Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 17.09.2018, Az.: 8 LB 130/17

Ausgleichsrücklage; Beitrag; Doppik; Industrie- und Handelskammer; Kammerbeitrag; festgesetztes Kapital; Nettoposition; Prognose; Schätzgenauigkeit

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
17.09.2018
Aktenzeichen
8 LB 130/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2018, 74244
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 20.04.2017 - AZ: 1 A 59/16

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Bei der Feststellung des einen Beitragsbedarf auslösenden Mittelbedarfs haben Industrie- und Handelskammern das Gebot der Schätzgenauigkeit zu beachten. Bei der Wahl der Prognosemethode besteht dabei ein (sehr) weiter Gestaltungsspielraum. Dessen Grenzen sind überschritten, wenn die gewählte Methode ungeeignet oder in sich widersprüchlich ist oder wenn bei der Anwendung der Methode in widersprüchlicher oder nicht nachvollziehbarer Weise vorgegangen wird.

2. Grundlage für die Beurteilung einer gerügten Vermögensbildung durch eine Industrie- und Handelskammer im Hinblick auf den angefochtenen Beitragsbescheid sind nicht die Erfolgsrechnungen oder Bilanzen, sondern die Pläne (Anschluss an OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 23.9.2014 - 6 A 11345/13 -, DVBl. 2015, 55, juris Rn. 45).

3. Das Verbot der Bildung von Vermögen durch Industrie- und Handelskammern betrifft nicht das bilanzielle Vermögen, sondern die Zweckbindung von Entnahmen und Einstellungen im Rahmen der Mittelbedarfsfeststellung.

4. Der Prüfung ist die von der Beklagten im Prozess vorgetragene Bemessung der erforderlichen Höhe der Ausgleichsrücklage zugrundezulegen. Das gilt auch dann, wenn der Vollversammlung zur Vorbereitung der Entscheidung über die Mittelbedarfsfeststellung eine abweichende oder eine die prognostischen Leitentscheidungen nur unzureichend widerspiegelnde Darstellung der die Höhe betreffenden Prognose vorlag.

5. Aus der Einhaltung des in dem Finanzstatut einer Industrie- und Handelskammer für die Höhe der Ausgleichsrücklage vorgesehenen Anteils der Rücklage an den geplanten Aufwendungen ergibt sich keine Vermutung für deren Angemessenheit.

6. Es führt zur Rechtswidrigkeit eines Wirtschaftsplans, wenn ihm eine unzulässige Einstellung in die Nettoposition bzw. das festgesetzte Kapital zugrundeliegt oder die Nettoposition bzw. das Festgesetzte Kapital in rechtswidriger Höhe beibehalten wird.

7. Es ist ein Grundsatz des staatlichen Haushaltsrechts, dass die in der Eröffnungsbilanz ermittelte Nettoposition später grundsätzlich nicht geändert wird. Ausnahmen aus sachlichen Gründen sind möglich. Die Herstellung von Fristenkongruenz in der Bilanz ist kein sachlicher Grund für eine Erhöhung der Nettoposition.

8. Eine rechtswidrige Mittelbedarfsfeststellung führt nicht zur Unwirksamkeit des Beitragstarifs, wenn feststeht, dass ein Mittelbedarf in derselben Höhe auch ohne Verstoß gegen Haushaltsrecht ermittelt worden wäre und insoweit kein Gestaltungsspielraum der Industrie- und Handelskammer besteht.

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig - 1. Kammer - vom 20. April 2017 aufgehoben. Der Bescheid der Beklagten vom 19. Februar 2016 wird aufgehoben, soweit ein Beitrag für das Jahr 2016 von 40,00 Euro festgesetzt worden ist.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen den Beitrag zur Industrie- und Handelskammer für das Jahr 2016.

Die am 11. Mai 2015 aufgestellte Bilanz der Beklagten zum 31. Dezember 2014 ermittelte einen Bilanzgewinn von 50.491,84 Euro und bezifferte das festgesetzte Kapital auf 4.000.000,00 Euro, die Ausgleichsrücklage auf 3.255.724,11 Euro und andere Rücklagen auf 200.000,00 Euro. Das festgesetzte Kapital, das aus der Nettoposition hervorgegangen war, war in den Vorjahren schrittweise erhöht worden. In der Eröffnungsbilanz hatte die Nettoposition 500.000,00 Euro betragen. Die letzte Erhöhung war 2013 erfolgt und hatte 2.500.000,00 Euro ausgemacht. Sie war als Einstellung in die Nettoposition im Nachtrags-Erfolgsplan 2013 vorgesehen worden.

Die Vollversammlung der Beklagten beschloss am 30. November 2015 die Wirtschaftssatzung für das Geschäftsjahr 2016. Im Rahmen der Feststellung des Wirtschaftsplans wurden Erträge in Höhe von 9.949.000,00 Euro, Aufwendungen in Höhe von 10.496.500,00 Euro und ein Saldo der Rücklagenveränderung in Höhe von 547.500,00 Euro festgelegt. Der Erfolgsplan für das Jahr 2016 sah Entnahmen aus der Ausgleichsrücklage von 347.500,00 Euro und aus anderen Rücklagen von 200.000,00 Euro vor. Des Weiteren wurden die Beiträge festgelegt, u.a. ein Grundbeitrag von 40,00 Euro für IHK-Zugehörige, die nicht im Handelsregister eingetragen sind und deren Gewerbebetrieb nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert, mit einem Gewerbeertrag bis 15.000,00 Euro, soweit keine Befreiung eingreift. Im Rahmen der Vollversammlung wurde mitgeteilt, dass sich unter Berücksichtigung der geplanten Entnahmen ein voraussichtlicher Bestand der Ausgleichsrücklage zum 31. Dezember 2016 in Höhe von 2.698.224,00 Euro ergebe.

Durch Beitragsbescheid vom 19. Februar 2016 setzte die Beklagte den Beitrag des Klägers für das Jahr 2016 vorläufig auf 40,00 Euro fest.

Der Kläger hat am 17. März 2016 Klage erhoben.

Am 25. April 2016 hat die Vollversammlung der Beklagten durch Beschluss eine Risikoprognose zur Begründung der Ausgleichsrücklage für das Jahr 2016 verabschiedet. Dabei ist das Risiko konjunktur- und branchenbedingter Beitragsschwankungen bzw. Ausfallrisiken eingeflossen. Dazu sind die letzten 10 Jahre Beitragsentwicklung betrachtet und eine mögliche Schwankungsbreite von 1.972.680,00 Euro bei den Beitragseinnahmen ermittelt worden. In Verbindung mit den aktuellen Konjunkturdaten ist die Eintrittswahrscheinlichkeit für diese Schwankungsbreite auf 40 % geschätzt worden, woraus sich ein jährliches Ausfallrisiko von 789.072,00 Euro ergeben hat. Die Beklagte ist davon ausgegangen, dass sich die konjunkturellen Einflüsse über einen längeren Zeitraum, in der Regel drei bis fünf Jahre, auswirken, weil sie erst nach Mitteilung der relevanten Bemessungsgrundlage durch die Finanzverwaltung das jeweilige Beitragsjahr abrechnen könne. Eine Industrie- und Handelskammer müsse zudem antizyklisch reagieren und in wirtschaftlich schwierigen Zeiten Beitragserhöhungen vermeiden. Sie hat die Auswirkungen auf drei Jahre berechnet und das genannte Risiko mit 2.367.216,00 Euro bewertet. Weiter ist das Risiko des Ausfalls eines oder mehrerer größerer Beitragszahler eingeflossen. Dabei sind Erfahrungswerte der Vergangenheit zugrundegelegt worden. Die Beklagte hat einen Mittelwert von 40.000,00 Euro bestimmt, den sie mit einer Auswirkung von drei Jahren bewertet hat, was zu einer Höhe von 120.000,00 Euro geführt hat. Schließlich ist das Risiko der Bewertung von Finanzanlagen berücksichtigt worden. Damit ist der Möglichkeit Rechnung getragen worden, dass der Kurs von Wertpapieren, die nach dem gemilderten Niederstwertprinzip bewertet sind, dauerhaft unter den Anschaffungskosten liegen könnte. Dieses Risiko ist mit 227.000,00 Euro beziffert worden. Im Rahmen der Vollversammlung wurde mitgeteilt, dass sich unter Berücksichtigung der geplanten Entnahmen ein voraussichtlicher Bestand der Ausgleichsrücklage zum 31. Dezember 2016 in Höhe von 2.876.000,00 Euro ergebe.

Der Kläger hat vorgetragen, die Beitragserhebung sei rechtswidrig, weil der der Wirtschaftssatzung zugrundeliegende Wirtschaftsplan rechtswidrig sei. Es sei eine Ausgleichsrücklage angesetzt worden. Der dem zugrundeliegende, im Finanzstatut vorgesehene Korridor sei rechtswidrig. Es fehle an einer fundierten Risikoprognose. Die Rücklage sei höher, als dies für ernsthaft zu befürchtende Beitragseinbrüche erforderlich sei. Die Angemessenheit der Rücklage sei anhand des Jahresabschlusses zu betrachten, dessen Feststellung der Beschlussfassung über den Haushalt vorausgehe. Es sei die Rücklagenbildung zum 31. Dezember 2014 zu betrachten. Danach habe die Ausgleichsrücklage 38,11 % der für 2016 geplanten Aufwendungen betragen. Angesichts der nunmehr von der Beklagten selbst zu Grunde gelegten Ausgleichsrücklage von 2.714.216,00 Euro sei die der Beschlussfassung zu Grunde liegende Rücklage zu hoch. Soweit die Beklagte Risiken im Bereich der Konjunktur und der großen Beitragszahler annehme, beträfen beide Bereiche dasselbe Risiko. Es sei unzulässig, eine Risikoabschätzung nachzuschieben. Bereits das Fehlen eines formalen Beschlusses führe zum Klageerfolg. Auch die nachgeschobene Risikoprognose erfülle die Anforderungen an die Schätzgenauigkeit nicht. Angesichts der niedrigeren Ausgleichsrücklage für 2017 müsse die Beklagte rechtfertigen, warum 2016 eine höhere Rücklage nötig gewesen sein solle. Bei anderen Industrie- und Handelskammern sei die Ausgleichsrücklage im Verhältnis zu den Aufwendungen geringer.

Rechtswidrig sei weiter, dass die Beklagte die Nettoposition erhöht habe. Dies sei eine rechtswidrige Vermögensbildung. Die Nettoposition sei grundsätzlich unveränderlich. Die Verhältnisse, insbesondere der Wert der Immobilien, hätten sich nicht verändert. Die Anforderungen der Schätzgenauigkeit seien nicht beachtet worden. Ein zulässiger Bedarf oder Zweck liege nicht vor. Die in der Nettoposition gebundenen Mittel fehlten dauerhaft zur Finanzierung der Aufgaben.

Eine weitere, in der Bilanz zum 31.12.2014 mit 200.000,00 Euro angegebene Rücklage sei nicht nachvollziehbar. Die Schätzgenauigkeit sei verletzt. Dies gelte auch für die anderen Rücklagen in der Bilanz zum 31. Dezember 2014.

Zum 31. Dezember 2014 habe die Bilanz einen Gewinnvortrag von 50.491,84 Euro ausgewiesen. Dieser hätte an die Mitglieder zurückerstattet oder dem nächsten Haushalt zugeführt werden müssen.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 19.2.2016 im Hinblick auf den Beitrag für das Jahr 2016 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, die Ausgleichsrücklage habe nur 27,3 % der für 2016 erwarteten Betriebsaufwendungen betragen. Der nachträgliche Beschluss über die Risikoanalyse sei wirksam. An Risiken seien konjunktur- und branchenbedingte Beitragsschwankungen bzw. Ausfallrisiken, das Risiko des Ausfalls größerer Beitragszahler und das Risiko der Bewertung von Finanzanlagen zu berücksichtigen. Andere denkbare Risiken würden nicht über eine Rücklagenbildung, sondern auf operativer Ebene berücksichtigt. Die Ausgleichsrücklage diene auch der Überbrückung von Liquiditätsengpässen zwischen den Beitragsveranlagungen. Die Risikoprognose dürfe auch unwahrscheinliche Eintrittsszenarien abdecken und den kumulierten Eintritt verschiedener Risiken berücksichtigen. Soweit einerseits die Konjunktur und andererseits der Ausfall großer Beitragszahler angesprochen würden, betreffe dies nicht dasselbe Risiko. Die Konjunktur-Risiken wirkten extern auf das Unternehmen, das Risiko des Ausfalls sei von der Konjunktur unabhängig. Hier gehe es um Vorfälle im einzelnen Unternehmen.

