Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 17.09.2018, Az.: 8 LB 128/17

Ausgleichsrücklage; Beitrag; Doppik; Industrie- und Handelskammer; Kammerbeitrag; festgesetztes Kapital; Mittelbedarf; Nacherhebung; Nettoposition; Prognose; Schätzgenauigkeit

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
17.09.2018
Aktenzeichen
8 LB 128/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2018, 74245
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 20.04.2017 - AZ: 1 A 40/16

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Die Nacherhebung von Beiträgen ist grundsätzlich nicht durch die Bestandskraft des Ausgangsbescheides oder die Bestimmungen über die Rücknahme begünstigender Verwaltungsakte ausgeschlossen oder begrenzt, wenn sich etwa nachträglich herausstellt, dass im Ausgangsbescheid zu Unrecht nur eine Teilforderung geltend gemacht worden ist.

2. Bei der Feststellung des einen Beitragsbedarf auslösenden Mittelbedarfs haben Industrie- und Handelskammern das Gebot der Schätzgenauigkeit zu beachten. Bei der Wahl der Prognosemethode besteht dabei ein (sehr) weiter Gestaltungsspielraum. Dessen Grenzen sind überschritten, wenn die gewählte Methode ungeeignet oder in sich widersprüchlich ist oder wenn bei der Anwendung der Methode in widersprüchlicher oder nicht nachvollziehbarer Weise vorgegangen wird.

3. Grundlage für die Beurteilung einer gerügten Vermögensbildung durch eine Industrie- und Handelskammer im Hinblick auf den angefochtenen Beitragsbescheid sind nicht die Erfolgsrechnungen oder Bilanzen, sondern die Pläne (Anschluss an OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 23.9.2014 - 6 A 11345/13 -, DVBl. 2015, 55, juris Rn. 45).

4. Kammermitglieder dürfen die Zahlung des Kammerbeitrags nicht mit Einwänden gegen die Beitragsverwendung, das heißt gegen bestimmte Tätigkeiten der Kammer, verweigern. Rücklagen und andere Elemente der Mittelbedarfsfeststellung können im Beitragsstreit darauf überprüft werden, ob der Zweck der Rücklage oder sonstigen Mittelverwendung seiner Art nach zulässig ist. Dass es sich bei einzelnen Tätigkeiten, die mit Mitteln aus der Rücklage finanziert werden sollen, um eine rechtswidrige Mittelverwendung handelt, führt nicht zur Rechtswidrigkeit der Beitragsfestlegung.

5. Das Verbot der Bildung von Vermögen durch Industrie- und Handelskammern betrifft nicht das bilanzielle Vermögen, sondern die Zweckbindung von Entnahmen und Einstellungen im Rahmen der Mittelbedarfsfeststellung.

6. Der Prüfung ist die von der Beklagten im Prozess vorgetragene Bemessung der erforderlichen Höhe der Ausgleichsrücklage zugrundezulegen. Das gilt auch dann, wenn der Vollversammlung zur Vorbereitung der Entscheidung über die Mittelbedarfsfeststellung eine abweichende oder eine die prognostischen Leitentscheidungen nur unzureichend widerspiegelnde Darstellung der die Höhe betreffenden Prognose vorlag.

Aus der Einhaltung des in dem Finanzstatut einer Industrie- und Handelskammer für die Höhe der Ausgleichsrücklage vorgesehenen Anteils der Rücklage an den geplanten Aufwendungen ergibt sich keine Vermutung für deren Angemessenheit.

7. Es führt zur Rechtswidrigkeit eines Wirtschaftsplans, wenn ihm eine unzulässige Einstellung in die Nettoposition bzw. das Festgesetzte Kapital zugrundeliegt oder die Nettoposition bzw. das Festgesetzte Kapital in rechtswidriger Höhe beibehalten wird.

8. Es ist ein Grundsatz des staatlichen Haushaltsrechts, dass die in der Eröffnungsbilanz ermittelte Nettoposition später grundsätzlich nicht geändert wird. Ausnahmen aus sachlichen Gründen sind möglich. Die Herstellung von Fristenkongruenz in der Bilanz ist kein sachlicher Grund für eine Erhöhung der Nettoposition.

9. Eine rechtswidrige Mittelbedarfsfeststellung führt nicht zur Unwirksamkeit des Beitragstarifs, wenn feststeht, dass ein Mittelbedarf in derselben Höhe auch ohne Verstoß gegen Haushaltsrecht ermittelt worden wäre und insoweit kein Gestaltungsspielraum der Industrie- und Handelskammer besteht.

10. Die allgemeine Vorgehensweise im Rahmen des DIHK-Risikotools ist eine grundsätzlich geeignete Prognosemethode zur Bemessung der Höhe der Ausgleichsrücklage. Prognosefehlerhaft ist es jedoch, wenn bei der Anwendung dieser Methode einzelne Risiken in unzulässiger, widersprüchlicher oder nicht nachvollziehbarer Weise berücksichtigt, der Höhe nach beziffert oder mit einer Eintrittswahrscheinlichkeit bewertet werden.

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig - 1. Kammer - vom 20. April 2017 aufgehoben.

Der Bescheid der Beklagten vom 4. Februar 2016 wird hinsichtlich der Festsetzung der Beiträge für das Geschäftsjahr 2011 in Höhe von 44,41 Euro und der vorläufigen Festsetzung der Beiträge für das Geschäftsjahr 2016 in Höhe von 85,57 Euro aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen den Beitrag zur Industrie- und Handelskammer für die Jahre 2011 und 2016.

Die Bilanz der Beklagten für das Jahr 2009 wies ein positives Ergebnis von 79.347,31 Euro aus. Sie enthielt eine Nettoposition in Höhe von 550.000 Euro; diese Höhe hatte sie bereits in der Eröffnungsbilanz gehabt. Die Ausgleichsrücklage betrug zum 31. Dezember 2009 4.918.924,27 Euro. Die Vollversammlung der Beklagten beschloss am 1. Juni 2010, den Bilanzgewinn der Ausgleichsrücklage zuzuführen.

Die Wirtschaftssatzung für das Geschäftsjahr 2011 wurde am 25. November 2010 von der Vollversammlung beschlossen. Im Rahmen der Feststellung des Wirtschaftsplans wurden Erträge in Höhe von 13.320.100,00 Euro, Aufwendungen in Höhe von 12.888.700,00 Euro und ein Saldo der Rücklagenveränderung in Höhe von 431.400,00 Euro festgelegt. Dem lag ein Erfolgsplan zugrunde, der Erträge aus IHK-Beiträgen von 8.838.600,00 Euro und Einstellungen in die Ausgleichsrücklage von 431.400,00 Euro vorsah. Die Plan-Bilanz enthielt eine Hochrechnung der Ausgleichsrücklage für 2010 von 3.198.000,00 Euro, für 2011 waren 3.630.000,00 Euro geplant. Als andere Rücklage war nur die Instandhaltungsrücklage eingeplant, die 2010 und 2011 126.000,00 Euro betragen sollte. Des Weiteren wurden die Beiträge festgelegt, u.a. ein Grundbeitrag von 70,00 Euro für IHK-Zugehörige, die nicht im Handelsregister oder Genossenschaftsregister eingetragen sind und deren Gewerbebetrieb nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert, mit einem Gewerbeertrag, hilfsweise Gewinn, von über 15.340,00 Euro bis 26.000,00 Euro und eine Umlage von 0,17 % des Gewerbeertrages bzw. Gewinns aus Gewerbebetrieb, wobei die Bemessungsgrundlage bei natürlichen Personen um einen Freibetrag von 15.340,00 Euro zu kürzen war.

Die am 23. Mai 2011 aufgestellte Bilanz der Beklagten zum 31. Dezember 2010 ermittelte einen Bilanzgewinn von 10.649,81 Euro und bezifferte das Festgesetzte Kapital auf 2.350.000,00 Euro, die Ausgleichsrücklage auf 3.198.271,58 Euro und andere Rücklagen auf 250.000,00 Euro.

Das Festgesetzte Kapital, das aus der Nettoposition hervorgegangen war, war gegenüber der Eröffnungsbilanz erhöht worden. Diese war im Jahr 2010 auf 2.350.000,00 Euro angestiegen und betrug 2012 5.000.000,00 Euro.

Am 1. Dezember 2011 wurde die Nachtragswirtschaftssatzung 2011 beschlossen. Danach sollten die Erträge 14.822.400,00 Euro, die Aufwendungen 12.837.500,00 Euro und der Saldo der Rücklagenveränderungen 1.984.900,00 Euro betragen. Der Beitragstarif wurde nicht verändert. Nach der GuV-Planung zum Stand 1. Dezember 2011 sollte eine Einstellung in die Ausgleichsrücklage in Höhe von 1.984.900,00 Euro erfolgen. Damit war nach der Planbilanz für 2011 eine Ausgleichsrücklage in Höhe von 5.194.000,00 Euro geplant.

Die am 20. April 2012 aufgestellte Bilanz der Beklagten zum 31. Dezember 2011 ermittelte einen Bilanzgewinn von 1.892.220,02 Euro und bezifferte das Festgesetzte Kapital auf 2.350.000,00 Euro, die Ausgleichsrücklage auf 3.208.921,39 Euro und andere Rücklagen auf 250.000,00 Euro.

Der Vollversammlung wurde daraufhin ausweislich des Protokolls der Sitzung am 7. Juni 2012 kein Gewinnverwendungsbeschluss vorgeschlagen, weil sie in der Sitzung im November des vorangegangenen Jahres die Einstellung des Ergebnisses in die Ausgleichsrücklage genehmigt habe. Im tatsächlichen Ist seien 1.892.220,00 Euro dieser Rücklage zugeführt worden. Das Ergebnis betrage nun 0 Euro.

Durch Bescheid vom 15. November 2013 erfolgte hinsichtlich des vom Kläger zu zahlenden IHK-Beitrages für das Jahr 2011 eine „Abrechnung“, bei der der Jahresbeitrag aufgrund eines Gewinns von 13.000,00 Euro auf 30,00 Euro festgesetzt wurde.

Aus der zum 28. Mai 2015 aufgestellten Bilanz zum 31. Dezember 2014 ergab sich ein Bilanzgewinn 69.983,89 Euro. Die Vollversammlung beschloss am 23. September 2015, das Ergebnis für die Einstellung in die Ausgleichsrücklage zu verwenden.

Die Vollversammlung der Beklagten beschloss am 3. Dezember 2015 die Wirtschaftssatzung für das Geschäftsjahr 2016. Im Rahmen der Feststellung des Wirtschaftsplans wurden Erträge in Höhe von 14.324.400,00 Euro, Aufwendungen in Höhe von 16.499.400,00 Euro und ein Saldo der Rücklagenveränderung in Höhe von -2.175.000,00 Euro festgelegt. Dem lag eine GuV-Planung zugrunde, die Erträge aus IHK-Beiträgen von 9.350.000,00 Euro und Entnahmen aus Rücklagen von insgesamt 2.175.000,00 Euro, davon 560.800,00 Euro aus der Ausgleichsrücklage, 1.490.000,00 Euro aus der Zinsdifferenzrücklage und 124.200,00 Euro aus der Rücklage „Projekte zur Förderung der regionalen Wirtschaft“, vorsah. Die Plan-Bilanz enthielt eine Hochrechnung der Ausgleichsrücklage zum 31.12.2015 von 7.632.000,00 Euro, somit waren zum 31.12.2016 7.071.000,00 Euro geplant. Bei den anderen Rücklagen betrug die Hochrechnung 31.12.2015 3.877.000,00 Euro, zum 31.12.2016 geplant waren 2.263.000,00 Euro. Des Weiteren wurden die Beiträge festgelegt, u.a. ein Grundbeitrag von 70,00 Euro für IHK-Zugehörige, die nicht im Handelsregister oder im Genossenschaftsregister eingetragen sind und deren Gewerbebetrieb nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert, mit einem Gewerbeertrag, hilfsweise Gewinn, von über 15.340,00 Euro bis 26.000,00 Euro und eine Umlage von 0,17 % des Gewerbeertrages bzw. Gewinns aus Gewerbebetrieb, wobei die Bemessungsgrundlage bei natürlichen Personen um einen Freibetrag von 15.340,00 Euro zu kürzen war.

Auf der Grundlage des Einkommensteuerbescheides vom 16. Dezember 2015 erließ die Beklagte am 4. Februar 2016 gegenüber dem Kläger einen Beitragsbescheid, der für den IHK-Beitrag 2011 eine „berichtigte Abrechnung“ anhand eines Gewinns von 17.934,00 Euro vornahm und zu einem Jahresbeitrag von 74,41 Euro führte. In dem Bescheid wurden 30,00 Euro als „mit früheren Bescheiden festgesetzt“ und 44,41 Euro als „mit diesem Bescheid festgesetzt“ gekennzeichnet. Für den IHK-Beitrag 2016 erfolgte eine vorläufige Veranlagung, der festgesetzte Jahresbeitrag betrug 85,57 Euro. Weiter hieß es, wenn zu den aufgeführten Beitragsjahren bereits Beitragsbescheide ergangen seien, würden diese durch den aktuellen Bescheid nicht aufgehoben, sondern lediglich abgeändert. Bei einer Änderung der steuerlichen Bemessungsgrundlagen werde der IHK-Beitrag entsprechend angepasst. Bis zum Vorliegen der endgültigen Bemessungsgrundlage werde der Beitrag vorläufig nach der letzten vorliegenden Bemessungsgrundlage oder in seltenen Fällen geschätzt berechnet.

Die Bilanz zum 31. Dezember 2015 wurde am 17. Mai 2016 aufgestellt. Sie ermittelte einen Bilanzverlust von (-)499.902,45 Euro und bezifferte das Festgesetzte Kapital auf 5.000.000,00 Euro, die Ausgleichsrücklage auf 7.132.931,54 Euro und andere Rücklagen auf 3.884.329,98 Euro.

Bei der Sitzung des Präsidiums der Beklagten am 15. September 2016 wurde ein DIHK-Risikotool vorgestellt, mit dessen Hilfe in Zukunft die als erforderlich angesehene Höhe der Ausgleichsrücklage bestimmt werden sollte. Dabei wurden Einzelrisiken mit Werten für den besten Fall, den wahrscheinlichen Fall und den schlechtesten Fall versehen und mit Eintrittswahrscheinlichkeiten bewertet. Durch Simulationen wurde ermittelt, welche Summe zur Abdeckung eines bestimmten Anteils aller möglichen Risikoeintritte erforderlich war. Die Risiken betrafen

A. Umlagen und Beiträge

A.1 Konjunktur

A.2 Ausfall großer Beitragszahler

A.3 Endgültige Beitragsbescheide

B. Gebühren

C. Entgelte (insb. Seminare und Lehrgänge)

D. Erträge aus Vermietung und Verpachtung

E. Steuern

E.4 IHK-Zeitschrift

E.7 Umsatzsteuer bei Sponsoring

F. Altersversorgung

F.2 Entwicklung des Erfüllungsbetrags über Bilanzstichtag

F.3 Absicherung erhöhter biometrischer Risiken

G. Renditerisiko

H. Beteiligungen und Mitgliedschaften

I. IT

I.1 Technische Störungen

I.2 Datenschutz und Rechtsrisiken

K. Haftungs- und Rechtsfragen

K.1 Zuwendungen - Rückforderungen

K.3 Geheimhaltungsverstoß bei Prüfungen

K.4 IHK-Wahl-Wiederholung

K.6 Sonstige Rechtsrisiken aus Reform des IHK-Versorgungswerks

L. Sachanlagen (Instandhaltung außerhalb der Instandrücklage)

Bei einem Grad der Risikoabsicherung von 90 % ergab sich ein Betrag von 7.800.000,00 Euro, bei 95 % 8.700.000,00 Euro, bei 99 % 10.500.000,00 Euro und bei 99,99 % 14.800.000,00 Euro. Das Präsidium verständigte sich auf die Absicherung von 95 % der Residualrisiken. Wegen der Einzelheiten wird auf die Beiakte 3, unter „Protokoll Präsidium 15.09.2016“, verwiesen.

Am 15. September 2016 bestätigte die Vollversammlung die Dotierung des Eigenkapitals in den Jahren 2012 bis 2015 mit seinen Unterpositionen Festgesetztes Kapital, Ausgleichsrücklage, zweckgebundene Rücklagen und Bilanzgewinn durch Beschluss. In der Vorlage heißt es, die Nettoposition sei nach dem öffentlichen Haushaltsrecht eine bei der Erstellung der Eröffnungsbilanz verbleibende Residualgröße, die „eigentlich“ für immer (ewig) festgesetzt bleibe. Sie sei gleichwohl zum Festgesetzten Kapital weiterentwickelt worden, um dem Gebot der Lesbarkeit und Transparenz stärker gerecht zu werden. Zudem erfolge eine Orientierung an der „goldenen Bilanzregel“, wonach das Festgesetzte Kapital das langfristig gebundene Sachvermögen finanziere. Im Jahresabschluss 2015 betrage die Summe der entsprechenden Aktivpositionen nur 4.581.000,00 Euro. Dies sei durch den Verkauf der Geschäftsstelle … sowie Sonderabschreibungen auf die Geschäftsstelle … begründet. Mittel- und langfristig würden durch Modernisierungen am Standort … Zuschreibungen fällig, die dann wieder für ein Gleichgewicht zwischen Aktiv- und Passivposition sorgten. Hinsichtlich der Ausgleichsrücklage sei bis 2012 in der Weise vorgegangen worden, dass die Gewerbeertragsrückgänge in der Vergangenheit, üblicherweise der letzten 10 Jahre berücksichtigt worden seien, daraus sei ein 95 %-Wahrscheinlichkeitswert gebildet worden, dessen dreifacher Jahresbetrag angesetzt worden sei. Bei der Erstellung der Zielbilanz (die dem Präsidium im September 2012 vorlag) habe dies 4.000.000,00 Euro ergeben. Für 2012 und 2013 sei wegen der Bedeutung der Automobilindustrie eine neue Berechnung erfolgt. Das konjunkturelle Risiko, berechnet mittels Standardabweichung, habe ein Risikovolumen von 1.200.000,00 Euro ergeben, der dreifache Jahresbetrag sei 3.600.000,00 Euro. Hinsichtlich der Schwankungen bei großen Beitragszahlern sei die Amplitude bei dem größten Beitragszahler für die Zeit 2006 bis 2012 mit 3.600.000,00 Euro ermittelt worden. Die Standardabweichung betrage 1.300.000,00 Euro, der Mittelwert betrage ebenfalls 1.300.000,00 Euro. Hinzu kämen Folgerisiken bei Zulieferern von 20 %. Unter Berücksichtigung der Standardabweichungen und des mehrjährigen Risikoszenarios sei ein Risiko von 4.700.000,00 Euro ermittelt worden. Die Schwankungen aus vorläufiger und endgültiger Abrechnung machten 500.000,00 Euro aus. Dies ergebe ein Maximalrisiko von 8.800.000,00 Euro. Die geringere Höhe der Ausgleichsrücklage habe der satzungsrechtlichen Obergrenze Rechnung getragen. Die Beklagte habe den Korridor auch in den Folgejahren unter Berücksichtigung des ab 2014 erweiterten Sicherungszwecks eingehalten. Die Zinsdifferenzrücklage decke das Risiko aus der Lücke zwischen Diskontierungszinssatz auf Pensionsrückstellungen und dem erwirtschafteten Planertrag aus Finanzanlagen. Die prognostizierte Zinsdifferenz betrage für 2012 1,43 %. Jeder Zehntelprozentpunkt berge ein Risiko in Höhe von 250.000 Euro. 2013 und 2014 seien Entnahmen unterblieben. Die Rechtsaufsicht habe moniert, dass der Gesetzgeber das Risiko aus Pensionen abschließend über die Rückstellungen abgeklärt habe. Die Beklagte habe sich zu einer Abschmelzung bis spätestens 2017 bereiterklärt. Hinsichtlich der Rücklage „Projekte zur Förderung der regionalen Wirtschaft“ habe die Beklagte 2012 eine Infrastrukturrücklage in Höhe von 500.000 Euro gebildet, die Infrastrukturprojekte durch Gutachten, Befragungen u.ä. habe voranbringen sollen. Mit der Wirtschaftsplanung 2013 sei der Verwendungszweck auf die Unterstützung regionaler Initiativen zur Wirtschaftsförderung erweitert worden. Die für 2014 geplanten Projekte wurden aufgeführt. Der 2011 auf Null herabgesetzten Instandhaltungsrücklage seien 2013 wieder Mittel zugeführt worden. Grund sei eine gutachterliche Erhebung zu anstehenden Reparaturen und Maßnahmen zur energetischen Sanierung in 2011/2012 gewesen, welche ein Volumen von bis zu 3.400.000,00 Euro ergeben habe. 2016 sei ein Architektenwettbewerb angestrengt worden. Die Überlegungen bezüglich einer Umsetzung dauerten im August 2016 an. Für die Höhe sei bislang allein das in dem Gutachten genannte Volumen maßgeblich.

