Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 13.09.2018, Az.: 10 LA 349/18

divergierende Rechtsprechung; Klärungsbedürftigkeit; Vorlagebeschluss

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
13.09.2018
Aktenzeichen
10 LA 349/18
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2018, 74201
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 13.08.2018 - AZ: 2 A 7502/16

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Der pauschale Hinweis auf die Vorlage einer der aufgeworfenen Rechtsfrage entsprechenden Frage an den Europäischen Gerichtshof durch ein anderes Gericht genügt für sich regelmäßig nicht den an die Darlegung des Zulassungsgrunds der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zu stellenden Anforderungen.

Tenor:

Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Hannover – Einzelrichterin der 2. Kammer – vom 13. August 2018 wird abgelehnt.

Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag der Kläger, die Berufung gegen die erstinstanzliche Entscheidung zuzulassen, hat keinen Erfolg. Denn den von ihnen allein geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) haben sie nicht hinreichend dargelegt.

Eine Rechtssache ist nur dann im Sinne des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG grundsätzlich bedeutsam, wenn sie eine höchstrichterlich noch nicht geklärte Rechtsfrage oder eine obergerichtlich bislang noch nicht beantwortete Tatsachenfrage von allgemeiner Bedeutung aufwirft, die im Rechtsmittelverfahren entscheidungserheblich ist und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Weiterentwicklung des Rechts einer fallübergreifenden Klärung in einem Berufungsverfahren bedarf (GK-AsylG, Stand: Oktober 2017, § 78 AsylG Rn. 88 ff. m.w.N.; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: Mai 2017, § 78 AsylG Rn. 15 ff. m.w.N.).

Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gemäß § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG verlangt daher nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (zuletzt u.a. Senatsbeschluss vom 11.07.2018 – 10 LA 290/18 –, n.v.):

1. dass eine bestimmte Tatsachen- oder Rechtsfrage konkret und eindeutig bezeichnet,

2. ferner erläutert wird, warum sie im angestrebten Berufungsverfahren entscheidungserheblich und klärungsbedürftig wäre und

3. schließlich dargetan wird, aus welchen Gründen ihre Beantwortung über den konkreten Einzelfall hinaus dazu beitrüge, die Rechtsfortbildung zu fördern oder die Rechtseinheit zu wahren.

Die Darlegung der Entscheidungserheblichkeit und Klärungsbedürftigkeit der bezeichneten Frage im Berufungsverfahren (2.) setzt voraus, dass substantiiert dargetan wird, warum sie im Berufungsverfahren anders als im angefochtenen Urteil zu entscheiden sein könnte (vgl. auch OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 11.06.2018 – 3 L 75/17 –, juris Rn. 3) und – im Falle einer Tatsachenfrage – welche (neueren) Erkenntnismittel eine anderslautende Entscheidung nahelegen (ständige Rechtsprechung des Senats, zuletzt u.a. Senatsbeschluss vom 11.07.2018 – 10 LA 290/18 –, n.v.; Niedersächsisches OVG, Beschlüsse vom 02.05.2018 – 2 LA 332/18 –, juris Rn. 7, und vom 25.05.2016 – 13 LA 7/16 –, juris Rn. 4 m.w.N.).

Die Kläger haben zur Begründung dieses Zulassungsgrunds die folgende Frage aufgeworfen:

„Ist eine Ablehnung eines Asylantrages sowie eines Antrages auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als unzulässig wegen Schutzgewährung in einem anderen EU-Staat dann ausgeschlossen, wenn die schutzsuchende Person die Verletzung ihrer Rechte in dem Mitgliedsstaat, der ihr subsidiären Schutz zugesprochen hat, aufgrund dort bestehender systemischer Mängel im Asylverfahren oder aufgrund der Lebensbedingungen für Schutzberechtigte befürchten muss?“

Zur Begründung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache haben die Kläger ausgeführt, dass das Bundesverwaltungsgericht die aufgeworfene Rechtsfrage als klärungsbedürftig angesehen und insoweit den Europäischen Gerichtshof mit Vorlagebeschluss vom 23. März 2017 um Beantwortung gebeten habe.

Unter Berücksichtigung der oben dargestellten Maßstäbe genügen die Ausführungen der Kläger zur Begründung ihres Zulassungsantrags nicht den an die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung zu stellenden Anforderungen. Denn die Kläger führen entgegen dem Darlegungserfordernis nach § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG nicht aus, weshalb die Frage anders als vom Verwaltungsgericht in dem angegriffenen Gerichtsbescheid zu entscheiden sein könnte und setzen sich mit den diesbezüglichen – wenn auch insgesamt äußerst knappen – Erwägungen des Verwaltungsgerichts in keiner Weise auseinander. Die Klärungsbedürftigkeit der von ihnen aufgeworfenen Frage haben sie damit nicht aufgezeigt.

Hierfür genügt auch nicht der Hinweis der Kläger auf einen Vorlagebeschluss des Bundesverwaltungsgerichts, ohne hierzu konkrete Ausführungen auch in Bezug auf den Inhalt der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung zu machen. Ebenso wenig wie der bloße Hinweis auf eine von der Entscheidung des Verwaltungsgerichts abweichende Rechtsprechung ausreicht, um den Anforderungen an die Darlegung des Zulassungsgrunds gerecht zu werden (ständige Rechtsprechung des Senats, zuletzt u.a. Senatsbeschlüsse vom 27.08.2018 – 10 LA 7/18 –, juris Rn. 6, und vom 11.07.2018 – 10 LA 290/18 –, n.v.; vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 23.06.2000 – 1 BvR 830/00 –, juris Rn. 22; Roth in Posser/Wolf, BeckOK VwGO, Stand: 01.04.2018, § 124a Rn. 69; vgl. auch Bayerischer VGH, Beschlüsse vom 20.09.2017 – 20 ZB 17.31166 –, Rn. 3, und vom 27.03.2017 – 20 ZB 17.50008 –, juris Rn. 4; OVG Brandenburg, Beschluss vom 09.04.1999 – 2 A 95/98.A –, juris Rn. 4), vermag auch der pauschale Hinweis auf einen Vorlagebeschluss eines anderen Gerichts die erforderliche Darlegung nicht zu ersetzen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 31.07.2018 – 1 B 44/18 –, juris Rn. 4; vgl. dazu auch BFH, Beschluss vom 27.06.1985 – I B 27/85 –, juris Rn. 13 (Bezugnahme auf ein anhängiges Revisionsverfahren)). Die Kläger haben zu der Vorlageentscheidung lediglich ausgeführt, dass der Sachverhalt identisch gelagert sei und das Bundesverwaltungsgericht die von ihnen aufgeworfene Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung als klärungsbedürftig angesehen habe. Zu dem Inhalt des Verfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht haben sie keine weiteren Angaben gemacht und auch die in dem Beschluss konkret formulierte Frage ebenso wenig mitgeteilt, wie das Aktenzeichen der Entscheidung. Sie haben auch weder einen konkreten Bezug zwischen der von ihnen angeführten Vorlageentscheidung und dem Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts hergestellt, noch dargelegt, woraus sich eine Klärungsbedürftigkeit der von ihnen aufgeworfenen Frage unter europarechtlichen Gesichtspunkten ergeben soll. Auch fehlt jede Auseinandersetzung mit den Gründen des Verwaltungsgerichts und ob sich im Hinblick auf diese Gründe die aufgeworfene Frage auch im vorliegenden Verfahren als klärungsbedürftig erweist, so wie es das Bundesverwaltungsgericht im Vorlagebeschluss angenommen hat. Dies ist im Hinblick auf § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG nicht ausreichend. Soweit die Kläger die Klärungsbedürftigkeit aus einer möglichen Unvereinbarkeit nationalen Rechts mit Unionsrecht folgern wollen, legen sie mit ihrer Begründung nicht – wie jedoch erforderlich wäre – jedenfalls die Möglichkeit dar, dass in dem zuzulassenden Berufungsverfahren eine Pflicht zur Vorlage an den Europäischen Gerichtshof bestünde (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 19.04.2017 – 1 BvR 1994/13 –, juris Rn. 13 f., 16; vgl. dazu auch Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: Juni 2017, § 124a Rn. 90a; BVerwG, Beschluss vom 17.07.2008 – 9 B 15.08 –, juris Rn. 10; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 31.08.2017 – 4 A 1070/15.A –, juris Rn. 31).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und § 83b AsylG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).