Die Nettoposition bezeichne das festgesetzte Kapital. Der Eröffnungswert der Sachanlagen habe 5.936.829,26 Euro betragen, die Nettoposition sei nur mit 500.000,00 Euro angesetzt worden. Mit der Erhöhung sei angestrebt, langfristig gebundenes Vermögen mit langfristig gebundenen Kapital abzusichern. In der Eröffnungsbilanz habe eine Unterdotierung bestanden.

Die Rücklage von 200.000,00 Euro habe für 2016 geplante Baumaßnahmen in den Bereichen Brandschutz und IT-Infrastruktur gedient.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 20. April 2017 abgewiesen. Der durch Beiträge zu deckende Bedarf werde im Wirtschaftsplan prognostiziert und gemäß einer Beitragsordnung auf die Kammerzugehörigen umgelegt. Die Rechtmäßigkeit der Beitragserhebung setze voraus, dass die Festsetzung des Mittelbedarfs den rechtlichen Anforderungen genüge, wobei die Kammer einen weiten Gestaltungsspielraum habe. Sie habe das Gebot der Schätzgenauigkeit bei der Risikoprognose zu beachten. Es könnten angemessene Rücklagen gebildet werden, die aber nicht zur Bildung von Vermögen führen dürften. Das Finanzstatut sehe die Bildung einer Ausgleichsrücklage zum Ausgleich aller ergebniswirksamen Schwankungen vor, die für die Jahre 2015 und 2016 zwischen 20 und 50 % der geplanten Aufwendungen betrage. Die Regelung verstoße nicht gegen höherrangiges Recht und stelle eine geeignete Grundlage für die anzustellende Risikoprognose dar. Der Wirtschaftsplan für das Geschäftsjahr 2016 sei nicht zu beanstanden. Die Rüge des Klägers, das Gebot der Schätzgenauigkeit sei verletzt, sei unsubstantiiert und beruhe zum Teil auf falschen Zahlen. Der Gestaltungsspielraum sei auch sonst nicht überschritten. Die Höhe der Ausgleichsrücklage bewege sich im unteren Bereich des durch das Finanzstatut vorgegebenen Rahmens und unterschreite die vorherige Untergrenze von 30 % der geplanten Aufwendungen. Hieraus lasse sich die Vermutung ableiten, dass die Höhe der Ausgleichsrücklage angemessen sei. Für eine vertiefte Überprüfung der zugrundeliegenden Prognose müssten gewichtige Anhaltspunkte dafür vorgetragen oder ersichtlich sein, warum die ursprüngliche Untergrenze im Rahmen einer dem Gebot der Schätzgenauigkeit genügenden Prognose weiter hätte unterschritten werden müssen. Die Höhe der Ausgleichsrücklage decke sich im Wesentlichen mit dem Ergebnis der vorgenommenen Risikoprognose. Dass diese im April 2016 nachgeholt worden sei, sei nicht zu beanstanden, da die Risiken objektiv bestanden hätten. Die Prognose sei von dem weiten Gestaltungsspielraum der Beklagten gedeckt. Die Risiken seien plausibel, nachvollziehbar und vertretbar bewertet worden. Die Betrachtung eines Zeitraums von drei Jahren liege innerhalb des Gestaltungsspielraums. Hierdurch werde das Prinzip der Jährlichkeit bzw. der Periodenechtheit nicht verletzt. Die Gründe für die Wahl dieses Zeitraums seien nachvollziehbar dargelegt worden. Eine doppelte Bewertung sei nicht erfolgt. Konjunkturell bedingte Beitragsausfälle bildeten ein anderes Risiko ab als der konjunkturunabhängige Ausfall größerer Beitragszahler. Die Bildung einer Rücklage für Baumaßnahmen sei als zweckbestimmte Rücklage zulässig. Hinsichtlich der Nettoposition liege keine unzulässige Vermögensbildung vor. Diese sei keine Rücklage, sondern entspreche dem gezeichneten Kapital bei einem privaten Unternehmen. Nach dem Finanzstatut solle die Nettoposition im Regelfall nicht höher sein als das zur Erfüllung der Aufgaben notwendige, langfristig gebundene Vermögen. Das festgesetzte Kapital betrage 4 Millionen Euro, das notwendige Betriebsvermögen 5,7 Millionen Euro. Die Begründung, die die Beklagte für die Erhöhung der Nettoposition angeführt habe, sei plausibel und nachvollziehbar. Aus dem Finanzstatut ergebe sich nicht, dass ein solches Vorgehen unzulässig sei. Der Bilanzgewinn aus dem Jahr 2014 sei der Ausgleichsrücklage zugeführt worden. Dies entspreche dem nach dem Finanzstatut vorgesehenen Vorgehen. Im Übrigen erscheine es nach den Angaben des Hauptgeschäftsführers der Beklagten über die gewöhnliche Festsetzung der Beiträge bereits zweifelhaft, dass sich selbst bei einer wesentlichen Verringerung der Ausgleichsrücklage etwas an der Höhe des Mindestgrundbeitrags ändern würde. Die aus dem Wirtschaftsplan folgende Bestimmung der Beiträge sei nicht angegriffen und auch sonst nicht zu beanstanden. Die Rechtmäßigkeit der Veranlagung ergebe sich aus den Bestimmungen der Beitragsordnung und der Wirtschaftssatzung.

Mit der vom Oberverwaltungsgericht durch Beschluss vom 2. Oktober 2017 (8 LA 102/17) zugelassenen Berufung macht der Kläger geltend, der in dem Finanzstatut vorgesehene Korridor könne nur rechtmäßig sein, wenn er dem Gebot der Schätzgenauigkeit genüge. Die tatsächliche Höhe der Ausgleichsrücklage müsse auch bei Vorhandensein eines solchen Korridors ebenfalls dem Gebot der Schätzgenauigkeit genügen. Die Unterschreitung der ursprünglich vorhandenen Mindestgrenze müsse zum Anlass genommen werden zu prüfen, ob nicht eine noch niedrigere Rücklagenhöhe angemessen gewesen wäre. Bei dem Beschluss des Haushalts 2016 hätten der Vollversammlung keine ausreichenden Unterlagen über die Grundlagen der Schätzung vorgelegen. Die nachträgliche Risikoabschätzung der Vollversammlung sei nicht angemessen. Bereits in der Sitzung, auf der sie beschlossen worden sei, sei für den Haushalt 2017 eine wesentlich breiter angelegte Risikoprognose angekündigt worden. Es sei nicht auf die materielle Vertretbarkeit der Prognose abzustellen, weil das Gebot der Schätzgenauigkeit sonst überflüssig werde.

Die in der Prognose als erforderlich bezeichnete Höhe der Ausgleichsrücklage sei durch die Planung überschritten worden. Im Hinblick auf die unterschiedliche Höhe der Rücklage im Jahr 2017 sei die Ausgleichsrücklage für das Jahr 2016 rechtfertigungsbedürftig. Rechtfertigungsbedürftig sei auch, dass die Ausgleichsrücklage der Beklagten höher sei als die anderer Industrie- und Handelskammern. Die von der Beklagten vorgetragene Kalkulationsmethode sei rechtswidrig, weil es in der Vergangenheit Beitragseinbrüche in der prognostizierten Höhe nicht gegeben habe. Es sei nicht zwischen der Eintrittswahrscheinlichkeit und der Höhe des Einbruchs unterschieden worden. Es sei unzulässig, eine Auswirkung über drei Jahre hinweg anzunehmen. Abzustellen sei nicht auf die Schwankungsbreite der Beitragseinkünfte, sondern auf die Differenz zwischen geplanten und tatsächlichen Einnahmen. Es sei unzulässig, vom schlimmstmöglichen Fall auszugehen. Stelle man gleichwohl auf die genannte Schwankungsbreite ab, seien alle zulässigen Risiken erfasst, so dass zusätzliche Risikoarten nicht mehr berücksichtigt werden dürften. Die Risikokalkulation müsse auch eine Betrachtung der Chancen einbeziehen. Die Planung für einen dreijährigen Zeitraum sei auch wegen der bestehenden Reaktionsmöglichkeiten bei negativen Entwicklungen unzulässig.

Hinsichtlich der Nettoposition werde die Herkunft der Mittel ignoriert, wenn diese als dem gezeichneten Kapital entsprechend angesehen würden. Die Mittel, die per Passivtausch zur Erhöhung der Nettoposition verwendet worden seien, stammten fast vollständig aus ungeplanten Gewinnen. Eine Anhebung der Nettoposition sei nur unter sehr eingeschränkten Bedingungen zulässig. Das Finanzstatut stehe der Anhebung entgegen, weil es eine Veränderung der Nettoposition bzw. des festgesetzten Kapitals nur bei erheblicher Änderung der aktuellen Verhältnisse im Vergleich zum Eröffnungsbilanzstichtag vorsehe. Es bestünden wesentliche Unterschiede hinsichtlich der Bilanzierung einer privaten Firma und der einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Der Finanzierung des langfristig gebundenen, zur Erfüllung der Aufgaben der Industrie- und Handelskammer notwendigen Vermögens diene die Nettoposition gemeinsam mit anderen Eigenkapitalpositionen. Es handele sich im Rahmen der Doppik um eine in der Regel nicht veränderliche und nicht disponible Residualgröße. Der vorgenommene Passivtausch führe zu einer Vermögensbildung. Es handele sich um Liquidität, die dauerhaft der Aufgabenfinanzierung vorenthalten werde. Im Ergebnis werde so eine ungerechtfertigte Rücklage gebildet.

Ungeplante Gewinne seien entweder an die Beitragszahler zu erstatten oder umgehend dem nächsten Haushalt zuzuführen. Ein dauerhafter Gewinnvortrag sei unzulässig. Bei der gebotenen ex-ante-Betrachtung könnten nur die Gewinne berücksichtigt werden, die bei der Beschlussfassung über den Haushaltsplan und die Wirtschaftssatzung des jeweils streitgegenständlichen Haushaltsjahres bekannt gewesen seien. Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Haushalt des Jahres 2016 sei der Beklagten der Gewinn des Jahres 2014 bekannt gewesen, der Jahresabschluss 2015 habe noch nicht vorgelegen. Der Jahresgewinn 2014 hätte nur der Ausgleichsrücklage zugeführt werden dürfen, wenn dies mit der Aufstellung des Haushaltsplanes 2016 so vorgesehen worden wäre und es im Sinne des Gebotes der Schätzgenauigkeit auch einen sachlichen Bedarf für eine entsprechende Aufstockung gegeben hätte. Der Überschuss und eine Anhebung der Ausgleichsrücklage seien bei der Aufstellung des Haushalts 2014 jedoch nicht vorgesehen gewesen. Einen Anhebungsbedarf habe die Beklagte nicht vorgetragen.

Soweit das Verwaltungsgericht bezweifelt habe, dass bei einer wesentlichen Verringerung der Ausgleichsrücklage eine Änderung der Höhe des Mindestgrundbeitrags erfolgen würde, sei entgegenzuhalten, dass bereits das Fehlen eines formal ordnungsgemäßen Beschlusses zur Aufhebung der Beitragsveranlagung führe, es auf das Ausmaß der Rechtsverletzung nicht ankomme und die Beitragshöhe allein durch die Vollversammlung festzulegen sei. Die Kontrolldichte müsse höher sein als vom Verwaltungsgericht praktiziert.

