Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 07.05.2024, Az.: 3 A 156/22
Grundsatz der Jährlichkeit; Grundsätze des staatlichen Haushaltsrechts; Grundsätze kaufmännischer Rechnungslegung und Buchführung; IHK; Rücklagen; Wirtschaftsplan; Zu den Anforderungen an die Bilanzdarstellung im Wirtschaftsplan der IHK und zur Rücklagenbildung
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 07.05.2024
- Aktenzeichen
- 3 A 156/22
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2024, 18185
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGLUENE:2024:0507.3A156.22.00
Rechtsgrundlagen
- HGB § 266 Abs. 2
- HGB § 266 Abs. 4
- HGrG § 7a Abs. 1
- HKG § 3 Abs. 2
- IHKG § 3 Abs. 7a
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Der Industrie- und Handelskammer (IHK) kommt bei der Aufstellung ihrer Wirtschaftspläne ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Hierbei hat sie die Grundsätze kaufmännischer Rechnungslegung und Buchführung sowie die Grundsätze staatlichen Haushaltsrechts zu beachten, was der gerichtlichen Kontrolle unterliegt. Ferner hat die IHK zu berücksichtigen, dass sie kein Vermögen bilden darf. Das Verbot der Vermögensbildung betrifft nicht das bilanzielle Vermögen, sondern die Zweckbindung von Entnahmen und Einstellungen im Rahmen der Mittelbedarfsfeststellung.
- 2.
Eine Zusammenfassung der Eigenkapitalpositionen Rücklagen und Festgesetztes Kapital unter der Bilanzposition Sonstiges Eigenkapital verstößt gegen die Grundsätze kaufmännischer Rechnungslegung und Buchführung sowie gegen die Grundsätze des staatlichen Haushaltsrechts und führt zur Rechtswidrigkeit des Wirtschaftsplans der IHK. Die Besonderheiten ihrer Kammertätigkeit und der öffentlichen Haushaltswirtschaft begründen kein Erfordernis für ein Abweichen von der bilanziellen Darstellung der Rücklagen und des Festgesetzten Kapitals.
- 3.
Die Bildung von angemessenen Rücklagen gehört zu einer geordneten Haushaltsführung. Daher handelt es sich bei den Mitteln für angemessen Rücklagen um Kosten der Industrie- und Handelskammer im Sinne des § 3 Abs. 2 IHKG. Der Grundsatz der Jährlichkeit lässt die Bildung von zweckgebundenen Rücklagen über mehrere Wirtschaftsjahre grundsätzlich zu, es bedarf jedoch eines besonderen sachlichen Grundes unter Berücksichtigung einer realitätsnahen Prognose. Kein sachlicher Grund liegt in der Absicht, einen bestimmten Betrag aus dem laufenden Haushalt pauschal anzusparen.
- 4.
In Umsetzung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hat die Beklagte in 2020 die Nettoposition Festgesetzes Kapital auf den Wert aus der Eröffnungsbilanz zurückgeführt und zugleich die Ausgleichsrücklage aufgelöst. Indem sie jedoch diese Mittel sogleich wieder in 2021 ganz überwiegend als Gewinnvortrag dem Sonstigen Eigenkapital ohne einen Verwendungszweck zuführte, hat sie rechtswidriges Vermögen gebildet.
[Tatbestand]
Die Klägerin wird bei der Beklagten als Mitglied geführt. Sie wendet sich gegen die vorläufige Festsetzung von IHK-Beiträgen für das Wirtschaftsjahr 2021.
In der Bilanz der Beklagten zum 31. Dezember 2019 wurde das "Festgesetzte Kapital" in Höhe von 3.800.000 EUR (unverändert zur Bilanz 2018) ausgewiesen. Der Rücklagenspiegel der Beklagten wurde in den Erläuterungen zur Bilanz zum 31. Dezember 2019 wie folgt dargestellt (Bericht über die Prüfung des Jahresabschlusses und des Lageberichts zum 31. Dezember 2019 der Beklagten, Anlage 4, Bl. 8):
Im Nachtragswirtschaftsplan für das Wirtschaftsjahr 2020 wurde das Eigenkapital in der Plan-Bilanz zum 31. Dezember 2020 wie folgt dargestellt:
In den Erläuterungen des Nachtragswirtschaftsplans 2020 heißt es hierzu, dass in Umsetzung der Vorgaben des Urteils des Eufach0000000009s aus 1/2020 das "Festgesetzte Kapital" (3.800.000 EUR) auf Höhe der Nettoposition (550.000 EUR) zurückgeführt werde und die Ausgleichsrücklage (4.100.000 EUR) auf den Pflichtwert von 1 EUR.
Die Vollversammlung der Beklagten beschloss am 3. Dezember 2020 die Wirtschaftssatzung für das Jahr 2021 und stellte den Wirtschaftsplan für 2021 auf. Im Wirtschaftsplan wurden für 2021 Erträge in Höhe von 13.106.000 EUR, Aufwendungen in Höhe von 19.179.000 EUR und ein Saldo der Eigenkapitalveränderung in Höhe von 1.073.000 EUR festgestellt.
Im Rahmen der Änderung des Finanzstatus der Beklagten mit Wirkung zum 1. Januar 2021 veränderte diese die Gliederung ihrer Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung. Unter anderem wies sie im Wirtschaftsplan (und Jahresabschluss) keinen Rücklagenspiegel mehr aus und führte einen sog. Vermögenszweckspiegel ein, der nach dem Wirtschaftsplan 2021 (S. 15) die Zweckbindung von Finanzanlagen sowie Kasse und Bankguthaben in seinem jährlichen Bestand sowie deren Veränderung aufzeigen solle. Weiter führte die Beklagte im Wirtschaftsplan zum Vermögenszweckspiegel aus, dass mit der Novellierung des Finanzstatuts die Zweckbindung von Eigenkapital nicht mehr bei dieser Position selbst erfolge, sondern auf der Aktivseite beim Vermögen (Wirtschaftsplan 2021, S. 20).
Der Vermögenszweckspiegel für das Wirtschaftsjahr 2021 sah wie folgt aus (IHK Wirtschaftsplan 2021, S. 20):
Im Wirtschaftsplan 2021 wurde zum Verwendungszweckspiegel erläutert:
1. "Die Pensions- und Beihilferückstellungen werden mittels aktuarischer Plangutachten und abgestimmten biometrischen Voreinstellungen ermittelt.
2. Dem Vermögenszweck ʽReduzierung Pensionszinsʼ (ehemals Pensionszinsausgleichsrücklage) werden 1.695.000 € entnommen; dies entspricht dem Aufwand aus der Abzinsung bzw. der Barwertserhöhung des IHK-Versorgungswerks.
3. Dem Vermögenszweck ʽDigitalisierung der IHK-Organisationʼ (ehemals IHK-Digital-Rücklage) werden 319.000 € entnommen; das entspricht dem Anteil unserer IHKLW an den prognostizierten Kosten der IHK Digital GmbH für das Jahr 2021.
4. Dem Vermögenszweck ʽProjekt Gebäude Lüneburgʼ (ehemals Rücklage mit selbem Namen) werden 3.972.000 € zugeführt. Damit sind 44 % der maximalen Dotierungshöhe von 18.000.000 € erreicht. Dieser Wert leitet sich aus einer Kostenschätzung von F., Hamburg, ab.
5. Auf Basis der jährlichen Cashflowplanung und des Zeitpunkts der ersten Beitragsveranlagung ist bekannt, dass die ersten zwei bis drei Monate regulär aus dem bestehenden Umlaufvermögen zu bestreiten sind. Diese Position kann in ihrer Maximaldotierung bis zu einem halben üblichen Beitragsjahrvolumen ausgestattet werden (= 6,5 Mio. Euro). Dies soll die Zahlungsfähigkeit sichern, sollte der Beitragslauf wegen ungültiger Wirtschaftssatzung (aufgrund Rechtsprechung) nicht durchgeführt werden können."
Für das Jahr 2021 wurden Rücklagen im Wirtschaftsplan 2021 nicht mehr ausgewiesen. In der Planbilanz zum 31. Dezember 2021 ordnete die Beklagte auf der Aktivseite die Bilanzpositionen "Finanzanlagen" und "Kasse, Bankguthaben" bestimmten Verwendungszwecken zu. Auf der Passivseite der Planbilanz zum 31. Dezember 2021 strich die Beklagte den Bilanzposten "Festgesetzes Kapital" sowie die "Ausgleichsrücklage" und "Andere Rücklagen" und wies stattdessen die Position "Sonstiges Eigenkapital" aus. Die Planbilanz stellte sich im Wirtschaftsplan 2021 wie folgt dar:
Die Plan-Gewinn- und Verlustrechnung der Beklagten sah im Wirtschaftsplan 2021 auszugsweise wie folgt aus:
Ausweislich des Wirtschaftsplans 2021 erwartete die Beklagte für 2021 einen Jahresfehlbetrag in Höhe von 1.059.000 EUR. Dieser sollte durch den prognostizierten Gewinnvortrag aus 2020 in Höhe von 7.908.000 EUR kompensiert werden. Die Differenz in Höhe von 6.835.000 EUR sollte dem "Sonstigen Eigenkapital" zugeführt werden (Wirtschaftsplan 2021, S. 20).
Des Weiteren wurden in der Wirtschaftssatzung für 2021 die Beiträge für die Mitglieder der Beklagten festgelegt. Der Beitrag setzte sich für alle IHK-Zugehörigen mit einem Gewerbeertrag, hilfsweise Gewinn aus Gewerbebetrieb, von über 103.000,00 EUR zusammen aus einem Grundbeitrag von 500,00 EUR, sowie einer Umlage von 0,17 % des Gewerbeertrages bzw. Gewinns aus Gewerbebetrieb, wobei die Bemessungsgrundlage bei natürlichen Personen um einen Freibetrag von 15.340,00 EUR zu kürzen war.
Mit Bescheid vom 12. Februar 2021 setzte die Beklagte gegenüber der Klägerin für das Beitragsjahr 2021 im Wege der vorläufigen Veranlagung einen IHK-Beitrag in Höhe von 798,28 EUR fest. Dieser setzte sich laut Bescheid zusammen aus einem Grundbeitrag in Höhe von 500,00 EUR und einer Umlage in Höhe von 298,28 EUR.
Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin am 11. März 2021 Klage erhoben.
Sie ist der Ansicht, dass die Beitragserhebung für 2021 aufgrund einer unzulässigen Wirtschaftsplanung rechtswidrig sei.
Hierzu trägt sie vor, dass die Instandhaltungsrücklage bereits dem Grunde nach unzulässig sei und verweist diesbezüglich auf die Beschlüsse des Oberverwaltungsgerichts Sachsen-Anhalt vom 14. September 2020 (Az. 1 L 97/18 und 1 L 98/18). Auch die Vermögensbildung für das Projekt "Gebäude Lüneburg" verstoße gegen den Grundsatz der Jährlichkeit und stelle keine generationsgerechte Belastung der Kammermitglieder dar. Der Bauwirtschaftsplan vom 3. Februar 2022 sei nach der Beschlussfassung der Vollversammlung der Beklagten über den Wirtschaftsplan 2021 beschlossen worden und könne daher nicht mehr als Grundlage für den Wirtschaftsplan 2021 dienen. Weitere nachvollziehbare Kalkulationen oder Kostenprognosen habe die Beklagte nicht vorgelegt.
Zudem sei auch die Digitalisierungsrücklage unzulässig gebildet worden, weil sie nicht für die jährliche Planung gebildet worden sei, sondern der Rücklagenbildung eine Kostenprognose für die Jahre 2021 bis 2023 zugrunde gelegen habe. Dies verstoße gegen das Prinzip der Jährlichkeit und habe bereits 2020 zu einer rechtswidrigen Vermögensbildung bei der Beklagten geführt. Weil dieses Vermögen nicht vollständig aufgelöst worden sei, um die Kosten der Tätigkeit der Beklagten zu decken, handele es sich bei der Digitalisierungsrücklage nach wie vor um rechtswidriges Vermögen, was zu einer Rechtswidrigkeit des Beitragssatzes führe. Die Schonung der Digitalisierungsrücklage in 2021 in Höhe von 817.000 EUR stelle das Beibehalten einer überhöhten Rücklage dar.