Die am 1. Dezember 2016 beschlossene Nachtragswirtschaftssatzung 2016 änderte die Erträge auf 17.061.300,00 Euro, die Aufwendungen auf 14.579.600,00 Euro und den Saldo der Rücklagenveränderung auf (+)1.219.000,00 Euro. Die Ausgleichsrücklage sollte dabei eine Höhe von 6.658.000,00 Euro erreichen.

Gegen den Bescheid vom 4. Februar 2016 hatte der Kläger am 22. Februar 2016 Klage erhoben. Er hat vorgetragen, die Beitragserhebung sei rechtswidrig, weil der der Wirtschaftssatzung zugrundeliegende Wirtschaftsplan rechtswidrig sei. Generell werde eine ausreichende Risikoabschätzung mit Nichtwissen bestritten. Dass der Beitrag für 2011 teilweise mit früherem Bescheid festgesetzt worden sei, hindere die Überprüfung des nunmehr festgesetzten Beitrags nicht. Der Übergang zum doppischen Rechnungswesen ändere an den anzuwendenden Maßstäben nichts.

Es sei eine Ausgleichsrücklage angesetzt worden. Der dem zugrundeliegende, im Finanzstatut vorgesehene Korridor sei rechtswidrig. Es fehle an einer fundierten Risikoprognose. Die Rücklage sei höher, als dies für ernsthaft zu befürchtende Beitragseinbrüche erforderlich sei. Für 2016 müsse begründet werden, warum die Rücklage angehoben worden sei. Die geplanten Aufwendungen seien auf den falschen Zeitpunkt bezogen worden, da die Beklagte bei dem Beschluss über die Rücklage den Aufwand des Jahres 2016 noch nicht gekannt habe. Die Erhöhung gegenüber dem Stand vom 31. Dezember 2011 müsse gerechtfertigt werden. Bei einem Nachfragerückgang müsse mit Kosteneinsparung reagiert werden. Dass ein Dreijahreszeitraum abgepuffert werden solle, sei nicht nachvollziehbar. Ein konjunkturelles Risiko von 1,3 Millionen Euro sei nicht belegt. Das Ziel, das Eigenkapital anzuheben, habe mit Risikovorsorge nichts zu tun. Andere Industrie- und Handelskammern hätten geringere Rücklagen. Die von der Beklagten benannten Risikokategorien beträfen dasselbe Risiko, nämlich konjunkturelle Schwankungen. Eine nachträgliche Bestätigung der Rücklagen durch die Vollversammlung ersetze nicht die zwingend notwendige Abschätzung bei Beschluss des Haushaltsplans. Soweit die Beklagte auf ein DIHK-Tool zur Risikoabschätzung verweise, habe dies bei der Planung des Haushalts 2016 nicht vorgelegen.

Rechtswidrig sei weiter, dass die Beklagte die Nettoposition erhöht habe. Die Anforderungen der Schätzgenauigkeit seien nicht beachtet worden. Ein sachlicher Grund für die Erhöhung sei nicht vorhanden. Der Wert der unveränderlichen Sachanlagen sei überschritten. Soweit das Finanzstatut vorsehe, dass die Nettoposition zum Festgesetzten Kapital weiterentwickelt werde, sei dies rechtswidrig.

Die Gründe der Bildung der anderen Rücklagen seien nicht nachvollziehbar. Die Rücklage „Projekte zur Förderung der regionalen Wirtschaft“ sei zu unbestimmt. Bei der Instandhaltungsrücklage fehle es an einem Zeitplan für die Umsetzung. Die Umlage sei festgelegt worden, bevor die Überlegungen zu der Maßnahme abgeschlossen gewesen seien.

Im Wirtschaftsplan 2011 habe die Beklagte einen Jahresüberschuss von 431.400,00 Euro eingeplant. Dies sei auch zur Erhöhung der Rücklagen nicht zulässig. Wolle die Beklagten die Rücklagen erhöhen, müsse sie dies im Wirtschaftsplan ausweisen und bei der Verabschiedung des Wirtschaftsplans die Zweckbindung der Überschüsse beschließen. Soweit zur Rechtfertigung auf das Finanzstatut verwiesen werde, genüge das nicht.

Die in den Bilanzen zum 31. Dezember 2009 und 31. Dezember 2014 ausgewiesenen Gewinne hätten dem jeweils nächsten Haushalt zugeführt werden müssen.

Die Beklagte habe Pensionszahlungen an eine ehemalige Geschäftsführerin eingeplant. Diese habe auf die Zahlungen keinen Anspruch. Die Zahlungen seien rechtswidrig. Dies führe zur Unwirksamkeit der Beitragsveranlagung.

Der Kläger hat beantragt,

den Beitragsbescheid vom 04.02.2016 hinsichtlich der Festsetzung der Beiträge für das Geschäftsjahr 2011 in Höhe von 44,41 Euro und der vorläufigen Festsetzung der Beiträge für das Geschäftsjahr 2016 in Höhe von 85,57 Euro aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, der Bescheid über die berichtigte Abrechnung des Beitrags 2011 regle nur die Differenz gegenüber der vorläufigen Abrechnung, weswegen die Wirtschaftsplanung 2011 nicht mehr angegriffen werden könne. Nach dem Übergang zum doppischen Rechnungswesen seien Rücklagen nicht mehr Mittelreserven, sondern Bestandteil des Eigenkapitals. Zweckfreies Vermögen sei nicht vorhanden, da sämtliche Mittel auf der Aktivseite der Bilanz für zulässige Zwecke gebunden seien.

Die Ausgleichsrücklage sei rechtmäßig. Der in dem Finanzstatut vorgesehene Korridor sei durch die Zwecke der Handlungsfähigkeit und Aufgabenerfüllung gerechtfertigt. Die Rücklagen und ihre Begründung müssten nicht eigens beschlossen werden. Es sei ausreichend, dass der Entwurf des Wirtschaftsplans mit der Einladung zur Vollversammlung versandt worden sei und habe diskutiert werden können. Das Risikoszenario sei in Präsidium und Vollversammlung behandelt worden. Da 2012 eine unterdurchschnittliche Eigenkapitaldecke festgestellt worden sei, sei eine sukzessive Erhöhung auf das den Schwankungsrisiken angemessene Maß erfolgt. Die Ausgleichsrücklage diene nicht unmittelbar der Finanzierung der Aufgabenwahrnehmung, sondern der Absicherung der Handlungsfähigkeit. Beitragsschwankungen ergäben sich aufgrund einer heterogenen Wirtschaftsstruktur, des Ausfallrisikos großer Beitragszahler und des schwankenden Gewerbesteueraufkommens. Seit 2014 seien zudem Schwankungen aufgrund möglicher Änderungen im Gewerbesteuerrecht oder im IHK-Gesetz oder eines Nachfragerückgangs bei der Weiterbildung aufzufangen. Das Ausfallrisiko großer Beitragszahler sei erheblich, insbesondere aufgrund der Automobilindustrie und der Explorationsindustrie im Kammerbezirk. Das Schwankungsrisiko der endgültigen Beitragsabrechnungen ergebe sich daraus, dass die Meldungen der Finanzverwaltung zur Bemessungsgrundlage 2 bis 4 Jahre dauerten. Die Ausgleichsrücklage sei auf Basis der Erfahrungen der Beitragsveranlagungen der vergangenen Jahre unter Berücksichtigung der Erfahrungswerte der letzten Konjunkturkrisen erfolgt. Der Eintritt des Risikofalls könne sich über 2 bis 3 Jahre auswirken, so dass die Rücklage entsprechend hoch sein müsse. Das ab 2016 verwendete Risiko-Prognose-Modell des DIHK ergebe einen Rücklagebetrag von 8,4 Millionen Euro.

Die Nettoposition sei vergleichbar mit dem gezeichneten Kapital nach Handelsrecht und keine Rücklage. Sie entspreche dem Eigenkapital und solle so hoch sein wie das langfristig gebundene Anlagevermögen. Es sei zulässig, sie an relevante Entwicklungen anzupassen.

Die Zinsdifferenzrücklage habe in den Jahren 2012 und 2013 3.575.000,00 Euro betragen. Die Instandhaltungsrücklage diene der Finanzierung der absehbar nötigen Sanierungs- und Modernisierungsaufwendungen der IHK-Immobilien. Sie solle insbesondere für die Modernisierung des Gebäudes … in … verwendet werden. Hierfür seien 3.700.000,00 Euro veranschlagt worden. Abriss-, Abschreibungs- und Interimskosten von 2.200.000,00 Euro kämen hinzu, sobald es zu dem angestrebten Ersatzneubauvorhaben komme. Der voraussichtliche Zeitrahmen der Verwendung liege von Anfang 2019 bis Ende 2022. Der prognostische Finanzbedarf belaufe sich gemäß einer qualifizierten Kostenermittlung auf 6.800.000,00 Euro netto und unter Berücksichtigung von Umsatzsteuer und Baunebenkosten auf 10.000.000,00 Euro brutto. Im Rahmen des Nachtragswirtschaftsplans 2016 sei eine Pensionszinsausgleichsrücklage gebildet worden. Sie diene als Äquivalent der Ausschüttungssperre aufgrund der gesetzlichen Veränderung des Abzinsungssatzes bei Pensionen. Der jährlich abzusichernde Wert werde durch ein versicherungsmathematisches Gutachten ermittelt und betrage im Zeitpunkt der Erstdotierung 2.251.000,00 Euro. Die Verwendung der Rücklage erfolge sukzessive in dem Maße, wie sich die betrachteten Zinssätze annäherten. Die Abschmelzung und Auflösung werde voraussichtlich 2023 abgeschlossen sein.

Die Beklagte habe zulässigerweise einen Jahresüberschuss im Jahr 2011 geplant, um ihn in die Rücklagen einzustellen. Ein solches Vorgehen sei im Falle einer geplanten Verwendung bzw. einer geplanten zweckgebundenen Eigenkapitalstärkung zulässig.

Die Annahme, ein entstandener Gewinn dürfe nicht auf neue Rechnung vorgetragen werden und sei grundsätzlich für die Beitragsrückerstattung zu nutzen, sei unzutreffend. Bei Erlass des angefochtenen Bescheides und der Feststellung des Wirtschaftsplans 2016 habe das Jahresergebnis 2015 noch nicht festgestanden. In den Vorjahren seien Überschüsse ordnungsgemäß verwendet worden. In den Jahren vor 2015 sei das Jahresergebnis aufgrund ordnungsgemäßer Jahresergebnisverwendungsbeschlüsse sogleich einer Verwendung zugeführt und nicht in das Folgejahr vorgetragen worden. 2012 bis 2014 seien die Jahresüberschüsse für nachträgliche Beitragssenkungen genutzt worden.

Die Pensionszahlungen an die ehemalige Geschäftsführerin seien rechtmäßig.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 20. April 2017 abgewiesen. Die Wirtschaftspläne 2011 und 2016 seien als Grundlage der Beitragserhebung rechtmäßig. Die gebildete Ausgleichsrücklage sei nicht zu beanstanden. Wenn das Muster-Finanzstatut eine Ausgleichsrücklage in Höhe von 30 % bis 50 % der betrieblichen Aufwendungen vorsehe, sei dies rechtmäßig. Die Bildung einer Ausgleichsrücklage innerhalb dieses Korridors sei ohne weitere Darlegung notwendig und angemessen, um eine ordnungsgemäße Haushaltsführung zu gewährleisten. Es sei ohne Weiteres nachvollziehbar und plausibel, dass ein solcher Betrag vorgehalten werde, um möglichen Liquiditätsengpässen aufgrund von Beitragsschwankungen und Zahlungsausfällen zu begegnen. Es spreche eine Vermutung dafür, dass die Ausgleichsrücklage in dieser Höhe angemessen sei. Eine solche Vermutung gelte für die Jahre 2011 und 2016, in denen die Ausgleichsrücklage ca. 42 % bzw. 42,4 % der betrieblichen Aufwendungen betragen habe. Zudem genüge die durch die Beklagte angestellte Risikoprognose dem Gebot der Schätzgenauigkeit. Für 2011 habe die Beklagte die Gewerberückgänge der letzten 10 Jahre ermittelt, auf den 95-prozentigen Wahrscheinlichkeitswert des Ertragsrückgangs geschlossen und diesen Wert mit 3 Jahren multipliziert. Bis 2016 habe die Beklagte konjunkturelle Schwankungsrisiken aufgrund rückläufigen Gewerbeertrages bei „normalen“ Beitragszahlern multipliziert mit 3 Jahren, konjunkturelle Schwankungsrisiken aufgrund rückläufigen Gewerbeertrages bei „großen“ Beitragszahlern multipliziert mit 3 Jahren und Schwankungsrisiken zwischen vorläufigen und endgültigen Veranlagungen herangezogen. Allein die Schwankungsbreite bei der Beitragsveranlagung des größten Unternehmens liege zwischen 150,00 Euro und 3.640.000,00 Euro. Das nach dieser Berechnung jeweils bestehende Maximalausfallrisiko sei unterschritten worden. Diese Erwägungen begegneten keinen durchgreifenden Bedenken. Dass die Ausgleichsrücklage in der Vergangenheit nicht voll ausgeschöpft worden sei, stehe nicht entgegen. Die Ausgleichsrücklage sichere die Zahlungsfähigkeit der Beklagten vollumfänglich ab. Das Prinzip der Jährlichkeit stehe nicht entgegen. Aufgrund des finanzamtlichen Abrechnungsmodus komme eine Beschränkung des Schwankungsrisikos auf den Jahreszyklus nicht infrage. Ein etwaiger Beitragsausfall könne sich innerhalb der 2-bis 4-jährigen Abrechnungsdauer realisieren. Es genüge, dass die Beklagte ihre Vollversammlung am 15. September 2016 mit einer entsprechenden Risikoprognose befasst habe und diese bestätigt worden sei. Seien auf der Basis der bekannten Risiken und der nachgeholten Risikoprognose die Rücklagen zutreffend und die Höhe des Mittelbedarfs im Ergebnis richtig, sei eine erneute Beschlussfassung über die Wirtschaftssatzung nicht veranlasst.

Die sonstigen Rücklagen begegneten keinen Bedenken. Die Instandhaltungsrücklage sei 2007 gebildet und 2012 abgeschmolzen worden. 2013 seien ihr erneut Mittel zugeführt worden, sie sei bis 2016 auf 1.705.000,00 Euro angehoben worden. Die Rücklage solle zur baulichen Neuordnung eines Gebäudes in … verwendet werden. Aus der diesbezüglichen Kostenermittlung ergebe sich ein Finanzbedarf von bis zu 10.000.000,00 Euro. Die 2012 bis 2016 gebildete Zinsdifferenzrücklage diene dazu, den Abstand zwischen dem Diskontierungssatz auf Pensionsrückstellungen und der tatsächlich erwirtschafteten Rendite aus Finanzanlagen abzufedern. Die Rücklage zur Förderung regionaler Wirtschaftsprojekte werde zur Förderung konkreter regionaler Wirtschaftsprojekte vorgehalten, über die die Vollversammlung jeweils beschließe.

Die Nettoposition diene der Finanzierung des langfristig gebundenen Vermögens. Ihre Höhe sei im Jahr 2011 zu gering gewesen. Sie habe nicht den im Sachanlagevermögen gebundenen Vermögenswerten entsprochen. Deshalb habe die Beklagte die Nettoposition im Jahr 2012 zum Festgesetzten Kapital fortentwickelt, was ihr ausweislich ihres Satzungsrechts erlaubt sei. Dies verstoße nicht gegen höherrangiges Recht. Die Satzungsbestimmung stelle lediglich sicher, dass die Bilanzierungsregel der Deckungs- und Fristenkongruenz eingehalten werde. Den in der Nettoposition passivierten Werten stehe kein ungebundenes Aktivvermögen zur freien Verfügung gegenüber. Sie liege mit 5.000.000,00 Euro etwas oberhalb der Summe aus den immateriellen Vermögensgegenständen und den Sachanlagen der Beklagten und sei damit noch als angemessen anzusehen.

Die Beklagte habe durch die Erwirtschaftung etwaiger Überschüsse kein Vermögen in rechtswidriger Weise gebildet. Diesbezüglich sei nicht auf die Jahre 2009 und 2014, sondern auf die Haushaltsjahre 2011 und 2016 abzuheben. 2011 seien überhaupt keine Überschüsse erwirtschaftet worden. Für 2016 liege noch kein Jahresabschluss vor. Die Beklagte habe den von ihr bilanzierten Gewinn nicht vorgetragen.

Die Einstellung von Pensionszahlungen an die ehemalige Geschäftsführerin führe nicht zum Erfolg der Klage. Diese wären selbst dann in entsprechender Höhe in den Haushalt einzustellen gewesen, wenn sie in rechtswidriger Weise gewährt würden. Es handele sich um eine durch die Beklagte eingegangene finanzielle Verpflichtung. Im Falle einer Rückforderung würden Mittel erst in zukünftige Haushalte fließen. Es sei fraglich, ob insoweit Mittel generiert würden, die einen realen Effekt auf die Beitragsentwicklung haben könnten. Der Kläger habe nicht substantiiert, aus welchen Gründen die Leistung nicht noch vom Selbstverwaltungsrecht gedeckt sein könnte.

Mit der vom Oberverwaltungsgericht durch Beschluss vom 2. Oktober 2017 (8 LA 100/17) zugelassenen Berufung macht der Kläger geltend, die angefochtenen Bescheide regelten die Beitragshöhe in vollem Umfang. Dies ergebe sich aus dem Verhältnis von vorläufiger und endgültiger Abrechnung.

