbereitschaft erzeugt wird (vgl. BVerfG, Beschl. v. 19.12.2007 - 1 BvR 2793/04 -, NVwZ 2008, 671 ff.), wie es für das Auftreten des sog. "Schwarzen Blocks" charakteristisch ist (vgl. nochmals Senatsbeschl. v. 11.9.2009). Dies gilt unabhängig davon, ob diese potentielle Gewaltbereitschaft von Rechtsextremisten oder anderen Demonstrationsteilnehmer gezeigt wird; auf die Ausführungen Seite 17 des angegriffenen Bescheides wird zur näheren Begründung Bezug genommen. Im Übrigen wird durch diese Auflage die Gestaltungsfreiheit der Versammlungsteilnehmer allenfalls geringfügig beeinträchtigt, da sie lediglich einen größeren Abstand halten, sich teilweise anders kleiden oder anders gekleidete Teilnehmer einreihen lassen müssen.“

Schließlich war auch die Auflage zu Ziff.12 gerechtfertigt, nach der zur Vermeidung von Provokationen gegenüber Polizeikräften bzw. möglicher Irritationen hinsichtlich vermeintlicher Störaktionen pantomimisch-spielerische Aktionen kostümierter Personen (insbes. sog. "Clownsarmy") einen Abstand von mindestens zwei Metern zu den eingesetzten Polizeikräften zu halten hatten. Auch hinsichtlich dieser Auflage ist die Gefahrenprognose der Beklagten nicht zu beanstanden. Aufgrund des Teilnahmeaufrufs auf der Internetseite http://clownsfreiheide.de.tl konnte die Beklagte davon ausgehen, dass sog. Rebel Clowns an der Versammlung teilnehmen würden. Von den Rebel Clowns gehen nach ihrem vom Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 28.08.2009 (- 11 ME 429/09 -, S. 8 des Umdrucks) dargestellten Selbstverständnis bzw. Programm Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung aus, wenn sie sich den Polizeibeamten bis zum körperlichen Kontakt hin nähern. Mit ihrer spielerisch-provozierenden Strategie hindern sie dann die Polizeibeamten an ihrer effektiven Aufgabenerfüllung und schaffen Raum für andere, gewaltbereite Versammlungsteilnehmer - mit denen nach der zutreffenden Gefahrenprognose der Beklagten mit hoher Wahrscheinlichkeit zu rechnen war -, unbehelligt und unerkannt von der Polizei auf Dritte überzugreifen. Sie zielen mit ihren Aktionen im Übrigen auch ersichtlich darauf ab, die Polizeibeamten bis zum Verlust der Selbstbeherrschung zu provozieren, um eine Eskalation zu erreichen und Versammlungsteilnehmern einen vermeintlichen Grund für eine Gewaltanwendung gegen Polizeibeamte zu verschaffen. Die Aktionen der Rebel Clowns sind, wenn sie im körperlichen Nahbereich der Polizeibeamten stattfinden, damit gerade keine bloßen Belästigungen, die die Beamten im Hinblick auf das hohe Schutzgut des Art. 8 Abs. 1 GG aushalten müssten.

Die Auflage war nicht deshalb unverhältnismäßig, weil sie für die Rebel Clowns ein faktisches Versammlungsverbot bedeutete. Eine solche faktische Wirkung der Auflage bestand nicht. Denn nach ihrem Wortlaut sowie Sinn und Zweck war erkennbar, dass sie sich auf pantomimisch-spielerische Aktionen bezog und nicht auf die bloße Anwesenheit der Clowns. Sie erfasste mithin nicht Begegnungen von Polizeibeamten und kostümierten Personen in geringerer Entfernung als zwei Meter, wenn diese Personen ihrem Auftreten keinen Aktionscharakter geben.

Der Abstand von zwei Metern war vor dem Hintergrund der zutreffenden Gefahrenprognose geeignet, aber auch erforderlich, um die Rebel Clowns am körperlichen Einwirken auf die Polizeibeamten mit den oben dargestellten Folgen für die Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Polizeikräfte zu hindern. Die Auflage war auch angemessen, weil sie einen nur geringen Eingriff in die Versammlungsfreiheit bedeutete; denn den Clowns und etwaigen anderen kostümierten Personen war es nicht verwehrt, sich in pantomimischer Weise außerhalb des örtlich durch die Auflage zu Ziff.12 beschränkten Raums zu äußern.

Im Umfang der Verfahrenseinstellung hat die Klägerin die Kosten des Verfahrens gemäß § 161 Abs. 2 VwGO zu tragen. Danach entscheidet das Gericht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen über die Kosten. Es entspricht billigem Ermessen, die Kosten des Verfahrens der Klägerin aufzuerlegen, weil die Anfechtungsklage gegen die Auflage zu Ziff. 3 keine Aussicht auf Erfolg gehabt hätte. Die Auflage war rechtmäßig und verletzte die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 VersG lagen vor, wie sich aus dem Beschluss der Kammer vom 05.08.2010 - 10 B 3393/10 - und dem die Entscheidung be-stätigenden Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 06.08.2010 - 11 ME 306/10 - ergibt, die den Beteiligten bekannt sind und die von der Kammer weiterhin für zutreffend gehalten werden.

Die Kostenentscheidung im Übrigen folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 ZPO.

Gründe, die Berufung zuzulassen (§ 124a Abs. 1 Satz 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO), liegen nicht vor.