Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 13.09.2018, Az.: 2 LA 1087/17
Wiederaufgreifen des Prüfungsverfahrens zur ersten Juristischen Staatsprüfung (Wiederholungsprüfung); Erneute Zulassung zur Wiederholungsprüfung wegen unerkannter Prüfungsunfähigkeit; Nachweis der Prüfungsunfähigkeit durch amtsärztliches Attest
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 13.09.2018
- Aktenzeichen
- 2 LA 1087/17
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2018, 63658
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2018:0913.2LA1087.17.00
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Lüneburg - 19.05.2017 - AZ: 6 A 207/16
Rechtsgrundlagen
- § 21 JAG ND
- § 16 JAG ND
- § 7 JAGV ND
- § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG
- § 51 Abs. 3 VwVfG
Fundstelle
- DÖV 2019, 74-75
Amtlicher Leitsatz
Wird ein Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG auf eine nachträglich bekannt gewordene Tatsache gestützt, die das vorgelegte neue Beweismittel belegt, beginnt der Lauf der Frist des § 51 Abs. 3 VwVfG mit erstmaliger Kenntnis dieser Tatsache.
Fordert das Prüfungsrecht für den Nachweis der Prüfungsunfähigkeit während der Prüfungsphase ein amtsärztliches Attest, ist auch die nachträglich geltend gemachte (unerkannte) Prüfungsunfähigkeit durch amtsärztliches Attest nachzuweisen (hier zu § 7 NJAVO a.F., der § 16 NJAG entspricht).
Tenor:
Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg - 6. Kammer - vom 19. Mai 2017 wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Zulassungsverfahren auf 7.500 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Klägerin, die im Zuge ihres Studiums der Rechtswissenschaften erstmalig am 25. Juni 2006 ihre Zulassung zur ersten juristischen Staatsprüfung beantragt hatte und deren Prüfung sowohl im ersten Durchgang als auch im Zuge der Wiederholungsprüfung - J. -, zuletzt mit bestandskräftigem Bescheid der Beklagten vom 27. August 2009, mit "nicht bestanden" bewertet wurde, begehrt das Wiederaufgreifen ihres Prüfungsverfahrens zur ersten Juristischen Staatsprüfung - J. - (Wiederholungsprüfung) und die erneute Zulassung zur Wiederholungsprüfung wegen unerkannter Prüfungsunfähigkeit.
Die darauf gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht mit dem streitgegenständlichen Urteil abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens wegen des Vorliegens neuer Beweismittel (§ 1 Abs. 1 Nds. VwVfG i.V.m. § 51 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 VwVfG) lägen nicht vor. Der Antrag auf Wiederaufgreifen des Prüfungsverfahrens vom 27. Januar 2016 wahre nicht die Dreimonatsfrist des § 51 Abs. 3 VwVfG, für deren Lauf der privatärztliche Befundbericht vom 29. Juli 2015 und nicht erst das privatärztliche Attest vom 27. Oktober 2015 maßgeblich sei. Darauf, dass die Klägerin nach ihrem Bekunden anhand des Befundberichts vom 29. Juli 2015 noch nicht ihre verminderte Leistungsfähigkeit bzw. Prüfungsunfähigkeit erkannt habe, komme es nicht an. Der Antrag sei zudem auch in der Sache unbegründet, denn die privatärztlichen Atteste seien - ungeachtet der Frage ihrer inhaltlichen Eignung für eine der Klägerin günstigere Entscheidung im Prüfungsverfahren - keine geeigneten Beweismittel. Die Prüfungsunfähigkeit sei vielmehr durch amtsärztliches Attest nachzuweisen.
Gegen die Abweisung der Klage wendet sich die Klägerin mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung.
II.
Der zulässige Antrag auf Zulassung der Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
Der geltend gemachte Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegt nicht vor. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung liegen dann vor, wenn ein tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung der angegriffenen Entscheidung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden und auch die Richtigkeit des Entscheidungsergebnisses solchen Zweifeln unterliegt (vgl. etwa BVerfG, Beschl. v. 21.12.2009 - 1 BvR 812/09 - und v. 8.12.2009 - 1 BvR 758/07 -, jeweils juris).
Diese Voraussetzungen liegen unter Berücksichtigung des Vorbringens der Klägerin in ihrem Zulassungsantrag, das den Prüfungsumfang des Senats im Zulassungsverfahren bestimmt, nicht vor.
Das Verwaltungsgericht hat zutreffend festgestellt, dass die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 1 Nds. VwVfG i.V.m. § 51 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 VwVfG nicht vorliegen, weil der Antrag der Klägerin die Dreimonatsfrist des § 51 Abs. 3 VwVfG nicht wahrt (dazu 1.) und die vorgelegten privatärztlichen Atteste keine geeigneten Beweismittel (§ 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG) sind (dazu 2.).
1. Die Klägerin ist der Auffassung, das Verwaltungsgericht habe für den Lauf der Dreimonatsfrist des § 51 Abs. 3 VwVfG zu Unrecht auf den ärztlichen Befundbericht vom 29. Juli 2015 abgestellt. Aus diesem Bericht seien die für den Lauf der Frist maßgeblichen Tatsachen, nämlich der Krankheitswert ihrer psychischen Beeinträchtigungen, der letztlich ihre Prüfungsunfähigkeit begründet habe, (noch) nicht ersichtlich gewesen. Erst anhand des ärztlichen Attests vom 27. Oktober 2015 sei es ihr möglich gewesen, die im Zusammenhang mit dem Tod ihrer Schwester stehende psychische Beeinträchtigung richtig einzuschätzen und die sich daraus ergebende Funktionsstörung zu erkennen, die zu ihrer Prüfungsunfähigkeit im Zeitraum der Wiederholungsprüfung im Jahr 2009 geführt habe. Zudem verkenne die angegriffene Entscheidung, dass das ärztliche Attest vom 27. Oktober 2015 einen eigenständigen Wiederaufnahmegrund im Sinne des § 51 Abs. 1 VwVfG darstelle, so dass der Lauf der Dreimonatsfrist neu in Gang gesetzt worden sei.
Mit diesen Einwendungen greift der Zulassungsantrag nicht durch.
Ein Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens setzt nach § 51 Abs. 1 u. 3 VwVfG u.a. voraus, dass eine Änderung der Sach- oder Rechtslage eingetreten ist oder neue Beweismittel vorliegen und eine Geeignetheit dieser Umstände für eine dem Antragsteller günstigere Entscheidung innerhalb von drei Monaten ab Kenntnis des Wiederaufgreifensgrund schlüssig dargelegt wird (vgl. zu diesem Maßstab BVerwG, Urt. v. 15.12.1987 - 9 C 285.86 -, juris Rn. 18).
Mit dem Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens vom 27. Januar 2016 macht die Klägerin in der Sache letztlich neue Tatsachen, nämlich ihre unerkannte Prüfungsunfähigkeit zum Zeitpunkt der Wiederholungsprüfung im Jahr 2009 geltend, zu deren Beweis sie neue privatärztliche Atteste vom 29. Juli 2015 und 27. Oktober 2015 vorlegt.
Aus dem differenzierenden Wortlaut des § 51 Abs. 1 VwVfG ergibt sich, dass § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG nur den Fall einer infolge neuer Beweismittel möglichen Veränderung der tatsächlichen Entscheidungsgrundlage regelt. Eine Überprüfung der rechtlichen Grundlage des Bescheids erfolgt unter den Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG, der eine nachträgliche Änderung der Sach- oder Rechtslage zu Gunsten des Betroffenen voraussetzt. § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG stellt dagegen ausschließlich auf eine veränderte Situation im tatsächlichen Bereich durch das Vorliegen neuer Beweismittel ab (BVerwG, Beschl. v. 4.1.2011 - 8 B 75.10 -, juris Rn.8). Beweismittel sind solche Erkenntnismittel, die die Überzeugung von der Existenz oder Nichtexistenz von Tatsachen begründen können. Das Beweismittel muss die Richtigkeit der tatsächlichen Entscheidungsgrundlage des Erstbescheids erschüttern können und zur sicheren Überzeugung führen können, dass die Behörde damals von falschen tatsächlichen Voraussetzungen ausgegangen ist und in Kenntnis der wirklichen Verhältnisse zugunsten des Betroffenen entschieden haben würde. Diese Eignung des Beweismittels fehlt, wenn sich das Beweismittel bei unveränderter Tatsachenlage darin erschöpft, der rechtlichen Bewertung dieser Tatsachen im ursprünglichen Bescheid zu widersprechen. Sachverständigengutachten sind im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG mithin nur dann neue Beweismittel, wenn sie nach Abschluss des Verwaltungs(streit)verfahrens erstellt wurden und neue, seinerzeit nicht bekannte Tatsachen verwerten, wenn sie also selbst auf neuen Beweismitteln beruhen (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.1.1994 - 2 C 12/92 -, juris Rn. 24, Urt. v. 28.7.1989 - 7 C 78.88 - juris Rn. 12). Anderenfalls müsste jedes neue Sachverständigengutachten zum Wiederaufgreifen eines abgeschlossenen Verwaltungsverfahrens führen, und durch die beliebige Vorlage neuer Gutachten käme es zur ständigen "Neuauflage des Verwaltungsverfahrens".
Die Dreimonatsfrist für den Antrag beginnt nach § 51 Abs. 3 VwVfG mit dem Tag, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat. Die Frist wird erst durch die positive Kenntnis der maßgeblichen Tatsachen in Gang gesetzt; grob fahrlässige Unkenntnis genügt im Rahmen der Regelung des § 51 Abs. 3 VwVfG nicht. Zur positiven Kenntnis der maßgeblichen Tatsachen gehört, dass dem Betroffenen die Tatsachen bekannt sind, die den Wiederaufgreifensgrund ausfüllen. Nicht nötig ist, dass der Betroffene diese Tatsachen rechtlich zutreffend als Gründe für ein Wiederaufgreifen erfasst (Stelkens/Bonk/Sachs VwVfG, 8. Auflage, § 51 Rn. 134). Bei Dauersachverhalten, wie einer längeren Erkrankung, ist für den Fristbeginn die erstmalige Kenntnis von dem Dauersachverhalt ausschlaggebend (vgl. auch Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Urt. v. 21.6.2017 - 5 A 109/15.A -, juris Rn. 20, Stelkens/Bonk/Sachs VwVfG, 8. Auflage, § 51 Rn. 134). Im Fall des § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG sind innerhalb der Frist nicht nur das neue Beweismittel, sondern auch die neuen Tatsachen anzugeben, für die es benannt wird (Kopp/Ramsauer VwVfG 16. Auflage, § 51 Rn. 47).
Davon ausgehend wahrt der Antrag nicht die Dreimonatsfrist des § 51 Abs. 3 VwVfG, denn die Klägerin hat von den für den Lauf der Frist maßgeblichen "neuen Tatsachen", nämlich ihrer psychischen Beeinträchtigung und der dadurch bedingten erheblichen Beeinträchtigung ihrer Leistungs- und Prüfungsfähigkeit, die die ärztlichen Atteste vom 29. Juli 2015 und 27. Oktober 2015 belegen, augenscheinlich schon zum Zeitpunkt ihrer Eingabe an den Niedersächsischen Landtag vom 30. September 2011 Kenntnis erlangt. Dies erschließt sich aus dem Inhalt ihrer Eingabe. Mit der Eingabe hatte die Klägerin bereits im September 2011 eine erneute Zulassung zur Wiederholungprüfung begehrt und dazu u.a. im Einzelnen dargelegt, dass sie sich aufgrund des Verlustes ihrer Schwester im Jahr 2007 und auch noch während der Wiederholungsprüfung im Jahr 2009 in einer außerordentlich schwierigen privaten Situation befunden habe und die Wiederholungsprüfung dadurch erheblich beeinträchtigt worden sei.
Unter Berücksichtigung des Inhalts ihrer Eingabe und der Gesamtumstände des vorliegenden Falles hat das Verwaltungsgericht jedenfalls zu Recht festgestellt, dass die Klägerin spätestens durch den Befundbericht vom 29. Juli 2015 vollumfängliche Kenntnis von den maßgeblichen neuen Gründen für das Wiederaufgreifen erlangt hat. Dagegen ist nichts zu erinnern. Dass die Klägerin die maßgebliche Kenntnis von den Umständen, die den Wiederaufgreifensgrund ausfüllen, spätestens zu diesem Zeitpunkt hatte, ist auch daraus zu schließen, dass sie sich zum Zeitpunkt des Befundberichts schon länger in der psychiatrischen Behandlung des benannten Arztes befand und die maßgeblichen Beeinträchtigungen und Störungen sowie deren Verknüpfung mit dem Verlust ihrer Schwester im Zuge der Anamnese und der Erstellung des Befundberichts selbst skizziert hat.
Auf den Umstand, dass die Klägerin ihre Erkrankung (auch) zu dem Zeitpunkt des Befundberichts vom 29. Juli 2015 nach ihrem eigenen Bekunden (noch) nicht richtig einordnen konnte und (noch) keine positive Kenntnis von ihrer Prüfungsunfähigkeit hatte, darauf kommt es - wie oben dargelegt - nicht an.
Zu Recht hat das Verwaltungsgericht mithin auch verneint, dass die Klägerin die für den Fristlauf maßgebliche Kenntnis von den Gründen für das Wiederaufgreifen erst zum Zeitpunkt des ärztlichen Attests vom 27. Oktober 2015 erlangt hat.
Damit werden die Anforderungen an die für den Lauf der Frist nach § 51 Abs. 3 VwVfG maßgebliche "Kenntnis" auch nicht überspannt. Denn auch nach den hier - gemäß der Übergangsvorschrift des Artikel 3 Abs. 2 des Niedersächsischen Gesetzes zur Ausbildung von Juristinnen und Juristen (NJAG) vom 18. September 2003 (Nds. GVBl 2003, S. 346) - maßgeblichen Vorschriften über die erste Staatsprüfung nach dem NJAG vom 22. Oktober 1993 (Nds. GVBl. 1993 S. 449) mit den Änderungsgesetzen vom 16. Oktober 1996 (Nds. GVBl. 1996, S. 430), vom 24. Januar 2001 (Nds. GVBl. 2001, S. 14) und vom 18. September 2001 (Nds. GVBl. 2001, S. 614) (zukünftig abgekürzt: NJAG (a.F.)) und der Verordnung zum Niedersächsischen Gesetz zur Ausbildung von Juristinnen und Juristen vom 2. November 1993 (Nds. GVBl. 1993, S. 561), mit den Änderungen vom 22. Oktober 1996 (Nds. GVBl. 1996, S. 433) und vom 26. September 2001 (Nds. GVBl. 2001, S. 643) (zukünftig abgekürzt: NJAVO (a.F.)), namentlich nach der Regelung des § 21 NJAG (a.F) i.V.m. § 7 NJAVO (a.F.), nach der die Prüfungsunfähigkeit im Falle der Unterbrechung der Prüfung, der Säumnis des Prüfungstermins oder dem Nichterscheinen wegen Prüfungsunfähigkeit, "unverzüglich" d.h. ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 BGB) anzuzeigen und durch ein amtsärztliches Attest nachzuweisen ist, läuft die Frist nicht erst mit der positiven Kenntnis der Prüfungsunfähigkeit, sondern bereits dann, wenn der Prüfling die erhebliche Verminderung seiner Leistungsfähigkeit bemerkt bzw. ihm diese im Sinne einer Parallelwertung in der Laiensphäre nicht verborgen geblieben ist (vgl. BVerwG, Beschl. vom 22.9.1993 - 6 B 36.93 - juris Rn. 4, Urt. v. 7.10.1988 - 7 C 8.88 -, juris Rn. 12).
Entgegen der Auffassung der Klägerin handelt es sich bei dem ärztlichen Attest vom 27. Oktober 2015 auch nicht um ein eigenständiges, neues Beweismittel. Das Attest knüpft sichtlich an den Befundbericht vom 29. Juli 2015 an, ohne seinerseits einen neuen eigenständigen Wiederaufgreifensgrund zu verbriefen. Es wiederholt die wesentlichen Inhalte des Befundberichts vom 29. Juli 2015 und ergänzt diese um die Feststellung, "Dabei bleibt zu konstatieren, dass in der Phase nach dem Tod der Schwester eine längerfristige Prüfungsunfähigkeit bestand, welche noch bis heute andauert, wobei dahingehend das Studium nicht regelgerecht weitergeführt werden konnte."
2. Zu Recht ist das Verwaltungsgericht auch davon ausgegangen, dass der ärztliche Befundbericht vom 29. Juli 2015 und das ärztliche Attest vom 27. Oktober 2015 - unabhängig von der Frage, ob diese inhaltlich überhaupt eine der Klägerin günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden - deshalb keine geeigneten Beweismittel im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG sind, weil es sich nur um privatärztliche Bescheinigungen handelt und die Klägerin kein amtsärztliches Attest vorgelegt hat.
Aufgrund des engen Vertrauensverhältnisses zwischen dem behandelnden Arzt und seinen Patienten, so wie es sich gerade bei fortlaufenden psychologischen oder
psychiatrischen Behandlungen zeigt, kommt dem privatärztlichen Attest von vornherein ein geringerer Beweiswert zu, als dem Attest des zur Neutralität und Objektivität verpflichteten Amtsarztes. Mit der Forderung zum Nachweis der Erkrankung ein amtsärztliches Attest vorzulegen soll daher verhindert werden, dass sich der Prüfling durch die missbräuchliche Geltendmachung einer in Wirklichkeit nicht bestehenden Prüfungsunfähigkeit eine erneute, ihm nicht zustehende Prüfungschance verschafft. Die Forderung des Nachweises der Erkrankung durch amtsärztliches Attest dient damit zugleich der Wahrung der Chancengleichheit im Prüfungsrecht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.4.1990 - 7 B 48.90 -juris, OVG Hamburg, Beschl. v. 30.3.2015 - 2 LA 72/14, juris).
In Übereinstimmung damit bestimmen auch die hier maßgeblichen Prüfungsvorschriften (§ 21 NJAG (a.F.) i.V.m. § 7 NJAVO (a.F.)), dass Krankheit bei Nichterscheinen, Nichtablieferung oder Versäumnis der Abgabe einer Aufsichts- oder Hausarbeit oder bei Versäumnis der mündlichen Prüfung nur dann als genügende Entschuldigung gilt, wenn die Prüfungsunfähigkeit durch amtsärztliches Attest nachgewiesen wird. Zwar erfasst § 7 NJAVO (a.F.) nach seinem Wortlaut nur die Fälle des Nichterscheinens, der Nichtablieferung oder der Säumnis der Abgabe einer Prüfungsarbeit sowie die Säumnis der mündlichen Prüfung. An diesen Anforderungen muss sich aber auch die Klägerin messen lassen, denn mit der im Wege des Wiederaufgreifens des Prüfungsverfahrens letztlich angestrebten Zulassung zur erneuten Wiederholungsprüfung, strebt die Klägerin in der Sache letztlich an, so behandelt zu werden, als wäre sie zu der Wiederholungsprüfung - wie im Falle des § 7 NJAVO (a.F.) - wegen Prüfungsunfähigkeit nicht erschienen.
Dessen ungeachtet ist das Erfordernis des amtsärztlichen Attests auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Gleichbehandlung und der Chancengleichheit im Prüfungsrecht (Art. 3 Abs. 1 GG) gerechtfertigt. Anderenfalls würden Prüflinge, die ihre Prüfungsunfähigkeit erst nachträglich bemerken und erst nach dem Abschluss der Prüfung durch ein einfaches privatärztliches Attest belegen, bessergestellt als Prüflinge, die ihre Prüfungsunfähigkeit bereits während der Prüfungsphase bemerken und dem Anwendungsbereich des § 7 NJAVO (a.F.) unterfallen. Mit dem Erfordernis des amtsärztlichen Attests, dem der Gesetzgeber nach § 7 NJAVO (a.F.) den maßgeblichen Beweiswert zuschreibt, wird zudem verhindert, dass dem Prüfling gleichheitswidrig ein weiterer, gegenüber anderen Prüflingen rechtlich nicht gerechtfertigter Prüfungsversuch eröffnet wird (vgl. auch zum Prüfungswesen BVerwG, Urt. v. 15.12.1993 - 6 C 28.92 - (zu den Anforderungen an die Unverzüglichkeit der Mitteilung der Prüfungsunfähigkeit), juris Rn. 24 -, Urt. v. 7.10.1988 - 7 C 8.88 - und v. 7.10.1983 - 7 C 95.82 - (jeweils zu den Anforderungen an die Geltendmachung der nachträglichen Prüfungsunfähigkeit), juris).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über den Streitwert folgt aus § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 36.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Stand: 2013).
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).