Es fehle an einer ausreichenden Auseinandersetzung der Vollversammlung mit der Höhe der Ausgleichsrücklage. Eine Heilung durch nachträglichen Beschluss sei allenfalls bis zum Ablauf des Wirtschaftsjahres möglich gewesen. Die Beklagte könne sich nicht unter Hinweis auf den pauschalen Korridor der Einhaltung des Gebots der Schätzgenauigkeit entziehen. Zudem wäre mindestens bei der Beschlussfassung über diesen Korridor dem Gebot der Schätzgenauigkeit zu folgen gewesen. Die vom Verwaltungsgericht angewendete Vermutungsregel sei der Rechtsprechung anderer Verwaltungsgerichte nicht zu entnehmen. Zweck der Ausgleichsrücklage sei nur der Ausgleich ergebniswirksamer Schwankungen, nicht aber die Aufrechterhaltung einer Kassenwirtschaft ohne die Inanspruchnahme von Krediten. Es müsse überprüft werden, warum die Rücklage eher am oberen Rand des Korridors und nicht an dessen unterem Ende gebildet worden sei. 2011 sei noch eine Ausgleichsrücklage von knapp 22 % als ausreichend erschienen. Die Ausgleichsrücklage sei auf ihren satzungsmäßigen Zweck begrenzt und übernehme nicht die Funktion einer Insolvenzrücklage, die im Fall des Eintritts aller Maximalrisiken zur Verfügung stehe. Es entspreche nicht dem Gebot der Schätzgenauigkeit, wenn von der Möglichkeit des gleichzeitigen Eintritts aller Maximalrisiken ausgegangen werde. Die Beklagte gehe selbst von einer guten Wirtschaftslage aus. Die Tatsache, dass andere Industrie- und Handelskammern die Ausgleichsrücklage abgesenkt hätten, müsse zu einer vertieften Prüfung Anlass geben. Hohe Anhebungen innerhalb kurzer Zeiträume verletzten das Äquivalenzprinzip und den Gleichheitsgrundsatz und liefen der Pflicht zur pfleglichen Behandlung der Beitragspflichtigen zuwider. In den Jahresabschlüssen 2011 und 2012 seien unterschiedliche Rücklagenhöhen angegeben, was der Haushaltswahrheit widerspreche. Die einzelnen Zuführungen zu der Rücklage seien ohne Angabe der zugrundeliegenden Erwägungen erfolgt. Die Beklagte habe die Ausgleichsrücklage ohne Einhaltung ihres Zwecks als Puffer benutzt. Der Beschluss vom 15. September 2016 rechtfertige die Rücklagenhöhe nicht, weil die als Risiko angesehenen Einnahmenausfälle bislang nie aufgetreten seien und die Berücksichtigung eines dreijährigen Zeitraums fehlerhaft sei. Die Unterlagen reichten zur Prüfung nicht aus. Bei Rücklagenerhöhungen im Rahmen der Nachtragswirtschaftsplanung müsse eine neue, die günstige Entwicklung berücksichtigende Prognose erfolgen. Es seien zu Unrecht Risiken berücksichtigt worden, ohne dass diese den Erfahrungen der Vergangenheit entsprächen. Die Vorsorge für Risiken, die sich in entfernterer Zukunft oder über mehrere Perioden realisierten, dürfe nicht den Beitragspflichtigen eines einzigen Beitragsjahres auferlegt werden.

Die Instandhaltungsrücklage sei jährlich zu planen und dürfe nicht für mehrere Jahre in der Zukunft liegende Vorhaben vorgesehen werden. Auf Wahlen bezogene Risiken dürften nach Ablauf der Anfechtungsfrist nicht mehr berücksichtigt werden.

Die Mittel, die zur Erhöhung der Nettoposition verwendet worden seien, stammten fast vollständig aus ungeplanten Gewinnen. Die Anhebung der Nettoposition sei nur unter sehr eingeschränkten Bedingungen zulässig, die vorliegend nicht erfüllt seien. Auf Prüfvermerke von Landesrechnungshöfen werde verwiesen. Die Satzungsregelung, die eine Entwicklung der Nettoposition zum Festgesetzten Kapital anordne, weiche vom Muster-Finanzstatut und den Regelungen fast aller anderen Industrie- und Handelskammern ab. Die wesentlichen Unterschiede hinsichtlich der Bilanzierung einer privaten Firma und einer Körperschaft des öffentlichen Rechts würden verkannt. Der Finanzierung des langfristig gebundenen Vermögens diene die Nettoposition nur gemeinsam mit anderen Eigenkapitalpositionen. Bei der Umstellung auf die kaufmännische Buchführung sei die Nettoposition eine Residualgröße gewesen, die in der Regel nicht veränderlich sei. Der Wert der unveränderlichen Sachanlagen liege mittlerweile sogar unterhalb der Höhe der Nettoposition. Es sei nicht nachzuvollziehen, dass das Verwaltungsgericht diese gleichwohl als angemessen angesehen habe. Mit der Anhebung der Nettoposition habe die Beklagte eine Rücklage gebildet, für die es keine Rechtfertigung gebe.

Ungeplante Gewinne seien entweder an die Beitragszahler zu erstatten oder umgehend dem nächsten Haushalt zuzuführen. Ein dauerhafter Gewinnvortrag sei unzulässig. Bei der gebotenen ex ante-Betrachtung könnten nur die Gewinne berücksichtigt werden, die bei der Beschlussfassung über die Wirtschaftssatzung bekannt seien. Dies seien hinsichtlich des Haushaltes 2011 der Gewinn des Jahres 2009 und hinsichtlich des Haushaltes 2016 der Gewinn des Jahres 2014 gewesen.

Die Beklagte habe für das Jahr 2011 in unzulässiger Weise unter Verstoß gegen das Kostendeckungsprinzip einen Überschuss geplant.

Die Beklagte gewähre rechtswidrige Zahlungen an die ehemalige Geschäftsführerin. Die Einstellung von Mitteln zur Befriedigung rechtswidriger Ansprüche in den Haushalt sei rechtswidrig und müsse zur erfolgreichen Anfechtung führen.

Er beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig - 1. Kammer - vom 20. April 2017 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 4. Februar 2016 hinsichtlich der Festsetzung der Beiträge für das Geschäftsjahr 2011 in Höhe von 44,41 Euro und der vorläufigen Festsetzung der Beiträge für das Geschäftsjahr 2016 in Höhe von 85,57 Euro aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie wiederholt erstinstanzliches Vorbringen und ergänzt, hinsichtlich des Jahres 2011 regele der angefochtene Bescheid nur einen Saldo von 44,41 Euro. Die Regelungswirkung sei wegen § 15 Abs. 3 und 4 der Beitragsordnung auf eine Korrektur beschränkt. Die Änderung erfolge allein aus Gründen, die mit der Bemessungsgrundlage zusammenhingen. Es sei ein allgemeiner Rechtsgedanke, dass jede Änderung einer bereits erfolgten Abgabenerhebung nur hinsichtlich des ändernden Teils erneut anfechtbar sei. Durch die neue Beitragsveranlagung werde nur die Frage der Beitragshöhe neu und nur im Hinblick auf den Differenzbetrag zur vorhergehenden Veranlagung geregelt. Nur im Zuge des Rechtsschutzes gegen die erstmalige Veranlagung könnten Einwände gegen die Mittelbedarfsfeststellung erhoben werden. Im vorliegenden Verfahren sei das nicht mehr möglich.

Es fehle an einer substantiierten Darlegung von Mängeln der Bedarfsfeststellung. Das Gericht sei auf eine Willkürkontrolle beschränkt. Bei der Beurteilung der Rücklagenbildung komme es maßgeblich darauf an, ob im Rahmen einer materiellen Betrachtung Anhaltspunkte dargelegt würden, die dafür sprächen, dass zweckentsprechende Risiken abgedeckt würden und die Beträge nicht überhöht seien. Ob im Zeitpunkt der Aufstellung des Wirtschaftsplans eine Prognose der Vollversammlung dokumentiert worden sei, sei unerheblich. Es sei zulässig, wenn die Vollversammlung die Angemessenheit der Rücklagenhöhe nachträglich bestätige.

Es bestehe eine Vermutung für die Angemessenheit der Ausgleichsrücklage, wenn sie innerhalb des in dem Muster-Finanzstatut vorgesehenen Rahmens von 30 % bis 50 % der betrieblichen Aufwendungen liege. Diesen Vorgaben lägen Erfahrungssätze zugrunde, welche die IHK-Organisation in Kooperation mit Aufsichtsbehörden ermittelt habe. Soweit Vorsorge für einen Dreijahreszeitraum getroffen worden sei, sei dies zulässig, weil ein Konjunktureinbruch längerfristige Auswirkungen haben könne und eine prozyklische Haushaltsgestaltung zu vermeiden sei. Der Wirtschaftsplan 2016 sei auf der Grundlage der seit 2012 angewandten Kalkulation erstellt worden, der Nachtragswirtschaftsplan 2016 unter Berücksichtigung der Ergebnisse des Risikotools. Beide Methoden bestätigten die Angemessenheit der Ausgleichsrücklage. Maßgeblich solle nunmehr die mit dem Risikotool erstellte Prognose sein. Soweit im Rahmen der seit 2012 angewandten Kalkulation sowohl ein Konjunkturrisiko als auch ein Schwankungsrisiko bei endgültiger Veranlagung in Ansatz gebracht worden seien, korrelierten diese Risiken nicht miteinander. Das hat die Beklagte zunächst damit begründet, dass das Konjunkturrisiko konjunkturell bedingte, ungeplante Rückgänge abdecke, während das Schwankungsrisiko bei endgültiger Veranlagung sich auf nicht primär konjunkturell, sondern unternehmerisch bedingte Rückgänge, etwa aufgrund von Betriebsstillegungen, Unternehmensabwicklungen oder Standortverlagerungen, beziehe. Später hat sie ausgeführt, das Schwankungsrisiko stelle auf den Datensatz der Umlage aus dem Vorjahr ab, für das die Konjunkturentwicklung bereits bekannt sei. Es werde auf bereits vorliegende Informationen, auch zur Konjunktur, zurückgegriffen, so dass in diesem Einzelrisiko kein Konjunkturrisiko berücksichtigt werde. Das Konjunkturrisiko betreffe die mögliche konjunkturelle Entwicklung in dem betroffenen Planjahr und sei bei Aufstellung des jeweiligen Wirtschaftsplanes noch nicht bekannt. Für die laufende Beitragsveranlagung werde das Konjunkturrisiko berücksichtigt, während für die endgültige Beitragsveranlagung ein Konjunkturrisiko nicht geplant und berücksichtigt werden könne, da die endgültige Abrechnung frühere Jahre betreffe, für die die jeweilige Konjunktur bereits bekannt sei. Die bekannte Konjunkturentwicklung in den Vorjahren werde unmittelbar in der Wirtschaftsplanung berücksichtigt. Das Schwankungsrisiko der endgültigen Veranlagung sei aus dem Mittelwert aller Erträge aus den Vorjahren unter Abzug des „VW-Klumpenrisikos“ ermittelt und mit 50 % dieses Mittelwerts angesetzt worden. Das Risiko bei den Automobilzulieferern sei anhand der Beschäftigtenzahlen von VW und den Zulieferbetrieben unter Berücksichtigung der Tatsache, dass letztere auch andere Auftraggeber hätten, geschätzt worden. Das im Rahmen des Risikotools gewählte Konfidenzintervall von 95 % sei wirtschaftsüblich und entspreche einem Rating von BBB. Der Ansatz biometrischer Risiken sei erfolgt, weil höhere Ausgaben zu erwarten seien, die sich aber noch nicht aus Sterbetafeln ergäben und deshalb noch nicht geeignet seien, eine Rückstellung nach HGB zu rechtfertigen. Die Berücksichtigung von Instandhaltungskosten betreffe Ausgaben, die nicht - wie bei der Instandhaltungsrücklage - konkreten Sanierungsbedarf abbildeten, sondern der Möglichkeit Rechnung trügen, die Vollversammlung könnte einen Neubau beschließen, wie er im Rahmen eines Wettbewerbs und nachfolgender Überlegungen in Betracht gezogen worden sei. In Bezug auf Kammerwahlen sei ein Reputationsschaden nicht quantifiziert worden.

Die Beklagte dürfe die Nettoposition zum Festgesetzten Kapital weiterentwickeln und die Höhe an der Höhe des langfristig gebundenen Vermögens ausrichten. Die diesbezügliche Satzungsregelung sei rechtmäßig; die Standards staatlicher Doppik gehörten nicht zu den haushaltsrechtlichen Grundsätzen. Hierdurch sei kein Vermögen gebildet worden. Die Bilanzposition diene der Darstellung des langfristig gebundenen Vermögens, das nicht zur anderweitigen Kostendeckung zur Verfügung stehe. Soweit die Summe der materiellen Vermögensgegenstände und der Sachanlagen etwas unterhalb des Festgesetzten Kapitals gelegen habe, sei die Passivposition immer noch geeignet gewesen, das langfristig gebundene Vermögen zu finanzieren. Es handele sich nicht um Vermögen, sondern um eine rechnerische Bilanzposition auf der Passivseite. Diese sei keine planerische Position im Rahmen der Mittelbedarfsfeststellung. Das Festgesetzte Kapital sei aufgrund neuerer Entwicklungen, insbesondere der Veräußerung der Geschäftsstelle in …, im Zuge der Feststellung des Jahresabschlusses 2016 auf 3.800.000,00 Euro gesenkt worden. Eine frühere Reduzierung wäre nicht sachgerecht gewesen, weil damit zu rechnen gewesen sei, dass mittel- bis langfristig wieder Zuschreibungen fällig würden.

Die Rechtswidrigkeit der Pensionszahlungen an die ehemalige Geschäftsführerin sei nicht belegt. Im Rahmen der Beitragsanfechtung sei der Wirtschaftsplan nur auf Fehler zu überprüfen, die sich auf die Rechtmäßigkeit des Beitragsbescheides auswirkten. Es sei nicht dargelegt, dass die Pensionszahlungen eine solche Auswirkung haben könnten.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig und begründet. Die Klage führt zur Aufhebung der berichtigten Abrechnung eines weiteren Beitrages von 44,41 Euro für das Jahr 2011 und der vorläufigen Festsetzung eines Beitrags von 85,57 Euro für das Jahr 2016 durch den angefochtenen Bescheid. Sie ist zulässig und begründet.

I. In dem durch den Klageantrag festgelegten Umfang des Streitgegenstandes ist die Klage zulässig, insbesondere als Anfechtungsklage statthaft. Der angefochtene Verwaltungsakt regelt jedenfalls einen weiteren Beitrag in Höhe von 44,41 Euro für 2011 und einen Beitrag in Höhe von 85,57 Euro für 2016. Dies ist von der Rechtsnatur vorausgegangener Beitragsbescheide unabhängig, denn in der genannten Höhe wird erstmalig eine Regelung getroffen.

Die Erwägungen der Beklagten zur Unzulässigkeit sind für die Statthaftigkeit der Klage unerheblich. Die Beklagte trägt vor, die „berichtigte Abrechnung“ in dem angefochtenen Verwaltungsakt lasse die bestandskräftig bereits zuvor festgesetzte Beitragshöhe unberührt. Der Kläger habe bereits durch die vorhergehenden Bescheide die Möglichkeit effektiven Rechtsschutzes gehabt. Die Grundsätze des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit stünden einer erneuten Anfechtungsmöglichkeit entgegen. Selbst wenn sich - was nicht der Fall ist (s.u. II.1.b.) - aus vorangegangenen Bescheiden eine Bindungswirkung für den nunmehr angefochtenen Verwaltungsakt ergäbe, wäre dies eine Frage der Begründetheit. Der Rechtsschutz gegen eine erstmalige Beschwer durch einen neuen Verwaltungsakt wird dem Bürger durch die Bestandskraft eines anderen Verwaltungsaktes jedenfalls nicht in der Weise abgeschnitten, dass bereits die Anfechtungsklage als solche ausgeschlossen wäre.

Der in der mündlichen Verhandlung vorgetragene Einwand, im Falle geringer Beträge bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis, verkennt die Garantie effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 GG.

II. Die Klage ist begründet. Der Bescheid vom 4. Februar 2016 ist in dem angefochtenen Umfang rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1. Die Festsetzung eines weiteren Beitrags in Höhe von 44,41 Euro für das Jahr 2011 ist rechtswidrig.

a. Ermächtigungsgrundlage ist § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG i.V.m. §§ 1, 6, 7 der Beitragsordnung der Beklagten und Nr. III.1.b), IV. der Nachtragswirtschaftssatzung 2011.

aa. Einer weitergehenden Ermächtigungsgrundlage bedarf es nicht. Insbesondere hat der Bescheid vom 15. November 2013, mit dem der IHK-Beitrag 2011 abgerechnet worden war, nicht geregelt, dass kein höherer als der darin festgesetzte Beitrag zu leisten ist. Seine Rechtsfolge ist es nicht, weitergehende Beitragsforderungen auszuschließen. Deswegen ist es nicht erforderlich, eine solche Regelung aufzuheben, und eine zusätzliche Ermächtigungsgrundlage, die diese Aufhebung ermöglichen würde, ist nicht vonnöten.

Für das Jahr 2011 ist mit dem Bescheid vom 15. November 2013 bereits eine „Abrechnung“ vorgenommen worden. Der Kläger ficht eine Beitragsfestsetzung an, die darüber hinausgeht. Dabei handelt es sich um eine Nacherhebung von Beiträgen.

Die Nacherhebung von Beiträgen zur Industrie- und Handelskammer ist zulässig. Ein Beitragsbescheid stellt regelmäßig nur einen ausschließlich belastenden Verwaltungsakt dar, nicht aber zugleich auch einen begünstigenden Verwaltungsakt mit dem Inhalt, eine weitergehende als die festgesetzte Forderung sei ausgeschlossen. Dementsprechend ist eine Nacherhebung nicht durch die Bestandskraft des Ausgangsbescheides oder die Bestimmungen über die Rücknahme begünstigender Verwaltungsakte (§ 48 Abs. 1 Satz 2 VwVfG) ausgeschlossen oder begrenzt, wenn sich etwa nachträglich herausstellt, dass im Ausgangsbescheid zu Unrecht nur eine Teilforderung geltend gemacht worden ist. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Nacherhebung nach dem maßgeblichen materiellen Recht generell ausgeschlossen oder zumindest eingeschränkt ist, der Nacherhebung im Einzelfall ein verfassungsrechtlich geschütztes Vertrauen des Abgabenschuldners entgegensteht oder dem Ausgangsbescheid ausnahmsweise ausdrücklich oder sinngemäß eine solche Einschränkung des Nacherhebungsrechts zu entnehmen ist (vgl. Senatsbeschl. v. 4.5.2009 - 8 LC 106/08 -, GewArch. 2009, 314, juris Rn. 23). Keiner dieser Sonderfälle ist hier gegeben.

bb. Der in der Nachtragswirtschaftssatzung 2011 enthaltene Beitragstarif einschließlich der Nr. III.1.b), IV. ist jedoch nichtig, weil die ihm zugrundeliegende Mittelbedarfsfeststellung den für sie geltenden rechtlichen Anforderungen nicht genügt.

b. Die Nacherhebung ist nicht bereits deshalb rechtmäßig, weil der Beitragstarif für 2011 ohne gerichtliche Prüfung anzuwenden wäre. Entgegen dem Beklagtenvorbringen sind dem Kläger Einwendungen gegen den Nachtragswirtschaftsplan 2011 nicht abgeschnitten.

Die Nacherhebung von Beiträgen bedarf einer wirksamen Ermächtigungsgrundlage. Die Regelung hat die (erneute) Anwendung des Beitragstarifs zum Gegenstand. Das Erfordernis, dass dieser wirksam sein muss, entfällt nicht dadurch, dass in der Vergangenheit ein Beitrag festgesetzt und dessen Festsetzung bestandskräftig geworden ist (vgl. zum Verhältnis von vorläufigem und endgültigem Abgabenbescheid BVerwG, Urt. v. 13.12.1974 - IV C 26.73 -, KStZ 1975, 71).

Aus dem konkreten Inhalt der hier zu betrachtenden Verwaltungsakte folgt nichts anderes. Durch den Bescheid vom 15. November 2013 ist allein eine Beitragshöhe für 2011 in Höhe von 30,00 Euro festgesetzt worden. Daraus ergibt sich für die Nacherhebung keine Bindungswirkung hinsichtlich des Beitragstarifs. Eine solche Bindungswirkung bestünde nur, wenn die Angaben zum Beitragstarif in dem Bescheid an der Regelungswirkung teilhätten. Das ist nicht der Fall. Der nunmehr geforderte Grundbeitrag von 70,00 Euro ist in dem Bescheid gar nicht aufgeführt. Der Umlagen-Hebesatz ist zwar angegeben, wurde aber nicht angewendet. Anhaltspunkte dafür, dass insoweit eine rechtliche Verbindlichkeit herbeigeführt werden sollte, sind nicht vorhanden. Vielmehr handelt es sich um einen Teil der Begründung der Beitragsfestsetzung. Ob es überhaupt eine Ermächtigungsgrundlage dafür gäbe, den satzungsrechtlichen Beitragstarif, dessen Nichtigkeit zeitlich unbeschränkt im Beitragsrechtsstreit geltend gemacht werden kann, in eine der Bestandskraft fähige Regelung durch Verwaltungsakt zu überführen, kann offen bleiben.

c. Im Beitragsstreit kann der Beitragspflichtige den Beitragstarif mit dem Vortrag angreifen, die Mittelbedarfsfeststellung sei fehlerhaft.

aa. Die Beitragserhebung ist grundsätzlich verfassungsgemäß. Es handelt sich um eine Sonderlast, die aufgrund des individuellen Vorteils der in den Mitgliedschaftsrechten stets gebotenen Möglichkeit, die eigenen Interessen in das Kammergeschehen einzubringen, gerechtfertigt ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 12.7.2017 - 1 BvR 2222/12, 1106/13 -, NJW 2017, 2744, juris Rn. 71 ff.).