Auch bei der Vermögensposition "Sicherung unterjährige Liquidität" handele es sich um rechtswidriges Vermögen. Die von der Beklagten angeführte Begründung, dass dieses Vermögen die Zahlungsfähigkeit sichern solle, sollte der Beitragslauf wegen einer ungültigen Wirtschaftssatzung (aufgrund Rechtsprechung) nicht durchgeführt werden, rechtfertige keine Vermögensbildung. Es gäbe insbesondere keine Erfahrungswerte, nach welcher eine "Welle" von Rechtsmitteln in 2021 zu erwarten gewesen wäre. Ferner verstoße die Vermögensposition zur Reduzierung des Pensionszinses gegen den haushaltsrechtlichen Grundsatz der Jährlichkeit und sei durch keine Begründung oder Kalkulation seitens der Beklagten gerechtfertigt.
Entgegen der Rechtsprechung des Eufach0000000009s habe die Beklagte die ehemalige Nettoposition "Festgesetztes Kapital" nicht auf die ursprüngliche Nettoposition von 550.000 EUR zurückgeführt. Vielmehr seien die zu reduzierenden 3.250.000 EUR im Bilanzgewinn 2020 ausgewiesen worden und nach Ausgleich des prognostizierten Fehlbetrages im Folgejahr unter der Position "Sonstiges Eigenkapital" wieder berücksichtigt worden.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 12. Februar 2021 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verteidigt ihren Bescheid. Sie habe kein freies Vermögen gebildet und keine Millionenbeträge angehäuft. Die Vollversammlung befasse sich jährlich intensiv mit der Finanzierung und orientiere sich ausschließlich am Bedarf, ohne Vermögen zu bilden. Die Digitalisierungsrücklage und die Instandhaltungsrücklage seien Bilanzpositionen und würden auf der Passivseite der Bilanz als Unterpunkt zum Eigenkapital ausgewiesen. Dem streitgegenständlichen Beitragsbescheid liege aber nicht die Bilanz der Beklagten zugrunde, sondern die Wirtschaftsplanung der Beklagten für das Jahr 2021. Der Wirtschaftsplan enthalte gerade keine Bilanz, sondern untergliedere sich gemäß § 4 der Finanzsatzung der Beklagten in eine Plan-Gewinn- und Verlustrechnung und einen Investitionsplan. Die Beklagte plane nicht von der Bilanz her, sondern sie stelle einen Wirtschaftsplan auf. Die Bilanz bilde lediglich nachträglich die Vermögenssituation am 31. Dezember des geplanten Wirtschaftsjahres ab, sodass diese nicht die Grundlage der Haushaltsplanung darstelle.
Anders als die Bilanz, die auf einen konkreten Zeitpunkt (31. Dezember) abstelle, erfasse die Wirtschaftsplanung einen Zeitraum. Die Wirtschaftsplanung treffe daher keine Aussagen zu Rücklagen. Die Rücklagen und die Nettoposition (als Bilanzposition) spiele bei der Wirtschaftsplanung (Einnahmen und Ausgaben) zunächst einmal überhaupt keine Rolle. Lediglich hinsichtlich der Frage, ob der Beklagten andere Mittel - als die Beitragserhebung - zur Deckung ihrer Kosten zur Verfügung stünden, sei die Bilanz - hier die Bilanz zum 31. Dezember 2019 - heranzuziehen. Hierbei sei die Aktivseite der Bilanz in den Blick zu nehmen, denn eine Position auf der Passivseite der Bilanz könne die Beklagte niemals zur Finanzierung ihrer Tätigkeit einsetzen. So könne mit Rücklagen nichts bezahlt werden, ebenso wenig wie mit der Nettoposition. Hierbei handele es sich um reine Rechenpositionen, die einen abstrakten Wert ausdrückten. Hinsichtlich der Frage nach zweckfreiem Vermögen sei daher das Umlaufvermögen der Beklagten zu betrachten. Hier sei jedoch nicht ersichtlich, dass dieses nicht zweckgebunden sei. Maßgeblich könne allein die Bilanzposition "Kassenbestand" auf der Aktivseite sein, der im Jahresabschluss zum 31. Dezember 2019 mit 2.753.835,00 EUR ausgewiesen gewesen sei. Da sich dieser Kassenbestand aber bereits zum 1. Januar 2020 aufgrund von fälligen Zahlungen erheblich verringert habe, sei der Kassenbestand zum 31. Dezember 2019 nicht aussagekräftig für die am Tage der Feststellung des Wirtschaftsplanes 2021 vorhandene Liquidität. Zudem komme es auf diese auch nicht an, sondern die Beklagte müsse auf die Höhe der zum 31. Dezember 2020 geplanten Liquidität schauen. Die am 31. Dezember 2020 planmäßig vorhandene Liquidität diene nicht der Vermögensbildung, sondern allein als Überbrückungsposition zur Aufrechterhaltung des laufenden Geschäftsbetriebes in den ersten Monaten eines Geschäftsjahres vor der Beitragsbescheidung, mit der wieder Liquidität generiert werde. Auf der Aktivseite der Bilanz gebe es bei der Beklagte keine andere Vermögensposition, die zur Finanzierung ihrer Kosten eingesetzt werden könne. Rücklagen stellten per Definition kein bilanzielles Vermögen dar, sondern gehörten zum Eigenkapital. Den Vorgaben des Eufach0000000009s werde man am ehesten gerecht, wenn nicht der Umweg über die Rücklagen genommen werde, sondern direkt das Vermögen (auf der Aktivseite) betrachtet werde. Wenn dieses Vermögen nicht sachlichen Zwecken im Rahmen zulässiger Kammertätigkeit zu dienen bestimmt sei, dann sei es zu liquidieren und für Zwecke der Kammerfinanzierung vorrangig vor einer Beitragserhebung einzusetzen. Daher bilde sie keine satzungsmäßigen und auch keine freien Rücklagen mehr. Ob sie überhaupt eine Rücklage bzw. eine Vorsorge bilde, ob sie diese über Jahre aufbaue, auf einmal in voller Höhe bilde oder insgesamt zu niedrig, obliege allein ihrer Gestaltung und sei der gerichtlichen Kontrolle nicht zugänglich. Dies sei Ausdruck und Inhalt des vom Bundesverwaltungsgericht stets betonten weiten Gestaltungsspielraums, welcher der gerichtlichen Kontrolle nicht zugänglich sei. Ferner ordne auch § 62 Abs. 2 Abgabenordnung für die kraft Gesetzes zur zeitnahen Mittelverwendung aufgeforderten gemeinnützigen Körperschaften die Zulässigkeit der Rücklagenbildung an.
Hinsichtlich des Vermögenszweckspiegels zur Digitalisierung der IHK-Organisation führt die Beklagte aus, dass zur Digitalisierung der IHK-Familie (welche aus 79 IHKen und dem DIHK e.V., heute die DIHK KdöR, bestehe) eine eigene Sparte in der DIHK Service GmbH gegründet und 2018 in einem Fünf-Jahres-Invest-Plan ein Volumen von 252.000.000 EUR festgelegt worden sei. Dieses Volumen habe in einer eigenen Rechtspersönlichkeit dargestellt werden sollen, weshalb 2020 die IHK Digital GmbH etabliert worden sei, in welcher 77 IHKen sowie die DIHK Gesellschafterin seien. Die voraussichtlichen Kosten würden von den Gesellschaftern aufgebracht werden, wobei alle Gesellschafter eine jährliche Rechnung der IHK Digital GmbH erhielten. Der von der einzelnen IHK aufzubringende Kostenanteil ermittele sich nach einem sog. DIHK-Schlüssel, welche sich aus verschiedenen Parametern (z.B. Mitgliederanzahl, Gewerbeertragsaufkommen im Kammerbezirk, jährliche Beitragsaufkommen, Anzahl der Mitglieder etc.) zusammensetze und für jede Kammer gesondert ermittelt werde. Nach diesem Schlüssel, der für die Beklagte regelmäßig bei ca. 1,1 % liege, entfielen auf die Beklagte insgesamt 2.771.000 EUR. Die Kostenschätzung und der Umlagebeschluss hätten in 2018 die Grundlage für entsprechende Vorsorgemaßnahmen seitens der Beklagten gebildet und diese sei im Nachtragswirtschaftsplan 2018 erstmals mit 1.350.000 EUR dotiert worden. Die Höhe basiere auf einer schätzgenauen Erhebung des DIHKs. Die Auflösung erfolge sukzessive in dem Maß, wie die Aufwendungen zusätzlich durch die Umlage an den DIHK belastet würden. Nach damaliger Prognose sollte die Auflösung 2021 abgeschlossen sein. Nachdem die IHK Digital GmbH 2020 gegründet worden sei, sei die IHK-Digital-Rücklage auf den Zweck "Anschubfinanzierung der IHK-Digital GmbH" umgewidmet worden und als Ingangsetzungsfinanzierung für die GmbH eingesetzt worden. Für 2021 verweist die Beklagte hinsichtlich des Vermögenszwecks "Digitalisierung der IHK-Organisation" auf die Ausführungen in ihrem Wirtschaftsplan 2021. Zudem habe sie das Vermögen mit dem Zeithorizont der Verwendung von fünf Jahren (2019 bis 2023) gebildet und zweckentsprechend verwendet. Im Wirtschaftsplan 2024 sei keine Vermögenszweckbindung mit dem Zweck "Vorsorge Digitalisierung" mehr vorgesehen. Damit sei ein sachlicher Zweck im Rahmen zulässiger Kammertätigkeit gegeben und auch die Höhe sei nach der Vermögensvorsorge von dem sachlichen Zweck gedeckt und der Zeitraum der beabsichtigten Inanspruchnahme sei genau bestimmt gewesen. Der geplante Mittelabfluss für 2021 ergebe sich aus dem vorgelegten Budgetplan und habe für 2021 315.000 EUR betragen. Warum im Wirtschaftsplan mit der Größe von 319.000 EUR gerechnet worden sei, anstatt mit 315.000 EUR, sei nicht mehr aufklärbar und beruhe vermutlich auf einem Übertragungsfehler.
Zum Vermögenszweck Projekt "Gebäude Lüneburg" führt die Beklagte aus, dass sie erstmals 2014 Vorsorge für größere Instandhaltungsmaßnahmen des Kammergebäudes betrieben habe. Diese hätten auf den Erkenntnissen eines Architektenideenwettbewerbs (2013/14) mit anschließender Kostenschätzung (2014) in Höhe von ca. 10.000.000 EUR gefußt. Der Verwendungszeitpunkt sei für 2015 bis 2019 anvisiert worden. Wegen verschiedener ungeplanter äußerer Umstände habe sich das Projekt verzögert. In 2019 sei die Einsetzung der Prüf- und Planschritte für 2020 und 2021 sowie eventueller erster Baumaßnahmen in 2022 und 2023 erfolgt. In 2021 sei ein Bauausschuss eingesetzt worden und ein Architektenwettbewerb durchgeführt worden. Dem Wirtschaftsplan 2021 habe die Machbarkeitsstudie von F. vom 25. September 2020 vorgelegen, nach welcher für das Projekt "Gebäude Lüneburg" zwei Varianten in Betracht gekommen seien. Die Variante 1 sei der An- und Umbau des Bestandstandortes "Am Sande" mit prognostizierten Herstellungskosten in Höhe von 15.942.919 EUR (gerundet 16.000.000 EUR). Variante 2 beinhalte den Neubau in der Konrad-Zuse-Allee 10 mit prognostizierten Herstellungskosten in Höhe von 18.207.521 EUR (gerundet 18.000.000 EUR). Der Aufbau von zweckgebundenem Vermögen für das Projekt habe sich immer am jüngsten Kostenrahmen orientiert. Sie habe im Rahmen der geschätzten Gesamtkosten jährlich Mittel in dem Umfang der Vorsorge zugeführt, wie dies ohne Erhöhung der Beiträge möglich gewesen sei. Der Zuführung der Mittel in 2020 und in 2021 sei deshalb nicht auf der Grundlage einer Kostenschätzung geschehen, die konkret für diesen Zweck aufgestellt worden sei. Vielmehr habe es gegolten, die geschätzten Baukosten von rund 18.000.000 EUR so anzusparen, wie dies über die Jahre aus dem laufenden Haushalt möglich gewesen sei, ohne Mitgliederbeiträge zu erhöhen. Im Wirtschaftsplan 2021 habe sie daher beschlossen, die am 1. Januar 2021 in Höhe von 4.028.000 EUR bestehende zweckgebundene Vermögensposition "Projekt Gebäude Lüneburg" um 3.972.000 EUR auf 8.000.000 EUR am 31. Dezember 2021 aufzubauen. Die zweckentsprechende Verwendung des Vermögens habe entsprechend dem Bauzeitenplan und Mittelabflussplan ab dem zweiten Halbjahr 2022 erfolgen sollen. Der in der Kostenplanung von F. aus Herbst 2021 vorgesehene Mittelabfluss ab der 2. Jahreshälfte 2021 stelle eine reine Vorsichtsmaßnahme dar, die sich später als obsolet erwiesen habe.
Zum Vermögenszweck "Sicherung unterjähriger Liquidität" führt die Beklagte aus, dass es sich hierbei um eine überflüssige Position handele, die sich aus der fehlenden Übung im Umgang mit dem neuen Finanzstatut erkläre. Allerdings bedürfe die Beklagte regelmäßig zum Bilanzstichtag einer Vorsorgeliquidität von zwei bis drei Monaten, bis die Großerträge durch den Beitragslauf einträfen. Genau diese Vorsorgeposition für kurzfristige Sicherstellung der Liquidität sei Zweck des Umlaufvermögens und bedürfe daher keiner Erwähnung im Vermögenszweckspiegel.
Darüber hinaus bedürfe es keiner Zweckunterteilung des Eigenkapitals mehr, da Ziel der Umstellung des Finanzstatuts gewesen sei, von einer Zweckbindung des Eigenkapitals zu einer Zweckbindung des Vermögens zu gelangen. Derjenige Teil des Gewinnvortrags, der nicht zum Ausgleich des Jahresfehlbetrages eingesetzt werde, werde in der Konsequenz der Größe "Sonstiges Eigenkapital" zugerechnet, ohne einen Verwendungszweck zu hinterlegen.
Mit Beschluss vom 25. März 2024 hat das Gericht Herrn G. als Beistand der Klägerin in der mündlichen Verhandlung zugelassen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der beigezogenen Gerichtsakten zum Parallelverfahren 3 A 173/22 und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat Erfolg. Sie ist zulässig und begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 12. Februar 2021 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Ermächtigungsgrundlage für die Erhebung von IHK-Beiträgen ist § 3 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern (Industrie- und Handelskammergesetz - IHKG -) vom 18. Dezember 1956 in der hier maßgeblichen Fassung des Art. 2 des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Wettbewerbsrecht und für den Bereich der Selbstverwaltungsorganisationen der gewerblichen Wirtschaft vom 25. Mai 2020 (BGBl. I S. 1067) i. V. m. §§ 1, 6, 7 der Beitragsordnung der Beklagten vom 24. November 2005, zuletzt geändert durch Satzung vom 25. Juni 2015 (nachfolgend: Beitragsordnung) und Nr. III.4, Nr. IV. der Wirtschaftsatzung der Beklagten für das Geschäftsjahr 2021 (nachfolgend: Wirtschaftssatzung 2021).
Die Beitragserhebung ist grundsätzlich verfassungsgemäß. Es handelt sich um eine Sonderlast, die aufgrund des individuellen Vorteils der in den Mitgliedschaftsrechten stets gebotenen Möglichkeit, die eigenen Interessen in das Kammergeschehen einzubringen, gerechtfertigt ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 12.7.2017 - 1 BvR 2222/12, - 1106/13 -, juris Rn. 71 ff.; Nds. OVG, Urt. v. 17.9.2018 - 8 LB 129/17 -, juris Rn. 73).
Gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG sind die Kammern ermächtigt, zur Deckung der Kosten ihrer Errichtung und Tätigkeit nach Maßgabe ihres Wirtschaftsplans von den Kammerzugehörigen gemäß einer Beitragsordnung Beiträge zu erheben, soweit diese nicht anderweitig gedeckt sind. Mit Blick auf die Beitragserhebung legt das Gesetz damit eine zweistufige Willensbildung der Kammer zugrunde. Auf einer ersten Stufe stellt die Kammer den Wirtschaftsplan auf. Der Wirtschaftsplan gilt für ein Wirtschaftsjahr und ist - als Plan - im Voraus aufzustellen; vor dem Hintergrund der in diesem Jahr beabsichtigten Tätigkeiten der Kammer prognostiziert er unter Berücksichtigung der erwartbaren Einnahmen und Ausgaben den voraussichtlichen Bedarf, den es durch Beiträge zu decken gilt. Auf einer zweiten Stufe wird dieser voraussichtliche Bedarf alsdann gemäß einer Beitragsordnung im Wege der Beitragserhebung auf die Kammerzugehörigen umgelegt (BVerwG, Urt. v. 9.12.2015 - 10 C 6.15 -, juris Rn. 12).
Die Prüfung, ob ein Beitragsbescheid rechtmäßig ist, erfordert damit nicht nur die Feststellung, ob der im Wirtschaftsplan festgesetzte Mittelbedarf der Kammer - die nicht durch Einnahmen (anderweitig) gedeckten Kosten ihrer Tätigkeit - durch eine Beitragsordnung rechtmäßig auf die Kammerzugehörigen umgelegt und ob die Beitragsordnung auch im Einzelfall fehlerfrei angewendet wurde. Geboten ist vielmehr ebenfalls die (vorangehende) Feststellung, ob die Festsetzung des Mittelbedarfs der Kammer im Wirtschaftsplan den insofern zu stellenden rechtlichen Anforderungen genügt. Der Wirtschaftsplan ist der gerichtlichen Überprüfung nicht schlechthin entzogen. Er ist auch der inzidenten Überprüfung im Beitragsrechtsstreit nicht entzogen. Beides wäre mit dem Gebot des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, gegen die Beitragserhebung der Industrie- und Handelskammer effektiven gerichtlichen Rechtsschutz zu gewähren, unvereinbar (BVerwG, Urt. v. 9.12.2015 - 10 C 6.15 -, juris Rn. 13).
Die Kammer besitzt bei der Aufstellung des Wirtschaftsplanes einen weiten Gestaltungsspielraum. Dieser besteht freilich nicht als globale Größe für den gesamten Bereich des Haushalts- und Finanzrechts, sondern nur, soweit er konkret in den jeweils zu beachtenden Rechtsnormen angelegt ist. Der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt, ob dieser Rahmen gewahrt ist. § 3 Abs. 2 Satz 2 IHKG gebietet die Beachtung der Grundsätze einer sparsamen und wirtschaftlichen Finanzgebarung sowie eine pflegliche Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen. Ferner sind seit der Einfügung des § 3 Abs. 7a Satz 1 IHKG durch das Gesetz vom 7. September 2007 (BGBl. I S. 2246) die Grundsätze kaufmännischer Rechnungslegung und Buchführung in sinngemäßer Weise nach dem Dritten Buch des Handelsgesetzbuches in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Zudem sind nach § 3 Abs. 7a Satz 2 IHKG die Grundsätze des staatlichen Haushaltsrechts sowie ergänzende Satzungsbestimmungen zu beachten. Bei der Erstellung des Wirtschaftsplans haben die Kammern zu beachten, dass ihnen die Bildung von Vermögen verboten ist (BVerwG, Urt. v. 22.1.2020 - 8 C 9.19 -, juris Rn. 11).
Auch unter Beachtung eines weiten Gestaltungsspielraums erweist sich der Wirtschaftsplan 2021 der Beklagten als rechtswidrig. Die Darstellung des Eigenkapitals in der (Plan- ) Bilanz und der (Plan-)Gewinn- und Verlustrechnung in den Wirtschaftsplänen verstößt gegen die Grundsätze kaufmännischer Rechnungslegung und Buchführung sowie gegen die Grundsätze staatlichen Haushaltsrechts (hierzu unter 1.). Darüber hinaus hat die Beklagte - die Entscheidung selbständig tragend - in unzulässiger Weise Rücklagen gebildet (hierzu unter 2.) und - die Entscheidung ebenfalls selbständig tragend - unter der neu gebildeten Bilanzposition "Sonstiges Eigenkapital" rechtswidrig Vermögen aufgebaut (hierzu unter 3.). Diese Verstöße haben für den streitgegenständlichen Zeitraum die Rechtswidrigkeit des Beitragstarifs und der Beitragserhebung zur Folge (hierzu unter 4.).
1. Die Gliederung des Eigenkapitals in der (Plan-)Bilanz und der (Plan)Gewinn- und Verlustrechnung nach dem neuen Finanzstatut der Beklagten verstößt gegen die Grundsätze kaufmännischer Rechnungslegung und Buchführung sowie gegen die Grundsätze staatlichen Haushaltsrechts, indem die Bilanzpositionen Festgesetzes Eigenkapital und Rücklagen unter der Bilanzposition "Sonstiges Eigenkapital" zusammengefasst werden.
Gemäß § 3 Abs. 7a IHKG sind für das Rechnungswesen, insbesondere Rechnungslegung und Aufstellung und Vollzug des Wirtschaftsplans, und den Jahresabschluss der Industrie- und Handelskammern die Grundsätze kaufmännischer Rechnungslegung und Buchführung in sinngemäßer Weise nach dem Dritten Buch des Handelsgesetzbuches in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Das Nähere wird durch Satzung unter Beachtung der Grundsätze des staatlichen Haushaltsrechts geregelt.
Die Grundsätze des staatlichen Haushaltsrechts sind im Gesetz über die Grundsätze des Haushaltsrechts des Bundes und der Länder (Haushaltsgrundsätzegesetz - HGrG) geregelt. Gemäß § 7a Abs. 1 Satz 1 HGrG folgt die staatliche Doppik den Vorschriften des Ersten und des Zweiten Abschnitts Erster und Zweiter Unterabschnitt des Dritten Buches Handelsgesetzbuch und den Grundsätzen der ordnungsmäßigen Buchführung und Bilanzierung. Nach § 7a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 HGrG umfasst dies unter anderem die Vorschriften zur Bilanzierung nach den allgemeinen Grundsätzen der Bilanzierung, Gliederungsgrundsätzen für den Jahresabschluss, Grundsätzen der Aktivierung und Passivierung, Grundsätzen der Bewertung in der Eröffnungsbilanz, und den Grundsätzen der Bewertung in der Abschlussbilanz. Maßgeblich sind nach § 7a Abs. 1 Satz 3 HGrG die Bestimmungen für Kapitalgesellschaften.
Der hiernach anwendbare § 266 Abs. 2 HGB sieht für die Bilanz auf der Passivseite als erste Position das "Eigenkapital" mit folgender Gliederung vor:
A. Eigenkapital:
I. Gezeichnetes Kapital;
II. Kapitalrücklage;
III. Gewinnrücklagen:
1. gesetzliche Rücklage;
2. Rücklage für Anteile an einem herrschenden oder mehrheitlich beteiligten Unternehmen;
3. satzungsmäßige Rücklagen;
4. andere Gewinnrücklagen;
IV. Gewinnvortrag/Verlustvortrag;
V. Jahresüberschuß/Jahresfehlbetrag.
Auch § 275 Abs. 4 HGB schreibt vor, dass Veränderungen der Kapital- und Gewinnrücklagen in der Gewinn- und Verlustrechnung (erst) nach dem Posten "Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag" ausgewiesen werden.
Konkretisierungen, insbesondere die Ausübung handelsrechtlicher Wahlrechte, und von § 7 Abs. 1 HGrG abweichende Regelungen, die aufgrund der Besonderheiten der öffentlichen Haushaltswirtschaft erforderlich sind, werden gemäß § 7a Abs. 2 HGrG von Bund und Ländern in dem Gremium nach § 49a Abs. 1 HGrG jährlich als sog. "Standards für die staatliche doppelte Buchführung" (nachfolgend: Standards staatlicher Doppik) erarbeitet. Hinsichtlich der hier maßgeblichen Regelungen sind die Beschlüsse des Gremiums über die Standards staatlicher Doppik zumindest seit dem 17. Dezember 2020 unverändert. Zwar stellt der Beschluss des Gremiums nach § 49a Abs. 1 HGrG über die Standards staatlicher Doppik keine Rechtsnorm dar. Es erscheint jedoch angezeigt, die dort zusammengefassten Bestimmungen als Konkretisierung der Grundsätze des Haushaltsrechts im Bereich der staatlichen Doppik heranzuziehen (Nds. OVG, Urt. v. 17.9.2018 - 8 LB 130/17 -, juris Rn. 91). In der Anlage 1 "Gliederung von Vermögens- und Erfolgsrechnung (Einzelabschluss)" zum Beschluss über die Standards staatlicher Doppik stellt das Gremium klar, dass sich die staatliche Doppik an den handelsrechtlichen Vorgaben zur Gliederung von Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung (vgl. §§ 266 und 275 Abs. 2 HGB) orientiert, die in Anlehnung an den § 265 Abs. 1 und 5 HGB an die staatlichen Besonderheiten angepasst wurden. Die vorgegebenen Gliederungen seien verbindlich, eine weitere Untergliederung der Posten und Zwischensummen sei zulässig. Die Anlage 1 enthält weiter den Aufbau einer Bilanz, welche auf der Passivseite folgende Gliederung vorschreibt:
A. Eigenkapital
I. Nettoposition (Kapitalkonto)
II. Kapitalrücklage
III. Gewinnrücklage (Verwaltungsrücklagen)
IV. Gewinnvortrag/Verlustvortrag
V. Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag
B. Sonderposten für Investitionen
C. Rückstellungen
I. bis III. [...]
D. Verbindlichkeiten
I. bis X. [...]
E. Passive Rechnungsabgrenzung
Hinsichtlich der Gewinnrücklagen (Verwaltungsrücklagen) führt das Gremium im Beschluss aus, dass aus haushaltsrechtlicher Sicht zu beachten sei, dass nicht die Bildung einer Rücklage, sondern die Inanspruchnahme zu Liquiditätsabflüssen führt. Um diese planen zu können und um das Budgetrecht des Parlaments zu wahren, ist in den jährlichen Haushaltsanmeldungen die Bildung und die beabsichtigte Inanspruchnahme einer Rücklage zu beantragen. Dies ist hinsichtlich der jährlichen Wirtschaftsplanung auf die Kammern zu übertragen, sodass den Wirtschaftsplänen auch die jährliche Bildung und beabsichtigte Inanspruchnahme einer Rücklage zu entnehmen sein muss.
Das Finanzstatut der Beklagten vom 5. September 2013, zuletzt geändert durch Satzung vom 21. Juni 2018 (nachfolgend: Finanzstatut a.F.) regelte in § 15 Nr. 5 die Bildung von Rücklagen. So sah die Regelung ausdrücklich die Bildung einer sog. "Ausgleichsrücklage zum Ausgleich aller ergebniswirksamen Schwankungen sowie einer unterjährigen Liquiditätsdeckung" vor. Die Ausgleichsrücklage wurde nach dieser Regelung jährlich auf Basis einer Risikoprognose und ggf. eines vorübergehenden Liquiditätsbedarfs ermittelt. Daneben war nach § 15 Nr. 5 Satz 4 bis 7 Finanzstatut a.F. die Bildung von zweckbestimmten Rücklagen zulässig. Diese waren einzeln in der Bilanz als "Andere Rücklagen" auszuweisen. Der Verwendungszweck, der Umfang sowie der Zeitpunkt der voraussichtlichen Inanspruchnahme waren hinreichend zu konkretisieren. Die Rücklagen, deren Zweck und Höhe wurden jährlich mit der Feststellung von Wirtschaftssatzung und Wirtschaftsplan durch die Vollversammlung beschlossen. Die Anlage 1 (Plan-Gewinn- und Verlustrechnung) des Finanzstatuts a.F. sah in der Plan-Gewinn- und Verlustrechnung jeweils einen Gliederungspunkt für Entnahmen aus (Nr. 22) und Einstellungen in (Nr. 23) Rücklagen vor. Auch die nach der Anlage 3 Finanzstatut a.F. aufzustellende Bilanz sah auf der Passivseite für das Eigenkapital folgende Untergliederung vor:
A. Eigenkapital
I. Festgesetztes Kapital
II. Ausgleichsrücklage
III. Andere Rücklagen
IV. Ergebnis (alternativ: Bilanzgewinn/-verlust)
Indem die Beklagte die Darstellung der (Plan-)Bilanz und (Plan-)Gewinn- und Verlustrechnung mit der Einführung des neuen Finanzstatuts zum 1. Januar 2021 änderte, hat sie gegen die oben genannten Grundsätze verstoßen.
Die nach Anlage 3 des Finanzstatuts neu vorgegebene Gliederung der Bilanz sieht für das Eigenkapital auf der Passivseite keine Differenzierung nach Rücklagen und Festgesetzten Kapital mehr vor. Das Eigenkapital wird stattdessen wie folgt gegliedert:
A. Eigenkapital
I. Sonstiges Eigenkapital
II. Ergebnis (alternativ: Bilanzgewinn/-verlust)
Für die Gliederung der Gewinn- und Verlustrechnung sieht die Anlage 4 des Finanzstatuts ebenfalls keine Rücklagenpositionen mehr vor. Stattdessen ist nach dem Ergebnisvortrag unter Nr. 22 die Zu-/Abnahme des Sonstigen Eigenkapitals, ggf. die Zu-/Abnahme des Basiskapitals, ggf. die Zu-/Abnahme des Finanzierungskapitals abzubilden.
Diese durch das neue Finanzstatut vom 3. Dezember 2020 vorgegebene Darstellung hat die Beklagte in der hier streitgegenständlichen (Plan-)Bilanz sowie der (Plan-) Gewinn- und Verlustrechnung umgesetzt. In der Planbilanz zum 31. Dezember 2021 ordnete die Beklagte auf der Aktivseite die Bilanzpositionen "Finanzanlagen" und "Kasse, Bankguthaben" bestimmten Verwendungszwecken zu. Auf der Passivseite der Planbilanz zum 31. Dezember 2021 strich die Beklagte den Bilanzposten "Festgesetzes Kapital" sowie die "Ausgleichsrücklage" und "Andere Rücklagen" und wies stattdessen die Position "Sonstiges Eigenkapital" aus. Im Wirtschaftsplan wies die Beklagte einen Vermögenszweckspiegel aus.
Diese neue Darstellung verstößt gegen die Grundsätze kaufmännischer Rechnungslegung und Buchführung sowie gegen die Grundsätze des staatlichen Haushaltsrechts.
Die Beklagte hat keine weitere Untergliederung der Bilanz oder der Gewinn und Verlustrechnung vorgenommen, sondern eine Untergliederung nach Festgesetztem Kapital und Rücklagen vollständig unterlassen. Stattdessen hat sie eine neue Gliederungsposition "Sonstiges Eigenkapital" eingeführt und unter dieser Position alle Rücklagen und das vorherige Festgesetze Kapital zusammengefasst. Damit ist sie von der vorgegebenen Gliederung abgewichen. Die Zusammenfassung der verschiedenen Eigenkapitalpositionen zu einem einzigen Betrag "Sonstiges Eigenkapital" und die stattdessen neu eingeführte Darstellung der Vermögenszweckbindung auf der Aktivseite entspricht nicht mehr einer transparenten Bilanzführung.
Ein Abweichen von der nach § 266 Abs. 2 HGB und dem über die Standards staatlicher Doppik vorgegebenen Darstellung ist im vorliegenden Fall nicht zulässig.
a) Es liegt kein Ausnahmefall nach § 265 Abs. 1 HGB vor. Hiernach ist die Form der Darstellung, insbesondere die Gliederung der aufeinanderfolgenden Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnungen, beizubehalten, soweit nicht in Ausnahmefällen wegen besonderer Umstände Abweichungen erforderlich sind. Die Abweichungen sind im Anhang anzugeben und zu begründen. Nach § 265 Abs. 6 HGB sind Gliederung und Bezeichnung der mit arabischen Zahlen versehenen Posten der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung zu ändern, wenn dies wegen Besonderheiten der Kapitalgesellschaft zur Aufstellung eines klaren und übersichtlichen Jahresabschlusses erforderlich ist. Solche Besonderheiten ergeben sich beispielsweise aus der Branchenzugehörigkeit, der Organisationsstruktur oder der Vertriebsform (Poll in: BeckOK HGB, 42. Ed. Stand 1.4.2024, § 265 Rn. 17). Bei Gleichwertigkeit der Darstellungsweisen sind durchweg die gesetzlichen Anforderungen maßgebend, da deren Einhaltung nicht zur Disposition des Bilanzierenden steht und im Zweifel Vorrang genießt (Reiner in: MüKo HGB, 5. Aufl. 2024, § 265 Rn. 17). § 3 Abs. 7a IHKG nimmt die Industrie- und Handelskammern von der Befolgung der vorgegebenen Gliederung nicht aus. Eine Ermächtigung zu einer sowohl die Besonderheiten der öffentlichen Haushaltswirtschaft als auch den Grundsätzen der kaufmännischen Rechnungslegung und Buchführung beiseite lassenden, besonders flexiblen Gliederung der (Plan-)Bilanz oder der (Plan-)Gewinn- und Verlustrechnung ist der Vorschrift nicht zu entnehmen. Beabsichtigt war mit der Einführung des § 3 Abs. 7a IHKG eine Reform nur der Rechnungslegung und damit der Darstellungsweise der Kammerfinanzen von der kameralen Darstellung zu doppischen Darstellung. Diese sollte die Transparenz erhöhen und das Etatrecht der Vollversammlungen stärken. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs werde für die mit der Doppik vertrauten Mitglieder und Ehrenamtlichen das Nachvollziehen der Planungen erleichtert. Die Unterschiede zwischen dem eigenen Unternehmen und der eigenen Industrie- und Handelskammer würden in der Abbildung der finanziellen Abläufe geringer, da sie in der gewohnten Form dargestellt würden. Die Umstellung auf die Doppik mache eine redaktionelle Anpassung des IHKG erforderlich. Da die im Handelsgesetzbuch geregelten Grundsätze nicht auf alle Geschäftsvorgänge einer Industrie- und Handelskammer exakt passten, werde eine entsprechende Anwendung vorgeschrieben (BR-Drs. 68/07, S. 79). Die Doppik sollte demnach die Nachvollziehbarkeit der Haushaltswirtschaft erhöhen (Nds. OVG, Urt. v. 17.9.2018 - 8 LB 130/17 -, juris Rn. 94). Dieser Zielsetzung würde es gerade zuwiderlaufen, wenn die Industrie- und Handelskammern in der Darstellung ihrer Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnungen von der nach dem Handelsgesetzbuch (und auch den Standards der staatlichen Doppik) vorgesehenen Gliederung ohne sachlichen Grund abweichen könnten. Dies gilt sowohl für die Darstellung der Rücklagen als auch der Nettoposition "Festgesetzes Kapital".
Insbesondere zur Nettoposition "Festgesetzes Kapital" hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht bereits ausgeführt, dass ein Grundsatz des staatlichen Haushaltsrechts sei, dass die in der Eröffnungsbilanz ermittelte Nettoposition später grundsätzlich nicht geändert wird, wobei Ausnahmen (nur) aus sachlichen Gründen möglich sind (Nds. OVG, Urt. v. 17.9.2018 - 8 LB 130/17 -, juris Rn. 93). Daraus folgt auch, dass die Nettoposition (Festgesetztes Kapital) als Bilanzposition aufzuführen ist.
Gleiches gilt für die Bilanzposition Rücklagen. Das Bundesverwaltungsgericht lässt die Bildung von Rücklagen grundsätzlich zu (BVerwG, Urt. v. 26.6.1990 - 1 C 45.87 -, juris Rn. 20; Urt. v. 9.12.2015 - 10 C 6.15 -, juris Rn. 17). Das Bundesverwaltungsgericht fordert dabei gerade nicht, dass die Rücklagen nicht mehr auf der Passivseite dargestellt beziehungsweise bilanziell anders abgebildet werden, sondern, dass die Rücklagen nicht der Bildung von zweckfreiem Vermögen dienen. In der Bilanz werden das Vermögen auf der Aktivseite und das Kapital auf der Passivseite dargestellt (vgl. § 266 HGB). Mit der Einführung der Bilanz bei einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft wird das Vermögen nach kameralistischer Definition unterschiedlichen Sphären zugeordnet. Das vormals nachrichtlich erfasste Sachanlage- und Finanzvermögen wird nun auf der Aktivseite verbucht. Auch das Verwaltungsvermögen wird hier zugeordnet. Demgegenüber werden die Rücklagen, die vormals dem Vermögenshaushalt zugehörten, als Teil des Eigenkapitals auf der Passivseite erfasst. Die Rücklage bildet demnach die Herkunft eines Mittelbestandes ab, während die Verwendung im Sinne eines Gegenwerts als Bareinlage, Wertpapier oder anderweitiges Vermögen auf der Aktivseite verbucht wird. Eine Zuordnung der Passivposten, insbesondere der Rücklagen, zu einzelnen Aktivposten erfolgt in der Bilanz nicht (Nds. OVG, Urt. v. 17.9.2018 - 8 LB 140/17 -, juris Rn. 50 m.w.N.). Daher folgt auch aus den Besonderheiten der Industrie- und Handelskammern kein Bedürfnis, die Rücklagen anders als auf der Passivseite unter dem Eigenkapital darzustellen.
Der Kammer ist es unbenommen, ihr Vermögen auf der Aktivseite (mittels eines Vermögenszweckspiegels) zusätzlich bestimmten Zwecken zuzuordnen und dadurch die einzelnen Bilanzpositionen wie "Finanzanlagen" oder "Kassenbestand" an bestimmte Vermögenszwecke zu binden und damit im Grunde eine Zuordnung der Passivposition "Rücklage" zu den Aktivpositionen der Bilanz zu ermöglichen. Dies ist jedoch nach bilanzrechtlichen Grundsätzen nicht erforderlich. Sofern eine solche zusätzliche Darstellung gewählt wird, muss diese jedoch auch transparent sein und dem Grundsatz der Haushaltswahrheit genügen. Daran bestehen im vorliegenden Fall begründete Zweifel. Die Beklagte prognostizierte ausweislich des Vermögenszweckspiegels den Bestand ihres Bankguthabens zum 31. Dezember 2021 auf 2.667.000 EUR. Aus der Planbilanz für 2021 ist abzulesen, dass dieses Vermögen ausschließlich für die Vermögenszwecke Projekt "Gebäude Lüneburg" und Sicherung unterjährige Liquidität vorgehalten werden sollte. Weitere 2.018.000 EUR sind der Bilanzposition "Forderungen" als Teil des Umlaufvermögens zugeordnet und können aus der Natur der Sache nicht der kurzfristigen Sicherstellung der Liquidität dienen. Daraus folgt, dass die Beklagte Ende 2021 planmäßig über keine Mittel zur kurzfristigen Sicherstellung der Liquidität verfügte, die sie zu Beginn des Wirtschaftsjahres 2022 hätte einsetzen können. Diese Planung steht im erheblichen Widerspruch zur Aussage der Beklagten, dass sie zum Bilanzstichtag einer Vorsorgeliquidität von zwei bis drei Monaten bedürfe, bis die Großerträge durch den Beitragslauf einträfen. Genau diese Vorsorgeposition für kurzfristige Sicherstellung der Liquidität sei Zweck des Umlaufvermögens und bedürfe nach Aussage der Beklagten keiner Erwähnung im Vermögenszweckspiegel. Sofern jedoch alle Mittel im Umlaufvermögen wie im vorliegenden Fall gebunden sind, bleiben für die Sicherstellung der unterjährigen Liquidität keine Mittel mehr übrig, mit der Folge, dass die Beklagte zu Beginn des Jahres 2021 nicht liquide gewesen wäre. Dies entsprach jedoch offensichtlich nicht der tatsächlichen Planung der Beklagten.
b) Auch liegt keine Ausnahme nach § 265 Abs. 8 HGB vor. Hiernach braucht ein Posten der Bilanz oder der Gewinn- und Verlustrechnung, der keinen Betrag ausweist, nicht aufgeführt zu werden, es sei denn, dass im vorhergehenden Geschäftsjahr unter diesem Posten ein Betrag ausgewiesen wurde. Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Die Beklagte hat in 2021 sowohl Rücklagen gebildet als auch die Nettoposition "Festgesetztes Kapital" vorgehalten.
Zwar sieht das neue Finanzstatut der Beklagten keine ausdrückliche Bildung von Rücklagen mehr vor (anders noch § 15 Nr. 5 des Finanzstatuts der Beklagten vom 5. September 2013, zuletzt geändert durch Satzung vom 21. Juni 2018). Jedoch heißt es in § 7 Nr. 2 des Finanzstatuts der Beklagten u.a., dass in der Plan-Gewinn- und Verlustrechnung des Wirtschaftsplans der geplante Auf- und Abbau von zweckbestimmtem Finanz- und Geldvermögen in voller Höhe und getrennt voneinander anzusetzen und auszuweisen ist. Zudem sind nach § 15 Nr. 3 Finanzstatut u.a. die Entwicklung sowie Zweck, Umfang und Zeitpunkt der voraussichtlichen Verwendungen des Finanz- und Geldvermögens darzustellen. Diese Regelungen zeigen, dass die Beklagte künftig nicht auf die Bildung von Rücklagen verzichten wollte. Vielmehr stellen diese Regelungen des Finanzstatuts eine alternative (bilanzielle) Darstellung dar, welche mithilfe des sog. Vermögenszweckspiegels indirekt auch die Bildung bzw. Aufrechterhaltung von Rücklagen abbilden soll. Entsprechend heißt es zum Vermögenszweckspiegel im Wirtschaftsplan 2021 (S. 20) "Mit der Novellierung des Finanzstatuts erfolgt die Zweckbindung von Eigenkapital nicht mehr bei dieser Position selbst, sondern auf der Aktivseite beim Vermögen. Daher wird mit dieser Wirtschaftsplanung erstmals ein Vermögenszweckspiegel aufgestellt, der mit dem Inkrafttreten des Finanzstatuts per 01.01.2021 startet." Zudem hat die Beklagte selbst ausgeführt, dass sie ihr Vermögen für bestimmte Verwendungszwecke wie das Projekt Gebäude Lüneburg bindet. Dies stellt den klassischen Fall einer Rücklage dar, welche unter der entsprechenden Position in der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung auszuweisen ist.
Gleiches gilt für die Nettoposition "Festgesetztes Kapital". Ausweislich des Nachtragswirtschaftsplans der Beklagten für das Geschäftsjahr 2020 vom 17. September 2020 hat die Beklagte das "Festgesetzte Kapital" zum 31. Dezember 2020 auf 550.000 EUR abgeschmolzen, was dem Wert der Nettoposition in der Eröffnungsbilanz entspricht und in Umsetzung der Rechtsprechung des Eufach0000000009s erfolgte. Damit war in 2021 aber immer noch ein "Festgesetztes Kapital" von mindestens 550.000 EUR auf der Passivseite der Bilanz vorhanden, welches entsprechend darzustellen war.
2. Die Entscheidung selbständig tragend, hat die Beklagte nicht mehr angemessene Rücklagen und damit rechtswidriges Vermögen gebildet. Bei der Erstellung des Wirtschaftsplans haben die Kammern zu beachten, dass ihnen die Bildung von Vermögen verboten ist (BVerwG, Urt. v. 22.1.2020 - 8 C 9.19 -, juris Rn. 11). Nach dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht ist diese Aussage im Rahmen des durch § 3 Abs. 7a IHKG festgelegten Rechnungswesens dahingehend klarzustellen, dass insoweit nicht das bilanzielle Vermögen, sondern die Zweckbindung von Entnahmen und Einstellungen im Rahmen der Mittelbedarfsfeststellung gemeint ist (Nds. OVG, Urt. v. 17.9.2018 - 8 LB 130/17 -, juris Rn. 49).
Bei den Mitteln für angemessene Rücklagen handelt es sich um Kosten der Industrie- und Handelskammer im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG, die in Ermangelung anderer Finanzquellen durch Beiträge zu decken sind (BVerwG, Urt. v. 26.6.1990 - 1 C 45.87 -, juris Rn. 20; Urt. v. 9.12.2015 - 10 C 6.15 -, juris Rn. 17, Nds. OVG, Urt. v. 17.9.2018 - 8 LB 130/17 -, juris Rn. 46). Daran ist nach dem Bundesverwaltungsgericht auch für die Zukunft festzuhalten, da die Bildung von angemessenen Rücklagen auch nach Einführung der Verwaltungsdoppik und der damit verbundenen Orientierung an der kaufmännischen Buchführung für die Industrie- und Handelskammern als nicht gewinnorientierte öffentlich-rechtliche Körperschaften weiterhin notwendig ist und zu einer geordneten Haushaltsführung gehört (BVerwG, Urt. v. 9.12.2015 - 10 C 6.15 -, juris Rn. 17).
Das Maß der Rücklage muss von ihrem legitimen Zweck gedeckt sein; eine hierdurch in ihrer Höhe nicht mehr gedeckte Rücklage wäre nicht mehr angemessen und würde einer unzulässigen Vermögensbildung gleichkommen. Hieraus folgt nicht nur, dass die Kammer eine überhöhte Rücklage nicht bilden darf, sondern auch, dass sie eine überhöhte Rücklage baldmöglichst wieder auf ein zulässiges Maß zurückführen muss. Die Entscheidung über das Vorhalten einer Rücklage und über deren Höhe muss die Kammer bei jedem Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) - und damit jährlich - erneut treffen (BVerwG, Urt. v. 9.12.2015 - 10 C 6.15 -, juris Rn. 18). Entsprechend hat auch das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass das Prinzip der Jährlichkeit des Haushalts des Bundes nach Art. 110 Abs. 2 Satz 1 GG dahin gehe, dass der Haushaltsplan für ein oder mehrere Rechnungsjahre, nach Jahren getrennt, vor Beginn des ersten Rechnungsjahres durch das Haushaltsgesetz festzustellen ist (BVerfG, Urt. v. 15.11.2023 - 2 BvR 1/22 -, juris Rn. 158).
Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Jährlichkeit liegt jedoch nicht bereits dann vor, wenn die Kammer eine Rücklage auf mehrere Wirtschaftsjahre erstreckt. Das Bundesverwaltungsgericht hat klargestellt, dass dem Anliegen, Vorkehrungen für einen noch nicht konkret absehbaren Finanzbedarf künftiger Jahre zu treffen, durch Rückstellungen mit zulässigem Zweck und Umfang und durch angemessene Rücklagen entsprochen werden kann (BVerwG, Urt. v. 22.1.2020 - 8 C 9.19 -, juris Rn. 31). Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat zum Grundsatz der Jährlichkeit in Bezug auf die Bildung von Rücklagen ausgeführt:
"Schon aus der jährlichen Aufstellung des Wirtschaftsplans und der jährlichen Beitragserhebung folgt daher, dass die Kammerzugehörigen im jeweiligen Geschäftsjahr grundsätzlich nur für die Kosten der Errichtung und Tätigkeit der Industrie- und Handelskammer im betreffenden Jahr herangezogen werden dürfen. Eine Heranziehung für Kosten der über das aktuelle Geschäftsjahr hinausgehenden zukünftigen Tätigkeit der Industrie- und Handelskammer, welche auch mittelbar in der Schonung vorhandener Rücklagen liegen kann, bedarf demgegenüber eines besonderen sachlichen Grundes. Zwar sind die Zwangsmitglieder von Industrie- und Handelskammern kontinuierlich und typischerweise dauerhaft beitragsverpflichtet. Dies rechtfertigt aber schon aufgrund der dennoch vorhandenen Fluktuation des Mitgliederbestandes und der an den Gewerbeertrag des jeweiligen Geschäftsjahres anknüpfenden Beitragsbemessung für sich genommen nicht, regelmäßig anfallende Kosten bereits in vorausgehenden Geschäftsjahren zu finanzieren. Allein der Umstand, dass die Industrie- und Handelskammern aufgrund ihrer Tätigkeit bereits absehbar mit finanziellen Belastungen in den Folgejahren rechnen, vermag die Bildung von Rücklagen zur Finanzierung dieser Kosten ebenfalls nicht zu rechtfertigen. Denn dies stellt den Regelfall der mit der jährlichen Beitragserhebung zu deckenden Kosten dar. Zwar kommt hier eine Absicherung finanzieller Risiken aufgrund konjunktureller Schwankungen des Beitragsaufkommens beziehungsweise die Rücklagenbildung zur Sicherstellung ausreichender Liquidität in Betracht. Auch können größere Investitionen - insbesondere auch Baumaßnahmen - über die Ansparung von Finanzmitteln finanziert werden. Im Fall der nahezu vollständigen Projektfinanzierung aus bereits zu Projektbeginn gebildeten Rücklagen liegt jedoch keine bloße "Risikoabsicherung" (vgl. in diese Richtung aber wohl Jahn, GewArch 2016, 263 <267>) oder "Ansparfunktion" mehr vor. Eine solche Rücklagenfinanzierung fördert für sich genommen auch nicht die Aufgabenwahrnehmung der Industrie- und Handelskammer oder ist gar zur Erhaltung ihrer Funktionsfähigkeit notwendig (vgl. hierzu auch BVerwG, Urteil vom 22.01.2020 - 8 C 9.19 -, BVerwGE 167, 259 <juris Rn. 30>; Jahn, GewArch 2013, 49 <53>), da sie nur zu einer abweichenden Verteilung der Kosten auf die Kammerzugehörigen über die Laufzeit des Projekts führt. Bei über einen längeren Zeitraum angelegten Projekten reicht allein der Beschluss der Vollversammlung zu Beginn des Projekts schließlich nicht aus, um eine vollständige Verlagerung der Finanzierungsverantwortung in das betroffene Geschäftsjahr zu rechtfertigen. Denn dies blendete die Möglichkeit künftiger Vollversammlungen zur vorzeitigen Projektbeendigung ebenso aus wie die damit im Regelfall für künftige Geschäftsjahre finanzierten Vorteile der Kammerzugehörigen."
(VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 24.10.2022 - 6 S 965/21 -, juris Rn. 53)
Diesen Ausführungen schließt sich das Gericht an (einen etwas weiteren Maßstab legt das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz dem Jährlichkeitsprinzip zugrunde, wenn es lediglich eine hinreichende zeitliche Konkretisierung und Begrenzung sowie einen sachlichen Grund fordert, der bereits darin bestehen kann, einen Finanzbedarf künftiger Jahre durch die Bildung zweckgebundener Rücklagen sicherzustellen (OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 25.4.2023 - 6 A 11192/22.OVG -, juris Rn. 43; dass., Urt. v. 25.4.2023 - 6 A 11191/22.OVG -, juris Rn. 50)).
Eine Rücklagenbildung über mehrere Wirtschaftsjahre oder das Vorhalten einer Rücklage über mehrere Wirtschaftsjahre ist somit nicht grundsätzlich ausgeschlossen, bedarf jedoch eines besonderen sachlichen Grundes unter Berücksichtigung einer realitätsnahen Prognose.
Ferner hat die Beklagte bei der Bildung und Aufrechterhaltung von Rücklagen die Grundsätze des staatlichen Haushaltsrechts zu beachten. Hierzu zählt unter anderem das Gebot der Haushaltswahrheit, aus dem in Ansehung von Prognosen das Gebot der Schätzgenauigkeit folgt. Dieses ist nicht schon dann verletzt, wenn sich eine Prognose im Nachhinein als falsch erweist; Prognosen müssen aber aus der Sicht ex ante sachgerecht und vertretbar ausfallen (BVerwG, Urt. v. 9.12.2015 - 10 C 6.15 -, juris Rn. 16 m.w.N.). Das Gebot der Schätzgenauigkeit hat das Bundesverwaltungsgericht wie folgt konkretisiert:
"Das Gebot der Schätzgenauigkeit verpflichtet dazu, den im Haushalt für einen bestimmten Zweck veranschlagten Mittelbedarf aufgrund der bei der Aufstellung des Haushaltsplans (Wirtschaftsplans) verfügbaren Informationen sachgerecht und vertretbar zu prognostizieren (BVerfG, Urteil vom 9. Juli 2007 - 2 BvF 1/04 - BVerfGE 119,96 <129 f.>; BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 2015 - 10 C 6.15 - BVerwGE 153, 314 Rn. 16). Was dabei als vertretbar zu gelten hat, kann nur aufgrund einer Gesamtbewertung der konkreten Entscheidungssituation unter Berücksichtigung des betroffenen Sach- und Regelungsbereichs, der Bedeutung der zu treffenden Entscheidung und deren Folgen sowie der verfügbaren Tatsachengrundlagen für die Prognose bestimmt werden. Unvertretbar sind jedenfalls bewusst falsche Etatansätze und gegriffene Ansätze, die trotz naheliegender Möglichkeit besserer Informationsgewinnung ein angemessenes Bemühen um realitätsgerechte Prognosen zu erwartender Einnahmen oder Ausgaben vermissen lassen (BVerfG, Urteil vom 9. Juli 2007 - 2 BvF 1/04 - BVerfGE 119, 96 <129 f.>).
Dieser Maßstab geht über eine bloße Willkürkontrolle hinaus. Er entspricht allerdings nicht dem vom Berufungsgericht angelegten allgemeinen Maßstab für die gerichtliche Überprüfung behördlicher Prognoseentscheidungen auf die Eignung der Prognosemethode, die zutreffende Sachverhaltsermittlung und der einleuchtenden Begründung ihres Ergebnisses hin. Die Mittelbedarfsprognose richtet sich auf eine möglichst realitätsgerechte Schätzung der künftigen Einnahmen und Ausgaben der Kammer. Diesen spezifischen Anforderungen wird ein zur Bewältigung technisch-naturwissenschaftlicher Ungewissheiten angewandter Maßstab für die gerichtliche Kontrolle behördlicher Prognosen nicht gerecht." (BVerwG, Urt. v. 22.1.2020 - 8 C 9.19 -, juris Rn. 19 f.)
Zwar hat die Beklagte für 2021 keine Rücklagen mehr ausgewiesen. Jedoch hat sie im Wirtschaftsplan 2021 einen Vermögenszweckspiegel beschlossen, welcher die Veränderung der Vermögenszwecke im Wirtschaftsjahr 2021 (wie der bisherige Rücklagenspiegel) darstellen soll. Aufgeführt werden hier unter anderem die Vermögenszwecke "Reduzierung Pensionszins", "Digitalisierung der IHK-Organisation", "Projekt Gebäude Lüneburg" und "Sicherung unterjährige Liquidität". In den weiteren Erläuterungen wird der prognostizierte Auf- bzw. Abbau dieser Vermögenspositionen weiter dargestellt. Zudem führt die Beklagte als Erläuterung zum Vermögenszweckspiegel aus: "Mit der Novellierung des Finanzstatuts erfolgt die Zweckbindung von Eigenkapital nicht mehr bei dieser Position selbst, sondern auf der Aktivseite beim Vermögen. Daher wird mit dieser Wirtschaftsplanung erstmals ein Vermögenszweckspiegel aufgestellt, der mit dem Inkrafttreten des Finanzstatuts per 01.01.2021 startet" (Wirtschaftsplan 2021, S. 20). Damit hat die Beklagte nach wie vor faktisch Rücklagen gebildet bzw. Aufrechterhalten, welche an den zuvor genannten Maßstäben zu überprüfen sind.
a) Der Mittelansatz der Beklagten für den Verwendungszweck (Rücklage) Projekt "Gebäude Lüneburg" in 2021 verletzt die haushaltsrechtlichen Grundsätze des Gebots der Schätzgenauigkeit und der Jährlichkeit und ist damit nicht mehr vom zulässigen Zweck gedeckt.
Der Aufbau einer Rücklage zu Instandhaltungsmaßnahmen oder zum Bau bestimmter Projekte stellt grundsätzlich einen zulässigen Zweck dar (Nds. OVG, Urt. v. 17.9.2018 - 8 LB 128/17 -, juris Rn. 144).
Die Rücklage Projekt "Gebäude Lüneburg" wurde im Jahr 2020 begründet und die vorherige Instandhaltungsrücklage, welche in der Bilanz zum 31. Dezember 2019 mit 4.028.000 EUR ausgewiesen war, wurde in 2020 aufgelöst und die vorhandenen Mittel wurden vollständig der neu gegründeten Rücklage zum Projekt "Gebäude Lüneburg" zugewiesen (vgl. Wirtschaftsplan 2020, S. 3, 18). Für das Wirtschaftsjahr 2021 prognostizierte die Beklagte zum 1. Januar 2021 einen Bestand der Rücklage in Höhe von 4.028.000 EUR und plante eine Zuführung zur Rücklage Projekt "Gebäude Lüneburg" von 3.972.000 EUR. Eine Inanspruchnahme der Rücklage war in 2021 nicht vorgesehen. Die Plan-Bilanz der Beklagten setzte zum 31. Dezember 2021 einen Bestand der Rücklage "Gebäude Lüneburg" in Höhe von 8.000.000 EUR fest.
Zur Begründung der Dotierung der Rücklage mit 3.972.000 EUR heißt es im Wirtschaftsplan 2021, dass damit 44 % der maximalen Dotierungshöhe von 18.000.000 EUR erreicht seien. Dieser Wert leite sich aus einer Kostenschätzung von F., Hamburg, ab. Im gerichtlichen Verfahren führte die Beklagte hierzu weiter aus, dass damit die Machbarkeitsstudie von F. vom 25. September 2020 gemeint sei. In dieser Machbarkeitsstudie werden zwei Varianten für das Projekt Gebäude Lüneburg vorgestellt. Die Variante 1 besteht aus dem An- und Umbau des Bestandstandortes "Am Sande" mit prognostizierten Herstellungskosten in Höhe von 15.942.919 EUR (gerundet 16.000.000 EUR). Variante 2 besteht aus dem Neubau in der Konrad-Zuse-Allee 10 mit prognostizierten Herstellungskosten in Höhe von 18.207.521 EUR (gerundet 18.000.000 EUR). Auch wenn der Beklagten insoweit zuzustimmen ist, dass das Ansparen der Kosten für ein solches Großprojekt nur gleichmäßig über einen Zeitraum von mehreren Jahren erfolgen kann, um die Beiträge nicht in kurzer Zeit drastisch zu erhöhen, so muss auch das "Ansparen" mit einer realitätsnahen Prognoseentscheidung begründet sein. Für das Wirtschaftsjahr 2021 hat die Beklagte jedoch keine nachvollziehbare Prognose hinsichtlich der beabsichtigen Ansparung für die Rücklage "Projekt Gebäude Lüneburg" vorgelegt. Vielmehr hat sie sich hinsichtlich der maximalen Dotierungshöhe zunächst auf die prognostizierten höheren Kosten der Variante 2 gestützt, ohne dass bereits eine Entscheidung für diese Variante getroffen war. Zudem kann die Beklagte nicht darlegen, auf welcher Kostenprognose ein weiteres Ansparen der Rücklage im Jahr 2021 erforderlich war. Vielmehr führt sie hierzu selbst aus, dass sie im Rahmen der geschätzten Gesamtkosten von rund 18.000.000 EUR jährlich Mittel in dem Umfang der Vorsorge angespart habe, wie dies ohne Erhöhung der Beiträge aus dem laufenden Haushalt möglich gewesen sei. Der Zuführung der Mittel in 2020 und in 2021 sei deshalb nach Aussage der Beklagten nicht auf der Grundlage einer Kostenschätzung geschehen, die konkret für diesen Zweck aufgestellt worden sei. Damit gesteht die Beklagte selbst ein, die Mittel in der Rücklage Projekt "Gebäude Lüneburg" "blind" angespart zu haben, ohne diese Rücklagenbildung auf eine sachliche und hinreichend zeitlich konkretisierte Kostenprognose zu stützen. Damit hat die Beklagte die Verpflichtung nach § 3 Abs. 2 IHKG missachtet, die Mittel, welche sie zum Ansparen der Rücklage Projekt "Gebäude Lüneburg" in 2020 und 2021 verwendet hat, zur Deckung ihrer Kosten zu verwenden. Dies hätte in den Jahren 2020 und 2021 gegebenenfalls zu einem geringeren Beitrag der Kammermitglieder geführt.
Die fehlende Bedarfsprognose für das Ansparen der Rücklage in 2021 wird auch nicht nachträglich durch die weiteren Erläuterungen und Kostenabschätzungen der Beklagten geheilt. Zwar sind bei der Kontrolle der Mittelbedarfsprognose alle Erwägungen der Beklagten zugrunde zu legen, die sie zu den im Zeitpunkt des Beschlusses ihrer Vollversammlung über den betreffenden Wirtschaftsplan vorliegenden Tatsachen bis zum Schluss der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung prozessordnungsgemäß vorgebracht hat (BVerwG, Urt. v. 22.1.2020 - 8 C 9.19 -, juris Rn. 22). Das gilt auch dann, wenn der Vollversammlung zur Vorbereitung der Entscheidung über die Mittelbedarfsfeststellung eine abweichende oder eine die prognostischen Leitentscheidungen nur unzureichend widerspiegelnde Darstellung der die Höhe betreffende Prognose vorlag, sog. "materielle Betrachtung" (Nds. OVG, Urt. v. 17.9.2018 - 8 LB 130/17 -, juris Rn. 55 ff.). Jedoch begründen die weiter vorgetragenen Erwägungen der Beklagten keine sachliche Rechtfertigung für das weitere Ansparen der Rücklage Projekt "Gebäude Lüneburg" in 2021.
Die Kostenschätzung für Variante 2 von F. ("Darstellung der Kosten, Grobplanung Budget und Mittelabfluss der Bau-/Baunebenkosten) sieht u.a. folgenden geschätzten Mittelabfluss der Bau- und Baunebenkosten (brutto) vor:
2. HJ 2021 1. HJ 2022 2. HJ 2022 1. HJ 2023 2. HJ 2023 [...] 313.183 € 865.528 € 3.423.247 € 3.659.316 € 5.212.632 € [...]
Ein geplanter Mittelabfluss begründet für sich jedoch noch nicht das weitere Ansparen einer Rücklage, zumal es nach Aussage der Beklagten nicht zu einem Mittelabfluss in 2021 kam und es sich hierbei um eine reine Vorsichtsmaßnahme gehandelt habe, die sich später als obsolet erwiesen habe.
Auch die im Verfahren 3 A 179/22 geäußerte Begründung der Beklagten zum weiteren Ansparen der Rücklage im Wirtschaftsjahr 2022 führt zu keinem anderen Ergebnis. Ihr Einwand, die Vollversammlung habe nach dem Grundsatz "Fremdkapital vor Eigenkapital" für das Projekt "Gebäude Lüneburg" eine Fremdkapitalquote von 65 % beschlossen, überzeugt nicht. Die Beklagte ging für das Wirtschaftsjahr 2022 bereits von Gesamtkosten für das Projekt "Gebäude Lüneburg" in Höhe von 25.000.000 EUR aus, wobei sie sich auf die aktualisierte Kostenschätzung von F. aus Herbst 2021 stützte. Bei einer beschlossenen Fremdkapitalquote von 65 % würde das aufzubringende Eigenkapital 8.750.000 EUR betragen. Die Beklagte sah bereits zu Beginn des Wirtschaftsjahres 2021 einen Bestand der Rücklage in Höhe von 4.028.000 EUR vor, was etwa 46 % der geplanten Eigenmittel entspricht. Für die Kammer ist nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund die Mitglieder bereits im Jahr 2021 rund 45 % (3.972.000 EUR) des geplanten Eigenkapitals aufzubringen hatten. Ohne eine weitere nachvollziehbare sachliche Begründung stellt dies einen Verstoß gegen den Grundsatz der Schätzgenauigkeit dar. Zudem ist das weitere - nicht durch eine nachvollziehbare Bedarfsprognose gerechtfertigte - Vorhalten und Ansparen der Rücklage nicht mit einer generationengerechten Belastung der Mitglieder vereinbar und stellt einen Verstoß gegen den Grundsatz der Jährlichkeit dar. Dass es sich bei den im Vermögenszweckspiegel dargestellten Mitteln ausnahmslos um Eigenkapital handelt, stellt die Beklagte klar, wenn sie formuliert: "Die in 2022 und 2023 aufgewandten Mittel sind aus dem Fremdkapital gekommen und sind deshalb in der Darstellung des Mittelabflusses aus der Liquidität der Beklagten nicht enthalten" (Schriftsatz vom 25. März 2024 in Verfahren 3 A 173/22). Mit der Darstellung des Mittelabflusses aus der Liquidität ist offensichtlich der Vermögenszweckspiegel gemeint.
Ob die Beklagte durch die Aufrechterhaltung der Instandhaltungsrücklage über mehrere Jahre rechtswidriges Vermögen gebildet hat, kann damit dahinstehen.
b) Auch hinsichtlich der Digitalisierungsrücklage im Wirtschaftsplan 2021 hat die Beklagte den haushaltsrechtlichen Grundsatz der Jährlichkeit nicht hinreichend beachtet, so dass diese rechtswidrig ist.
Die Bildung einer Rücklage zur Digitalisierung der Beklagten stellt grundsätzlich einen hinreichenden sachlichen Zweck dar. Die Vollversammlung der Beklagten hat die Festsetzung der Digitalisierungsrücklage jedoch nicht auf eine schlüssige Prognose über die Höhe und beabsichtigte Verwendung der Mittel im Wirtschaftsjahr 2021 gestützt.
Unabhängig von der Frage, ob der erstmalige Aufbau der Digitalisierungsrücklage in 2018 mit einer Dotierung von letztendlich 1.190.000 EUR (Bilanz der Beklagten zum 31. Dezember 2018) der Höhe nach sachlich gerechtfertigt war, stellt die geplante Beibehaltung der Rücklage in Höhe von 817.000 EUR in 2021 eine rechtswidrige Vermögensbildung dar.
Dem Wirtschaftsplan 2021 ist zu entnehmen, dass die Beklagte zu Beginn des Jahres 2021 mit einem Bestand der Digitalisierungsrücklage in Höhe von 1.136.000 Euro rechnete und für das Wirtschaftsjahr 2021 eine Inanspruchnahme der Rücklage in Höhe von 319.000 Euro plante, sodass zum 31. Dezember 2021 die Rücklage noch in Höhe von 817.000 Euro bestehen sollte. Daraus ergibt sich eine Schonung der Digitalisierungsrücklage im Jahr 2021 in Höhe von 817.000 Euro. Die Beklagte konnte nicht darlegen, dass das Vorhalten der Rücklage über das Wirtschaftsjahr 2021 erforderlich war.
Das Gebot der Jährlichkeit verlangt nach dem oben dargelegten Maßstab, dass der Bedarf einer Rücklage zunächst nur auf das in Rede stehende Wirtschaftsjahr bezogen zu ermitteln ist. Sofern mehr Mittel in einer Rücklage vorgehalten werden, als sie für das betroffene Wirtschaftsjahr benötigt werden, so ist die Rücklage grundsätzlich abzubauen. Es liegt hier auch keine zulässige Ausnahme vom Jährlichkeitsprinzip vor. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass konkurrierende haushaltsrechtliche Prinzipien einer stetigen Aufgabenerfüllung, der Wirtschaftlichkeit oder der Sparsamkeit den Ansatz eines mehrjährigen Bedarfs für die Digitalisierungsrücklage gebieten (so auch VG Gelsenkirchen Urt. v. 18.11.2022 - 19 K 1529/20 -, juris Rn. 47; a.A. OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 25.4.2023 - 6 A 11192.22 OVG -, juris Rn. 44, wonach die Bildung einer Digitalisierungsrücklage über mehrere Jahre hinaus als zulässig erachtet wurde). Die Beklagte konnte nicht darlegen, warum eine Schonung der Digitalisierungsrücklage in Höhe von 817.000 Euro ausnahmsweise erforderlich war. Allein der Umstand, dass der Zeitraum der beabsichtigten Inanspruchnahme der vorgehaltenen Rücklage bereits feststand und durch den vorgelegten Budgetplan auch die voraussichtliche Mittelverwendung in den folgenden Wirtschaftsjahren schlüssig prognostiziert wurden, reicht für eine Ausnahme vom Gebot der Jährlichkeit nicht aus. Die Beklagte hätte die verbleibenden 817.000 EUR daher im Rahmen des Wirtschaftsplans 2021 für ihre Kammertätigkeit verwenden müssen, was voraussichtlich zu einer (wenn auch sehr geringen) Reduzierung der Beiträge geführt hätte. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass im Folgejahr erneut Mittel für die IHK Digital GmbH anfallen, welche durch im Wirtschaftsjahr 2022 voraussichtlich erhöhte Beiträge hätten finanziert werden müssen. Dass das Jährlichkeitsprinzip bei der Aufstellung des Wirtschaftsplans zu schwankenden Kammerbeiträgen führen kann, liegt jedoch gerade in der Natur der Sache, da gemäß § 3 Abs. 2 IHKG Beiträge nur im Rahmen nicht anderweitiger Kostendeckung erhoben werden können (OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 14.9.2020 - 1 L 97/18 -, juris Rn. 19).
Ob darüber hinaus ein Verstoß gegen den Grundsatz der Schätzgenauigkeit vorliegt, weil die Beklagte vermutlich aufgrund eines Übertragungsfehlers im Wirtschaftsplan 2021 für die Rücklage 4.000 EUR mehr vorgesehen hat, als nach dem Budgetplan in 2021 an die IHK Digital GmbH zu zahlen war, kann hier im Ergebnis dahinstehen.
c) Die Beklagte hat ferner unter dem Vermögenszweck "Sicherung unterjähriger Liquidität" rechtswidriges Vermögen gebildet.
Die Vollversammlung der Beklagten hat im Wirtschaftsplan 2021 erstmals unter dem Vermögenszweck "Sicherung unterjähriger Liquidität" eine sog. "Liquiditätsrücklage" in Höhe von 1.416.000 EUR gebildet. Die Bildung dieser Rücklage ist bereits hinsichtlich des veranschlagten Zwecks rechtlich zu beanstanden.
Das Vorhalten einer Mittelreserve zur Überbrückung von Einnahmeverzögerungen oder Einnahmeausfällen stellt grundsätzlich einen sachlichen Zweck zur Bildung einer Rücklage dar (BVerwG, Urt. v. 9.12.2015 - 10 C 6.15 -, juris Rn. 18). Im vorliegenden Fall entschied die Vollversammlung jedoch, dass das Vorhalten der Liquiditätsrücklage die Zahlungsfähigkeit sichern solle, "sollte der Beitragslauf wegen einer ungültigen Wirtschaftssatzung (aufgrund Rechtsprechung) nicht durchgeführt werden können" (Wirtschaftsplan 2021, S. 21). Allein das Ziel, mögliche Beitragsverluste infolge von Gerichtsverfahren durch eine derartig hohe Liquiditätsrücklage auszugleichen, kann keinen sachlichen Zweck für eine Rücklage darstellen. Zwar ist es für Unternehmen üblich, im Rahmen von Gerichtsverfahren Mittel insbesondere als Rückstellungen hierfür zu binden. Dies gilt jedoch nicht pauschal für noch nicht anhängige oder nicht absehbare Gerichtsverfahren. Die Beklagte hat auch nicht dargelegt, auf welcher Tatsachengrundlage die Vollversammlung von einer erheblichen Welle von Gerichtsverfahren in 2021 ausging, die noch in 2021 zu einem erheblichen Beitragsausfall in der Höhe von 1.416.000 EUR führen sollten. Der pauschale Hinweis auf eine möglicherweise ungültige Wirtschaftssatzung reicht hierfür nicht aus.
Zudem scheint die Beklagte selbst der Ansicht zu sein, dass die Rücklage durch keinen sachlichen Zweck gerechtfertigt ist, wenn sie ausführt: "Die Darstellung ʽSicherung unterjähriger Liquiditätʼ im Vermögenszweckspiegel ist eine überflüssige Position, die sich aus der fehlenden Übung im Umgang mit dem neuen Finanzstatut erklärt.".
Darüber hinaus ist auch die Höhe der gebildeten Rücklage durch keine nachvollziehbare Kostenprognose gerechtfertigt.
d) Eine weitere Prüfung der Rechtmäßigkeit der Pensionszinsausgleichsrücklage kann dahinstehen, da die Wirtschaftssatzung bereits aus den vorgenannten Gründen rechtswidrig ist.
3. Die Entscheidung weiter selbständig tragend, ist die Höhe des Beitragssatzes auch deshalb als rechtswidrig anzusehen, weil die Beklagte unter der Bilanzposition "Sonstiges Eigenkapital" rechtswidriges Vermögen gebildet hat. Zum einen hat sie die in der Eröffnungsbilanz ermittelte Nettoposition "Festgesetztes Kapital" in Höhe von 500.000 EUR - entgegen ihren Ausführungen - nicht in dieser Höhe beibehalten, sondern vielmehr sogleich wieder erhöht (hierzu unter a). Zum anderen hat sie durch Auflösung der Ausgleichsrücklage in 2020 und Zuführung der Mittel zum "Sonstigen Eigenkapital" in 2021 zusätzliches zweckfreies Vermögen gebildet (hierzu unter b).
a) Für die unter der Bilanzposition "Sonstiges Eigenkapital" faktisch weiter vorhandene Nettoposition "Festgesetzes Kapital" hat die Beklagte für das Wirtschaftsjahr 2021 eine erneute Erhöhung vorgesehen, was rechtlich zu beanstanden ist.
Aus den Grundsätzen des staatlichen Haushaltsrechts folgt, dass die in der Eröffnungsbilanz ermittelte Nettoposition "Festgesetztes Kapital" später grundsätzlich nicht geändert wird (Nds. OVG, Urt. v. 17.9.2018 - 8 LB 130/17 -, juris Rn. 93). Insbesondere ist ein Jahresüberschuss wegen des aus § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG folgenden Verbots, Vermögen zu bilden, grundsätzlich unverzüglich zur Finanzierung der Aufgabenerfüllung und damit zur Minderung des von den Kammerzugehörigen durch Beiträge zu deckenden Mittelbedarfs der Kammern zu verwenden. Denn er stellt eine Möglichkeit dar, deren Kosten anderweitig zu decken. Die Entscheidung, einen Jahresüberschuss zur Erhöhung des Festgesetzten Kapitals zu verwenden, stellt demgegenüber stets die Bildung von Vermögen dar (BVerwG, Urt. v. 22.1.2020 - 8 C 9.19 -, juris Rn. 28).
Gleiches gilt für die Erhöhung des Festgesetzten Kapitals durch Passivtausch. Ein Passivtausch verringert eine Passivposition der Bilanz um den Betrag, um den er eine andere Passivposition derselben Bilanz erhöht. Mit der Verringerung einer Passivposition um einen bestimmten Betrag dokumentiert die IHK, dass sie diese Mittel nicht mehr für die Erfüllung der betreffenden Aufgabe benötigt. Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG ist der frei gewordene Betrag unverzüglich zur Minderung des von den Kammerzugehörigen durch Beiträge zu deckenden Mittelbedarfs der Kammer einzusetzen. Mit der Entscheidung, den Betrag stattdessen zur Erhöhung des Festgesetzten Kapitals (Nettoposition) zu verwenden, steht er für eine Minderung des von den Kammerzugehörigen durch Beiträge zu deckenden Mittelbedarfs der Kammer nicht mehr zur Verfügung (BVerwG, Urt. v. 22.1.2020 - 8 C 9.19 -, juris Rn. 29).
Eine Veränderung der Nettoposition "Festgesetzes Kapital" ist ausnahmsweise nur aus sachlichen Gründen im Rahmen zulässiger Kammertätigkeit möglich. Ein sachlicher Grund für die Erhöhung der Nettoposition müsste geeignet sein, die Aufgabenerfüllung zu fördern (BVerwG, Urt. v. 22.1.2020 - 8 C 9.19 -, juris Rn. 30). Dies ist insbesondere bei einer Änderung der Verhältnisse, die der Ermittlung der Nettoposition zugrunde lagen, denkbar, so bei einer Änderung im Vermögensbestand und wohl auch beim Übergang von Fremd- zu Eigenfinanzierung des Immobilienvermögens durch Tilgung eines Immobiliendarlehens (Nds. OVG, Urt. v. 17.9.2018 - 8 LB 130/17 -, juris Rn. 93). Kein sachlicher Grund liegt dagegen darin, langfristig gebundenes Anlagevermögen vollständig in der Nettoposition (Festgesetzes Kapital) abzubilden oder durch Erhöhung des Festgesetzten Kapitals dauerhaft in seinem Bestand zu sichern (BVerwG, Urt. v. 22.1.2020 - 8 C 10.19 -, juris Rn. 35). Die sog. "Goldene Bilanzregel" ist für Kammern gerade nicht anzuwenden (Nds. OVG, Urt. v. 17.9.2018 - 8 LB 128/17 -, juris Rn. 157 ff.).
Entsprechend hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass die Wirtschaftsplanung der Beklagten für die Jahre 2011, 2014 und 2016 rechtswidrig war, u. a. weil die Erhöhungen der Nettoposition in den Jahren nach der Eröffnungsbilanz nicht gerechtfertigt waren und dadurch unzulässiges Vermögen gebildet wurde (BVerwG, Urt. v. 22.1.2020 - 8 C 9.19, 8 C 10.19, 8 C 11.19 -, juris).
Infolge der Reform des Finanzstatus der Beklagten weist diese in ihren Wirtschaftsplänen seit 2021 keine Nettoposition bzw. "Festgesetztes Kapital" mehr aus. Gemäß § 15 Abs. 5 Finanzstatut hat die Beklagte ein Eigenkapital zu bilden. Es ergibt sich als Unterschiedsbetrag aus dem Vermögen abzüglich der Summe aus Ergebnis, Sonderposten, Rückstellungen, Verbindlichkeiten und passiven Rechnungsabgrenzungsposten. Im Wirtschaftsplan und der Bilanz wird dieses als "Sonstiges Eigenkapital" ausgewiesen. Eine Differenzierung nach "Festgesetzen Kapital" und Rücklagen erfolgt danach nicht mehr. Für 2021 plante die Vollversammlung mit einem "Sonstigen Eigenkapital" in Höhe von 15.213.000 EUR zum 31. Dezember 2021.
Zwar hat die Vollversammlung der Beklagten im Nachtragswirtschaftsplan für 2020 beschlossen, die Nettoposition "Festgesetztes Kapital" auf den Wert aus der Eröffnungsbilanz in Höhe von 550.000 EUR zurückzuführen. Zugleich hat sie jedoch beschlossen, die Differenz in Höhe von 3.250.000 EUR im Bilanzgewinn für 2020 auszuweisen, welchen die Beklagte mit 7.908.000 EUR prognostizierte und diesen im Wirtschaftsjahr 2021 nach Ausgleich des prognostizierten Jahresfehlbetrages von 1.059.000 EUR dem "Sonstigen Eigenkapital" zuzuführen (Wirtschaftsplan 2021, S. 20).
Somit hat die Beklagte dem "Sonstigen Eigenkapital" in 2021 Mittel in Höhe von 6.835.000 EUR zugewiesen. Die Mittel der 2020 reduzierten Nettoposition "Festgesetzes Kapital" wurden damit zumindest teilweise dem "Sonstigen Eigenkapital" im Wege eines Passivtauschs zugewiesen, weil die dem Bilanzgewinn 2020 zugewiesenen reduzierten Mittel des "Festgesetzen Kapitals" in Höhe von 3.250.000 EUR den prognostizierten Jahresfehlbetrag übersteigen und damit nicht vollständig zu dessen Ausgleich genutzt wurden. Die Beklagte hat hierzu selbst ausgeführt, dass derjenige Teil des Gewinnvortrages, der nicht zum Ausgleich des Jahresfehlbetrages eingesetzt worden ist, der Größe "Sonstiges Eigenkapital" zugerechnet worden sei, ohne einen Verwendungszweck zu hinterlegen. Dadurch hat die Beklagte rechtswidriges Vermögen gebildet. Denn entweder wurden die Mittel genutzt, um die Rücklagen zum Projekt "Gebäude Lüneburg" und zur Sicherung unterjähriger Liquidität weiter aufzubauen, der Aufbau dieser Rücklagen führte jedoch aus den oben genannten Gründen zur Bildung rechtswidrigen Vermögens; oder die Mittel des ehemals "Festgesetzten Kapitals" wurden dem zweckfreien Anteil des "Sonstigen Eigenkapitals" zugeführt, was wiederum zu einer Erhöhung der Nettoposition führt, ohne dass die Beklagte dargelegt hat, warum dies ausnahmsweise zulässig sein könnte. Im Übrigen stellt dies auch einen Verstoß gegen das Gebot der transparenten Haushaltsführung dar.
b) Auch die Auflösung der Ausgleichsrücklage in 2020 und Zuführung zum "Sonstigen Eigenkapital" in 2021 stellt die Bildung von rechtswidrigem Vermögen der Kammer dar.
Im Rahmen des Nachtragswirtschaftsplans 2020 hat die Vollversammlung der Beklagten beschlossen, die Ausgleichsrücklage in Höhe von 4.100.000 EUR auf einen Erinnerungswert von 1 EUR zurückzuführen (Bericht über die Prüfung des Jahresabschlusses und des Lageberichts zum 31. Dezember 2020 der Beklagten, Anlage 4, Bl. 8). Die Mittel der ehemaligen Ausgleichsrücklage wurden dem prognostizierten Bilanzgewinn des Wirtschaftsjahres 2020 zugeführt, welcher mit 7.908.000 EUR ausgewiesen wurde (Wirtschaftsplan 2021, S.24). Im Wirtschaftsplan 2021 stellte die Vollversammlung der Beklagten einen Jahresfehlbetrag in Höhe von 1.059.000 EUR fest, welcher durch den prognostizierten Gewinnvortrag in Höhe von 7.908.000 EUR des Jahres 2020 deutlich kompensiert werde. Die Differenz in Höhe von 6.835.000 EUR wurde dem "Sonstigen Eigenkapital" zugeführt (Wirtschaftsplan 2021, S. 20). Damit hat die Beklagte zumindest einen Teil der ehemaligen zweckgebundenen Mittel der Ausgleichsrücklage dem nicht mehr nach einzelnen Verwendungszwecken differenzierten "Sonstigen Eigenkapital" zugerechnet. Dies stellt nach den oben dargelegten Maßstäben eine unzulässige Vermögensbildung dar. Insbesondere wurde die ehemalige Ausgleichsrücklage auch zumindest nicht vollständig zum Ausgleich des prognostizierten Jahresfehlbetrages verwendet, da die Mittel der ehemaligen Ausgleichsrücklage den Jahresfehlbetrag für 2021 deutlich übersteigen.
Dadurch hat die Beklagte aus denselben Gründen wie unter II.2.a) rechtswidriges Vermögen gebildet - entweder durch Erhöhung der ehemaligen Nettoposition oder durch Bildung bzw. Erhöhung unzulässiger Rücklagen.
4. Die Rechtswidrigkeit der Mittelbedarfsfeststellung wirkt sich dahingehend aus, dass auch der beschlossene Beitragstarif rechtswidrig und nichtig ist, was zur Rechtswidrigkeit der Beitragserhebung führt.
Etwas Anderes könnte sich nur dann ergeben, wenn feststünde, dass ein Mittelbedarf in derselben Höhe auch ohne Verstoß gegen Haushaltsrecht ermittelt worden wäre. Die Rechtswidrigkeit hätte sich dann nicht auf die Gestaltung des Beitragstarifs ausgewirkt (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.4.2002 - 9 CN 1.01 -, juris Rn. 31 ff.). Dies lässt sich jedoch nicht feststellen. Nach dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht ist dabei die zu untersuchende Frage nicht, ob die tatsächliche erfolgte Mittelbedarfsfeststellung rechtswidrig ist, sondern ob im Ergebnis dieselbe Mittelbedarfsfeststellung auch bei Einhaltung der geltenden Vorschriften erfolgen müsste. Das kommt insbesondere in Betracht, wenn die Berücksichtigung einer Position zu dem angegebenen Zweck gegen den Grundsatz der Haushaltswahrheit verstößt, diese Position aber bei korrekter Deklaration ihres Zwecks rechtmäßigerweise berücksichtigt werden dürfte. Erforderlich ist hierbei jedoch, dass kein Gestaltungsspielraum der Beklagten besteht. Denn das Gericht würde seine Befugnisse überschreiten, wenn es eine nur mögliche, von der Ausübung des Gestaltungsspielraums seitens der Beklagten abhängige Prognose der erforderlichen Mittel anstellte (Nds. OVG, Urt. v. 17.9.2018 - 8 LB 130/17 -, juris Rn. 108.).
Im vorliegenden Fall steht nicht fest, dass die Beklagte auch bei rechtmäßigem Vorgehen zu einer Mittelbedarfsfeststellung in derselben Höhe hätte gelangen müssen.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711, 709 S. 2 ZPO.
6. Die Kammer hat die Berufung gemäß § 124 a Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen. Von grundsätzlicher Bedeutung ist zum einen die Frage der Rechtmäßigkeit der Rücklagendarstellung im Wirtschaftsplan mittels des sog. Vermögenszweckspiegels sowie der Darstellung des Eigenkapitals und zum anderen, welche Voraussetzungen an die Bildung einer Rücklage über mehrere Jahre zu stellen sind.
Beide Fragen haben - aufgrund der in Niedersachsen bestehenden verschiedenen Industrie- und Handelskammern sowie der Handwerkskammern - Auswirkungen über den Einzelfall hinaus und können in verallgemeinernder Form beantwortet werden. Nach den Ausführungen der Beteiligten wird der sog. Vermögenszweckspiegel auch bei anderen Industrie- und Handelskammern Niedersachsens angewandt. Außerdem werden dort ebenfalls vergleichbare Rücklagen, z.B. für Zwecke der Digitalisierung, gebildet.