Er beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig - 1. Kammer - vom 20. April 2017 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 19. Februar 2016 aufzuheben, soweit ein Beitrag für das Jahr 2016 von 40,00 EUR festgesetzt worden ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und trägt vor, die Ausgleichsrücklage habe zum 31. Dezember 2015 3.220.000,00 Euro und damit 27,3 % der für 2016 erwarteten Betriebsaufwendungen betragen. Mit dem Beschluss vom 25. April 2016 sei eine Risikoprognose ordnungsgemäß nachgeholt worden. Sie habe den Rahmen für die Risikobetrachtung eng gesteckt und auf den nachweislich nicht steuerbaren Bereich begrenzt. Weitere denkbare Risiken seien nicht durch Rücklagenbildung abgesichert worden. Sie sei aber nicht gehalten, nur solche Risiken zu berücksichtigen, die sich in der Vergangenheit bereits einmal realisiert hätten. Es sei nicht zwingend erforderlich gewesen, das Risiko hinsichtlich großer Beitragszahler aus dem Konjunkturrisiko herauszurechnen, da es möglicherweise hierfür keine Zahlen gebe und der Betrag sich angesichts der angenommenen Eintrittswahrscheinlichkeit reduziere. Bewusst sei keine neue Prognose erstellt, sondern es seien die tatsächlich der Wirtschaftsplanung inhaltlich zugrundeliegenden Überlegungen bestätigt worden. Die Festlegung eines pauschalen Korridors im Finanzstatut sei zulässig. Darauf komme es wegen der konkreten nachträglichen Prognose aber auch nicht an. Die Beklagte habe die durch die Risikoprognose veranlasste Unterschreitung des bisherigen Korridors zudem zum Anlass genommen, diesen abzusenken. Ein Vergleich mit der Rücklagenhöhe anderer Wirtschaftsjahre habe nicht zu erfolgen.

Die Nettoposition habe das langfristig gebundene Kapital nicht widergespiegelt. Nach der „goldenen Bilanzregel“ sei das langfristig gebundene Vermögen auf der Aktivseite der Bilanz mit langfristig gebundenem Kapital abzusichern. Das Missverhältnis zum langfristig betriebsnotwendigen Sachvermögen sei abgemildert worden. Dies sei rechtmäßig und erhöhe die Transparenz für die den Umgang mit Bilanzen gewöhnten Mitglieder der Vollversammlung.

Der 2014 angefallene Gewinn sei ordnungsgemäß verwendet worden. Er belaufe sich auf 50.491,84 Euro und sei nicht erheblich im Sinne der einschlägigen Rechtsprechung.

Bei einer Reduzierung der Ausgleichsrücklage würde unter Berücksichtigung ihrer bisherigen Praxis aller Wahrscheinlichkeit nach nicht der vom Kläger erhobene Grundbeitrag, sondern allein die Umlage verringert. Dasselbe hätte bei einer Umlegung des Gewinns auf die Mitglieder gegolten.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig und begründet. Die zulässige Klage führt zur Aufhebung der vorläufigen Festsetzung eines Beitrages von 40,00 Euro für das Jahr 2016 durch den angefochtenen Bescheid. Dieser ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Ermächtigungsgrundlage der vorläufigen Beitragsfestsetzung ist § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG i.V.m. §§ 1, 6, 15 Abs. 3 der Beitragsordnung der Beklagten und Nr. II.2.1 Buchst. a) der Wirtschaftssatzung 2016. Der in der Wirtschaftssatzung 2016 enthaltene Beitragstarif einschließlich der Nr. II.2.1 Buchst. a) ist jedoch nichtig, weil die ihm zugrundeliegende Mittelbedarfsfeststellung den für sie geltenden rechtlichen Anforderungen nicht in vollem Umfang genügt.

1. Im Beitragsstreit kann der Beitragspflichtige den Beitragstarif mit dem Vortrag angreifen, die Mittelbedarfsfeststellung sei fehlerhaft.

Die Beitragserhebung ist grundsätzlich verfassungsgemäß. Es handelt sich um eine Sonderlast, die aufgrund des individuellen Vorteils der in den Mitgliedschaftsrechten stets gebotenen Möglichkeit, die eigenen Interessen in das Kammergeschehen einzubringen, gerechtfertigt ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 12.7.2017 - 1 BvR 2222/12, 1106/13 -, NJW 2017, 2744, juris Rn. 71 ff.).

Zur Rechtswidrigkeit der Beitragserhebung im Einzelfall führt es jedoch, wenn die Festlegung der Beitragshöhe in einer Wirtschaftssatzung erfolgt ist, deren Wirtschaftsplan den Anforderungen des § 3 Abs. 2 IHKG nicht genügt. Nach dieser Vorschrift werden die Kosten der Errichtung und Tätigkeit der Industrie- und Handelskammer, soweit sie nicht anderweitig gedeckt sind, nach Maßgabe des Wirtschaftsplans durch Beiträge der Kammerzugehörigen gemäß einer Beitragsordnung aufgebracht. Der Wirtschaftsplan ist jährlich nach den Grundsätzen einer sparsamen und wirtschaftlichen Finanzgebarung unter pfleglicher Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen aufzustellen. Für das Rechnungswesen, insbesondere Rechnungslegung und Aufstellung und Vollzug des Wirtschaftsplans und den Jahresabschluss der Industrie- und Handelskammern sind gemäß § 3 Abs. 7a IHKG die Grundsätze kaufmännischer Rechnungslegung und Buchführung in sinngemäßer Weise nach dem Dritten Buch des Handelsgesetzbuches in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Das Nähere wird durch Satzung unter Beachtung der Grundsätze des staatlichen Haushaltsrechts geregelt.

Die Festlegung der Beitragshöhe ist von dem nicht durch Einnahmen anderweitig gedeckten Mittelbedarf abhängig, der sich aus dem Wirtschaftsplan ergibt und den die Beitragsordnung auf die Mitglieder umlegt. Soweit der Wirtschaftsplan diesen Mittelbedarf bestimmt, ist er der gerichtlichen Überprüfung im Beitragsstreit zugänglich (vgl. BVerwG, Urt. v. 9.12.2015 - 10 C 6.15 -, BVerwGE 153, 315, juris Rn. 12 ff.; Beschl. v. 22.6.2018 - 10 B 6.17 -, juris Rn. 8).

Die Kammer besitzt bei der Aufstellung des Haushaltsplanes (Wirtschaftsplanes) einen (sehr) weiten Gestaltungsspielraum. Dieser besteht freilich nicht als globale Größe für den gesamten Bereich des Haushalts- und Finanzrechts, sondern nur, soweit er konkret in den jeweils zu beachtenden Rechtsnormen angelegt ist (BVerwG, Urt. v. 9.12.2015 - 10 C 6.15 -, BVerwGE 153, 315, juris Rn. 14, 16). Solche Spielräume bestehen insbesondere auch bei der Anwendung des Gebots der Schätzgenauigkeit, das zu den gemäß § 3 Abs. 7a Satz 2 IHKG zu beachtenden Grundsätzen des staatlichen Haushaltsrechts gehört.

Aus dem Verfassungsgebot der Haushaltswahrheit folgt vor allem die Pflicht zur Schätzgenauigkeit mit dem Ziel, die Wirksamkeit der Budgetfunktionen - Leitung, Kontrolle und Transparenz durch Öffentlichkeit der staatlichen Tätigkeiten - zu gewährleisten. Welche Verhaltensanforderungen an die beteiligten Organe im Einzelnen aus dieser Pflicht folgen, lässt sich kaum generell und abstrakt bestimmen. Jedenfalls ist die Pflicht verletzt durch bewusst falsche Ansätze, aber auch durch „gegriffene“ Ansätze, die trotz naheliegender Möglichkeiten besserer Informationsgewinnung ein angemessenes Bemühen um realitätsnahe Prognosen zu erwartender Einnahmen oder Ausgaben vermissen lassen. Wie andere Prognosen sind auch die vielfach erforderlichen Einnahmen- und Ausgabenschätzungen nicht schon dann als Verstoß gegen das Wahrheitsgebot zu bewerten, wenn sie sich im Nachhinein als falsch erweisen. Sie müssen stets nur aus der Sicht ex ante sachgerecht und vertretbar ausfallen. Was dabei als vertretbar zu gelten hat, kann nur aufgrund einer Gesamtbewertung der konkreten Entscheidungssituation unter Berücksichtigung des betroffenen Sach- und Regelungsbereichs, der Bedeutung der zu treffenden Entscheidung und deren Folgen sowie der verfügbaren Tatsachengrundlagen für die Prognose bestimmt werden (vgl. BVerfG, Urt. v. 9.7.2007 - 2 BvF 1/04 -, BVerfGE 119, 96, juris Rn. 104, zum Staatshaushalt). Das den Haushalt beschließende Organ verfügt insoweit über einen Prognosespielraum. So kann etwa bei der Veranschlagung der Steuereinnahmen, deren Höhe von der nicht präzise voraussehbaren gesamtwirtschaftlichen Entwicklung abhängt, vom Haushaltsgesetzgeber nicht mehr verlangt werden als eine auf vernünftigen Erwägungen beruhende Schätzung (Niedersächsischer StGH, Urt. v. 30.9.2011 - StGH 1/10 -, juris Rn. 127).

Das Gebot der Schätzgenauigkeit begründet mithin keine Pflicht zur genauestmöglichen Vorhersage, sondern fordert ein angemessenes Bemühen um realitätsnahe Prognosen, das beispielsweise auch in der Heranziehung langjähriger Erfahrungswerte bestehen kann (vgl. BVerfG, Urt. v. 9.7.2007 - 2 BvF 1/04 -, BVerfGE 119, 96, juris Rn. 106). Die daraus folgenden Anforderungen entsprechen den auch im allgemeinen Verwaltungsrecht entwickelten Maßstäben für die Prüfung behördlicher Prognoseentscheidungen. Zu beanstanden ist eine Prognose demnach nicht, wenn sie nach einer geeigneten Methode durchgeführt wurde, der ihr zugrundeliegende Sachverhalt zutreffend ermittelt und das Ergebnis einleuchtend begründet ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 16.12.1992 - 1 BvR 167/87 -, BVerfGE 88, 40, juris Rn. 54; BVerwG, Urt. v. 4.4.2012 - 4 C 8.09, 4 C 9.09, 4 C 1.10, 4 C 2.10, 4 C 3.10, 4 C 4.10, 4 C 5.10, 4 C 6.10 -, BVerwGE 142, 234, juris Rn. 59 m.w.N.; v. 29.6.2017 - 3 A 1.16 -, juris Rn. 88).

Der Gestaltungsspielraum der Industrie- und Handelskammern äußert sich in der Kontrolle dieser Prognose. Bei der Richtigkeit der Tatsachengrundlage gibt es keine Freiräume. Dagegen ist der Spielraum bei der Auswahl der Prognosemethode ausgesprochen weit. Hier sind zukünftige Mittelbedarfe und Ertragslagen von Wirtschaftsteilnehmern abzuschätzen. Dabei spielen vielfältige Einflussfaktoren eine Rolle. Prognosen von Wirtschaftsdaten sind mit hoher Unsicherheit behaftet. Es ist nicht ersichtlich, dass es einen Kanon anerkannter Methoden für diesbezügliche Prognosen im Rahmen der Haushaltsplanung gäbe. Die Grenzen des Gestaltungsspielraums sind aber überschritten, wenn die gewählte Methode ungeeignet oder in sich widersprüchlich ist oder wenn bei der Anwendung der Methode in widersprüchlicher oder nicht nachvollziehbarer Weise vorgegangen wird. Dagegen ist es unerheblich, wenn Beteiligte geltend machen, es habe in der Vergangenheit keine der Prognose entsprechende Einnahmenausfälle oder vergleichbare Ereignisse gegeben.

Die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Beitragserhebung erfolgt in der Weise, dass die im Wirtschaftsplan vorgesehenen Zuführungen oder Auflösungen überprüft werden. Denn nach § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG werden die Kosten der Errichtung und Tätigkeit der Industrie- und Handelskammer nach Maßgabe des Wirtschaftsplans durch Beiträge aufgebracht. Grundlage für die Beurteilung der gerügten Vermögensbildung durch die Beklagte im Hinblick auf den angefochtenen Beitragsbescheid sind daher nicht die Erfolgsrechnungen oder Bilanzen, sondern die Pläne, da allein auf deren Grundlage die Beitragserhebung erfolgt (OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 23.9.2014 - 6 A 11345/13 -, DVBl. 2015, 55, juris Rn. 45).