Zur Rechtswidrigkeit der Beitragserhebung im Einzelfall führt es jedoch, wenn die Festlegung der Beitragshöhe in einer Wirtschaftssatzung erfolgt ist, deren Wirtschaftsplan den Anforderungen des § 3 Abs. 2 IHKG nicht genügt. Nach dieser Vorschrift werden die Kosten der Errichtung und Tätigkeit der Industrie- und Handelskammer, soweit sie nicht anderweitig gedeckt sind, nach Maßgabe des Wirtschaftsplans durch Beiträge der Kammerzugehörigen gemäß einer Beitragsordnung aufgebracht. Der Wirtschaftsplan ist jährlich nach den Grundsätzen einer sparsamen und wirtschaftlichen Finanzgebarung unter pfleglicher Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen aufzustellen. Für das Rechnungswesen, insbesondere Rechnungslegung und Aufstellung und Vollzug des Wirtschaftsplans und den Jahresabschluss der Industrie- und Handelskammern sind gemäß § 3 Abs. 7a IHKG die Grundsätze kaufmännischer Rechnungslegung und Buchführung in sinngemäßer Weise nach dem Dritten Buch des Handelsgesetzbuches in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Das Nähere wird durch Satzung unter Beachtung der Grundsätze des staatlichen Haushaltsrechts geregelt.

Die Festlegung der Beitragshöhe ist von dem nicht durch Einnahmen anderweitig gedeckten Mittelbedarf abhängig, der sich aus dem Wirtschaftsplan ergibt und den die Beitragsordnung auf die Mitglieder umlegt. Soweit der Wirtschaftsplan diesen Mittelbedarf bestimmt, ist er der gerichtlichen Überprüfung im Beitragsstreit zugänglich (vgl. BVerwG, Urt. v. 9.12.2015 - 10 C 6.15 -, BVerwGE 153, 315, juris Rn. 12 ff.; Beschl. v. 22.6.2018 - 10 B 6.17 -, juris Rn. 8).

Die Kammer besitzt bei der Aufstellung des Haushaltsplanes (Wirtschaftsplanes) einen (sehr) weiten Gestaltungsspielraum. Dieser besteht freilich nicht als globale Größe für den gesamten Bereich des Haushalts- und Finanzrechts, sondern nur, soweit er konkret in den jeweils zu beachtenden Rechtsnormen angelegt ist (BVerwG, Urt. v. 9.12.2015 - 10 C 6.15 -, BVerwGE 153, 315, juris Rn. 14, 16). Solche Spielräume bestehen insbesondere auch bei der Anwendung des Gebots der Schätzgenauigkeit, das zu den gemäß § 3 Abs. 7a Satz 2 IHKG zu beachtenden Grundsätzen des staatlichen Haushaltsrechts gehört.

Aus dem Verfassungsgebot der Haushaltswahrheit folgt vor allem die Pflicht zur Schätzgenauigkeit mit dem Ziel, die Wirksamkeit der Budgetfunktionen - Leitung, Kontrolle und Transparenz durch Öffentlichkeit der staatlichen Tätigkeiten - zu gewährleisten. Welche Verhaltensanforderungen an die beteiligten Organe im Einzelnen aus dieser Pflicht folgen, lässt sich kaum generell und abstrakt bestimmen. Jedenfalls ist die Pflicht verletzt durch bewusst falsche Ansätze, aber auch durch „gegriffene“ Ansätze, die trotz naheliegender Möglichkeiten besserer Informationsgewinnung ein angemessenes Bemühen um realitätsnahe Prognosen zu erwartender Einnahmen oder Ausgaben vermissen lassen. Wie andere Prognosen sind auch die vielfach erforderlichen Einnahmen- und Ausgabenschätzungen nicht schon dann als Verstoß gegen das Wahrheitsgebot zu bewerten, wenn sie sich im Nachhinein als falsch erweisen. Sie müssen stets nur aus der Sicht ex ante sachgerecht und vertretbar ausfallen. Was dabei als vertretbar zu gelten hat, kann nur aufgrund einer Gesamtbewertung der konkreten Entscheidungssituation unter Berücksichtigung des betroffenen Sach- und Regelungsbereichs, der Bedeutung der zu treffenden Entscheidung und deren Folgen sowie der verfügbaren Tatsachengrundlagen für die Prognose bestimmt werden (vgl. BVerfG, Urt. v. 9.7.2007 - 2 BvF 1/04 -, BVerfGE 119, 96, juris Rn. 104, zum Staatshaushalt). Das den Haushalt beschließende Organ verfügt insoweit über einen Prognosespielraum. So kann etwa bei der Veranschlagung der Steuereinnahmen, deren Höhe von der nicht präzise voraussehbaren gesamtwirtschaftlichen Entwicklung abhängt, vom Haushaltsgesetzgeber nicht mehr verlangt werden als eine auf vernünftigen Erwägungen beruhende Schätzung (Niedersächsischer StGH, Urt. v. 30.9.2011 - StGH 1/10 -, juris Rn. 127).

Das Gebot der Schätzgenauigkeit begründet mithin keine Pflicht zur genauestmöglichen Vorhersage, sondern fordert ein angemessenes Bemühen um realitätsnahe Prognosen, das beispielsweise auch in der Heranziehung langjähriger Erfahrungswerte bestehen kann (vgl. BVerfG, Urt. v. 9.7.2007 - 2 BvF 1/04 -, BVerfGE 119, 96, juris Rn. 106). Die daraus folgenden Anforderungen entsprechen den auch im allgemeinen Verwaltungsrecht entwickelten Maßstäben für die Prüfung behördlicher Prognoseentscheidungen. Zu beanstanden ist eine Prognose demnach nicht, wenn sie nach einer geeigneten Methode durchgeführt wurde, der ihr zugrundeliegende Sachverhalt zutreffend ermittelt und das Ergebnis einleuchtend begründet ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 16.12.1992 - 1 BvR 167/87 -, BVerfGE 88, 40, juris Rn. 54; BVerwG, Urt. v. 4.4.2012 - 4 C 8.09, 4 C 9.09, 4 C 1.10, 4 C 2.10, 4 C 3.10, 4 C 4.10, 4 C 5.10, 4 C 6.10 -, BVerwGE 142, 234, juris Rn. 59 m.w.N.; v. 29.6.2017 - 3 A 1.16 -, juris Rn. 88).

Der Gestaltungsspielraum der Industrie- und Handelskammern äußert sich in der Kontrolle dieser Prognose. Bei der Richtigkeit der Tatsachengrundlage gibt es keine Freiräume. Dagegen ist der Spielraum bei der Auswahl der Prognosemethode ausgesprochen weit. Hier sind zukünftige Mittelbedarfe und Ertragslagen von Wirtschaftsteilnehmern abzuschätzen. Dabei spielen vielfältige Einflussfaktoren eine Rolle. Prognosen von Wirtschaftsdaten sind mit hoher Unsicherheit behaftet. Es ist nicht ersichtlich, dass es einen Kanon anerkannter Methoden für diesbezügliche Prognosen im Rahmen der Haushaltsplanung gäbe. Die Grenzen des Gestaltungsspielraums sind aber überschritten, wenn die gewählte Methode ungeeignet oder in sich widersprüchlich ist oder wenn bei der Anwendung der Methode in widersprüchlicher oder nicht nachvollziehbarer Weise vorgegangen wird. Dagegen ist es unerheblich, wenn Beteiligte geltend machen, es habe in der Vergangenheit keine der Prognose entsprechende Einnahmenausfälle oder vergleichbare Ereignisse gegeben.

Die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Beitragserhebung erfolgt in der Weise, dass die im Wirtschaftsplan vorgesehenen Zuführungen oder Auflösungen überprüft werden. Denn nach § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG werden die Kosten der Errichtung und Tätigkeit der Industrie- und Handelskammer nach Maßgabe des Wirtschaftsplans durch Beiträge aufgebracht. Grundlage für die Beurteilung der gerügten Vermögensbildung durch die Beklagte im Hinblick auf den angefochtenen Beitragsbescheid sind daher nicht die Erfolgsrechnungen oder Bilanzen, sondern die Pläne, da allein auf deren Grundlage die Beitragserhebung erfolgt (OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 23.9.2014 - 6 A 11345/13 -, DVBl. 2015, 55, juris Rn. 45).

bb. Kammermitglieder dürfen die Zahlung des Kammerbeitrags nicht mit Einwänden gegen die Beitragsverwendung verweigern. Dies betrifft solche Einwände gegen die Beitragsverwendung, die sich gegen bestimmte Tätigkeiten der Kammer richten. Ein Kammermitglied kann die Kammer zwar gerichtlich auf Unterlassung von Tätigkeiten in Anspruch nehmen, die außerhalb ihres gesetzlichen Aufgabenkreises liegen, kann mit dieser Begründung jedoch nicht die Entrichtung des Kammerbeitrags verweigern. Dies findet seine Begründung darin, dass der Kammerbeitrag der Finanzierung der gesamten Kammertätigkeit dient und daher nicht mit der gebotenen Bestimmtheit einer einzelnen Tätigkeit zugeordnet werden kann. Mit Blick auf die Kammertätigkeit ist der Kammerbeitrag daher verwendungsneutral. Im Beitragsprozess zur Prüfung gestellt werden kann hingegen die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen für die Haushaltsführung (vgl. BVerwG, Urt. v. 9.12.2015 - 10 C 6/15 -, BVerwGE 153, 315, juris Rn. 15; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 13.12.1979 - 7 C 65/78 -, BVerwGE 59, 242, juris Rn. 22). Nicht beanstandet werden können konkrete Ausgaben für bestimmte Tätigkeiten (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 23.9.2014 - 6 A 11345/13 -, DVBl. 2015, 55, juris Rn. 34).

Auch von der Kammer getätigte Ausgaben, deren Anlass außerhalb des Aufgabenkreises lagen, müssen mit den Mitteln der Kammer finanziert werden. Solche Ausgaben entstehen nicht, wenn die zugrundeliegende Tätigkeit durch eine Unterlassungsklage unterbunden wurde. Der Beitragsstreit, der unter Umständen erst nach Ablauf des Wirtschaftsjahres rechtskräftig abgeschlossen wird, vermag solche Ausgaben hingegen nicht zu verhindern (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 13.4.2011 - 6 A 11076/10 -, LKRZ 2011, 238, juris Rn. 18). Führten sie zur Aufhebung des Beitragsbescheids, so müsste die Kammer sie gleichwohl finanzieren, so dass bloß eine Verschiebung in andere Beitragsjahre die Folge wäre.

Bezogen auf Rücklagen und andere Elemente der Mittelbedarfsfeststellung bedeutet dies, dass im Beitragsstreit neben der Einhaltung des Gebots der Schätzgenauigkeit überprüft werden kann, ob der Zweck der Rücklage oder sonstigen Mittelverwendung seiner Art nach zulässig ist oder ob die Rücklage wegen des vorgesehenen Verwendungszwecks schlechthin nicht Inhalt des Wirtschaftsplans sein darf. Dass es sich bei einzelnen Tätigkeiten, die mit Mitteln aus der Rücklage finanziert werden sollen (oder im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bereits finanziert worden sind), um eine rechtswidrige Mittelverwendung handelt, ist kein spezifisch haushaltsrechtlicher Verstoß und führt nicht zur Rechtswidrigkeit der Beitragsfestlegung.

d. Die Mittelbedarfsfeststellung in der Wirtschaftsplanung 2011 der Beklagten steht mit dem Haushaltsrecht nicht im Einklang, soweit eine Zuführung zur Ausgleichsrücklage erfolgt und die Höhe des in den Vorjahren erhöhten Festgesetzten Kapitals beibehalten worden sind. Das Gericht geht nur den im Berufungsverfahren vorgebrachten Rügen nach; zu einer ungefragten Fehlersuche besteht kein Anlass.

aa. Die im Nachtragswirtschaftsplan 2011 vorgesehene Zuführung zur Ausgleichsrücklage genügt den haushaltsrechtlichen Anforderungen nicht.

(1) Um Schwankungen im Beitragsaufkommen auszugleichen, hatte die Beklagte gemäß § 13 Abs. 3 Satz 1 ihres Finanzstatuts in der 2011 geltenden Fassung eine Ausgleichsrücklage anzusammeln, die zwischen 30 v. H. und 50 v. H. der Betriebsaufwendungen betrug.

(a) Bei den Mitteln für angemessene Rücklagen handelt es sich um Kosten der Industrie- und Handelskammer im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG, die in Ermangelung anderer Finanzquellen durch Beiträge zu decken sind (BVerwG, Urt. v. 26.6.1990 - 1 C 45.87 -, NVwZ 1990, 1167, juris Rn. 20; v. 9.12.2015 - 10 C 6.15 -, BVerwGE 153, 315, juris Rn. 17).

Rücklagen dürfen nicht der Bildung von Vermögen dienen (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.6.1990 - 1 C 45.87 -, NVwZ 1990, 1167, juris Rn. 20). Das Maß der Rücklage muss von ihrem legitimen Zweck gedeckt sein; eine hierdurch in ihrer Höhe nicht mehr gedeckte Rücklage wäre nicht mehr angemessen und würde einer unzulässigen Vermögensbildung gleichkommen. Hieraus folgt nicht nur, dass die Kammer eine überhöhte Rücklage nicht bilden darf, sondern auch, dass sie eine überhöhte Rücklage baldmöglichst wieder auf ein zulässiges Maß zurückführen muss. Die Entscheidung über das Vorhalten einer Rücklage und über deren Höhe muss die Kammer bei jedem Wirtschaftsplan - und damit jährlich - erneut treffen. Ein Wirtschaftsplan kann deshalb nicht nur dann rechtswidrig sein, wenn er eine überhöhte Rücklagenbildung vorsieht, sondern auch dann, wenn er eine überhöhte Rücklage beibehält (vgl. BVerwG, Urt. v. 9.12.2015 - 10 C 6.15 -, BVerwGE 153, 315, juris Rn. 18).

(b) An diesen Grundsätzen ist auch nach Einführung der Verwaltungsdoppik und der damit verbundenen Orientierung an der kaufmännischen Buchführung festzuhalten, da die Bildung von angemessenen Rücklagen auch weiterhin für die Industrie- und Handelskammern als nicht gewinnorientierte öffentlichrechtliche Körperschaften notwendig ist und zu einer geordneten Haushaltsführung gehört (vgl. BVerwG, Urt. v. 9.12.2015 - 10 C 6.15 -, BVerwGE 153, 315, juris Rn. 17).

Allerdings bedarf die Aussage, der Kammer sei die Bildung von Vermögen verboten (vgl. BVerwG, Urt. v. 9.12.2015 - 10 C 6.15 -, BVerwGE 153, 315, juris Rn. 17) im Rahmen des durch § 3 Abs. 7a IHKG festgelegten Rechnungswesens der Klarstellung. Insoweit ist nicht das bilanzielle Vermögen, sondern die Zweckbindung von Entnahmen und Einstellungen im Rahmen der Mittelbedarfsfeststellung gemeint.

In der Bilanz werden das Vermögen auf der Aktivseite und das Kapital auf der Passivseite dargestellt (vgl. § 266 HGB). Mit der Einführung der Bilanz bei einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft wird das Vermögen nach kameralistischer Definition unterschiedlichen Sphären zugeordnet (zum Folgenden Horn, WiVerw. 2017, 96, 101 ff.). Das vormals nachrichtlich erfasste Sachanlage- und Finanzvermögen wird nun auf der Aktivseite verbucht. Auch das Verwaltungsvermögen wird hier zugeordnet. Demgegenüber werden die Rücklagen, die vormals dem Vermögenshaushalt zugehörten, als Teil des Eigenkapitals auf der Passivseite erfasst. Die Rücklage bildet demnach die Herkunft eines Mittelbestandes ab, während die Verwendung im Sinne eines Gegenwerts als Bareinlage, Wertpapier oder anderweitiges Vermögen auf der Aktivseite verbucht wird. Eine Zuordnung der Passivposten, insbesondere der Rücklagen, zu einzelnen Aktivposten erfolgt in der Bilanz nicht.

In der Literatur wird vertreten, dass die Umstellung des Rechnungswesens Änderungen in Bezug auf die rechtlichen Grenzen der Beitragserhebung zur Folge habe. Eine Beitragsfestsetzung sei nicht allein wegen einer fehlerhaften Prognose der Rücklagenhöhe rechtswidrig. Industrie- und Handelskammern verfügten über kein freies Vermögen, sondern benötigten das gesamte Vermögen zur Aufgabenerfüllung. Der Schluss von einem Prognosemangel bei der Ausgleichsrücklage auf das Vorhandensein freien Vermögens sei nach dem Übergang auf die Doppik nicht mehr möglich. Da sich das Vermögen auf der Aktivseite der Bilanz befinde und erst die Zusammenschau von Aktiv- und Passivseite Aussagen über den Vermögensbedarf erlaube, könne aus der Betrachtung der Rücklagen, insbesondere der Ausgleichsrücklage, nichts abgeleitet werden (vgl. Horn, WiVerw. 2017, 96, 104; Vetterlein, WiVerw. 2017, 115, 125; Wilk, WiVerw. 2017, 126, 132 ff., 140 ff.).

Des Weiteren wird vorausgesetzt, dass die Industrie- und Handelskammer ihre Kapitalstruktur so einzurichten habe, dass die sog. goldene Bilanzregel befolgt werde bzw. dass Fristenkongruenz zwischen Mittelbindung auf der Aktivseite und Kapitalverfügbarkeit auf der Passivseite bestehe (vgl. Horn, WiVerw. 2017, 96, 105; Vetterlein, WiVerw. 2017, 115, 119; Wilk, WiVerw. 2017, 126, 137). Die Art und Weise der Berechnung der Nettoposition in der Eröffnungsbilanz habe es mit sich gebracht, dass diese Regel von den meisten Industrie- und Handelskammern nicht eingehalten werde. Dies habe zu einer Unterfinanzierung des aufgabenbezogenen Vermögens geführt, also des nicht realisierbaren, zur langfristigen Aufgabenerfüllung eingesetzten Vermögens. Nur wenn die Kapitalstruktur anders beschaffen sei, wenn nämlich das realisierbare Vermögen die Summe der Schulden und „variablen“ Rücklagen übersteige, stehe nicht zur Deckung von Verpflichtungen benötigtes, freies Vermögen zur Verfügung, das sich beitragsmindernd auswirke.

Den dargestellten Ansichten ist für die Frage, ob die Mittelbedarfsfeststellung rechtmäßig ist, nicht zu folgen. Prüfungsgegenstand ist nicht die Bilanz, sondern die Beitragsfestsetzung durch die Wirtschaftssatzung. Die Festsetzung der Beitragshöhe ist Ausfluss der Mittelbedarfsfeststellung. Diese ist grundsätzlich aus dem Erfolgsplan oder der Plan-Gewinn- und Verlustrechnung zu ersehen. Darin werden diejenigen Erträge und Aufwendungen geplant, die zusammen mit Gewinn- oder Verlustvortrag sowie Einstellungen in und Entnahmen aus Rücklagen und ggf. Nettoposition einen Bilanzgewinn von 0 Euro ergeben. Erfolgen ungerechtfertigte Einstellungen in die Ausgleichsrücklage oder wird zu Unrecht keine Entnahme geplant, so ist der Mittelbedarf zu hoch angesetzt. Eine ungerechtfertigte Planung in Bezug auf die Ausgleichsrücklage liegt auch dann vor, wenn die Höhe der Rücklage durch Erwägungen bestimmt wird, die zwar möglicherweise den Ansatz von Eigenkapital, aber nicht in Form der Ausgleichsrücklage, tragen. Denn es widerspricht der Haushaltswahrheit, wenn die Ausgleichsrücklage, deren Zweckbestimmung durch Rechtssatz (§ 13 Abs. 3 Satz 1 Finanzstatut) festgelegt ist, in Wahrheit anderen Zwecken dient. Mit anderen Worten verstieße eine automatische Kompensation einer überhöhten Ausgleichsrücklage durch eine zu geringe Nettoposition haushaltsrechtlichen Grundsätzen. Selbst wenn die Befolgung der goldenen Bilanzregel oder anderer Finanzierungsregeln für die Industrie- und Handelskammern Bedeutung haben sollte, kann dies nur im Rahmen des haushaltsrechtlich Erlaubten erfolgen. Hierzu gehört insbesondere, dass, soweit den Passivposten durch das Haushaltsrecht Zwecke zugeordnet worden sind, gegen diese Zwecke nicht verstoßen werden darf.

Der Verstoß der Mittelbedarfsfeststellung gegen Haushaltsrecht hat nicht denknotwendig die Rechtswidrigkeit des Beitragstarifs zur Folge. Zuvor kann zu prüfen sein, ob sich der Haushaltsrechtsverstoß auf die Beitragshöhe ausgewirkt hat. Die beiden Fragen sind aber nicht dadurch zu vermengen, dass im Hinblick auf eine nach dem Vortrag der Industrie- und Handelskammer erforderliche Bilanzstruktur bereits ein Verstoß gegen die rechtlichen Vorgaben für die Mittelbedarfsfeststellung verneint wird. Die Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit des Beitragstarifs werden unter e. erörtert.

(2) Der Prüfung ist die von der Beklagten im Prozess vorgetragene Bemessung der erforderlichen Höhe der Ausgleichsrücklage zugrundezulegen. Das gilt auch dann, wenn der Vollversammlung zur Vorbereitung der Entscheidung über die Mittelbedarfsfeststellung eine abweichende oder eine die prognostischen Leitentscheidungen nur unzureichend widerspiegelnde Darstellung der die Höhe betreffenden Prognose vorlag („materielle Betrachtung“, so im Ergebnis auch Hamburgisches OVG, Urt. v. 20.2.2018 - 5 Bf 213/12 -, juris Rn. 55; Kuhla/Munding, WiVerw. 2017, 81, 87 f.; a.A. VG Düsseldorf, Urt. v. 30.3.2017 - 20 K 3225/15 -, juris Rn. 356, 383; VG Köln, Urt. v. 16.6.2016 - 1 K 1188/15 -, juris Rn. 55 ff.).

Bei der richterlichen Kontrolle von (untergesetzlichen) Normen kommt es, soweit keine anderweitigen Rechtsvorschriften bestehen, auf das Ergebnis des Rechtssetzungsverfahrens, also auf die erlassene Vorschrift in ihrer regelnden Wirkung, nicht aber auf die die Rechtsnorm tragenden Motive dessen an, der an ihrem Erlass mitwirkt. Soweit der Normgeber zur Regelung einer Frage befugt ist, ist seine Entscheidungsfreiheit eine Ausprägung des auch mit Rechtssetzungsakten der Exekutive typischerweise verbundenen normativen Ermessens. Es wird erst dann rechtswidrig ausgeübt, wenn die getroffene Entscheidung in Anbetracht des Zweckes der Ermächtigung schlechterdings unvertretbar oder unverhältnismäßig ist. Demgemäß beschränkt sich die verwaltungsgerichtliche Kontrolle darauf, ob diese äußersten rechtlichen Grenzen der Rechtssetzungsbefugnis überschritten sind. Die Rechtsprechung hat zu respektieren, dass der parlamentarische Gesetzgeber, der in § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG die Industrie- und Handelskammern ermächtigt hat, zur Aufbringung der Kosten ihrer Tätigkeit nach Maßgabe des Wirtschaftsplans Beiträge von den Kammerzugehörigen zu erheben, im Rahmen dieser Ermächtigung eigene Gestaltungsfreiräume an den Satzungsgeber weiterleitet und dass mit der Satzungsgebung vorbehaltlich gesetzlicher Beschränkungen die Bewertungsspielräume verbunden sind, die sonst dem parlamentarischen Gesetzgeber selbst zustehen. Eine verwaltungsgerichtliche Überprüfung des Abwägungsvorgangs des Normgebers setzt daher bei untergesetzlichen Normen eine besonders ausgestaltete Bindung des Normgebers an gesetzlich formulierte Abwägungsdirektiven voraus, wie sie etwa im Bauplanungsrecht vorgegeben sind. Sind solche nicht vorhanden, kann die Rechtswidrigkeit einer Norm mit Mängeln im Abwägungsvorgang nicht begründet werden. Entscheidend ist allein, ob das Ergebnis des Normsetzungsverfahrens den anzulegenden rechtlichen Maßstäben entspricht (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.4.2006 - 6 C 19.05 -, BVerwGE 125, 384, juris Rn. 16, zu § 113 HwO; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 17.4.2002 - 9 CN 1.01 -, BVerwGE 116, 188, juris Rn. 31 ff.; v. 29.9.2004 - 10 C 3/04 -, NVwZ 2005, 332, juris Rn. 21).

Die hier einschlägigen Rechtsgrundlagen stellen keine besonderen Anforderungen an die Ausübung des Satzungsermessens durch die Kammerorgane. Insbesondere ist ihnen nicht zu entnehmen, dass die Rechtmäßigkeit der Festlegung des Beitragstarifs davon abhinge, dass der Vollversammlung Prognoseunterlagen mit einer vorgegebenen Informationstiefe vorgelegen hätten oder dass eine Befassung mit der der Mittelbedarfsfeststellung zugrundeliegenden Prognose erfolgt wäre. Entgegen dem Klägervorbringen liegt in dem wesentlichen Abstellen auf die im Prozess vorgetragene Prognose keine Einschränkung des Gebots der Schätzgenauigkeit. Die Frage, ob die Mittelbedarfsplanung durch eine diesem Gebot genügende Prognose gerechtfertigt wird, ist von der Frage, wie der Beratungsprozess in der Vollversammlung beschaffen war, zu unterscheiden.

Dies bedeutet allerdings nicht, dass das Gericht eine eigene Prognose anzustellen hätte. Anders als bei den Berechnungen im Rahmen einer Gebührenkalkulation anhand der in den Akten befindlichen Daten, liegt es außerhalb der Funktionsgrenzen der Rechtsprechung, bezüglich des Mittelbedarfs einer Industrie- und Handelskammer Prognosemethoden selbst auszuwählen und die für die Erstellung erforderlichen Tatsachen zusammenzustellen. Dies ist eine Obliegenheit der Beklagten (vgl. auch Brüning, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 6 Rn. 124 (Sept. 2015)).

Nach dem Vorstehenden ist es unschädlich, dass der nachträgliche Beschluss der Vollversammlung vom 15. September 2016 das Wirtschaftsjahr 2011 nicht zum Gegenstand hatte (vgl. zur Heilung durch nachträglichen Beschluss VG Bayreuth, Urt. v. 7.12.2016 - B 4 K 15.580 -, juris Rn. 38; VG Düsseldorf, Urt. v. 30.3.2017 - 20 K 3225/15 -, juris Rn. 388 (offengelassen); Jahn, in: Frentzel/Jäkel/Junge, IHKG, 7. Aufl. 2009, § 3 Rn. 34; anders wohl für vergangene Wirtschaftsjahre Jahn, GewArch. 2016, 253, 271).

(3) Die geplante Höhe der Ausgleichsrücklage wird durch die von der Beklagten angeführte Prognose nicht gerechtfertigt. Dies ist anhand der oben (c., d.aa.(1)) dargestellten Maßstäbe zu entscheiden; andere Prüfungsansätze sind rechtlich bedeutungslos ((a)). Die Prognose selbst genügt den Anforderungen nicht in vollem Umfang ((b)). Die tatsächlich vorgenommene Planung der Ausgleichsrücklage in dem Nachtragswirtschaftsplan 2011 überschreitet zudem den prognostizierten Rahmen ((c)).

Entgegen der Annahme des Klägers ist nicht zusätzlich zu prüfen, ob einzelnen Zuführungen zur Rücklage eine gesonderte Prognose zugrundelag. Eine unzutreffende Mittelbedarfsfeststellung liegt nur dann vor, wenn die insgesamt geplante Rücklagenhöhe über das erforderliche Maß hinausgeht. Dafür kommt es allein darauf an, ob der Gesamthöhe der Rücklage eine fehlerfreie Prognose zugrundeliegt und die Gesamthöhe eingehalten wird. Erst recht kommt es auf abweichende Zahlenangaben in Jahresabschlüssen nicht an, da diese nicht Inhalt der Wirtschaftsplanung sind.

(a) Es spricht keine Vermutung für die Angemessenheit der geplanten Höhe der Ausgleichsrücklage. Deren Rechtswidrigkeit ergibt sich andererseits nicht aus den vom Kläger angeführten Vergleichsgrößen.

(aa) Mehrere Verwaltungsgerichte haben auf den „Korridor“ eines Anteils an den geplanten Aufwendungen, den § 13 Abs. 3 Satz 1 des Finanzstatuts für die Ausgleichsrücklage vorsieht, eine Vermutung für deren Angemessenheit gestützt. Dem ist nicht zu folgen.

Die Vermutung wird zum Teil für einschlägig erachtet, wenn die Höhe der Ausgleichsrücklage unterhalb des Korridors bleibt (VG Köln, Urt. v. 15.2.2017 - 1 K 1473/16 -, GewArch. 2017, 194, juris Rn. 81; VG Schleswig, Urt. v. 15.2.2018 - 12 A 173/16 -, juris Rn. 33; VG Trier, Urt. v. 22.2.2018 - 2 K 5512/17.TR -, juris Rn. 71; ebenso Jahn, GewArch. 2016, 263, 268; offengelassen in VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 2.11.2016 - 6 S 1261/14 -, juris Rn. 37; Beschl. v. 20.7.2017 - 6 S 860/17 -, GewArch. 2018, 29, juris Rn. 12), zum Teil, wenn sie im unteren Bereich (VG Braunschweig, Urt. v. 20.4.2017 - 1 A 59/16 -; offengelassen in Hamburgisches OVG, Urt. v. 20.2.2018 - 5 Bf 213/12 -, juris Rn. 65) oder in der Mitte des Korridors (VG Ansbach, Urt. v. 8.11.2017 - AN 4 K 15.01648 -, juris Rn. 50) liegt, und zum Teil, wenn der Korridor eingehalten ist (VG Braunschweig, Urt. v. 20.4.2017 - 1 A 40/16 - und - 1 A 221/16 -; ablehnend Hamburgisches OVG, Urt. v. 20.2.2018 - 5 Bf 213/12 -, juris Rn. 65; VG Gelsenkirchen, Urt. v. 21.11.2017 - 19 K 903/16 -, juris Rn. 42).

Eine solche Vermutung kann nicht allein darauf gestützt werden, dass der Korridor im Finanzstatut normiert ist. Das Finanzstatut ist ebenso wie die Wirtschaftssatzung Satzungsrecht der Beklagten. Es hat nicht etwa höheren Rang. Die Kammerorgane müssen die haushalts- und beitragsrechtlichen Vorgaben des IHKG beim Erlass beider Satzungen in gleicher Weise erfüllen.

Gegen die Ableitung einer Vermutungsregel aus dem Finanzstatut spricht weiter, dass die besagte Regel keinen eindeutigen Gehalt aufwiese. Neben der Untergrenze des Muster-Finanzstatuts von 30 % kommen auch Untergrenzen von 20 % (in dem Parallelverfahren 2 LB 130/17, vorübergehend für zwei Jahre) und 25 % (im Verfahren VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 20.7.2017 - 6 S 860/17 -, GewArch. 2018, 29, juris Rn. 12) vor. Zudem gibt es Industrie- und Handelskammern, deren Finanzstatut keine Untergrenze vorsieht (in den Verfahren VG Köln, Urt. v. 15.2.2017 - 1 K 1473/16 -, GewArch. 2017, 194, juris Rn. 81; VG Trier, Urt. v. 22.2.2018 - 2 K 5512/17.TR -, juris Rn. 49).

Soweit die Beklagte behauptet, die Regelung beruhe auf Erfahrungssätzen, die die IHK-Organisation in enger Kooperation mit den Aufsichtsbehörden ermittelt und erarbeitet habe, ist nicht ersichtlich, welche Erfahrungen dies sein sollen. Insbesondere kann die Untergrenze nicht dadurch untermauert werden, dass es bei Einhaltung des Korridors in der Vergangenheit nicht zu finanziellen Engpässen gekommen ist. Denn dadurch wird nicht belegt, dass eine geringere Rücklagenhöhe den Ausgleichszweck nicht ebenfalls erfüllen könnte.

Folge der Anwendung der Vermutungsregel soll sein, dass die Angemessenheit der Rücklagenhöhe zum Ausgleich der Beitragsschwankungen bzw. aller ergebnisrelevanten Schwankungen vermutet wird. Zwischen dem Korridor und dieser Ausgleichsfunktion besteht jedoch keine Beziehung. Denn nach dem Finanzstatut wird eine Quote der von der Beklagten vorgesehenen Ausgaben gebildet, so dass die absoluten Geldbeträge, die die Ober- und Untergrenze des Korridors bilden, allein von der Ausgabenplanung der Organe der Beklagten abhängen.

Hinzu kommt, dass dem Kläger mit der Obliegenheit, die eingetretene Vermutung zu entkräften, etwas Unmögliches abverlangt wird. Denn auf Vortrag, warum die absolute Höhe der Ausgleichsrücklage unzutreffend ist, kommt es nicht an. Um einen Verstoß gegen den Grundsatz der Schätzgenauigkeit nachzuweisen, müssen Fehler bei der Prognosemethode oder den dabei zugrundegelegten Tatsachen dargetan werden. Wenn aber die Beklagte die Prognoseerwägungen, mit denen sie die Rücklagenhöhe rechtfertigen will, nicht angibt, ist dem Kläger derartiger Vortrag unzugänglich.

(bb) Wird andererseits die geplante Höhe der Rücklage durch eine fehlerfreie Prognose gerechtfertigt, so ist der Wirtschaftsplan insoweit rechtmäßig. Dies wird entgegen dem Klagevorbringen nicht dadurch in Zweifel gezogen, dass das Verhältnis von Ausgleichsrücklage und geplanten Aufwendungen in anderen Geschäftsjahren oder bei anderen Industrie- und Handelskammern geringer ist (vgl. VG Trier, Urt. v. 22.2.2018 - 2 K 5512/17.TR -, juris Rn. 54 f.).

Ebenfalls nicht gegen die Rechtmäßigkeit des Wirtschaftsplans spricht es, wenn die Höhe der Ausgleichsrücklage in einem kurzen Zeitraum erheblich ansteigt. Entgegen dem Klägervorbringen liegt darin keine Verletzung des Äquivalenzprinzips, des Gleichheitsgrundsatzes oder der Pflicht zur pfleglichen Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen. Denn wenn der Erhöhung der Ausgleichsrücklage eine fehlerfreie Prognose zugrundeliegt, so besteht im Zeitpunkt der Erhöhung der entsprechende Mittelbedarf der Industrie- und Handelskammer. Es ist aber jedenfalls rechtmäßig, einen bestehenden Mittelbedarf sogleich abzudecken. Das gilt auch dann, wenn § 3 Abs. 2 Satz 2 IHKG die Organe der Körperschaft ermächtigt, Belastungen über längere Zeiträume zu verteilen. Ob sie das tun, liegt allein in ihrem Gestaltungsspielraum. Wird der Mittelbedarf sogleich abgedeckt, so werden die Kosten der Kammertätigkeit gedeckt, so dass kein Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip vorliegen kann. Die Rechtmäßigkeit der sofortigen Deckung des Mittelbedarfs ist auch ein sachlicher Grund dafür, die in dem jeweiligen Jahr der Kammer angehörenden Mitglieder mit den erforderlichen Beiträgen zu belasten.

(b) Die Beklagte hat die erforderliche Höhe der Ausgleichsrücklage mit 4.000.000,00 Euro beziffert. Die der Bemessung zugrundegelegten Wertereihen sind willkürlich ausgewählt worden, so dass die Bemessung prognosefehlerhaft erfolgt ist.

Zur erforderlichen Höhe der Ausgleichsrücklage im Wirtschaftsjahr 2011 hat die Beklagte vorgetragen, hinsichtlich der Ausgleichsrücklage sei bis 2012 in der Weise vorgegangen worden, dass die Gewerbeertragsrückgänge in der Vergangenheit, üblicherweise der letzten 10 Jahre berücksichtigt worden seien, daraus sei ein 95 %-Wahrscheinlichkeitswert gebildet worden, dessen dreifacher Jahresbetrag angesetzt worden sei. Bei der Erstellung der Zielbilanz (die dem Präsidium im September 2012 vorlag) habe dies 4.000.000,00 Euro ergeben.

Die Methode einer Betrachtung der Gewerbeertragsrückgänge differenziert nicht nach den unterschiedlichen Risiken, auf denen die Beitragsschwankungen nach Einschätzung der Beklagten beruhen. Dass detailgenauere Prognosemethoden denkbar sind, lässt die Geeignetheit der von der Beklagten angewandten jedoch nicht entfallen. Zudem ist die Prognose konjunkturabhängig und die Bestimmung dieses Faktors mit zahlreichen Unwägbarkeiten verbunden. Zu mehr als der vorgenommenen methodisch nachvollziehbaren Abschätzung ist die Beklagte angesichts des zusätzlichen Aufwands von Rechts wegen nicht verpflichtet. Bei der Wahl der Prognosemethode wirkt sich im Übrigen der sehr weite Gestaltungsspielraum der Beklagten aus. Mit dem 95 %-Wahrscheinlichkeitswert ist gemeint, dass mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 % der Rückgang der Umlage in der worst-case-Betrachtung der ausgewerteten Jahre kompensiert werden kann. Auch diese Festlegung liegt im Gestaltungsspielraum der Beklagten.

Entgegen dem Klägervorbringen sieht das Gericht einen Vergleich zwischen dem geplanten und dem tatsächlichen Beitragsaufkommen nicht als allein geeignete Methode an. Mit dem Plan-Ist-Vergleich würde die Güte der jährlichen Planung ermittelt, die gerade nicht der Konjunktur folgt, sondern bei guter wie schlechter Wirtschaftslage davon abhängt, ob der Beklagten ein realitätsnaher Planansatz der erwarteten Beitragseinnahmen gelungen ist. Die Beklagte verfolgte aber das Ziel, Schwankungen der Beitragseinnahmen nicht zuletzt aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung zu erfassen.

Das Abstellen auf den dreifachen Jahresbetrag macht die Prognosemethode nicht ungeeignet. Allerdings erhöht es den Ausfallbetrag im jeweiligen Jahr nicht, dass die Mitteilung der Bemessungsgrundlagen durch die Finanzverwaltung erst mit drei- bis fünfjähriger Verzögerung erfolgt. Dies bewirkt nur eine Verteilung der Abrechnung eines Beitragsjahrs auf mehrere Wirtschaftsjahre und wiederholt sich in jedem Jahr, so dass sich die in jedem einzelnen Wirtschaftsjahr einzuplanenden Beiträge aus Vorjahren jeweils aus den Erträgen unterschiedlicher Beitragsjahre zusammensetzen. Jedoch ist die Berechnung für drei Jahre aufgrund der Direktive gerechtfertigt, die Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen pfleglich zu behandeln (§ 3 Abs. 2 Satz 2 IHKG). Dies berechtigt die Beklagte dazu, die Veränderung der Beitragshöhe von Geschäftsjahr zu Geschäftsjahr zu glätten und besonders hohe Beiträge in konjunkturell schwachen Jahren zu vermeiden. Würde in der Prognose nur das Ausfallrisiko eines Geschäftsjahrs berücksichtigt, so müssten bei mehrjährigen hohen Ausfällen die Beiträge zur Auffüllung der Rücklage im nächsten Jahr erheblich erhöht werden.

Die Auswahl der von der Prognose betrachteten Wertereihen ist willkürlich erfolgt. Ausweislich des Protokolls der Sitzung des Präsidiums am 6. September 2012 wurde die größte Schwankungsrate in den Jahren 2000 bis 2011 ermittelt. Diese betrug 25,8 % Der Durchschnitt der Umlagen 2009 bis 2012 wurde mit 25 % multipliziert. Bereits die Einbeziehung des Jahres 2011 in die Ermittlung der Schwankungsrate ergibt für die Frage, welche Prognose aus der Sicht ex ante die für 2011 geplante Höhe der Ausgleichsrücklage zu rechtfertigen vermag, keinen Sinn. Dies ist allerdings unschädlich, denn die höchste Schwankungsrate in den Jahren 2002 bis 2011 ist für 2007 ermittelt worden. Dieses Jahr wäre voraussichtlich auch einbezogen worden, wenn der betrachtete Zeitraum willkürfrei bestimmt worden wäre. Nicht erklärlich ist hingegen, warum die prognostizierte Höhe der Ausgleichsrücklage durch die Bildung eines Durchschnitts der Umlage bemessen werden können soll, die die Jahre 2011 und 2012 mit umfasst. Hinzu kommt, dass in keiner Weise plausibilisiert worden ist, warum gerade der Durchschnitt der Umlagen von vier Jahren maßgeblich sein soll, nachdem für die Schwankungsbreite eine Wertereihe aus zwölf Jahren als maßgeblich angesehen wurde. Soweit die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, im Berufungsverfahren seien noch andere Zahlen angeführt worden, ist dies für das Jahr 2011 nicht der Fall. In der Berufungserwiderung vom 6. März 2018 ist der erstinstanzliche Vortrag insoweit vielmehr wiederholt worden.

(c) Die vorstehende Prognose ergibt eine Höhe der Ausgleichrücklage von 4.000.000,00 Euro. Der Nachtragswirtschaftsplan 2011 hat im Ergebnis zur Überschreitung dieser Prognosehöhe geführt.

Die Plan-Bilanz gab für 2010 eine Höhe der Ausgleichsrücklage von 3.198.000,00 Euro an. Die der Nachtragswirtschaftssatzung zugrundeliegende GuV-Planung sah eine Einstellung in die Ausgleichsrücklage in Höhe von 1.984.900,00 Euro vor. Dies ergibt eine mit der Nachtragswirtschaftsplanung geplante Gesamthöhe der Ausgleichsrücklage von 5.182.900,00 Euro, was die Prognose überschreitet.

Wie oben (c.aa.) ausgeführt, sind Grundlage für die Beurteilung der gerügten Vermögensbildung durch die Beklagte im Hinblick auf den angefochtenen Beitragsbescheid nicht die Erfolgsrechnungen oder Bilanzen, sondern die Wirtschaftspläne. Daher ändert es an der Rechtswidrigkeit nichts, dass diese Planung bis zum 31. Dezember 2011 nicht buchungsmäßig umgesetzt wurde. Die Bilanz zu diesem Datum ergibt eine Ausgleichsrücklage von 3.208.921,39 Euro. Der für die Ausgleichsrücklage vorgesehene Betrag wurde noch als Bilanzgewinn in Höhe von 1.892.220,02 Euro geführt. Die Verwendung für die Ausgleichsrücklage war aber durch die Nachtragswirtschaftssatzung 2011 bereits vorgesehen, weswegen nach Bilanzerstellung 2012 keine Beschlussfassung über die Ergebnisverwendung mehr erfolgte. Die Höhe der Ausgleichsrücklage wurde sodann im Zuge des Vollzugs des Wirtschaftsplans 2012 auf 4.468.941,00 Euro zurückgeführt. Selbst wenn man die Rückführung 2012 berücksichtigen wollte, würde die Prognose überschritten.

bb. Die Beklagte hat die 2007 aufgrund tatsächlich bestehenden Sanierungsbedarfs gebildete Instandhaltungsrücklage in Höhe von 126.000,00 Euro 2011 für ein weiteres Jahr eingeplant. 2012 hat sie entschieden, die Rücklage aufzulösen, weil die Durchführung der Maßnahmen zurückgestellt und die Frage, ob stattdessen ein Neubau erfolgen solle, weiter geprüft werden sollte. Dass dies verzögert geschehen wäre und der Mittelbedarf 2011 nicht mehr hätte angesetzt werden dürfen, ist nicht zu erkennen.

cc. Die Beklagte hat die Erhöhung der Nettoposition auf 2.350.000,00 Euro, die 2010 erfolgt war, im Nachtragswirtschaftsplan 2011 nicht rückgängig gemacht und in diesem Plan keine Änderung an der Nettoposition vorgenommen. Dies verletzt § 3 Abs. 2 IHKG.

(1) Wird eine Einstellung in die Nettoposition bzw. das Festgesetzte Kapital im Erfolgsplan bzw. in der Plan-GuV geplant, so bewirkt dies, dass der Erfolgsplan einen geringeren Bilanzgewinn ausweist, als dies ohne die Einstellung der Fall wäre. Wird ein geringerer Bilanzgewinn ausgewiesen, so steht er der Finanzierung der Aufgabenerfüllung der Industrie- und Handelskammer nicht zur Verfügung. Dies hat einen erhöhten Mittelbedarf zur Folge, welcher durch die Erhebung von Beiträgen gedeckt werden muss. Die Festsetzung höherer Beiträge ist aber rechtswidrig, wenn die Einstellung in das Festgesetzte Kapital zu Unrecht erfolgt. Denn in diesem Fall wären die Kosten der Tätigkeit i.S.d. § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG anderweitig gedeckt, wenn der Bilanzgewinn die zutreffende Höhe hätte (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 23.9.2014 - 6 A 11345/13 -, DVBl. 2015, 55, juris Rn. 39, 41; a.A. VG Köln, Urt. v. 15.2.2017 - 1 K 1473/16 -, GewArch. 2017, 194, juris Rn. 103). Wie bei einer überhöhten Rücklagenbildung (vgl. BVerwG, Urt. v. 9.12.2015 - 10 C 6.15 -, BVerwGE 153, 315, juris Rn. 18) ist ein Wirtschaftsplan nicht nur dann rechtswidrig, wenn er eine unzulässige Einstellung in das Festgesetzte Kapital vorsieht, sondern auch dann, wenn er das Festgesetzte Kapital in rechtswidriger Höhe beibehält.

Nichts anderes gilt im Ergebnis, wenn die Erhöhung der Nettoposition erfolgt, ohne dass der dafür bestehende Mittelbedarf zunächst Gegenstand der Haushaltsplanung ist. Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung angegeben, die Erhöhung der Nettoposition sei durch Passivtausch erfolgt. Zuvor in anderen Rücklagen gebuchte Beträge seien der Nettoposition zugeschrieben worden. Dies sei nicht Inhalt des Erfolgsplans gewesen. Auch dann, wenn der Passivtausch nicht geplant, sondern nur innerhalb der Feststellung des Jahresabschlusses vorgenommen wurde, besteht der erforderliche Zusammenhang zur Mittelbedarfsfeststellung, der eine Überprüfung im Beitragsstreit gebieten kann. Zum einen geht es vorliegend um eine mögliche Rückabwicklung der Erhöhung. Diese hätte 2011 über den Erfolgsplan erfolgen können (vgl. die Planungspraxis einer anderen Industrie- und Handelskammer in dem Parallelverfahren 8 LB 130/17). Dann hätte der Erfolgsplan 2011 einen geringeren Mittelbedarf ausgewiesen. Zweitens ist auch der Passivtausch Ausdruck der Annahme, dass die Mittel in den Rücklagen für deren Zweck nicht benötigt wurden, also zur anderweitigen Finanzierung der Kosten der Tätigkeit der Beklagten zur Verfügung stünden, wenn sie nicht zur Nettoposition geschrieben würden. Dann ist es auch bereits im Zeitpunkt der Buchung zugunsten der Nettoposition fehlerhaft, sie nicht von der Mittelbedarfsfeststellung abzuziehen, falls sich die zuvor erfolgte Einstellung in die Nettoposition als rechtswidrig erweist.

(2) Die 2010 erfolgte Erhöhung des Festgesetzten Kapitals war rechtswidrig.

Sie widerspricht § 3 Abs. 7a IHKG. Nach dieser Vorschrift sind für das Rechnungswesen, insbesondere Rechnungslegung und Aufstellung und Vollzug des Wirtschaftsplans und den Jahresabschluss der Industrie- und Handelskammern die Grundsätze kaufmännischer Rechnungslegung und Buchführung in sinngemäßer Weise nach dem Dritten Buch des HGB in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Das Nähere wird durch Satzung unter Beachtung der Grundsätze des staatlichen Haushaltsrechts geregelt.

(a) Die Grundsätze des staatlichen Haushaltsrechts stehen der Erhöhung der ursprünglichen, im Rahmen der Eröffnungsbilanz ermittelten Nettoposition entgegen.

Gemäß § 7a Abs. 1 Satz 1 HGrG folgt die staatliche Doppik den Vorschriften des Ersten und des Zweiten Abschnitts Erster und Zweiter Unterabschnitt des Dritten Buches Handelsgesetzbuch und den Grundsätzen der ordnungsmäßigen Buchführung und Bilanzierung. Konkretisierungen, insbesondere die Ausübung handelsrechtlicher Wahlrechte, und von Absatz 1 abweichende Regelungen, die aufgrund der Besonderheiten der öffentlichen Haushaltswirtschaft erforderlich sind, werden nach § 7a Abs. 2 HGrG von Bund und Ländern in dem Gremium nach § 49a Abs. 1 HGrG erarbeitet. Dieses Gremium hat am 29. November 2016 die Standards für die staatliche doppelte Buchführung (Standards staatlicher Doppik) beschlossen. Nach deren Nr. 5.5.1 ergibt sich die Nettoposition in der Eröffnungsbilanz grundsätzlich als Differenz aus dem Aktivvermögen und den Schulden. In den Folgebilanzen ändert sich die Nettoposition in der Regel nicht. Diese Bestimmung ist keine Rechtsnorm. Es erscheint jedoch angezeigt, sie als Konkretisierung der Grundsätze des Haushaltsrechts im Bereich der staatlichen Doppik heranzuziehen (vgl. auch v. Lewinski/Burbat, in: Nomos-BR, § 7a HGrG Rn. 13). In dieser konkretisierenden Funktion gibt sie auch für den Zeitraum vor November 2016 Auskunft über den Inhalt der Grundsätze des staatlichen Haushaltsrechts.

Die Nettoposition ist als Rechnungsposition in der Eröffnungsbilanz entstanden. Bei der Bilanzaufstellung wurde keine Rücksicht darauf genommen, welche Ursachen die Höhe der Differenz zwischen Aktivvermögen und Schulden hatte. Dass sie den Zweck gehabt hätte, das zur Erfüllung der Aufgaben der IHK notwendige, in Sachanlagen gebundene Vermögen zu ermitteln, lässt sich nicht sagen (vgl. auch Dietrich/Strohe, Die Finanzlage öffentlicher Unternehmen in Deutschland, Universität Potsdam, Statistische Diskussionsbeiträge Nr. 46, Potsdam 2011, S. 11; a.A. VG Köln, Urt. v. 15.2.2017 - 1 K 1473/16 -, GewArch. 2017, 194, juris Rn. 100; VG Trier, Urt. v. 22.2.2018 - 2 K 5512/17.TR -, juris Rn. 81). Nach der ursprünglichen Funktion beim Ausgleich der Eröffnungsbilanz war sie unabhängig von Erwägungen einer angemessenen Eigenkapitalausstattung. Dass sie sich in den Folgebilanzen in der Regel nicht ändert, steht mit den Besonderheiten der öffentlichen Haushaltswirtschaft im Zusammenhang. Der Verwaltungsträger bestand bereits vor der Aufstellung der Eröffnungsbilanz und nahm seine Aufgaben wahr. War dies mit der Vermögens- und Kapitalausstattung möglich, die in der Eröffnungsbilanz abgebildet wurde, so besteht grundsätzlich kein Anlass, daran später etwas zu ändern.

Aus alldem ergibt sich als Grundsatz des staatlichen Haushaltsrechts, dass die in der Eröffnungsbilanz ermittelte Nettoposition später grundsätzlich nicht geändert wird. Ausnahmen aus sachlichen Gründen sind möglich. Dies ist insbesondere bei einer Änderung der Verhältnisse, die der Ermittlung der Nettoposition zugrundelagen, denkbar, so bei einer Änderung im Vermögensbestand und wohl auch beim Übergang von Fremd- zu Eigenfinanzierung des Immobilienvermögens durch Tilgung eines Immobiliendarlehens (vgl. VG Trier, Urt. v. 22.2.2018 - 2 K 5521/17.TR -, juris Rn. 88).

§ 3 Abs. 7a IHKG nimmt die Industrie- und Handelskammern von der Befolgung dieses Grundsatzes nicht aus. Eine Ermächtigung zu einer die Besonderheiten der öffentlichen Haushaltswirtschaft beiseite lassenden, besonders flexiblen unternehmensähnlichen Finanzpolitik ist der Vorschrift nicht zu entnehmen. Beabsichtigt war eine Reform nur der Rechnungslegung und damit der Darstellungsweise der Kammerfinanzen. Diese sollte die Transparenz erhöhen und das Etatrecht der Vollversammlungen stärken. Für die mit der Doppik vertrauten Mitglieder und Ehrenamtlichen werde der Nachvollzug der Planungen erleichtert. Die Unterschiede zwischen dem eigenen Unternehmen und der eigenen Industrie- und Handelskammer würden in der Abbildung der finanziellen Abläufe geringer, da sie in der gewohnten Form dargestellt würden. Die Umstellung auf die Doppik mache eine redaktionelle Anpassung des IHKG erforderlich. Da die im HGB geregelten Grundsätze nicht auf alle Geschäftsvorgänge einer Industrie- und Handelskammer exakt passten, werde eine entsprechende Anwendung vorgeschrieben (BR-Drs. 68/07, S. 79). Die Doppik soll demnach die Nachvollziehbarkeit der Haushaltswirtschaft erhöhen. Aus den gesetzgeberischen Motiven ergibt sich aber kein Hinweis darauf, dass allein die Annäherung an eine den Mitgliedern vertraute Bilanzstruktur die Annahme eines Mittelbedarfs und dessen Deckung durch die Erhebung von Beiträgen rechtfertigte.

(b) Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist hier nicht gegeben.

(aa) Satzungsrechtliche Regelungen über Änderungen der Nettoposition waren 2011 nicht vorhanden. Das Finanzstatut in der Fassung vom 8. September 2005 enthielt keine ausdrücklichen Vorschriften über die Nettoposition bzw. das Festgesetzte Kapital. Eine derartige Bestimmung ist erst am 1. Januar 2014 in Kraft getreten.

(bb) Die Herstellung von Fristenkongruenz in der Bilanz ist kein sachlicher Grund für eine Erhöhung der Nettoposition. Die Industrie- und Handelskammern befinden sich im Hinblick auf die Auswirkungen einer nicht diesen Finanzierungsregeln entsprechenden Kapitalstruktur in einer fundamental anderen Lage als ein privatwirtschaftliches Unternehmen. Sie sind zur Herstellung von Fristenkongruenz nicht verpflichtet, die Verfolgung dieses Zwecks ergibt auch keinen legitimierenden Grund.

Die „goldene Bilanzregel“ ist keine bei der Bilanzaufstellung zu beachtende Norm. Eine inhaltlich genau bestimmte „goldene Bilanzregel“ gibt es nicht. Die Fristenkongruenz der Finanzierung kann als gewahrt angesehen werden, wenn sich Eigenkapital und Anlagevermögen entsprechen (enge Fassung), in Betracht kommt aber auch eine Betrachtung von Eigenkapital und langfristigem Fremdkapital, wobei wiederum einerseits nur das Anlagevermögen oder zusätzlich das langfristig gebundene Umlaufvermögen (weiteste Fassung) gegenübergestellt werden können (vgl. auch Wöhe/Döring, Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 24. Aufl. 2010, S. 659 f.). Ausgedrückt als Kennzahlen sind der Deckungsgrad I der Quotient aus Eigenkapital und Anlagevermögen, der Deckungsgrad II die Summe aus Eigenkapital und langfristigem Fremdkapital, geteilt durch das Anlagevermögen, und der Deckungsgrad III die Summe von Eigenkapital und langfristigem Fremdkapital, dividiert durch die Summe aus Anlagevermögen und dauernd benötigtem Umlagevermögen.

Bereits die Spannbreite der möglichen Inhalte der „goldenen Bilanzregel“ schließt eine rechtliche Bindung der Industrie- und Handelskammern an sie aus. Dementsprechend ist sie im Dritten Buch des HGB oder sonstigen Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung (dazu Wöhe/Döring, Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 24. Aufl. 2010, S. 733 ff.) nicht enthalten. Auch in der Literatur, die die goldene Bilanzregel anführt, wird teilweise darauf hingewiesen, dass es eine rechtlich bindende Vorschrift zur Herstellung von Fristenkongruenz nicht gibt (vgl. Vetterlein, WiVerw. 2017, 115, 121).

Die Befolgung der „goldenen Bilanzregel“ ist nicht nur rechtlich nicht vorgeschrieben, sie bietet auch keinen sachlichen Grund für eine nachträgliche Erhöhung der Nettoposition ohne Änderung der Verhältnisse. Nach ihrer wirtschaftlichen Funktion ist die goldene Bilanzregel kein bei der Aufstellung der Bilanz einzuhaltender Grundsatz, sondern ein Instrument der Bilanzanalyse bzw. eine bei der Optimierung der finanzierungspolitischen Instrumente zu berücksichtigende Finanzierungsregel. Die Finanzierungsregeln erhalten ihren Stellenwert durch ihre Rolle bei der Kreditwürdigkeitsprüfung durch Kreditgeber (Wöhe/Döring, Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 24. Aufl. 2010, S. 660).

Wegen dieser Funktion hat die Einhaltung der „goldenen Bilanzregel“ Bedeutung für privatwirtschaftliche Unternehmen, für die Beklagte hingegen nicht. Im öffentlichen Bereich ist eine fristenkongruente Finanzierung eher die Ausnahme. Ein Forderungsausfall kann im Ergebnis nicht eintreten (vgl. zu öffentlichen Unternehmen Dietrich/Strohe, Die Finanzlage öffentlicher Unternehmen in Deutschland, Universität Potsdam, Statistische Diskussionsbeiträge Nr. 46, Potsdam 2011, S. 10, 14, 16, 31). Zum einen ist eine Zahlungsunfähigkeit faktisch weitgehend ausgeschlossen, insbesondere weil Pflichtmitgliedschaft und ein unbeschränktes Recht auf Beitragserhebung bestehen (vgl. auch BVerwG, Urt. v. 10.12.1981 - 3 C 1.81 -, BVerwGE 64, 248, juris Rn. 37). Zum anderen ist die Beklagte gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 2 InsO, § 1 Abs. 1 des Niedersächsischen Gesetzes über die Insolvenzunfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts (vom 27.3.1987, GVBl. S. 67, zuletzt geändert durch Gesetz vom 21.11.2002, GVBl. S. 730) insolvenzunfähig. Träte also gleichwohl Zahlungsunfähigkeit ein, so bestünde die Beklagte entweder fort und der Staat hätte erforderlichenfalls Finanzquellen zu eröffnen (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.11.1985 - 3 C 44.83 -, BVerwGE 72, 212, juris Rn. 47; Rieger, in: Kluth, Handbuch des Kammerrechts, 2. Aufl. 2011, § 13 Rn. 263), oder die Beklagte müsste durch staatlichen Organisationsakt aufgelöst werden mit der Folge, dass ihr Vermögen einschließlich der Verbindlichkeiten auf das Land überginge (vgl. Engelsing, Zahlungsunfähigkeit von Kommunen und anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, 1999, S. 233; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Band. 3, 5. Aufl. 2004, § 87 Rn. 21). Dementsprechend ist davon auszugehen, dass sich die Industrie- und Handelskammer Liquidität kurzfristig beschaffen kann. Entweder erhebt sie in dem jeweiligen Geschäftsjahr, in dem sich ein Mangel an realisierbarem Vermögen abzeichnet, höhere Beiträge, oder sie finanziert die Tilgung bis zum nächsten Geschäftsjahr durch einen Kredit, den sie im Hinblick auf die Insolvenzunfähigkeit ohne erkennbare Schwierigkeiten erhalten kann.

Es muss nicht entschieden werden, ob ein gewisses Maß an Fristenkongruenz im Einzelfall im Hinblick auf § 3 Abs. 2 Satz 2 IHKG gerechtfertigt sein kann. Es kann einer sparsamen Wirtschaftsführung und einer pfleglichen Behandlung der Beitragspflichtigen entsprechen, wenn eine entgeltliche Kreditfinanzierung und starke Beitragsschwankungen vermieden werden. Hierzu bedürfte es in jedem Fall einer dem Gebot der Schätzgenauigkeit Rechnung tragenden Prognose im Einzelfall, inwiefern in einem Wirtschaftsjahr Liquiditätsengpässe auftreten können und es hierfür einer Rücklagenbildung bedarf. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, einen solchen Zweck verfolgt zu haben. Zudem erscheint fraglich, ob hierzu das Festgesetzte Kapital verwendet werden könnte oder ob aus Gründen der Haushaltswahrheit eine Rücklage verwendet werden müsste.

dd. Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte habe für das Haushaltsjahr 2014 in unzulässiger Weise einen Überschuss geplant. Dies führt nicht auf einen selbständigen Mangel der Beitragsfestlegung.

Im Rahmen der GuV-Planung der Beklagten ist der Jahresüberschuss das Ergebnis vor Gewinn-/Verlustvortrag, Entnahmen aus Rücklagen und Einstellungen in Rücklagen. Beabsichtigt die Industrie- und Handelskammer eine Einstellung in Rücklagen, setzt dies zwingend voraus, dass sie einen Überschuss plant. Anders ist der anzustrebende Bilanzgewinn von 0 nicht zu erreichen. Die Planung eines Überschusses an sich kann die Rechtswidrigkeit der Mittelbedarfsfeststellung nicht begründen. Hierfür ist vielmehr allein entscheidend, ob die geplante Einstellung in Rücklagen gerechtfertigt ist, weil sie der Deckung der Kosten der Industrie- und Handelskammer im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG dient, oder ob es daran fehlt, weil die Rücklage nach Art oder Höhe nicht gerechtfertigt ist. Aus welcher Rechtsnorm sich die vom Kläger behauptete Notwendigkeit ergeben könnte, bei der Planung eines Überschusses einen Zweckbindungsbeschluss zu erlassen, ist nicht ersichtlich. Aus dem Kostendeckungsprinzip des § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG folgt sie entgegen der Behauptung des Klägers aufgrund der vorstehenden Erwägungen jedenfalls nicht.

ee. Der Kläger trägt vor, die Beklagte habe den in der Bilanz zum 31. Dezember 2009 ausgewiesenen Gewinn von 79.347,31 Euro nicht ordnungsgemäß verwendet. Dies führt nicht auf einen selbständigen Mangel der Beitragsfestlegung.

Die Vollversammlung der Beklagten hat am 1. Juni 2010 beschlossen, den Bilanzgewinn der Ausgleichsrücklage zuzuführen.

Ist die Höhe der Ausgleichsrücklage zu groß bemessen, so ist die Mittelbedarfsfeststellung rechtswidrig (dazu o. aa.). Ist ihre Höhe, und damit die Höhe der im allein maßgeblichen Erfolgsplan geplanten Entnahmen oder Einstellungen, rechtmäßig, dann wird auch der ihr zugeführte Gewinn zur Finanzierung der Tätigkeit der Beklagten verwendet. Den Anforderungen des § 3 Abs. 2 IHKG ist damit Genüge getan (vgl. auch Hamburgisches OVG, Urt. v. 20.2.2018 - 5 Bf 213/12 -, juris Rn. 97, 99). Darüber hinausgehende rechtliche Anforderungen, die sich aus der Herkunft der Mittel aus einem Bilanzgewinn ergäben, bestehen weder in formeller noch in materieller Hinsicht.

ff. Die Einplanung von Pensionszahlungen an eine ehemalige Geschäftsführerin führt nicht zur Rechtswidrigkeit der Beitragsfestlegung. Wie oben (c.bb.) ausgeführt, dürfen Kammermitglieder die Zahlung des Kammerbeitrags nicht mit Einwänden gegen die Beitragsverwendung verweigern. Dies betrifft solche Einwände gegen die Beitragsverwendung, die sich gegen bestimmte Tätigkeiten der Kammer richten. Die vermeintliche Rechtswidrigkeit konkreter Ausgaben für bestimmte Tätigkeiten der Kammer kann im Beitragsprozess nicht angeführt werden. Darum handelt es sich aber bei der Rüge des Klägers.

gg. Der Beitragsanspruch ist nicht verjährt.

Für die Heranziehung zu den Kammerbeiträgen der Beklagten gilt die regelmäßige Festsetzungsverjährung von vier Jahren. Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Beitrag entstanden ist (§ 3 Abs. 8 Satz 1 IHKG i.V.m. § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 170 Abs. 1 AO). § 171 Abs. 10 Satz 1 AO bestimmt jedoch, dass, soweit für die Festsetzung einer Steuer ein Feststellungsbescheid, ein Steuermessbescheid oder ein anderer Verwaltungsakt bindend ist (Grundlagenbescheid), die Festsetzungsfrist für den Folgebescheid nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheids an den Steuerpflichtigen endet. Dabei greift diese Ablaufhemmung nicht nur beim erstmaligen Erlass eines Grundlagenbescheids ein, sondern auch bei dessen Aufhebung oder Änderung. Der Gewerbesteuermessbescheid stellt für den angefochtenen Beitragsbescheid einen Grundlagenbescheid im Sinne des § 171 Abs. 10 Satz 1 AO dar (vgl. OVG C-Stadt-Brandenburg, Urt. v. 13.1.2017 - OVG 1 B 38.14 -, GewArch. 2017, 241, juris Rn. 18 ff.).

Der als Grundlagenbescheid herangezogene Einkommensteuerbescheid 2011 wurde am 16. Dezember 2015 erlassen. Der angefochtene Beitragsbescheid wurde am 5. Februar 2016 zugestellt.

e. Die Rechtswidrigkeit der Mittelbedarfsfeststellung wirkt sich dahingehend aus, dass auch der Beitragstarif rechtswidrig und nichtig ist, was zur Rechtswidrigkeit der Beitragserhebung führt.

Etwas anderes könnte sich ergeben, wenn feststünde, dass ein Mittelbedarf in derselben Höhe auch ohne Verstoß gegen Haushaltsrecht ermittelt worden wäre. Die Rechtswidrigkeit hätte sich dann nicht auf die Gestaltung des Beitragstarifs ausgewirkt (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.4.2002 - 9 CN 1.01 -, BVerwGE 116, 188, juris Rn. 31 ff.). Dies lässt sich jedoch nicht feststellen. Die zu untersuchende Frage ist dabei nicht, ob die tatsächliche erfolgte Mittelbedarfsfeststellung rechtswidrig ist, sondern ob im Ergebnis dieselbe Mittelbedarfsfeststellung auch bei Einhaltung der geltenden Vorschriften erfolgen müsste. Das kommt insbesondere in Betracht, wenn die Berücksichtigung einer Position zu dem angegebenen Zweck gegen den Grundsatz der Haushaltswahrheit verstößt, diese Position aber bei korrekter Deklaration ihres Zwecks rechtmäßigerweise berücksichtigt werden dürfte. Erforderlich ist hierbei jedoch, dass kein Gestaltungsspielraum der Beklagten besteht. Denn das Gericht würde seine Befugnisse überschreiten, wenn es eine nur mögliche, von der Ausübung des Gestaltungsspielraums seitens der Beklagten abhängige Prognose der erforderlichen Mittel anstellte. Welche rechtlichen Grenzen einer solchen Kompensation im Übrigen gesetzt sind, muss nicht entschieden werden. Es steht nicht fest, dass die Beklagte auch bei rechtmäßigem Vorgehen zu einer Mittelbedarfsfeststellung in derselben Höhe hätte gelangen müssen.

Dies gilt insbesondere für das in der Literatur angeführte Verhältnis von Ausgleichsrücklage und Nettoposition (s.o. aa.(1)(b)). Selbst wenn man der Ansicht ist, die Beklagte sei zur Herstellung von Fristenkongruenz berechtigt, die Nettoposition noch weitergehend zu erhöhen, so dass die zu große Höhe der Ausgleichsrücklage durch den Mittelbedarf bei der Nettoposition ausgeglichen werde, wäre dafür eine begründete Entscheidung der Beklagten nötig, an der es fehlt. Denn entgegen dem Anschein, den die Formulierung als „goldene Regel“ erweckt, versteht es sich keineswegs von selbst, welches Ausmaß an Fristenkongruenz optimal ist. Dies ist u.a. abhängig von Branche, Anlagenintensität und Geschäftsrisiko (vgl. Dietrich/Strohe, Die Finanzlage öffentlicher Unternehmen in Deutschland, Universität Potsdam, Statistische Diskussionsbeiträge Nr. 46, Potsdam 2011, S. 15, 31). Dementsprechend finden sich divergierende Angaben zur angestrebten und erreichten Höhe der Deckungsgrade. Im Kreditgewerbe werde ein Deckungsgrad I von über 100 % als ideal angesehen. In der Praxis werde häufig ein Richtwert von über 30 % als ausreichend erachtet. Das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen habe in den 70er Jahren mindestens 80 % gefordert. Nach den neueren Bonitätskriterien seien es nur 70 %. Nach einer statistischen Analyse sei der durchschnittliche Deckungsgrad I bei privaten Unternehmen in den letzten zehn Jahren vor 2011 von 50 % auf knapp 65 % gestiegen. Der Deckungsgrad I habe bei öffentlichen Unternehmen von 1999 bis 2006 zwischen 50 % und 60 % gelegen. Einen geringeren Deckungsgrad I, teilweise unter 30 %, hätten Entsorgungs- und Wohnungsunternehmen gehabt (vgl. Dietrich/Strohe, Die Finanzlage öffentlicher Unternehmen in Deutschland, Universität Potsdam, Statistische Diskussionsbeiträge Nr. 46, Potsdam 2011, S. 14 f., 31 ff., m.w.N.).

Das Gericht hält es auch für denkbar, wie im Kommunalabgabenrecht eine Toleranzgrenze einzuräumen. Mängel der Mittelbedarfsfeststellung dürften unbeachtlich sein, wenn dadurch die Grenze einer rechtmäßigen Kostenvorausberechnung um nicht mehr als 5 % überschritten wird (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 3 NKAG; zu anderen Bundesländern Lichtenfeld, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 6 Rn. 731 (März 2016) m.w.N.). Jedoch lässt sich ein objektiv bestehender Mittelbedarf, von dem ausgehend die Einhaltung der Toleranzgrenze überprüft werden könnte, hier nicht beziffern. Denn eine ordnungsgemäße Prognose, von der ausgehend die Höhe der Differenz ermittelt werden könnte, fehlt. Es ist aber Sache der Industrie- und Handelskammer, eine Prognose vorzulegen.

f. Es kommt nicht in Betracht, den Beitragsbescheid nur teilweise aufzuheben, soweit der Beitrag überhöht erscheint (vgl. Hamburgisches OVG, Urt. v. 20.2.2018 - 5 Bf 213/12 -, juris Rn. 103; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 23.9.2014 - 6 A 11345/13 -, DVBl. 2015, 55, juris Rn. 36). Bereits der „korrekte“ Mittelbedarf lässt sich durch das Gericht nicht beziffern. Aber selbst wenn das möglich wäre, könnte nur die Beklagte über die Relation zwischen Grundbeitrag und Umlage entscheiden. Für das Verhältnis zwischen diesen beiden in § 3 Abs. 3 Satz 1 IHKG vorgesehenen Beitragsformen gibt es keine feste Richtgröße (Jahn, in: Frentzel/Jäkel/Junge, IHKG, 7. Aufl. 2009, § 3 Rn. 52).

2. Die vorläufige Veranlagung zu einem Beitrag von 85,57 Euro für das Beitragsjahr 2016 ist rechtswidrig.

a. Ermächtigungsgrundlage ist § 3 Abs. Abs. 2 Satz 1 IHKG i.V.m. §§ 1, 6, 7, 15 Abs. 3 der Beitragsordnung der Beklagten und Nr. III.1.b), IV. der Wirtschaftssatzung oder der Nachtragswirtschaftssatzung 2016.

Dabei kann offen bleiben, ob auf die Wirksamkeit des Beitragstarifs in der Fassung der ursprünglichen oder der Nachtragswirtschaftssatzung 2016 abzustellen ist. Die Nachtragswirtschaftssatzung regelt denselben Beitragstarif wie die ursprüngliche Wirtschaftssatzung. Im Hinblick auf die nachfolgend auszuführende Rechtswidrigkeit der Mittelbedarfsfeststellung sind die Wirtschafts- und die Nachtragswirtschaftssatzung keine wirksame Grundlage der Beitragserhebung. Hinsichtlich der Bemessung der Ausgleichsrücklage hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass die im Rahmen der Nachtragswirtschaftsplanung 2016 erstellte Prognose anhand des DIHK-Risikotools auch für die ursprüngliche Wirtschaftsplanung 2016 Geltung haben soll. Auch im Übrigen kommt es nicht zu abweichenden Ergebnissen.

Die Nachtragswirtschaftssatzung trat nach Erlass des angefochtenen Bescheides in Kraft. Dafür, sie als auch im vorliegenden Verfahren maßgebliche Grundlage der Beitragserhebung anzusehen und ihr rückwirkende Kraft beizumessen, könnte sprechen, dass die abermalige Festlegung des Beitragstarifs voraussetzt, dass eine erneute Willensbildung über den Beitragsbedarf stattfindet. Der Wirtschaftsplan kann als eine auf das jeweilige Geschäftsjahr bezogene Sinneinheit angesehen werden, der für das Geschäftsjahr durch den Nachtrag insgesamt und damit rückwirkend neu festgestellt wird (vgl. Hamburgisches OVG, Urt. v. 20.2.2018 - 5 Bf 213/12 -, juris Rn. 60). Andererseits könnten Anhaltspunkte für eine fehlende Absicht des Satzungsgebers bestehen, die Nachtragswirtschaftssatzung mit Rückwirkung auszustatten. Denn dann könnte ein ursprünglich auf einer rechtmäßigen Satzung beruhender Bescheid nachträglich rechtswidrig werden, weil ihm eine rechtswidrige Nachtragsplanung nachträglich die Grundlage entzieht. Darauf hat sich die Beklagte in der mündlichen Verhandlung berufen. Eine Entscheidung ist auch nicht anhand des Wortlauts der Nachtragswirtschaftssatzung 2016 möglich. Insoweit ist allerdings auffällig, dass die Nachtragswirtschaftssatzung 2011 nach ihrer Eingangsformel „für das Geschäftsjahr 2011 (01.01.2011 bis 31.12.2011)“ gelten sollte, was eine Rückwirkung nahelegt, während die Nachtragswirtschaftssatzung 2016 diese Formulierung nicht enthält.

b. Die Mittelbedarfsfeststellung ist fehlerhaft, soweit sie die Bemessung der Ausgleichsrücklage und die Beibehaltung des erhöhten Festgesetzten Kapitals betrifft.

aa. Nach der Wirtschaftsplanung 2016 war eine Entnahme aus der Ausgleichsrücklage in Höhe von 560.800,00 Euro vorgesehen, so dass diese Rücklage bei einer hochgerechneten Höhe zum 31. Dezember 2015 von 7.632.000,00 Euro zum Ende des Wirtschaftsjahres 2016 eine Höhe von 7.071.200,00 Euro erreichen sollte. Die Nachtragsplanung ging von einer Höhe der Ausgleichsrücklage von 6.658.000,00 Euro aus. Es fehlt an einer dem Gebot der Schätzgenauigkeit genügenden Prognose, die die zu diesen Rücklagenhöhen führende Wirtschaftsplanung rechtfertigen könnte.

(1) Gemäß § 15 Abs. 5 Satz 1, 2 Finanzstatut in der 2016 geltenden Fassung hat die Beklagte eine Ausgleichsrücklage zu bilden. Diese dient dem Ausgleich aller ergebniswirksamen Schwankungen und beträgt zwischen 30 v. H. und 50 v. H. der gesamten Aufwendungen.

(2) Der Prüfung ist nach dem oben (1.d.aa.(2)) Gesagten die von der Beklagten im Prozess vorgetragene Bemessung der erforderlichen Höhe der Ausgleichsrücklage zugrundezulegen. Die Prognose anhand des DIHK-Risikotools lag zudem bei der Beschlussfassung über die Nachtragswirtschaftssatzung 2016 vor. Sie wurde der Vollversammlung in allgemeiner Form mitgeteilt. Wäre entgegen der Ansicht des Gerichts eine Heilung der ursprünglichen Wirtschaftssatzung 2016 durch nachträglichen Beschluss der Vollversammlung über eine Prognose erforderlich, so läge ein solcher Beschluss nicht vor. Insbesondere erfasste der Beschluss der Vollversammlung vom 15. September 2016, die Dotierung des Eigenkapitals 2012 bis 2015 mit seinen Unterpositionen Festgesetztes Kapital, Ausgleichsrücklage, zweckgebundene Rücklagen und Bilanzgewinn zu bestätigen, das Wirtschaftsjahr 2016 nicht.

(3) Die mit Hilfe des DIHK-Risikotools aufgestellte Prognose, die die Beklagte anführt, genügt den Anforderungen nicht.

Die Beklagte hat eine Höhe der Ausgleichsrücklage von 8.700.000,00 Euro als erforderlich angesehen. Zur Ermittlung dieses Wertes hat die Beklagte das DIHK-Risikotool angewendet. Es wurden Einzelrisiken identifiziert, mit Werten für den besten Fall, den wahrscheinlichen Fall und den schlechtesten Fall belegt und mit Eintrittswahrscheinlichkeiten bewertet. Eine Berechnung unter Berücksichtigung der gegenseitigen Abhängigkeit der Risiken ergab, dass der genannte Betrag erforderlich ist, um einen Grad der Risikoabsicherung von 95 % zu erreichen.

(a) Es kann offen bleiben, ob es bereits gegen Haushaltsrecht verstößt, dass die Einzelheiten der Berechnungsmethode und die verwendeten Parameter nicht von vornherein bekannt waren. Der Kläger ist der Ansicht, deswegen fehle es an der erforderlichen Transparenz. Dagegen könnte allerdings sprechen, dass weitgehende Transparenzerfordernisse, die die Beklagte von sich aus erfüllen müsste, ihr die Verwendung komplexer Prognosemodelle erschweren könnten, was zu weitgehend in ihren Gestaltungsspielraum eingreifen könnte. Es könnte ausreichend sein, wenn es dem Beitragspflichtigen möglich ist, durch gezielte Rügen im Prozess eine weitergehende Aufklärung der Prognosemethode herbeizuführen.

(b) Auch wenn die beschriebene allgemeine Vorgehensweise im Rahmen des DIHK-Risikotools als grundsätzlich geeignete Prognosemethode erscheint, ist die Anwendung dieser Methode durch die Beklagte prognosefehlerhaft. Einzelne Risiken sind in unzulässiger, widersprüchlicher oder nicht nachvollziehbarer Weise berücksichtigt, der Höhe nach beziffert oder mit einer Eintrittswahrscheinlichkeit bewertet worden.

(aa) Das Risiko „L. Sachanlagen, Risiken aus Instandhaltung (nicht durch InstandRL abgedeckt)“ durfte seiner Art nach nicht berücksichtigt werden. Im Übrigen ist der Gestaltungsspielraum hinsichtlich der Auswahl der zu berücksichtigenden Risikoarten nicht überschritten.

Insbesondere konnten die Risikoarten „A.1 Konjunktur“ (im Folgenden: Konjunkturrisiko) und „A.3 Endgültige Beitragsbescheide“ (im Folgenden: Schwankungsrisiko) nebeneinander berücksichtigt werden. Es handelt sich um unterschiedliche Risiken.

Vorab ist anzumerken, dass die genannten Risiken im Rahmen des DIHK-Risikotools selbst dann nebeneinander eingestellt werden könnten, wenn sie in erheblicher Weise korrelierten, weil es nach der allgemeinen Darstellung seitens der Beklagten zur Methode des Risikotools gehört, solche Korrelationen bei der Durchführung der Simulationen zu berücksichtigen. Da die Beklagte aber vorgetragen hat, die Risiken seien nicht korreliert, ist die Widerspruchsfreiheit der angewandten Methode unter Zugrundelegung dieser Annahme zu prüfen.

Nach dem Beklagtenvortrag betrifft das Konjunkturrisiko allein die Beitragserträge des laufenden Jahres. Nur bei diesen geht die Beklagte davon aus, dass deren Abhängigkeit von der konjunkturellen Entwicklung durch die Ausgleichsrücklage abgesichert werden müsse. Das Schwankungsrisiko betrifft die Beitragserträge aus Vorjahren. Die Beklagte hat angegeben, dass sich bei der Planung der Beitragserträge aus Vorjahren kein konjunkturelles Risiko auswirken könne. Die Konjunkturentwicklung der Vorjahre sei bei der Wirtschaftsplanung bekannt. Sie werde nicht bei der Bemessung der Rücklage, sondern unmittelbar bei dem Planansatz für die Beitragserträge aus Vorjahren berücksichtigt. Wenn die tatsächlichen Beitragserträge aus Vorjahren hinter dem Planwert zurückbleiben, kann dies noch an konjunkturunabhängigen Umständen, die in der Lage des einzelnen Unternehmens bzw. unternehmerischen Entscheidungen begründet sind, liegen. Insoweit kommen etwa unternehmerisch motivierte sukzessive Betriebsstillegungen, zeitlich gestreckte Unternehmensabwicklungen oder Standortverlagerungen in Betracht. Man könnte zwar der Ansicht sein, derartige Umstände seien zufällig verteilt und glichen sich aus. Es liegt aber im Gestaltungsspielraum der Beklagten, keine solche Annahme zu machen und das Risiko von Abweichungen bei der endgültigen Abrechnung bei der Bemessung der Ausgleichsrücklage zu berücksichtigen. Indem sich die Beklagte auf die Berücksichtigung dieses Risikos bezüglich der Beitragserträge aus Vorjahren beschränkt, verhält sie sich widerspruchsfrei, wenn sie Konjunkturrisiko und Schwankungsrisiko als nicht korreliert ansieht. Die beiden Risikoarten können nebeneinander Berücksichtigung finden. Sie muss dann allerdings bei der Bemessung der zur Absicherung der beiden Risiken erforderlichen Beträge sicherstellen, dass die Trennung durchgehalten wird. Daran fehlt es; das wird unten ((bb)) ausgeführt.

Ohne Prognosefehler ist das Risiko „F.3 Absicherung erhöhter biometrischer Risiken“ in die Bemessung eingeflossen. Zwar kann es zu einem Verstoß gegen die Haushaltswahrheit führen, wenn eine Risikoart in die Gesamtprognose der Höhe der Ausgleichsrücklage einfließt, obwohl aufgrund dieses Risikos eine Rückstellung zu bilden wäre (zu einer möglichen Kompensation s.o. 1.e.). Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung aber nachvollziehbar erläutert, dass die Passivierungspflicht des § 3 Abs. 7a Satz 1 HGB i.V.m. § 249 Abs. 1 Satz 1, 2 HGB für die von ihr betrachteten „biometrischen“ Risiken nicht eingriff, weil zwar schon konkrete Anhaltspunkte für eine geringere Sterblichkeit ihrer Pensionäre vorlagen, versicherungsmathematische Kalkulationen, die zu einem rückstellungsfähigen Betrag geführt hätten, aber noch fehlten.

Demgegenüber hat die Beklagte das Risiko „L. Sachanlagen, Risiken aus Instandhaltung (nicht durch InstandRL abgedeckt)“ zu Unrecht berücksichtigt. Damit soll der über der Instandhaltungsrücklage liegende weitere Bedarf abgebildet werden. Eine Aufspaltung in ein konkret beziffertes Risiko, das die Instandhaltungsrücklage begründet, und ein darüber hinausgehendes, nach anderen Methoden ermitteltes Risiko ist nicht statthaft. Es ist widersprüchlich und daher keine zulässige Prognosemethode, dasselbe Risiko anhand zweier unterschiedlicher Schätzverfahren zu bestimmen. Bei der Instandhaltungsrücklage ist ein Wert anhand der Baukosten geschätzt worden. Bei dem hier behandelten Risiko wurde zwar auch von den Baukosten ausgegangen, diese gehen aber mit einem besten, einem wahrscheinlichen und einem davon sehr weit abweichenden schlechtesten Fall und einer Eintrittswahrscheinlichkeit von 25-50 % in eine Risikosimulation ein, mit der ein 95 %-Wert gebildet wird. Der Vortrag der Beklagten in der mündlichen Verhandlung führt zu keinem anderen Ergebnis. Wenn die Betrachtung unterschiedlicher Fälle darauf fußt, dass die Vollversammlung möglicherweise in der Zukunft beschließen könnte, statt einer Sanierung des Gebäudebestandes den Neubau eines Gebäudeteils vorzunehmen, handelt es sich nicht um die Vorsorge für ergebnisrelevante Schwankungen, sondern um das Ansparen von Mitteln im Hinblick auf die bloße Möglichkeit einer späteren Entscheidung des Vertretungsorgans. Dies kann mit einem Risiko für das Ergebnis nicht gleichgesetzt werden.

(bb) Die als Werte der Eintrittsmöglichkeiten ermittelten Beträge führen zu Prognosefehlern, soweit es um die Risiken „A.1 Konjunktur“ und „A.3 Endgültige Beitragsbescheide“ sowie „K.4 IHK-Wahl - Wiederholung“ geht.

In ihrem Zusammenwirken ist die Bemessung der Höhe der für das Konjunktur- und das Schwankungsrisiko („A.1“ und „A.3“) eingestellten Beträge prognosefehlerhaft. Wie oben (aa) ausgeführt, hat die Beklagte die beiden Risikopositionen so bestimmt, dass sie nicht korreliert sind. Das Konjunkturrisiko bezieht sich allein auf konjunkturell bedingte Schwankungen bei den Beitragseinnahmen des laufenden Jahres. Das Schwankungsrisiko betrifft allein konjunkturunabhängige, unternehmensbezogene Umstände, die Beitragseinnahmen für die Vorjahre beeinflussen. Die Bemessung trägt dem jedoch keine Rechnung. Für das Konjunkturrisiko wurde die Standardabweichung vom Durchschnitt der Beitragserträge in einem Beobachtungszeitraum ohne den Großbeitragszahler VW ermittelt. Es ist nicht ersichtlich, dass eine Beschränkung auf die Beitragserträge des jeweils laufenden Jahres erfolgt wäre. Damit wurden in den Ausgangsdaten Schwankungen bei den Erträgen des laufenden Jahres und den Erträgen der Vorjahre vermischt. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass Schwankungen, die sich auf Erträge aus Vorjahren zurückführen lassen, eingeflossen sind, obwohl derartige Schwankungen nach dem Beklagtenvortrag für die Bemessung des Konjunkturrisikos keine Rolle spielen. Bei dem Schwankungsrisiko ist der Mittelwert der letzten zehn Jahre der Konten „Beiträge Vorjahr“ „gezogen“ worden. Davon ist der Risikowert aus A.2 Beitrag/Große Beitragszahler abgezogen worden. Das wird in den Berechnungsannahmen ausdrücklich mitgeteilt. Eine Bereinigung um konjunkturell bedingte Schwankungen wird hingegen nicht dargestellt und ist auch sonst nicht erkennbar.

Fehlerhaft ist die Bestimmung der Höhe bei dem Risiko „K.4 IHK-Wahl - Wiederholung“. Die Berechnungsannahmen führen einen Reputationsschaden auf, der „schwer“ zu quantifizieren sei. Dabei handelt es sich nicht um eine ergebnisrelevante Schwankung, weil nicht ersichtlich ist, dass die Reputation an irgendeiner Stelle der Ergebnisfeststellung in Rechnung gestellt würde oder von Rechts wegen gestellt werden dürfte. Der Vortrag der Beklagten in der mündlichen Verhandlung, mit „schwer“ sei „nicht“ gemeint, ist unsubstantiiert geblieben. Warum der Reputationsschaden unter den Berechnungsannahmen aufgeführt wurde, wurde nicht erläutert. Es kann offen bleiben, ob zudem der Vortrag des Klägers zutrifft, Kostenrisiken wegen der Möglichkeit, Wahlen zu Organen der Beklagten anzufechten, dürften nur in Jahren eingestellt werden, in denen die Anfechtungsfrist noch nicht abgelaufen sei. Hiergegen könnte sprechen, dass es noch im Gestaltungsspielraum der Beklagten liegen könnte, die Häufigkeit solcher Ereignisse über die Eintrittswahrscheinlichkeit zu berücksichtigen und so zu einer Glättung der Schwankungen der Höhe der Ausgleichsrücklage zu kommen (s.o. 1.d.aa.(3)(b)).

(cc) Die Bemessung der Eintrittswahrscheinlichkeiten unterliegt einem Prognosefehler, soweit die Wahrscheinlichkeiten der Risiken „A.1 Konjunktur“, „A.2 Ausfall großer Beitragszahler“, „A.3 Endgültige Beitragsbescheide“ und „L. Sachanlagen (Instandhaltung außerhalb der Instandhaltungsrücklage)“ betroffen sind.

Die Eintrittswahrscheinlichkeit ist in den Stufen sehr gering - unter 10 %, gering - über 10 % bis 25 %, mittel - über 25 % bis 50 %, hoch - über 50 % bis 75 % und sehr hoch - über 75 % erfolgt. Zur Veranschaulichung wurde dem Präsidium dargelegt, dass eine Eintrittswahrscheinlichkeit von 10 % besagt, dass das Risiko alle zehn Jahre eintritt, bei 25 % alle vier Jahre usw. Es liegt im Gestaltungsspielraum der Beklagten, dieses Stufenmodell zu verwenden.

Für die bezeichneten Risikoarten ergibt sich jedoch in keiner Weise, wie die Beklagte zur Festlegung der Wahrscheinlichkeitsstufe gelangt ist. Die Erläuterungen erwecken den Eindruck, dass eine nicht durch weitere methodische Erwägungen angeleitete Schätzung erfolgt ist. Dies ist angesichts des hohen Beitrags, den die genannten Risikoarten zur Bemessung der Gesamthöhe der Ausgleichsrücklage leisten, nicht ausreichend. Für das Risiko „A.3 Endgültige Beitragsbescheide“ kommt hinzu, dass die dafür angesetzte hohe Wahrscheinlichkeit von 50 % bis 75 % angesichts der Tatsache, dass es sich allein um Auswirkungen unternehmerischer Entscheidungen handeln soll, jeder Plausibilität entbehrt.

bb. Hinsichtlich der Instandhaltungsrücklage hat der Kläger erstinstanzlich gerügt, es fehle an einem Zeitplan für die Umsetzung. Das Verwaltungsgericht hat demgegenüber festgestellt, die Mittel sollten von Anfang 2019 bis Ende 2022 verausgabt werden. Das Oberverwaltungsgericht vermag nicht zu erkennen, dass diese zeitliche Planung nicht hinreichend konkret wäre, um einen durch die Tätigkeit der Beklagten hervorgerufenen Mittelbedarf zu begründen.

cc. Dass die Beklagte im Wirtschaftsplan das 2012 auf 5.000.000,00 Euro erhöhte Festgesetzte Kapital nicht abgesenkt hat, war rechtswidrig. Die Erwägungen oben (1.d.cc.) gelten entsprechend. Aber selbst wenn man annimmt, die Beklagte wäre zur Finanzierung des langfristig gebundenen Vermögens durch ein Festgesetztes Kapital berechtigt, war dieses im Wirtschafts- und Nachtragswirtschaftsplan 2016 überhöht.

(1) An der Rechtswidrigkeit der Erhöhung des Festgesetzten Kapitals ändert die diesbezügliche Regelung in § 15 Abs. 4 Finanzstatut in der 2016 geltenden Fassung nichts. Nach dieser Vorschrift ergibt sich die bei der Eröffnungsbilanz entstehende Nettoposition zum Stichtag der Eröffnungsbilanz als Unterschiedsbetrag zwischen Vermögen und Schulden unter Berücksichtigung von Rücklagen. Die Vollversammlung darf die Nettoposition zum Festgesetzten Kapital weiterentwickeln und dieses in angemessener Höhe zur Finanzierung des zur Erfüllung der Aufgaben notwendigen, langfristig gebundenen Vermögens (immaterielles Vermögen, Sachanlagen, Beteiligungen) dotieren.

Sollte die Vorschrift so zu verstehen sein, dass sie die Erhöhung des Festgesetzten Kapitals über die in der Eröffnungsbilanz gebildete Nettoposition hinaus zulässt, auch wenn hierfür kein sachlicher Grund besteht, so ist sie unwirksam. In diesem Fall beachtete die Satzungsregelung entgegen § 3 Abs. 7a Satz 2 IHKG nicht die Grundsätze des staatlichen Haushaltsrechts. Der Satzungsgeber verfügt auch nicht über die Kompetenz, einen Gesichtspunkt zu einem sachlichen Grund zu erklären, der tatsächlich kein sachlicher Grund ist. Aus den oben (1.d.cc.(2)(b)(bb)) dargelegten Erwägungen kommt die Fristenkongruenz als sachlicher Grund nicht in Betracht.

(2) Die Höhe des Festgesetzten Kapitals überschritt die Höhe des langfristig gebundenen Vermögens. Die Planbilanz wies als Hochrechnung zum 31. Dezember 2015 ein immaterielles Vermögen von 127.000,00 Euro und Sachanlagen von 4.418.000,00 Euro aus. Hinzu kommen Beteiligungen in Höhe von 52.581,00 Euro. Das langfristig gebundene Vermögen war demnach zum Jahresanfang mit insgesamt 4.597.581,00 Euro vorgesehen. Geplant zum 31. Dezember 2016 waren ein immaterielles Vermögen von 172.000,00 Euro und Sachanlagen von 4.250.000,00 Euro. Hinzu kommen wiederum Beteiligungen in Höhe von 52.581,00 Euro. Zusammengerechnet war zum Jahresende ein langfristig gebundenes Vermögen von 4.474.581,00 Euro vorgesehen. Das Festgesetzte Kapital von 5.000.000,00 Euro überstieg diese Beträge. Warum es nicht bereits mit dem Wirtschafts- oder Nachtragswirtschaftsplan 2016 hätte abgesenkt werden können, ist nicht ersichtlich. Ebenfalls nicht ersichtlich ist eine Rechtsgrundlage für die Annahme des Verwaltungsgerichts, das etwas oberhalb der Höhe des langfristig gebundenen Vermögens liegende Festgesetzte Kapital sei noch als angemessen im Sinne des Satzungsrechts der Beklagten anzusehen; ein Verstoß gegen höherrangiges Recht und mithin § 3 Abs. 2 Satz 2 IHKG aufgrund der leichten Überdotierung sei nicht zu erkennen. Dass das Festgesetzte Kapital im Zuge der Feststellung des Jahresabschlusses 2016 auf 3.800.000,00 Euro abgesenkt wurde, war zu spät.

dd. Der Kläger trägt vor, die Beklagte habe den in der Bilanz zum 31. Dezember 2014 ausgewiesenen Gewinn von 69.983,89 Euro nicht ordnungsgemäß verwendet. Dies führt nicht auf einen selbständigen Mangel der Beitragsfestlegung.

Die Vollversammlung der Beklagten hat am 23. September 2015 beschlossen, das in dem Jahresabschluss 2014 ermittelte Ergebnis von 69.984 Euro für die Einstellung in die Ausgleichsrücklage zu verwenden. Damit gilt dasselbe wie für 2011 (s.o. 1.d.ee.).

Die Frage, ob ein Gewinnvortrag auf neue Rechnung gemäß § 15 Abs. 6 Finanzstatut in der seit 2014 geltenden Fassung zulässig wäre, ist daher nicht entscheidungserheblich. Nach dieser Vorschrift können Bilanzgewinne auf neue Rechnung vorgetragen werden. Sie sind spätestens im zweiten Jahr nach Entstehung den Rücklagen zuzuführen oder im darauf folgenden Geschäftsjahr für den Ausgleich der Plan-Gewinn- und Verlustrechnung heranzuziehen.

Das Gericht merkt an, dass es keine Bedenken gegen die Wirksamkeit dieser Bestimmung hat. Die zweckfreie Ansammlung des Gewinns ohne eine Einbeziehung in die Haushalts- bzw. Wirtschaftsplanung ist mit § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG unvereinbar (OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 23.9.2014 - 6 A 11345/13 -, DVBl. 2015, 55, juris Rn. 33). Damit ist über die zeitlichen Grenzen, innerhalb deren die Verwendung zur Kostendeckung erfolgen muss, aber noch nichts gesagt. Auch Nr. 5.5.4. der Standards staatlicher Doppik sieht vor, dass die Position Gewinnvortrag/Verlustvortrag in Abgrenzung zum Jahresergebnis des laufenden Jahres (Überschuss oder Fehlbetrag) in der Regel das kumulierte Jahresergebnis aus Vorjahren (Plural!) beinhaltet, soweit dies nicht den Rücklagen zugeführt wurde. Es erscheint auch nicht zutreffend, dass ein Bilanzgewinn denjenigen Individuen zugute kommen müsse, die im Jahr seiner Entstehung Mitglieder der Beklagten waren. Die körperschaftliche Struktur der Kammer begründet gerade eine Trennung zwischen der kontinuierlichen Aufgabenwahrnehmung durch die Körperschaft des öffentlichen Rechts und dem fluktuierenden Mitgliederbestand. Die Mitglieder haben einen die Beitragserhebung rechtfertigenden Vorteil durch die in den Mitgliedschaftsrechten stets gebotene Möglichkeit, die eigenen Interessen in das Kammergeschehen einzubringen. Ein Verhältnis von Leistung und Gegenleistung besteht nicht. Vor diesem Hintergrund erscheint es ausreichend, wenn der Gewinnvortrag auf neue Rechnung die zeitlichen Grenzen, innerhalb deren noch von einer Finanzierung der Kammertätigkeit gesprochen werden kann, nicht überschreitet. § 15 Abs. 6 Finanzstatut dürfte dem genügen.

ee. Hinsichtlich der Pensionszahlungen an die Geschäftsführerin gilt dasselbe wie 2011 (s.o. 1.d.ff.).

c. Die Rechtswidrigkeit der Mittelbedarfsfeststellung wirkt sich dahingehend aus, dass auch der Beitragstarif rechtswidrig und nichtig ist, was zur Rechtswidrigkeit der Beitragserhebung führt. Es steht nicht fest, dass ein Mittelbedarf in derselben Höhe auch ohne Verstoß gegen Haushaltsrecht ermittelt worden wäre. Des Weiteren kommt es aus den oben (1.f.) angegebenen Gründen nicht in Betracht, den Beitragsbescheid nur teilweise aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711, § 709 Satz 2 ZPO.

Die Revision war gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen. Die Anwendung des Grundsatzes der Schätzgenauigkeit nach Einführung der Doppik und die Zulässigkeit der Erhöhung der Nettoposition werfen Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf.