Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 26.09.2018, Az.: 4 LA 367/17

Verpflichtung eines Empfängers von Bafög-Leistungen zur Rückzahlung der Leistungen wegen Anrechnung rechtsmissbräuchlich übertragenen Vermögens; Prüfung des Vorliegens einer rechtsmissbräuchlichen Vermögensübertragung des Auszubildenden an nahe Angehörige; Zeitlicher Zusammenhang zwischen der Vermögensübertragung und der Beantragung der Ausbildungsförderung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
26.09.2018
Aktenzeichen
4 LA 367/17
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2018, 63572
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2018:0926.4LA367.17.00

Verfahrensgang

vorgehend
VG Osnabrück - 25.08.2017 - AZ: 4 A 1/17

Fundstellen

  • DÖV 2019, 80
  • FamRZ 2019, 405
  • NJW 2018, 3798-3801
  • NordÖR 2018, 571
  • WzS 2018, 343

Amtlicher Leitsatz

Die Rechtsmissbräuchlichkeit einer Vermögensübertragung des Auszubildenden an nahe Angehörige, die zeitlich vor einem Antrag auf Leistungen nach dem BAföG liegt, ist anhand objektiver Indizien zu bestimmen. In subjektiver Hinsicht ist es nicht erforderlich, dass der Auszubildende bei der Übertragung des Vermögens eine konkrete Vorstellung in Bezug auf die Beantragung von Ausbildungsförderung für eine bestimmte Ausbildung hatte. Rechtsmissbräuchlichkeit ist vielmehr auch dann anzunehmen, wenn Vermögen im Zusammenhang mit einer möglicherweise in naher Zukunft aufzunehmenden, förderungsfähigen Ausbildung unentgeltlich übertragen worden ist, weil dies den Schluss nahe legt, dass eine staatliche Förderungsoption unter Umgehung des Nachranggrundsatzes (§ 1 BAföG) gesichert werden soll.

Gründe

1

Der Antrag der Klägerin, die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil nach § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2, Nr. 3 und Nr. 5 VwGO zuzulassen, ist unbegründet. Denn die von der Klägerin geltend gemachten Berufungszulassungsgründe liegen nicht vor bzw. sind bereits nicht den Maßgaben des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend dargelegt worden.

2

Die Berufung ist nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils zuzulassen. Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid der Beklagten vom 7. September 2016, soweit sie in Bezug auf die Monate Oktober 2014 bis September 2015 aufrechterhalten worden ist, vielmehr zu Recht abgewiesen. Das Vorbringen der Klägerin im Berufungszulassungsverfahren begründet keine ernstlichen Richtigkeitszweifel an dieser Entscheidung.

3

Auch bei Berücksichtigung des Vorbringens der Klägerin im Berufungszulassungsverfahren hat der Senat keine Zweifel daran, dass die Übertragung von 7.918,33 Euro (2.570,00 Euro vom Konto 6005307000 bei der Volksbank B., 2.761,84 vom Konto 3370154134 bei der Sparkasse B. und 2.586,49 vom Konto 16529801 bei der Volksbank C., wobei sich die Beklagte bei der Addition dieser Beträge zugunsten der Klägerin um 10,00 Euro verrechnet hat) an ihren Vater im März 2014 im ausbildungsförderungsrechtlichen Sinne rechtsmissbräuchlich erfolgt und dieses Geld daher als anrechenbares Vermögen der Klägerin zu behandeln ist.

4

Eine wirksame Übertragung des Vermögens von der Klägerin auf ihren Vater ist anzunehmen. Die Übertragung erfolgte in der Zeit vom 6. bis 10. März 2014 kurz vor dem 18. Geburtstag der Klägerin am 25. März 2014 durch Barauszahlung an den Vater (Konten bei der Volksbank B. und Sparkasse B.) bzw. Kontoauflösung und anschließende Gutschrift auf dem Girokonto des Vaters (Konto bei der Volksbank C.). Bei dieser Übertragung handelte es sich zunächst um ein unwirksames Insichgeschäft, weil der Vater der Klägerin - mit anzunehmendem Einverständnis ihrer Mutter - in Ausübung der elterlichen Sorge als ihr Vertreter nach § 1629 Abs. 1 BGB ein solches Rechtsgeschäft, das weder ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit bestand noch der Klägerin ausschließlich einen rechtlichen Vorteil brachte, nach §§ 1629 Abs. 2 Satz 1, 1795 Abs. 2, 181 BGB nicht wirksam vornehmen konnte. Allerdings ist nach dem Vortrag der Klägerin davon auszugehen, dass sie das unwirksame Vertretergeschäft als Volljährige nach § 108 Abs. 3 BGB genehmigt hat (vgl. Schubert, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2015, § 181 Rn. 62) und dass es damit rückwirkend wirksam geworden ist (§ 184 Abs. 1 BGB).

5

Die Übertragung war rechtsmissbräuchlich. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urt. v. 13.1.1983 - BVerwG 5 C 103.80 -, Buchholz 436.36 § 26 BAföG Nr. 1, v. 30.6.2010 - BVerwG 5 C 2.10 -, juris u. v. 14.3.2013 - 5 C 10.12 -, Buchholz 435.12 § 45 SGB X Nr. 15 sowie Beschl. v. 19.5.2009 - BVerwG 5 B 111.08 -, juris), der sich das Verwaltungsgericht angeschlossen hat und der auch der Senat folgt, ist eine Vermögensübertragung unabhängig von ihrer bürgerlich-rechtlichen Wirksamkeit ausbildungsförderungsrechtlich wegen Rechtsmissbrauchs unbeachtlich, wenn sie im Widerspruch zu dem mit der Vermögensanrechnung verfolgten Gesetzeszweck steht. Dieser Zweck besteht in der Durchsetzung des in § 1 BAföG verankerten Nachrangs der staatlichen Ausbildungsförderung. Danach wird Ausbildungsförderung für eine der Neigung, Eignung und Leistung entsprechende Ausbildung nur geleistet, wenn dem Auszubildenden die für seinen Lebensunterhalt und seine Ausbildung erforderlichen Mittel anderweitig nicht zur Verfügung stehen. Eine Vermögensübertragung steht im Widerspruch zu diesem Zweck, wenn der Auszubildende Vermögen überträgt, um es der Vermögensanrechnung zu entziehen. Von einer entsprechenden Zweckbestimmung ist grundsätzlich auszugehen, wenn der Auszubildende sein Vermögen bzw. Teile desselben auf Dritte - wie die Eltern oder ein Elternteil - überträgt, ohne eine dessen Wert entsprechende Gegenleistung zu erhalten. Denn bei einer unentgeltlichen Übertragung von Vermögen steht der Wert des übertragenen Vermögens dem Auszubildenden für seinen Bedarf nicht mehr zur Verfügung. Hätte eine Anrechnung des unentgeltlich übertragenen Vermögens zu unterbleiben, würde die finanzielle Sicherung der Ausbildung in dem im Gesetz vorgesehenen Umfang nicht erreicht. Gerade weil das übertragene Vermögen nicht mehr vorhanden ist, wäre die Durchführung der Ausbildung entgegen der gesetzgeberischen Konzeption durch Gewährung staatlicher Fördermittel und nicht durch das anrechenbare Vermögen des Auszubildenden sicherzustellen. Aus diesem Grund stellt sich eine unentgeltliche Vermögenszuwendung an Dritte ausbildungsförderungsrechtlich grundsätzlich als Rechtsmissbrauch dar. Ob die Unentgeltlichkeit der Übertragung genügt, um diese ohne Weiteres als Rechtsmissbrauch zu werten, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab (vgl. Urt. v. 30.6.2010 - BVerwG 5 C 3.09 -, Buchholz 436.36 § 27 BAföG Nr. 6). So kann die Unentgeltlichkeit als Kriterium für die Annahme der Rechtsmissbräuchlichkeit beispielsweise mit zunehmendem zeitlichem Abstand von der Antragstellung an Gewicht verlieren. Mit Rücksicht darauf ist es gerechtfertigt und gegebenenfalls im Einzelfall auch geboten, zusätzlich zur Unentgeltlichkeit auf den zeitlichen Zusammenhang zwischen der unentgeltlichen Übertragung von Vermögenswerten und der Beantragung von Ausbildungsförderung abzustellen. Denn ein solcher Zusammenhang spricht in gewichtiger Weise für einen Rechtsmissbrauch (BVerwG, Urt. v. 14.3.2013 - 5 C 10.12 -, Buchholz 435.12 § 45 SGB X Nr. 15).

6

Vorliegend sind - wovon das Verwaltungsgericht zu Recht ausgegangen ist - sowohl eine unentgeltliche Vermögensübertragung als auch ein hinreichend enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der Vermögensübertragung und der Beantragung der Ausbildungsförderung anzunehmen.

7

Dem Einwand der Klägerin, dass mit Blick auf eine entweder zwischen ihr und ihren Eltern bestehende bzw. vermeintlich bestehende Darlehensverbindlichkeit oder einen Erstattungsanspruch aus Leistungskondiktion ihrer Eltern gegen sie nicht von einer Unentgeltlichkeit der Vermögensübertragung auszugehen gewesen sei, kann nicht gefolgt werden. Ein Darlehensvertrag zwischen der Klägerin und ihren Eltern hätte während ihrer Minderjährigkeit bereits deshalb nicht wirksam abgeschlossen werden können, weil es sich auch dabei um ein unwirksames Insichgeschäft nach §§ 1629 Abs. 2 Satz 1, 1795, 181 BGB gehandelt hätte. Ein Verstoß gegen § 181 BGB hätte auch durch eine Genehmigung des Familiengerichts nach § 1822 Nr. 8 BGB nicht geheilt werden können (vgl. Schubert, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2015, § 181 Rn. 62 m.w.N.). Die Klägerin hat eine zwischen sich und ihren Eltern zunächst unwirksam abgeschlossene Darlehensvereinbarung mit Eintritt ihrer Volljährigkeit auch nicht nachträglich genehmigt. Vielmehr ist von einer solchen Vereinbarung bereits nicht auszugehen, weil die insoweit darlegungspflichtige Klägerin den erforderlichen Nachweis dafür nicht erbracht hat. Weder konnte sie eine konkrete Darlehenssumme benennen noch eine greifbare Abrede über die Rückzahlungsmodalitäten erläutern. Die Eltern der Klägerin haben für sie über mehrere Jahre laufend durchaus sozialübliche Ausgaben (Führerschein, Unterstützung des Reithobbies) getätigt, die im Einzelnen nicht mehr beziffert werden konnten. Der Vortrag der Klägerin, dabei habe stets Einigkeit bestanden, dass die Ausgaben lediglich zur Vorfinanzierung auf Darlehensbasis erfolgt seien, ist völlig lebensfremd. Eine unmittelbare Finanzierung der Ausgaben aus dem Vermögen der Klägerin wäre zudem ohne weiteres möglich gewesen, weil es sich bei ihren Konten nicht um laufzeitgebundene Geldanlagen gehandelt hat. Auch der Vortrag der Klägerin, dass es sich bei der Vorfinanzierung "in der Sache um eine Stundung bei Wechsel des Gläubigers" gehandelt habe, lässt die Rechtslage nicht in einem anderen Licht erscheinen. Denn auch diese Konstruktion würde eine zivilrechtliche Abrede voraussetzen, welche eine Gläubigerstellung der Eltern gegenüber ihrer Tochter zu begründen geeignet wäre. Eine derartige Abrede, die der Sache nach nichts anderes als eine Darlehensvertrag darstellen würde, kann indessen nicht angenommen werden. Der Einwand der Klägerin, dass es auf der Hand liege, dass die von ihren Eltern getätigten Anschaffungen nicht im Rahmen der üblichen Unterhaltsleistungen geschuldet seien, mag zwar sachlich zutreffen. Überobligatorische Zuwendungen von Eltern an ihre minderjährigen Kinder sind jedoch weder sozial unüblich noch lassen sie auf eine ihnen zugrundeliegende oder zumindest von den Beteiligten beabsichtigte Darlehensverbindlichkeit oder vergleichbare Absprachen schließen.

8

Der neben der Unentgeltlichkeit für eine rechtsmissbräuchliche Vermögensübertragung sprechende zeitliche Zusammenhang zwischen der Vermögensübertragung und dem Antrag auf Ausbildungsförderung ist ebenfalls gegeben. Davon ist das Verwaltungsgericht zutreffend ausgegangen. Der zeitliche Zusammenhang ist auch nicht deswegen unbeachtlich, weil die Klägerin im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Vermögensübertragung ihrem Vorbringen im Berufungszulassungsverfahren zufolge noch keine unbedingte Entscheidung für eine bestimmte Ausbildung und die Beantragung von Ausbildungsförderung getroffen hatte. Denn es ist nicht erforderlich, dass sie bereits konkrete Vorstellungen über die Aufnahme einer bestimmten Ausbildung sowie deren Förderungsfähigkeit nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz gehabt hat. Entscheidend ist nach dem oben ausgeführten Maßstab, ob die Vermögensübertragung im Widerspruch zu dem in § 1 BAföG verankerten Nachrang der staatlichen Ausbildungsförderung steht. Der zeitliche Zusammenhang zwischen Vermögensübertragung und Beantragung der Förderung ist neben der Unentgeltlichkeit ein gewichtiges Indiz für einen solchen Widerspruch. Die Indizienwirkung ist auch dann zu bejahen, wenn Vermögen im Zusammenhang mit einer noch nicht mit letzter Sicherheit in naher Zukunft aufzunehmenden, förderungsfähigen Ausbildung übertragen wird, weil auch dann der Schluss nahe liegt, dass damit staatliche Förderungsoptionen gesichert werden sollen. Ein solcher Fall ist bei lebensnaher Betrachtung der Gesamtumstände und unter Berücksichtigung des Vorbingens der Klägerin im Berufungszulassungsverfahren gegeben. Denn es war für die Klägerin im März 2014 absehbar, dass sie bald ihre Hochschulreife erlangen würde und im Anschluss daran eine Ausbildung oder ein Studium beginnen würde.

9

Der Klägerin ist es mit ihrem Vorbringen im Berufungszulassungsverfahren nicht gelungen, die gewichtigen objektiven Indizien, die für eine Rechtsmissbräuchlichkeit der Vermögensübertragung von sich auf ihren Vater sprechen, zu entkräften. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der der Senat folgt, ist anerkannt, dass es für die Feststellung eines Darlehens zwischen nahen Angehörigen, soweit die relevanten Umstände in familiären Beziehungen wurzeln oder sich als innere Tatsachen darstellen, die häufig nicht zweifelsfrei feststellbar sind, gerechtfertigt ist, für die Frage, ob ein entsprechender Vertragsschluss vorliegt, äußerlich erkennbare Merkmale als Beweisanzeichen (Indizien) heranzuziehen (BVerwG, Urt. v. 4.9.2008 - 5 C 30.07 -, BVerwGE 132, 10 Rn. 24). Für die Feststellung der Rechtsmissbräuchlichkeit einer Vermögensübertragung an nahe Angehörige kann nichts anderes gelten. Die Indizien im vorliegenden Fall weisen auch nach Auffassung des Senats eindeutig auf eine solche hin. In subjektiver Hinsicht ist es für die Bejahung der Rechtsmissbräuchlichkeit nicht erforderlich, dass bei der Übertragung des Vermögens eine konkrete Vorstellung in Bezug auf die Beantragung von Ausbildungsförderung für eine bestimmte Ausbildung bestanden hat. Daher ist der Einwand der Klägerin, dass sie zum Zeitpunkt der Vermögensübertragung über eine Ausbildung zur Pferdewirtin, die nicht zu den nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz förderungsfähigen Ausbildungen gehören dürfte, nachgedacht haben will, ohne Belang.

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Das Verwaltungsgericht hat ferner zu Recht angenommen, dass ein Abzug bestehender Schulden und Lasten von dem anzurechnenden Vermögen der Klägerin nach § 28 Abs. 3 Satz 1 BAföG nicht vorzunehmen ist. Wie bereits ausgeführt, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin mit ihren Eltern einen Darlehensvertrag geschlossen hat bzw. ein Kondiktionsanspruch ihrer Eltern gegen sie besteht. Vielmehr ist angesichts der äußerlich erkennbaren Gesamtumstände des Falles davon auszugehen, dass die Eltern der Klägerin sie im sozialüblichen Rahmen unentgeltlich, also schenkungsweise bzw. als Teil ihrer elterlichen Unterhaltsleistungen beim Erwerb des Führerscheins und Ausführung ihrer Hobbies unterstützt haben und zusätzlich Geldanlagen in ihrem Namen getätigt haben, wofür es aus der Sicht der Eltern wirtschaftlich gute Gründe gegeben haben mag, die aber nichts daran ändern, dass diese dem Vermögen der Klägerin zuzurechnen sind.

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Weiterhin ist das Verwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass Einwendungen der Klägerin, welche die Berechnung des elterlichen Einkommens durch das Finanzamt betreffen, nicht geeignet sind, die Bindung der Ämter für Ausbildungsförderung an den Inhalt bestandskräftiger Steuerbescheide zu beseitigen. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG, Urt. v. 12.5.1993 - 11 C 9.92 -, BVerwGE 92, 272; Beschl. v. 9.7.1992 - 5 B 113.92 -, Buchholz 436.36 § 21 BAföG Nr. 18, Beschl. v. 11.7.1990 - 5 B 143.89 -, Buchholz 436.36 § 24 BAföG Nr. 14; Beschl. v. 9.11.1988 - 5 B 143.87 -, Buchholz 436.36 § 24 BAföG Nr. 12; Beschl. v. 18.2.1986 - 5 B 84.85 -, Buchholz 436.36 § 24 BAföG Nr. 8) und ihm folgend der Senat (Senatsbeschl. v. 6.2.2018 - 4 LA 18/17 -) gehen in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Ämter für Ausbildungsförderung bei der Berechnung des auf den Bedarf des Auszubildenden anzurechnenden nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts an den Inhalt bestandskräftiger Einkommensteuerbescheide gebunden sind. Die dagegen von der Klägerin geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken greifen nicht durch. Der verfassungsrechtliche Anspruch auf Rechtsschutz erfordert es nicht, diese Bindungswirkung zu beseitigen. Rechtsschutz gegen Einkommenssteuerbescheide ist schon zur Einhaltung der behördlichen und gerichtlichen Kompetenzen im dafür vorgesehenen Verfahren zu verwirklichen, das eine behördliche und notfalls gerichtliche Überprüfung durch die Finanzgerichte als die dazu berufenen Fachgerichte eröffnet, vgl. §§ 347 ff. AO; §§ 40 ff. FGO (BVerwG, Urt. v. 12.5.1993 - 11 C 9.92 -, BVerwGE 92, 272 Rn. 23). Eine zusätzliche Überprüfung durch die Ämter für Ausbildungsförderung und die Verwaltungsgerichte verstieße gegen diese vom Gesetzgeber vorgesehene Kompetenzordnung.

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Die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Klägerin habe den Bewilligungsbescheid vom 30. September 2015 durch in wesentlicher Beziehung unrichtige oder unvollständige Angaben erwirkt und zumindest grob fahrlässig gehandelt, wodurch nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X der Vertrauensschutz ausgeschlossen sei, ist nicht zu beanstanden. Angesichts der Erläuterungen zum Antrag auf Ausbildungsförderung, der offenkundig in informellen familiären Absprachen wurzelnden Gründe der Vermögensübertragung und nicht zuletzt wegen der Höhe des übertragenen Vermögens hätte es sich der Klägerin aufdrängen müssen, hierzu Angaben zu machen. Dies genügt für die Annahme grober Fahrlässigkeit i. S. des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 Halbsatz 2 SGB X. Die dagegen von der Klägerin erhobenen Einwände, die im Wesentlichen in der Wiederholung ihres Standpunktes bestehen, dass es sich nicht um eine unentgeltliche Vermögensübertragung gehandelt habe, sind nicht geeignet, die Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils ernstlich in Zweifel zu ziehen.

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Auch im Übrigen bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung.

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Die Berufung ist auch nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen, weil die Rechtssache besondere rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten nicht aufweist. Wie ausgeführt, sind die wesentlichen Rechtsfragen zur rechtsmissbräuchlichen Vermögensübertragung und der Bindungswirkung von Einkommenssteuerbescheiden in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, so dass besondere rechtliche Schwierigkeiten bereits deshalb nicht anzunehmen sind. In tatsächlicher Hinsicht weist der vorliegende Fall ebenfalls keine besonderen Schwierigkeiten auf.

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Die Berufung ist ferner nicht wegen eines Verfahrensmangels nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zuzulassen.

16

Die Klägerin hat beanstandet, dass ihr nicht ausreichend rechtliches Gehör gewährt worden sei und dass das Verwaltungsgericht gegen seine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts gemäß § 86 VwGO verstoßen habe, weil es "mit Spekulationen und Unterstellungen gearbeitet habe, ohne dass der Klägerin Gelegenheit gegeben worden wäre, dazu Stellung zu nehmen". Soweit die Klägerin damit der Sache nach die Würdigung der Tatsachen durch das Verwaltungsgericht angegriffen hat, verhilft das ihrer Verfahrensrüge nicht zum Erfolg, weil ihr Einwand insoweit auf die Anwendung des materiellen Rechts abzielt, die mit den Berufungszulassungsgründen des § 124 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO angegriffen werden kann, nicht aber mit dem Berufungszulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO (vgl. Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124 Rn. 190). Soweit die Rüge der Klägerin darauf abgezielt hat, dass sie und ihre Eltern nicht als Zeugen gehört worden sind, liegt darin weder eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) noch ein Verstoß des Verwaltungsgerichts gegen die Amtsermittlungspflicht. Denn die anwaltlich vertretene Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vom 25. August 2017 von der Stellung förmlicher Beweisanträge zur weiteren Sachaufklärung abgesehen und damit nicht alles ihr Zumutbare zur Abwendung einer etwaigen mangelnden Sachaufklärung unternommen (vgl. Senatsbeschl. v. 31.8.2012 - 4 LA 169/11 -). Soweit das Verwaltungsgericht den Umstand, dass die Klägerin der mündlichen Verhandlung fern geblieben ist und nicht persönlich zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts in Bezug auf die zwischen ihr und ihren Eltern getroffenen Abreden beigetragen hat, zu ihren Lasten gewürdigt hat, ist darin ebenfalls keine Verletzung von Verfahrensrecht zu erkennen. Das Verwaltungsgericht hat vielmehr zum Ausdruck bringen wollen, dass die insoweit darlegungspflichtige Klägerin nicht sämtliche Möglichkeiten zur Darlegung weiterer Umstände ausgeschöpft hat.

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Die Berufung ist zuletzt nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Die Klägerin hat diesen Zulassungsgrund nämlich nicht hinreichend dargelegt.

18

Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine höchstrichterlich oder obergerichtlich noch nicht beantwortete Rechtsfrage oder eine obergerichtlich bislang ungeklärte Tatsachenfrage von allgemeiner Bedeutung aufwirft, die sich im Rechtsmittelverfahren stellen würde und im Interesse der Einheit der Rechtsprechung oder der Weiterentwicklung des Rechts einer fallübergreifenden Klärung durch das Berufungsgericht bedarf (vgl. Senatsbeschl. v. 22.12.2016 - 4 LA 83/16 -, 29.4.2014 - 4 LA 170/13 -, 16.1.2014 - 4 LA 29/13 -, 7.4.2011 - 4 LA 98/10 -, 8.10.2009 - 4 LA 234/09 - und 24.2.2009 - 4 LA 798/07 -; Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand 34. EL, § 124 Rn. 30 ff. m.w.N.). Daher ist die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache nur dann im Sinne des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt, wenn eine derartige Frage konkret bezeichnet und darüber hinaus erläutert worden ist, warum diese Frage im angestrebten Berufungsverfahren entscheidungserheblich und klärungsbedürftig wäre und aus welchen Gründen ihre Beantwortung über den konkreten Einzelfall hinaus dazu beitrüge, die Rechtsfortbildung zu fördern oder die Rechtseinheit zu wahren (vgl. Schoch/Schneider/Bier, a.a.O., § 124 a Rn. 102 ff. m.w.N.).

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Der Berufungszulassungsantrag der Klägerin enthält zum Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO an verschiedenen Stellen nur eingeschränkt geordnete Ausführungen. Soweit ersichtlich bezeichnet die Klägerin drei Fragen:

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1. "ob es auch in einem solchen Fall (gemeint ist die Vorfinanzierung der Gegenleistung aus einem Rechtsgeschäft des minderjährigen Kindes durch die Eltern) keiner familiengerichtlichen Genehmigung bedarf, weil dieser Fall von § 1822 Nr. 8 BGB ebenfalls nicht erfasst wird" (S. 8 unter bb),

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2. "ob die etwaige Unwirksamkeit einer Darlehensabrede auch dann zur Anrechnung eines Vermögenswertes im Vermögen des Antragstellers führen muss, wenn der betreffende Vermögenswert in dessen Vermögen tatsächlich nicht mehr vorhanden ist, selbst wenn es an einem diesbezüglichen Rückgewähranspruch des Antragstellers gegen den oder die Begünstigten - wie hier - gleichwohl fehlt" (S. 9 unter b) und

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3. (sinngemäß) ob die "bewusst geltendes Recht ignorierende Verwaltungspraxis, tatsächlich nicht vorhandene und für die Lebensführung nicht zur Verfügung stehende Mittel im (offensichtlichen) Widerspruch zur wahren Rechtslage als Einkünfte der Eltern anspruchsmindernd zu berücksichtigen, mit § 21 BAföG zu vereinbaren ist" (S. 11 unter b im zweiten Absatz).

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Diese Fragen sind indessen nicht dazu angetan, der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zu verleihen. Die erste Frage ist nicht entscheidungserheblich. Ist die erstinstanzliche Entscheidung auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt worden, hat dies zur Folge, dass dem Zulassungsantrag nur dann entsprochen werden kann, wenn hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Zulassungsgrund dargelegt worden ist und tatsächlich vorliegt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 28.5.2009 - 5 B 90.08 -, Urt. v. 2.10.2000 - 6 B 75.99 - u. Beschl. v. 8.7.1999 - 11 D 9.99 -; Senatsbeschl. v. 15.3.2018 - 4 LA 231/16 - u. v. 23.9.2014 - 4 LA 33/14 -; Rudisile, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 34. EL, § 124 Rn. 25 u. § 124a Rn. 96). Ein solcher Fall ist hier gegeben, weil das Verwaltungsgericht sein Urteil hauptsächlich darauf gestützt hat, dass eine Darlehensabrede im Zusammenhang mit der von der Klägerin geltend gemachten "Vorfinanzierung" ihrer Freizeitausgaben durch ihre Eltern nicht glaubhaft dargelegt worden ist. Diese Hauptbegründung hat die Klägerin mit ihrem Zulassungsantrag indessen nicht erfolgreich angegriffen, so dass es nicht darauf ankommt, ob eine Abrede zwischen ihr und ihren Eltern einer familiengerichtlichen Genehmigung bedarf oder nicht. Entsprechendes gilt mit Blick auf die zweite Frage, die ebenfalls eine beachtliche - wenn auch unwirksame - Darlehensabrede voraussetzt, die aber bereits nicht glaubhaft gemacht worden ist. Die dritte Frage ist nicht klärungsbedürftig, weil das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen hat, dass die Beklagte die Einkommensberechnung im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben des § 21 BAföG und der dazu ergangenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vorgenommen hat.