2. Die Mittelbedarfsfeststellung in der Wirtschaftsplanung 2016 der Beklagten steht mit dem Haushaltsrecht nicht uneingeschränkt im Einklang, soweit die Entnahme aus der Ausgleichsrücklage nicht höher ausgefallen und die Höhe des in den Vorjahren erhöhten festgesetzten Kapitals beibehalten worden sind. Das Gericht geht nur den im Berufungsverfahren vorgebrachten Rügen nach; zu einer ungefragten Fehlersuche besteht kein Anlass.

a. Die im Wirtschaftsplan 2016 vorgesehene Entnahme aus der Ausgleichsrücklage reduziert die Höhe der Rücklage nicht weit genug und genügt den haushaltsrechtlichen Anforderungen nicht.

aa. Gemäß § 15a Abs. 2 Satz 1, 2 ihres Finanzstatuts hat die Beklagte eine Ausgleichsrücklage zu bilden. Diese dient zum Ausgleich aller ergebniswirksamen Schwankungen und beträgt für die Jahre 2015 und 2016 zwischen 20 und 50 %, im Übrigen zwischen 30 und 50 % der geplanten Aufwendungen.

(1) Bei den Mitteln für angemessene Rücklagen handelt es sich um Kosten der Industrie- und Handelskammer im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG, die in Ermangelung anderer Finanzquellen durch Beiträge zu decken sind (BVerwG, Urt. v. 26.6.1990 - 1 C 45.87 -, NVwZ 1990, 1167, juris Rn. 20; v. 9.12.2015 - 10 C 6.15 -, BVerwGE 153, 315, juris Rn. 17).

Rücklagen dürfen nicht der Bildung von Vermögen dienen (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.6.1990 - 1 C 45.87 -, NVwZ 1990, 1167, juris Rn. 20). Das Maß der Rücklage muss von ihrem legitimen Zweck gedeckt sein; eine hierdurch in ihrer Höhe nicht mehr gedeckte Rücklage wäre nicht mehr angemessen und würde einer unzulässigen Vermögensbildung gleichkommen. Hieraus folgt nicht nur, dass die Kammer eine überhöhte Rücklage nicht bilden darf, sondern auch, dass sie eine überhöhte Rücklage baldmöglichst wieder auf ein zulässiges Maß zurückführen muss. Die Entscheidung über das Vorhalten einer Rücklage und über deren Höhe muss die Kammer bei jedem Wirtschaftsplan - und damit jährlich - erneut treffen. Ein Wirtschaftsplan kann deshalb nicht nur dann rechtswidrig sein, wenn er eine überhöhte Rücklagenbildung vorsieht, sondern auch dann, wenn er eine überhöhte Rücklage beibehält (vgl. BVerwG, Urt. v. 9.12.2015 - 10 C 6.15 -, BVerwGE 153, 315, juris Rn. 18).

(2) An diesen Grundsätzen ist auch nach Einführung der Verwaltungsdoppik und der damit verbundenen Orientierung an der kaufmännischen Buchführung festzuhalten, da die Bildung von angemessenen Rücklagen auch weiterhin für die Industrie- und Handelskammern als nicht gewinnorientierte öffentlichrechtliche Körperschaften notwendig ist und zu einer geordneten Haushaltsführung gehört (vgl. BVerwG, Urt. v. 9.12.2015 - 10 C 6.15 -, BVerwGE 153, 315, juris Rn. 17).

Allerdings bedarf die Aussage, der Kammer sei die Bildung von Vermögen verboten (vgl. BVerwG, Urt. v. 9.12.2015 - 10 C 6.15 -, BVerwGE 153, 315, juris Rn. 17) im Rahmen des durch § 3 Abs. 7a IHKG festgelegten Rechnungswesens der Klarstellung. Insoweit ist nicht das bilanzielle Vermögen, sondern die Zweckbindung von Entnahmen und Einstellungen im Rahmen der Mittelbedarfsfeststellung gemeint.

In der Bilanz werden das Vermögen auf der Aktivseite und das Kapital auf der Passivseite dargestellt (vgl. § 266 HGB). Mit der Einführung der Bilanz bei einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft wird das Vermögen nach kameralistischer Definition unterschiedlichen Sphären zugeordnet (zum Folgenden Horn, WiVerw. 2017, 96, 101 ff.). Das vormals nachrichtlich erfasste Sachanlage- und Finanzvermögen wird nun auf der Aktivseite verbucht. Auch das Verwaltungsvermögen wird hier zugeordnet. Demgegenüber werden die Rücklagen, die vormals dem Vermögenshaushalt zugehörten, als Teil des Eigenkapitals auf der Passivseite erfasst. Die Rücklage bildet demnach die Herkunft eines Mittelbestandes ab, während die Verwendung im Sinne eines Gegenwerts als Bareinlage, Wertpapier oder anderweitiges Vermögen auf der Aktivseite verbucht wird. Eine Zuordnung der Passivposten, insbesondere der Rücklagen, zu einzelnen Aktivposten erfolgt in der Bilanz nicht.

In der Literatur wird vertreten, dass die Umstellung des Rechnungswesens Änderungen in Bezug auf die rechtlichen Grenzen der Beitragserhebung zur Folge habe. Eine Beitragsfestsetzung sei nicht allein wegen einer fehlerhaften Prognose der Rücklagenhöhe rechtswidrig. Industrie- und Handelskammern verfügten über kein freies Vermögen, sondern benötigten das gesamte Vermögen zur Aufgabenerfüllung. Der Schluss von einem Prognosemangel bei der Ausgleichsrücklage auf das Vorhandensein freien Vermögens sei nach dem Übergang auf die Doppik nicht mehr möglich. Da sich das Vermögen auf der Aktivseite der Bilanz befinde und erst die Zusammenschau von Aktiv- und Passivseite Aussagen über den Vermögensbedarf erlaube, könne aus der Betrachtung der Rücklagen, insbesondere der Ausgleichsrücklage, nichts abgeleitet werden (vgl. Horn, WiVerw. 2017, 96, 104; Vetterlein, WiVerw. 2017, 115, 125; Wilk, WiVerw. 2017, 126, 132 ff., 140 ff.).

Des Weiteren wird vorausgesetzt, dass die Industrie- und Handelskammer ihre Kapitalstruktur so einzurichten habe, dass die sog. goldene Bilanzregel befolgt werde bzw. dass Fristenkongruenz zwischen Mittelbindung auf der Aktivseite und Kapitalverfügbarkeit auf der Passivseite bestehe (vgl. Horn, WiVerw. 2017, 96, 105; Vetterlein, WiVerw. 2017, 115, 119; Wilk, WiVerw. 2017, 126, 137). Die Art und Weise der Berechnung der Nettoposition in der Eröffnungsbilanz habe es mit sich gebracht, dass diese Regel von den meisten Industrie- und Handelskammern nicht eingehalten werde. Dies habe zu einer Unterfinanzierung des aufgabenbezogenen Vermögens geführt, also des nicht realisierbaren, zur langfristigen Aufgabenerfüllung eingesetzten Vermögens. Nur wenn die Kapitalstruktur anders beschaffen sei, wenn nämlich das realisierbare Vermögen die Summe der Schulden und „variablen“ Rücklagen übersteige, stehe nicht zur Deckung von Verpflichtungen benötigtes, freies Vermögen zur Verfügung, das sich beitragsmindernd auswirke.

Den dargestellten Ansichten ist für die Frage, ob die Mittelbedarfsfeststellung rechtmäßig ist, nicht zu folgen. Prüfungsgegenstand ist nicht die Bilanz, sondern die Beitragsfestsetzung durch die Wirtschaftssatzung. Die Festsetzung der Beitragshöhe ist Ausfluss der Mittelbedarfsfeststellung. Diese ist grundsätzlich aus dem Erfolgsplan oder der Plan-Gewinn- und Verlustrechnung zu ersehen. Darin werden diejenigen Erträge und Aufwendungen geplant, die zusammen mit Gewinn- oder Verlustvortrag sowie Einstellungen in und Entnahmen aus Rücklagen und ggf. Nettoposition einen Bilanzgewinn von 0 Euro ergeben. Erfolgen ungerechtfertigte Einstellungen in die Ausgleichsrücklage oder wird zu Unrecht keine Entnahme geplant, so ist der Mittelbedarf zu hoch angesetzt. Eine ungerechtfertigte Planung in Bezug auf die Ausgleichsrücklage liegt auch dann vor, wenn die Höhe der Rücklage durch Erwägungen bestimmt wird, die zwar möglicherweise den Ansatz von Eigenkapital, aber nicht in Form der Ausgleichsrücklage, tragen. Denn es widerspricht der Haushaltswahrheit, wenn die Ausgleichsrücklage, deren Zweckbestimmung durch Rechtssatz (§ 15a Abs. 2 Finanzstatut) festgelegt ist, in Wahrheit anderen Zwecken dient. Mit anderen Worten verstieße eine automatische Kompensation einer überhöhten Ausgleichsrücklage durch eine zu geringe Nettoposition haushaltsrechtlichen Grundsätzen. Selbst wenn die Befolgung der goldenen Bilanzregel oder anderer Finanzierungsregeln für die Industrie- und Handelskammern Bedeutung haben sollte, kann dies nur im Rahmen des haushaltsrechtlich Erlaubten erfolgen. Hierzu gehört insbesondere, dass, soweit den Passivposten durch das Haushaltsrecht Zwecke zugeordnet worden sind, gegen diese Zwecke nicht verstoßen werden darf.

Der Verstoß der Mittelbedarfsfeststellung gegen Haushaltsrecht hat nicht denknotwendig die Rechtswidrigkeit des Beitragstarifs zur Folge. Zuvor kann zu prüfen sein, ob sich der Haushaltsrechtsverstoß auf die Beitragshöhe ausgewirkt hat. Die beiden Fragen sind aber nicht dadurch zu vermengen, dass im Hinblick auf eine nach dem Vortrag der Industrie- und Handelskammer erforderliche Bilanzstruktur bereits ein Verstoß gegen die rechtlichen Vorgaben für die Mittelbedarfsfeststellung verneint wird. Die Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit des Beitragstarifs werden unter 3. erörtert.

bb. Der Prüfung ist die von der Beklagten im Prozess vorgetragene Bemessung der erforderlichen Höhe der Ausgleichsrücklage zugrundezulegen. Das gilt auch dann, wenn der Vollversammlung zur Vorbereitung der Entscheidung über die Mittelbedarfsfeststellung eine abweichende oder eine die prognostischen Leitentscheidungen nur unzureichend widerspiegelnde Darstellung der die Höhe betreffenden Prognose vorlag („materielle Betrachtung“, so im Ergebnis auch Hamburgisches OVG, Urt. v. 20.2.2018 - 5 Bf 213/12 -, juris Rn. 55; Kuhla/Munding, WiVerw. 2017, 81, 87 f.; a.A. VG Düsseldorf, Urt. v. 30.3.2017 - 20 K 3225/15 -, juris Rn. 356, 383; VG Köln, Urt. v. 16.6.2016 - 1 K 1188/15 -, juris Rn. 55 ff.).

Bei der richterlichen Kontrolle von (untergesetzlichen) Normen kommt es, soweit keine anderweitigen Rechtsvorschriften bestehen, auf das Ergebnis des Rechtssetzungsverfahrens, also auf die erlassene Vorschrift in ihrer regelnden Wirkung, nicht aber auf die die Rechtsnorm tragenden Motive dessen an, der an ihrem Erlass mitwirkt. Soweit der Normgeber zur Regelung einer Frage befugt ist, ist seine Entscheidungsfreiheit eine Ausprägung des auch mit Rechtssetzungsakten der Exekutive typischerweise verbundenen normativen Ermessens. Es wird erst dann rechtswidrig ausgeübt, wenn die getroffene Entscheidung in Anbetracht des Zweckes der Ermächtigung schlechterdings unvertretbar oder unverhältnismäßig ist. Demgemäß beschränkt sich die verwaltungsgerichtliche Kontrolle darauf, ob diese äußersten rechtlichen Grenzen der Rechtssetzungsbefugnis überschritten sind. Die Rechtsprechung hat zu respektieren, dass der parlamentarische Gesetzgeber, der in § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG die Industrie- und Handelskammern ermächtigt hat, zur Aufbringung der Kosten ihrer Tätigkeit nach Maßgabe des Wirtschaftsplans Beiträge von den Kammerzugehörigen zu erheben, im Rahmen dieser Ermächtigung eigene Gestaltungsfreiräume an den Satzungsgeber weiterleitet und dass mit der Satzungsgebung vorbehaltlich gesetzlicher Beschränkungen die Bewertungsspielräume verbunden sind, die sonst dem parlamentarischen Gesetzgeber selbst zustehen. Eine verwaltungsgerichtliche Überprüfung des Abwägungsvorgangs des Normgebers setzt daher bei untergesetzlichen Normen eine besonders ausgestaltete Bindung des Normgebers an gesetzlich formulierte Abwägungsdirektiven voraus, wie sie etwa im Bauplanungsrecht vorgegeben sind. Sind solche nicht vorhanden, kann die Rechtswidrigkeit einer Norm mit Mängeln im Abwägungsvorgang nicht begründet werden. Entscheidend ist allein, ob das Ergebnis des Normsetzungsverfahrens den anzulegenden rechtlichen Maßstäben entspricht (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.4.2006 - 6 C 19.05 -, BVerwGE 125, 384, juris Rn. 16, zu § 113 HwO; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 17.4.2002 - 9 CN 1.01 -, BVerwGE 116, 188, juris Rn. 31 ff.; v. 29.9.2004 - 10 C 3/04 -, NVwZ 2005, 332, juris Rn. 21).

Die hier einschlägigen Rechtsgrundlagen stellen keine besonderen Anforderungen an die Ausübung des Satzungsermessens durch die Kammerorgane. Insbesondere ist ihnen nicht zu entnehmen, dass die Rechtmäßigkeit der Festlegung des Beitragstarifs davon abhinge, dass der Vollversammlung Prognoseunterlagen mit einer vorgegebenen Informationstiefe vorgelegen hätten oder dass eine Befassung mit der der Mittelbedarfsfeststellung zugrundeliegenden Prognose erfolgt wäre. Entgegen dem Klägervorbringen liegt in dem wesentlichen Abstellen auf die im Prozess vorgetragene Prognose keine Einschränkung des Gebots der Schätzgenauigkeit. Die Frage, ob die Mittelbedarfsplanung durch eine diesem Gebot genügende Prognose gerechtfertigt wird, ist von der Frage, wie der Beratungsprozess in der Vollversammlung beschaffen war, zu unterscheiden.

Dies bedeutet allerdings nicht, dass das Gericht eine eigene Prognose anzustellen hätte. Anders als bei den Berechnungen im Rahmen einer Gebührenkalkulation anhand der in den Akten befindlichen Daten, liegt es außerhalb der Funktionsgrenzen der Rechtsprechung, bezüglich des Mittelbedarfs einer Industrie- und Handelskammer Prognosemethoden selbst auszuwählen und die für die Erstellung erforderlichen Tatsachen zusammenzustellen. Dies ist eine Obliegenheit der Beklagten (vgl. auch Brüning, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 6 Rn. 124 (Sept. 2015)).

Soweit vertreten wird, eine fehlerhafte Wirtschaftssatzung könne durch nachträglichen Beschluss der Vollversammlung geheilt werden (vgl. VG Bayreuth, Urt. v. 7.12.2016 - B 4 K 15.580 -, juris Rn. 38; VG Düsseldorf, Urt. v. 30.3.2017 - 20 K 3225/15 -, juris Rn. 388 (offengelassen); Jahn, in: Frentzel/Jäkel/Junge, IHKG, 7. Aufl. 2009, § 3 Rn. 34; anders wohl für vergangene Wirtschaftsjahre Jahn, GewArch. 2016, 253, 271), liegen aufgrund des Beschlusses der Vollversammlung der Beklagten vom 25. April 2016 die formellen Voraussetzungen für eine solche Heilung vor. Auch nach dieser Ansicht kommt es im vorliegenden Fall nur noch darauf an, ob die Mittelbedarfsfeststellung inhaltlichen Einwänden ausgesetzt ist.

cc. Die geplante Höhe der Ausgleichsrücklage wird durch die von der Beklagten angeführte Prognose nicht gerechtfertigt. Dies ist anhand der oben (1., 2.a.aa.) dargestellten Maßstäbe zu entscheiden; andere Prüfungsansätze sind rechtlich bedeutungslos ((1)). Die Prognose selbst genügt den Anforderungen nicht in vollem Umfang ((2)). Die tatsächlich vorgenommene Planung einer Ausgleichsrücklage in dem Wirtschaftsplan überschreitet den prognostizierten Rahmen allerdings nicht ((3)).

Dabei ist nicht zusätzlich zu prüfen, ob einzelnen Zuführungen zur Rücklage eine gesonderte Prognose zugrundelag. Eine unzutreffende Mittelbedarfsfeststellung liegt nur dann vor, wenn die insgesamt geplante Rücklagenhöhe über das erforderliche Maß hinausgeht. Dafür kommt es allein darauf an, ob der Gesamthöhe der Rücklage eine fehlerfreie Prognose zugrundeliegt und die Gesamthöhe eingehalten wird.

(1) Es spricht keine Vermutung für die Angemessenheit der geplanten Höhe der Ausgleichsrücklage. Deren Rechtswidrigkeit ergibt sich andererseits nicht aus den vom Kläger angeführten Vergleichsgrößen.

(a) Mehrere Verwaltungsgerichte haben auf den „Korridor“ eines Anteils an den geplanten Aufwendungen, den § 15a Abs. 2 Satz 2 des Finanzstatuts für die Ausgleichsrücklage vorsieht, eine Vermutung für deren Angemessenheit gestützt. Dem ist nicht zu folgen.

Die Vermutung wird zum Teil für einschlägig erachtet, wenn die Höhe der Ausgleichsrücklage unterhalb des Korridors bleibt (VG Köln, Urt. v. 15.2.2017 - 1 K 1473/16 -, GewArch. 2017, 194, juris Rn. 81; VG Schleswig, Urt. v. 15.2.2018 - 12 A 173/16 -, juris Rn. 33; VG Trier, Urt. v. 22.2.2018 - 2 K 5512/17.TR -, juris Rn. 71; ebenso Jahn, GewArch. 2016, 263, 268; offengelassen in VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 2.11.2016 - 6 S 1261/14 -, juris Rn. 37; Beschl. v. 20.7.2017 - 6 S 8 -, GewArch. 2018, 29, juris Rn. 12), zum Teil, wenn sie im unteren Bereich (VG Braunschweig, Urt. v. 20.4.2017 - 1 A 59/16 -; offengelassen in Hamburgisches OVG, Urt. v. 20.2.2018 - 5 Bf 213/12 -, juris Rn. 65) oder in der Mitte des Korridors (VG Ansbach, Urt. v. 8.11.2017 - AN 4 K 15.01648 -, juris Rn. 50) liegt, und zum Teil, wenn der Korridor eingehalten ist (VG Braunschweig, Urt. v. 20.4.2017 - 8 LB 128/17 -; ablehnend Hamburgisches OVG, Urt. v. 20.2.2018 - 5 Bf 213/12 -, juris Rn. 65; VG Gelsenkirchen, Urt. v. 21.11.2017 - 19 K 903/16 -, juris Rn. 42).

Eine solche Vermutung kann nicht allein darauf gestützt werden, dass der Korridor im Finanzstatut normiert ist. Das Finanzstatut ist ebenso wie die Wirtschaftssatzung Satzungsrecht der Beklagten. Es hat nicht etwa höheren Rang. Die Kammerorgane müssen die haushalts- und beitragsrechtlichen Vorgaben des IHKG beim Erlass beider Satzungen in gleicher Weise erfüllen.

Gegen die Ableitung einer Vermutungsregel aus dem Finanzstatut spricht weiter, dass die besagte Regel keinen eindeutigen Gehalt aufwiese. Neben der Untergrenze des Muster-Finanzstatuts von 30 % kommen auch Untergrenzen von 20 % (im vorliegenden Verfahren, vorübergehend für zwei Jahre) und 25 % (im Verfahren VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 20.7.2017 - 6 S 8 -, GewArch. 2018, 29, juris Rn. 12) vor. Zudem gibt es Industrie- und Handelskammern, deren Finanzstatut keine Untergrenze vorsieht (in den Verfahren VG Köln, Urt. v. 15.2.2017 - 1 K 1473/16 -, GewArch. 2017, 194, juris Rn. 81; VG Trier, Urt. v. 22.2.2018 - 2 K 5512/17.TR -, juris Rn. 49).

Soweit Industrie- und Handelskammern behaupten, die Regelung beruhe auf Erfahrungssätzen, die die IHK-Organisation in enger Kooperation mit den Aufsichtsbehörden ermittelt und erarbeitet habe, ist nicht ersichtlich, welche Erfahrungen dies sein sollen. Insbesondere kann die Untergrenze nicht dadurch untermauert werden, dass es bei Einhaltung des Korridors in der Vergangenheit nicht zu finanziellen Engpässen gekommen ist. Denn dadurch wird nicht belegt, dass eine geringere Rücklagenhöhe den Ausgleichszweck nicht ebenfalls erfüllen könnte.

Folge der Anwendung der Vermutungsregel soll sein, dass die Angemessenheit der Rücklagenhöhe zum Ausgleich der Beitragsschwankungen bzw. aller ergebnisrelevanten Schwankungen vermutet wird. Zwischen dem Korridor und dieser Ausgleichsfunktion besteht jedoch keine Beziehung. Denn nach dem Finanzstatut wird eine Quote der von der Beklagten vorgesehenen Ausgaben gebildet, so dass die absoluten Geldbeträge, die die Ober- und Untergrenze des Korridors bilden, allein von der Ausgabenplanung der Organe der Beklagten abhängen.

Hinzu kommt, dass dem Kläger mit der Obliegenheit, die eingetretene Vermutung zu entkräften, etwas Unmögliches abverlangt wird. Denn auf Vortrag, warum die absolute Höhe der Ausgleichsrücklage unzutreffend ist, kommt es nicht an. Um einen Verstoß gegen den Grundsatz der Schätzgenauigkeit nachzuweisen, müssen Fehler bei der Prognosemethode oder den dabei zugrundegelegten Tatsachen dargetan werden. Wenn aber die Beklagte die Prognoseerwägungen, mit denen sie die Rücklagenhöhe rechtfertigen will, nicht angibt, ist dem Kläger derartiger Vortrag unzugänglich.

(b) Wird andererseits die geplante Höhe der Rücklage durch eine fehlerfreie Prognose gerechtfertigt, so ist der Wirtschaftsplan insoweit rechtmäßig. Dies wird entgegen dem Klagevorbringen nicht dadurch in Zweifel gezogen, dass das Verhältnis von Ausgleichsrücklage und geplanten Aufwendungen in anderen Geschäftsjahren oder bei anderen Industrie- und Handelskammern geringer ist (vgl. VG Trier, Urt. v. 22.2.2018 - 2 K 5512/17.TR -, juris Rn. 54 f.).

(2) Die Beklagte hat die erforderliche Höhe der Ausgleichsrücklage mit 2.714.216,00 Euro beziffert. Die berücksichtigten Risiken des Ausfalls großer Beitragszahler und der Bewertung von Finanzanlagen wurden ihrer Höhe nach prognosefehlerhaft bewertet. Im Übrigen genügt die Prognose den rechtlichen Anforderungen.

(a) Das Konjunktur- und Branchenrisiko ist durch Ermittlung des Erwartungswerts für Beitragsschwankungen in einem Zehn-Jahres-Zeitraum ohne Prognosefehler abgeschätzt worden.

Als zu berücksichtigendes Risiko wurde der dreifache Jahresbetrag des Erwartungswerts angesetzt. Dies waren im Ergebnis 2.367.216 Euro. Die Beklagte hat den Durchschnitt des jährlichen Beitragsaufkommens 2006 bis 2015 gebildet und als Schwankungsbreite die Differenz zwischen diesem Durchschnitt und dem Aufkommen im schwächsten Beitragsjahr ermittelt. Sodann hat sie eine Eintrittswahrscheinlichkeit aus den Konjunkturumfragen im Bezirk abgeleitet, die sie mit 40 % angegeben hat. Den errechneten Erwartungswert hat sie im Hinblick auf den angenommenen Zeitraum der Auswirkungen mit 3 multipliziert.

Der zugrundeliegende Sachverhalt wurde zutreffend ermittelt; an der Richtigkeit der Daten über Beitragsaufkommen und Konjunkturumfragen besteht kein Zweifel. Auch die Methode ist nicht ungeeignet. Sie prognostiziert konjunkturell bedingte Schwankungen des Beitragsaufkommens in nachvollziehbarer Weise. Die Beklagte ist dabei berechtigt, die Schwankungen ausgehend von dem durchschnittlichen Beitragsaufkommen zu betrachten. Dass das Beitragsaufkommen eine insgesamt steigende Tendenz aufweist, steht dem nicht entgegen. Für die Frage, welche Höhe mögliche Ausfälle haben können, bedarf es eines Anknüpfungspunktes, von dem ausgehend das Zurückbleiben des Beitrags in einem Jahr berechnet wird. Im Übrigen kann es sich auch zugunsten des Beitragspflichtigen auswirken, wenn in den für die Gegenwart ermittelten Wert auch weiter zurückliegende Jahre eingeflossen sind, in denen möglicherweise aufgrund von Inflation und ähnlichen Effekten das Beitragsaufkommen noch niedriger war. Indem auf den größtmöglichen Beitragsausfall abgestellt wurde, ohne dass eine Untersuchung auf Ausreißer oder die Berechnung eines Streuungsmaßes erfolgte, wurde eine Methode gewählt, die besonders stark vom Zufall abhängt, aber auch besonders einfach ist. Um eine ungeeignete oder widersprüchliche Methode handelt es sich nicht, bloß weil präzisere Methoden denkbar sind.

Entgegen dem Klägervorbringen sieht das Gericht einen Vergleich zwischen dem geplanten und dem tatsächlichen Beitragsaufkommen nicht als allein geeignete Methode an. Mit dem Plan-Ist-Vergleich würde die Güte der jährlichen Planung ermittelt, die gerade nicht der Konjunktur folgt, sondern bei guter wie schlechter Wirtschaftslage davon abhängt, ob der Beklagten ein realitätsnaher Planansatz der erwarteten Beitragseinnahmen gelungen ist. Bei dem Konjunkturrisiko geht es aber um Schwankungen der Beitragseinnahmen aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung. Da es um die Vorsorge für den Eintritt eines Risikos geht, besteht auch keine Notwendigkeit, etwaige Chancen ebenfalls in die Prognose einzuziehen. Wird - wie hier - mit dem Maximalwert der Schwankungen gearbeitet, so ist allein erforderlich, dass auch die Eintrittswahrscheinlichkeit der nachteiligen Entwicklungen berücksichtigt wird. Darin ist mittelbar eine Aussage über die Wahrscheinlichkeit positiver Entwicklungen enthalten. Aufgrund der Berücksichtigung der Eintrittswahrscheinlichkeit lässt sich entgegen dem Klägervorbringen auch nicht sagen, die Betrachtung allein des schlimmsten Falles stelle keine geeignete Methode dar.

Die Beklagte überschreitet angesichts der Erkenntnisunsicherheit in diesem Bereich nicht ihren Gestaltungsspielraum, wenn sie es dabei belässt, die Eintrittswahrscheinlichkeit anhand von Risikoklassen (20 %, 30 %, 40%, 50 %) abzuschätzen. Es ist vertretbar, hierbei auf Umfragewerte im Bezirk abzustellen. Die Beklagte hat entgegen dem Berufungsvorbringen auch nicht ein Ausfallrisiko von 40 % angenommen, weil 40 % der Unternehmen im Bezirk eine negative Konjunkturerwartung geäußert hätten. Vielmehr wurde die Risikoklasse unter Berücksichtigung der insgesamt geäußerten Konjunkturerwartung geschätzt. Angesichts der besonderen Bedeutung des VW-Skandals bestehen auch gegen die zusätzliche Berücksichtigung der damit verbundenen Erhöhung des Ausfallrisikos keine Bedenken.

Es ist zwar zulässig, der Prognose Erfahrungswerte zugrundezulegen. Das bedeutet aber entgegen dem Klägervorbringen umgekehrt nicht, dass die Prognosemethode ungeeignet wäre, wenn sie über in der Vergangenheit tatsächlich vorgekommene Fälle der Verwirklichung von Risiken hinausgeht. Vielmehr gehört auch die Vorsorge gegen Risiken, die sich bislang nicht oder nicht in dem als möglich angesehenen Umfang realisiert haben, zur Finanzierung der Tätigkeit der Industrie- und Handelskammer i.S.d. § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG. In welchem Umfang dies geschieht, liegt im Gestaltungsspielraum der Kammer. Es ist kein durchgreifendes Gegenargument gegen die Geeignetheit der Prognosemethode, wenn geltend gemacht wird, in der Vergangenheit oder während einer historischen Wirtschaftskrise sei es nicht zu Einbrüchen in der einkalkulierten Höhe gekommen.

Das Abstellen auf den dreifachen Jahresbetrag macht die Prognosemethode nicht ungeeignet. Allerdings erhöht es den Ausfallbetrag im jeweiligen Jahr nicht, dass die Mitteilung der Bemessungsgrundlagen durch die Finanzverwaltung erst mit drei- bis fünfjähriger Verzögerung erfolgt. Dies bewirkt nur eine Verteilung der Abrechnung eines Beitragsjahrs auf mehrere Wirtschaftsjahre und wiederholt sich in jedem Jahr, so dass sich die in jedem einzelnen Wirtschaftsjahr einzuplanenden Beiträge aus Vorjahren jeweils aus den Erträgen unterschiedlicher Beitragsjahre zusammensetzen. Jedoch ist die Berechnung für drei Jahre aufgrund der Direktive gerechtfertigt, die Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen pfleglich zu behandeln (§ 3 Abs. 2 Satz 2 IHKG). Dies berechtigt die Beklagte dazu, die Veränderung der Beitragshöhe von Geschäftsjahr zu Geschäftsjahr zu glätten und besonders hohe Beiträge in konjunkturell schwachen Jahren zu vermeiden. Würde in der Prognose nur das Ausfallrisiko eines Geschäftsjahrs berücksichtigt, so müssten bei mehrjährigen hohen Ausfällen die Beiträge zur Auffüllung der Rücklage im nächsten Jahr erheblich erhöht werden.

(b) Für das Risiko des Ausfalls großer Beitragszahler hat die Beklagte 120.000 Euro angesetzt. Die Prognose ist fehlerbehaftet.

Die Beklagte hat Erfahrungswerte des tatsächlichen Ausfalls großer Beitragszahler in der Vergangenheit herangezogen und einen realistischen Wert mit 40.000 Euro veranschlagt. Diesen hat sie mit einer Auswirkung für drei Jahre bewertet.

Die Beklagte hat die Beträge für das Konjunkturrisiko und das Risiko großer Beitragszahler ohne Abschlag addiert. Die damit getroffene Annahme, beide Risiken seien nicht korreliert, steht nicht im Widerspruch zu den Risikodefinitionen. Sie wurde bei der zahlenmäßigen Bemessung aber nicht durchgehalten. Die Beklagte hat das Risiko des Ausfalls großer Beitragszahler auf konjunkturunabhängige, ihre Ursache nur in den Verhältnissen des Unternehmens findende Beitragsausfälle beschränkt. Unter dieser Voraussetzung ist die eigentliche Berechnungsmethode nur dann in sich widerspruchsfrei, wenn sich die Prognosen auch bei der Bemessung der Risikohöhe nicht überlappen. Daran fehlt es. Die Beklagte hat für das Konjunkturrisiko auf die Schwankungsbreite des gesamten Beitragsaufkommens abgestellt, ohne es um nicht konjunkturbedingte Schwankungen bei großen Beitragszahlern zu bereinigen. Für derartige Schwankungen hat sie einen zusätzlichen Wert addiert, hinsichtlich dessen sie nicht erläutert hat, ob er um konjunkturbedingte Schwankungen bei großen Beitragszahlern bereinigt wurde.

(c) Mit dem Risiko der Bewertung von Finanzanlagen will die Beklagte der Möglichkeit Rechnung tragen, dass der Kurs von Wertpapieren, die nach dem gemilderten Niederstwertprinzip bewertet sind, dauerhaft unter den Anschaffungskosten liegen könnte. Dieses Risiko ist mit 227.000,00 Euro beziffert worden. Die Bemessung ist prognosefehlerhaft erfolgt.

Die Risikohöhe ist mit der gesamten Summe der stillen Lasten zum 31.12.2015 gleichgesetzt worden. Auf den Ansatz einer von 100 % verschiedenen Eintrittswahrscheinlichkeit hat die Beklagte verzichtet. Sie hat aber im Rahmen der Erläuterung der Prognose während der Vollversammlung am 25. April 2016 ausgeführt, sie gehe davon aus, dass die Kurse sich erholten und eine voraussichtlich dauernde Wertminderung nicht gegeben sei. Dies ist widersprüchlich.

(2) Aufgrund der Prognosefehlerhaftigkeit der Bemessung der erforderlichen Rücklagenhöhe kommt es im vorliegenden Fall nicht auf die getrennt zu untersuchende Frage an, ob die Planung selbst die durch die Prognose ermittelte Höhe eingehalten hat. Letzteres ist allerdings, ohne dass sich an dem Ergebnis dadurch etwas änderte, zu bejahen. Bei dem Beschluss über die Wirtschaftssatzung ging die Beklagte davon aus, dass die Ausgleichsrücklage durch die geplante Entnahme eine Höhe von 2.698.224,00 Euro erreichen werde, was hinter dem Prognosewert von 2.714.216 Euro zurückbleibt. Auf die genannte Zahl ist abzustellen, auch wenn sie erst in der mündlichen Verhandlung ermittelt werden konnte. Die vom Kläger erhobene Verspätungsrüge geht schon ins Leere, weil eine Frist nach § 87b VwGO nicht gesetzt war.

Allerdings ging die Beklagte zum Zeitpunkt des Beschlusses ihrer Vollversammlung am 25. April 2016 davon aus, dass die Ausgleichsrücklage bis zum Jahresende eine Höhe von 2.876.000,00 Euro erreichen werde. Daraus ergibt sich jedoch nicht die Rechtswidrigkeit der Mittelbedarfsfeststellung. Denn in die Mittelbedarfsfeststellung, aus der der Beitragsbedarf abzuleiten war, ging der bei Beschluss über die Wirtschaftssatzung bekannte Wert ein. Die Mittelbedarfsfeststellung ändert sich durch nachträgliche Erkenntnisse nicht mehr. Dies ist abzugrenzen von der den Planansatz rechtfertigenden Prognose. Da diese nicht Bestandteil der Planung ist, sondern diese rechtfertigt, und da es in erster Linie auf die materielle Rechtfertigung ankommt (s.o. bb.), kann (nur) hinsichtlich der Prognose der erforderlichen Höhe der Ausgleichsrücklage nachträglich Vortrag erfolgen, der die Planung rückwirkend zu rechtfertigen vermag.

b. Die Beklagte hat die Einstellung von 2.500.000,00 Euro in die Nettoposition, die durch den Nachtrags-Erfolgsplan 2013 geplant worden ist, im Wirtschaftsplan 2016 nicht rückgängig gemacht und in diesem Plan keine Änderung an dem inzwischen so bezeichneten festgesetzten Kapital vorgenommen. Dies verletzt § 3 Abs. 2 IHKG.

aa. Eine Einstellung in die Nettoposition bzw. das festgesetzte Kapital bewirkt, dass der Erfolgsplan einen geringeren Bilanzgewinn ausweist, als dies ohne die Einstellung der Fall wäre. Wird ein geringerer Bilanzgewinn ausgewiesen, so steht er der Finanzierung der Aufgabenerfüllung der Industrie- und Handelskammer nicht zur Verfügung. Dies hat einen erhöhten Mittelbedarf zur Folge, welcher durch die Erhebung von Beiträgen gedeckt werden muss. Die Festsetzung höherer Beiträge ist aber rechtswidrig, wenn die Einstellung in das festgesetzte Kapital zu Unrecht erfolgt. Denn in diesem Fall wären die Kosten der Tätigkeit i.S.d. § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG anderweitig gedeckt, wenn der Bilanzgewinn die zutreffende Höhe hätte (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 23.9.2014 - 6 A 11345/13 -, DVBl. 2015, 55, juris Rn. 39, 41; a.A. VG Köln, Urt. v. 15.2.2017 - 1 K 1473/16 -, GewArch. 2017, 194, juris Rn. 103). Wie bei einer überhöhten Rücklagenbildung (vgl. BVerwG, Urt. v. 9.12.2015 - 10 C 6.15 -, BVerwGE 153, 315, juris Rn. 18) ist ein Wirtschaftsplan nicht nur dann rechtswidrig, wenn er eine unzulässige Einstellung in das festgesetzte Kapital vorsieht, sondern auch dann, wenn er das festgesetzte Kapital in rechtswidriger Höhe beibehält.

bb. Die 2013 geplante Einstellung in die Nettoposition war rechtswidrig.

Sie widerspricht § 3 Abs. 7a IHKG. Nach dieser Vorschrift sind für das Rechnungswesen, insbesondere Rechnungslegung und Aufstellung und Vollzug des Wirtschaftsplans und den Jahresabschluss der Industrie- und Handelskammern die Grundsätze kaufmännischer Rechnungslegung und Buchführung in sinngemäßer Weise nach dem Dritten Buch des HGB in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Das Nähere wird durch Satzung unter Beachtung der Grundsätze des staatlichen Haushaltsrechts geregelt.

(1) Die Grundsätze des staatlichen Haushaltsrechts stehen der Erhöhung der ursprünglichen, im Rahmen der Eröffnungsbilanz ermittelten Nettoposition entgegen.

Gemäß § 7a Abs. 1 Satz 1 HGrG folgt die staatliche Doppik den Vorschriften des Ersten und des Zweiten Abschnitts Erster und Zweiter Unterabschnitt des Dritten Buches Handelsgesetzbuch und den Grundsätzen der ordnungsmäßigen Buchführung und Bilanzierung. Konkretisierungen, insbesondere die Ausübung handelsrechtlicher Wahlrechte, und von Absatz 1 abweichende Regelungen, die aufgrund der Besonderheiten der öffentlichen Haushaltswirtschaft erforderlich sind, werden nach § 7a Abs. 2 HGrG von Bund und Ländern in dem Gremium nach § 49a Abs. 1 HGrG erarbeitet. Dieses Gremium hat am 29. November 2016 die Standards für die staatliche doppelte Buchführung (Standards staatlicher Doppik) beschlossen. Nach deren Nr. 5.5.1 ergibt sich die Nettoposition in der Eröffnungsbilanz grundsätzlich als Differenz aus dem Aktivvermögen und den Schulden. In den Folgebilanzen ändert sich die Nettoposition in der Regel nicht. Diese Bestimmung ist keine Rechtsnorm. Es erscheint jedoch angezeigt, sie als Konkretisierung der Grundsätze des Haushaltsrechts im Bereich der staatlichen Doppik heranzuziehen (vgl. auch v. Lewinski/Burbat, in: Nomos-BR, § 7a HGrG Rn. 13). In dieser konkretisierenden Funktion gibt sie auch für den Zeitraum vor November 2016 Auskunft über den Inhalt der Grundsätze des staatlichen Haushaltsrechts.

Die Nettoposition ist als Rechnungsposition in der Eröffnungsbilanz entstanden. Bei der Bilanzaufstellung wurde keine Rücksicht darauf genommen, welche Ursachen die Höhe der Differenz zwischen Aktivvermögen und Schulden hatte. Dass sie den Zweck gehabt hätte, das zur Erfüllung der Aufgaben der IHK notwendige, in Sachanlagen gebundene Vermögen zu ermitteln, lässt sich nicht sagen (vgl. auch Dietrich/Strohe, Die Finanzlage öffentlicher Unternehmen in Deutschland, Universität Potsdam, Statistische Diskussionsbeiträge Nr. 46, Potsdam 2011, S. 11; a.A. VG Köln, Urt. v. 15.2.2017 - 1 K 1473/16 -, GewArch. 2017, 194, juris Rn. 100; VG Trier, Urt. v. 22.2.2018 - 2 K 5512/17.TR -, juris Rn. 81). Nach der ursprünglichen Funktion beim Ausgleich der Eröffnungsbilanz war sie unabhängig von Erwägungen einer angemessenen Eigenkapitalausstattung. Dass sie sich in den Folgebilanzen in der Regel nicht ändert, steht mit den Besonderheiten der öffentlichen Haushaltswirtschaft im Zusammenhang. Der Verwaltungsträger bestand bereits vor der Aufstellung der Eröffnungsbilanz und nahm seine Aufgaben wahr. War dies mit der Vermögens- und Kapitalausstattung möglich, die in der Eröffnungsbilanz abgebildet wurde, so besteht grundsätzlich kein Anlass, daran später etwas zu ändern.

Aus alldem ergibt sich als Grundsatz des staatlichen Haushaltsrechts, dass die in der Eröffnungsbilanz ermittelte Nettoposition später grundsätzlich nicht geändert wird. Ausnahmen aus sachlichen Gründen sind möglich. Dies ist insbesondere bei einer Änderung der Verhältnisse, die der Ermittlung der Nettoposition zugrundelagen, denkbar, so bei einer Änderung im Vermögensbestand und wohl auch beim Übergang von Fremd- zu Eigenfinanzierung des Immobilienvermögens durch Tilgung eines Immobiliendarlehens (vgl. VG Trier, Urt. v. 22.2.2018 - 2 K 5521/17.TR -, juris Rn. 88).

§ 3 Abs. 7a IHKG nimmt die Industrie- und Handelskammern von der Befolgung dieses Grundsatzes nicht aus. Eine Ermächtigung zu einer die Besonderheiten der öffentlichen Haushaltswirtschaft beiseite lassenden, besonders flexiblen unternehmensähnlichen Finanzpolitik ist der Vorschrift nicht zu entnehmen. Beabsichtigt war eine Reform nur der Rechnungslegung und damit der Darstellungsweise der Kammerfinanzen. Diese sollte die Transparenz erhöhen und das Etatrecht der Vollversammlungen stärken. Für die mit der Doppik vertrauten Mitglieder und Ehrenamtlichen werde der Nachvollzug der Planungen erleichtert. Die Unterschiede zwischen dem eigenen Unternehmen und der eigenen Industrie- und Handelskammer würden in der Abbildung der finanziellen Abläufe geringer, da sie in der gewohnten Form dargestellt würden. Die Umstellung auf die Doppik mache eine redaktionelle Anpassung des IHKG erforderlich. Da die im HGB geregelten Grundsätze nicht auf alle Geschäftsvorgänge einer Industrie- und Handelskammer exakt passten, werde eine entsprechende Anwendung vorgeschrieben (BR-Drs. 68/07, S. 79). Die Doppik soll demnach die Nachvollziehbarkeit der Haushaltswirtschaft erhöhen. Aus den gesetzgeberischen Motiven ergibt sich aber kein Hinweis darauf, dass allein die Annäherung an eine den Mitgliedern vertraute Bilanzstruktur die Annahme eines Mittelbedarfs und dessen Deckung durch die Erhebung von Beiträgen rechtfertigte.

(2) Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist hier nicht gegeben.

(a) Sie ergibt sich nicht aus Satzungsrecht.

Das Finanzstatut in der Fassung vom 19. September 2005, das bis zum 31. Dezember 2013 galt, enthielt keine ausdrücklichen Vorschriften über die Nettoposition bzw. das festgesetzte Kapital. Seit dem 1. Januar 2014 bestimmt § 15a Abs. 1 Finanzstatut, dass sich das festgesetzte Kapital als Unterschiedsbetrag zwischen Vermögen und Schulden unter Berücksichtigung von Rücklagen zum Stichtag der Eröffnungsbilanz ergibt. Es kann bei erheblicher Änderung der aktuellen Verhältnisse im Vergleich zum Eröffnungsbilanzstichtag angepasst werden. Es soll im Regelfall nicht höher sein als das zur Erfüllung der Aufgaben notwendige, langfristig gebundene Vermögen der IHK A-Stadt (immaterielles Vermögen, Sachanlagen, Beteiligungen).

Eine satzungsrechtliche Grundlage für die Erhöhung war bei der Einstellung zusätzlicher Mittel durch den Nachtrags-Erfolgsplan 2013 nicht vorhanden. Auch wenn man im Hinblick darauf, dass für den vorliegenden Rechtsstreit nur zu prüfen ist, ob die Aufrechterhaltung der Höhe des festgesetzten Kapitals zu Unrecht erfolgt, die nunmehr geltende Fassung des § 15a Finanzstatut zugrundelegt, ist die Erhöhung nicht gerechtfertigt. Sie setzt eine erhebliche Änderung der Verhältnisse voraus. Eine solche ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Vielmehr hat die Beklagte angegeben, das festgesetzte Kapital erhöht zu haben, weil es in der Eröffnungsbilanz unterdotiert gewesen sei.

(b) Die Herstellung von Fristenkongruenz in der Bilanz ist kein sachlicher Grund für eine Erhöhung der Nettoposition. Die Industrie- und Handelskammern befinden sich im Hinblick auf die Auswirkungen einer nicht diesen Finanzierungsregeln entsprechenden Kapitalstruktur in einer fundamental anderen Lage als ein privatwirtschaftliches Unternehmen. Sie sind zur Herstellung von Fristenkongruenz nicht verpflichtet, die Verfolgung dieses Zwecks ergibt auch keinen legitimierenden Grund.

Die „goldene Bilanzregel“ ist keine bei der Bilanzaufstellung zu beachtende Norm. Eine inhaltlich genau bestimmte „goldene Bilanzregel“ gibt es nicht. Die Fristenkongruenz der Finanzierung kann als gewahrt angesehen werden, wenn sich Eigenkapital und Anlagevermögen entsprechen (enge Fassung), in Betracht kommt aber auch eine Betrachtung von Eigenkapital und langfristigem Fremdkapital, wobei wiederum einerseits nur das Anlagevermögen oder zusätzlich das langfristig gebundene Umlaufvermögen (weiteste Fassung) gegenübergestellt werden können (vgl. auch Wöhe/Döring, Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 24. Aufl. 2010, S. 659 f.). Ausgedrückt als Kennzahlen sind der Deckungsgrad I der Quotient aus Eigenkapital und Anlagevermögen, der Deckungsgrad II die Summe aus Eigenkapital und langfristigem Fremdkapital, geteilt durch das Anlagevermögen, und der Deckungsgrad III die Summe von Eigenkapital und langfristigem Fremdkapital, dividiert durch die Summe aus Anlagevermögen und dauernd benötigtem Umlagevermögen.

Bereits die Spannbreite der möglichen Inhalte der „goldenen Bilanzregel“ schließt eine rechtliche Bindung der Industrie- und Handelskammern an sie aus. Dementsprechend ist sie im Dritten Buch des HGB oder sonstigen Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung (dazu Wöhe/Döring, Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 24. Aufl. 2010, S. 733 ff.) nicht enthalten. Auch in der Literatur, die die goldene Bilanzregel anführt, wird teilweise darauf hingewiesen, dass es eine rechtlich bindende Vorschrift zur Herstellung von Fristenkongruenz nicht gibt (vgl. Vetterlein, WiVerw. 2017, 115, 121).

Die Befolgung der „goldenen Bilanzregel“ ist nicht nur rechtlich nicht vorgeschrieben, sie bietet auch keinen sachlichen Grund für eine nachträgliche Erhöhung der Nettoposition ohne Änderung der Verhältnisse. Nach ihrer wirtschaftlichen Funktion ist die goldene Bilanzregel kein bei der Aufstellung der Bilanz einzuhaltender Grundsatz, sondern ein Instrument der Bilanzanalyse bzw. eine bei der Optimierung der finanzierungspolitischen Instrumente zu berücksichtigende Finanzierungsregel. Die Finanzierungsregeln erhalten ihren Stellenwert durch ihre Rolle bei der Kreditwürdigkeitsprüfung durch Kreditgeber (Wöhe/Döring, Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 24. Aufl. 2010, S. 660).

Wegen dieser Funktion hat die Einhaltung der „goldenen Bilanzregel“ Bedeutung für privatwirtschaftliche Unternehmen, für die Beklagte hingegen nicht. Im öffentlichen Bereich ist eine fristenkongruente Finanzierung eher die Ausnahme. Ein Forderungsausfall kann im Ergebnis nicht eintreten (vgl. zu öffentlichen Unternehmen Dietrich/Strohe, Die Finanzlage öffentlicher Unternehmen in Deutschland, Universität Potsdam, Statistische Diskussionsbeiträge Nr. 46, Potsdam 2011, S. 10, 14, 16, 31). Zum einen ist eine Zahlungsunfähigkeit faktisch weitgehend ausgeschlossen, insbesondere weil Pflichtmitgliedschaft und ein unbeschränktes Recht auf Beitragserhebung bestehen (vgl. auch BVerwG, Urt. v. 10.12.1981 - 3 C 1.81 -, BVerwGE 64, 248, juris Rn. 37). Zum anderen ist die Beklagte gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 2 InsO, § 1 Abs. 1 des Niedersächsischen Gesetzes über die Insolvenzunfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts (vom 27.3.1987, GVBl. S. 67, zuletzt geändert durch Gesetz vom 21.11.2002, GVBl. S. 730) insolvenzunfähig. Träte also gleichwohl Zahlungsunfähigkeit ein, so bestünde die Beklagte entweder fort und der Staat hätte erforderlichenfalls Finanzquellen zu eröffnen (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.11.1985 - 3 C 44.83 -, BVerwGE 72, 212, juris Rn. 47; Rieger, in: Kluth, Handbuch des Kammerrechts, 2. Aufl. 2011, § 13 Rn. 263), oder die Beklagte müsste durch staatlichen Organisationsakt aufgelöst werden mit der Folge, dass ihr Vermögen einschließlich der Verbindlichkeiten auf das Land überginge (vgl. Engelsing, Zahlungsunfähigkeit von Kommunen und anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, 1999, S. 233; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Band. 3, 5. Aufl. 2004, § 87 Rn. 21). Dementsprechend ist davon auszugehen, dass sich die Industrie- und Handelskammer Liquidität kurzfristig beschaffen kann. Entweder erhebt sie in dem jeweiligen Geschäftsjahr, in dem sich ein Mangel an realisierbarem Vermögen abzeichnet, höhere Beiträge, oder sie finanziert die Tilgung bis zum nächsten Geschäftsjahr durch einen Kredit, den sie im Hinblick auf die Insolvenzunfähigkeit ohne erkennbare Schwierigkeiten erhalten kann.

Es muss nicht entschieden werden, ob ein gewisses Maß an Fristenkongruenz im Einzelfall im Hinblick auf § 3 Abs. 2 Satz 2 IHKG gerechtfertigt sein kann. Es kann einer sparsamen Wirtschaftsführung und einer pfleglichen Behandlung der Beitragspflichtigen entsprechen, wenn eine entgeltliche Kreditfinanzierung und starke Beitragsschwankungen vermieden werden. Hierzu bedürfte es in jedem Fall einer dem Gebot der Schätzgenauigkeit Rechnung tragenden Prognose im Einzelfall, inwiefern in einem Wirtschaftsjahr Liquiditätsengpässe auftreten können und es hierfür einer Rücklagenbildung bedarf. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, einen solchen Zweck verfolgt zu haben. Zudem erscheint fraglich, ob hierzu das festgesetzte Kapital verwendet werden könnte oder ob aus Gründen der Haushaltswahrheit eine Rücklage verwendet werden müsste.

c. Der Vortrag des Klägers zur Verwendung des in der Bilanz zum 31. Dezember 2014 ausgewiesenen Bilanzgewinns führt nicht eigenständig zu einer Rechtswidrigkeit der Beitragserhebung.

Die Beklagte hat in der am 11. Mai 2015 erstellten Bilanz zum 31. Dezember 2014 einen Bilanzgewinn von 50.491,84 Euro ausgewiesen. Sie hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht angegeben, den Bilanzgewinn der Ausgleichsrücklage zugeführt zu haben. Ist die Höhe der Ausgleichsrücklage zu groß bemessen, so ist die Mittelbedarfsfeststellung rechtswidrig (dazu o. a.). Ist ihre Höhe, und damit die Höhe der im allein maßgeblichen Erfolgsplan geplanten Entnahmen oder Einstellungen, rechtmäßig, dann wird auch der ihr zugeführte Gewinn zur Finanzierung der Tätigkeit der Beklagten verwendet. Den Anforderungen des § 3 Abs. 2 IHKG ist damit Genüge getan (vgl. auch Hamburgisches OVG, Urt. v. 20.2.2018 - 5 Bf 213/12 -, juris Rn. 97, 99). Darüber hinausgehende rechtliche Anforderungen, die sich aus der Herkunft der Mittel aus einem Bilanzgewinn ergäben, bestehen weder in formeller noch in materieller Hinsicht.

3. Die Rechtswidrigkeit der Mittelbedarfsfeststellung wirkt sich dahingehend aus, dass auch der Beitragstarif rechtswidrig und nichtig ist, was zur Rechtswidrigkeit der Beitragserhebung führt.

Etwas anderes könnte sich ergeben, wenn feststünde, dass ein Mittelbedarf in derselben Höhe auch ohne Verstoß gegen Haushaltsrecht ermittelt worden wäre. Die Rechtswidrigkeit hätte sich dann nicht auf die Gestaltung des Beitragstarifs ausgewirkt (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.4.2002 - 9 CN 1.01 -, BVerwGE 116, 188, juris Rn. 31 ff.). Dies lässt sich jedoch nicht feststellen. Die zu untersuchende Frage ist dabei nicht, ob die tatsächliche erfolgte Mittelbedarfsfeststellung rechtswidrig ist, sondern ob im Ergebnis dieselbe Mittelbedarfsfeststellung auch bei Einhaltung der geltenden Vorschriften erfolgen müsste. Das kommt insbesondere in Betracht, wenn die Berücksichtigung einer Position zu dem angegebenen Zweck gegen den Grundsatz der Haushaltswahrheit verstößt, diese Position aber bei korrekter Deklaration ihres Zwecks rechtmäßigerweise berücksichtigt werden dürfte. Erforderlich ist hierbei jedoch, dass kein Gestaltungsspielraum der Beklagten besteht. Denn das Gericht würde seine Befugnisse überschreiten, wenn es eine nur mögliche, von der Ausübung des Gestaltungsspielraums seitens der Beklagten abhängige Prognose der erforderlichen Mittel anstellte. Welche rechtlichen Grenzen einer solchen Kompensation im Übrigen gesetzt sind, muss nicht entschieden werden. Es steht nicht fest, dass die Beklagte auch bei rechtmäßigem Vorgehen zu einer Mittelbedarfsfeststellung in derselben Höhe hätte gelangen müssen.

Dies gilt insbesondere für das in der Literatur angeführte Verhältnis von Ausgleichsrücklage und Nettoposition (s.o. 2.a.aa.(2)). Selbst wenn man der Ansicht ist, die Beklagte sei zur Herstellung von Fristenkongruenz berechtigt, die Nettoposition noch weitergehend zu erhöhen, so dass die zu große Höhe der Ausgleichsrücklage durch den Mittelbedarf bei der Nettoposition ausgeglichen werde, wäre dafür eine begründete Entscheidung der Beklagten nötig, an der es fehlt. Denn entgegen dem Anschein, den die Formulierung als „goldene Regel“ erweckt, versteht es sich keineswegs von selbst, welches Ausmaß an Fristenkongruenz optimal ist. Dies ist u.a. abhängig von Branche, Anlagenintensität und Geschäftsrisiko (vgl. Dietrich/Strohe, Die Finanzlage öffentlicher Unternehmen in Deutschland, Universität Potsdam, Statistische Diskussionsbeiträge Nr. 46, Potsdam 2011, S. 15, 31). Dementsprechend finden sich divergierende Angaben zur angestrebten und erreichten Höhe der Deckungsgrade. Im Kreditgewerbe werde ein Deckungsgrad I von über 100 % als ideal angesehen. In der Praxis werde häufig ein Richtwert von über 30 % als ausreichend erachtet. Das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen habe in den 70er Jahren mindestens 80 % gefordert. Nach den neueren Bonitätskriterien seien es nur 70 %. Nach einer statistischen Analyse sei der durchschnittliche Deckungsgrad I bei privaten Unternehmen in den letzten zehn Jahren vor 2011 von 50 % auf knapp 65 % gestiegen. Der Deckungsgrad I habe bei öffentlichen Unternehmen von 1999 bis 2006 zwischen 50 % und 60 % gelegen. Einen geringeren Deckungsgrad I, teilweise unter 30 %, hätten Entsorgungs- und Wohnungsunternehmen gehabt (vgl. Dietrich/Strohe, Die Finanzlage öffentlicher Unternehmen in Deutschland, Universität Potsdam, Statistische Diskussionsbeiträge Nr. 46, Potsdam 2011, S. 14 f., 31 ff., m.w.N.).

Das Gericht hält es auch für denkbar, wie im Kommunalabgabenrecht eine Toleranzgrenze einzuräumen. Mängel der Mittelbedarfsfeststellung dürften unbeachtlich sein, wenn dadurch die Grenze einer rechtmäßigen Kostenvorausberechnung um nicht mehr als 5 % überschritten wird (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 3 NKAG; zu anderen Bundesländern Lichtenfeld, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 6 Rn. 731 (März 2016) m.w.N.). Jedoch lässt sich ein objektiv bestehender Mittelbedarf, von dem ausgehend die Einhaltung der Toleranzgrenze überprüft werden könnte, hier nicht beziffern. Denn eine ordnungsgemäße Prognose, von der ausgehend die Höhe der Differenz ermittelt werden könnte, fehlt. Es ist aber Sache der Industrie- und Handelskammer, eine Prognose vorzulegen.

4. Es kommt nicht in Betracht, den Beitragsbescheid nur teilweise aufzuheben, soweit der Beitrag überhöht erscheint (vgl. Hamburgisches OVG, Urt. v. 20.2.2018 - 5 Bf 213/12 -, juris Rn. 103; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 23.9.2014 - 6 A 11345/13 -, DVBl. 2015, 55, juris Rn. 36). Bereits der „korrekte“ Mittelbedarf lässt sich durch das Gericht nicht beziffern. Aber selbst wenn das möglich wäre, könnte nur die Beklagte über die Relation zwischen Grundbeitrag und Umlage entscheiden. Für das Verhältnis zwischen diesen beiden in § 3 Abs. 3 Satz 1 IHKG vorgesehenen Beitragsformen gibt es keine feste Richtgröße (Jahn, in: Frentzel/Jäkel/Junge, IHKG, 7. Aufl. 2009, § 3 Rn. 52).

Dies ist auch dem Beklagtenvortrag entgegenzuhalten, wonach sich selbst bei einer wesentlichen Verringerung der Ausgleichsrücklage nichts an der Höhe des Mindestgrundbeitrags - zu dem der Kläger veranlagt worden ist - ändern würde. Dies beseitigt den prozessualen Aufhebungsanspruch des Klägers nicht, weil der Entscheidung der Vollversammlung nicht vorgegriffen werden kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711, § 709 Satz 2 ZPO.

Die Revision war gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen. Die Anwendung des Grundsatzes der Schätzgenauigkeit nach Einführung der Doppik und die Zulässigkeit der Erhöhung der Nettoposition werfen Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf.