Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 17.09.2018, Az.: 2 ME 486/18

Gesetzlicher Richter bei Dringlichkeit einer Entscheidung: Entscheidung durch den Vorsitzenden statt durch die Kammer; Schule als Antragsgegner bei Streit um Versetzungsentscheidung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
17.09.2018
Aktenzeichen
2 ME 486/18
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2018, 63659
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2018:0917.2ME486.18.00

Verfahrensgang

vorgehend
VG Osnabrück - 31.07.2018 - AZ: 1 B 33/18

Fundstellen

  • DVBl 2018, 1642-1644
  • DÖV 2019, 80
  • NJW 2019, 618 "vorläufige Versetzung in nächsten Schuljahrgang"
  • NdsVBl 2019, 155-157
  • NordÖR 2019, 101

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Der Anspruch auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) wird verletzt, wenn die Dringlichkeit einer Entscheidung allein durch den Vorsitzenden gemäß § 80 Abs. 8 VwGO (i.V.m. § 123 Abs. 2 Satz 3 VwGO) anstelle der regulären Besetzung der Kammer für das Beschlussverfahren mit drei Berufsrichtern (§ 5 Abs. 3 Sätze 1 und 2 VwGO) weder offenkundig ist noch in dem angefochtenen Beschluss dargelegt wird (im Anschluss an BVerfG, Kammerbeschl. v. 28.9.2017 - 1 BvR 1510/17 -, juris Rn. 17).

  2. 2.

    Ist eine angefochtene Sachentscheidung unter Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG zustande gekommen und wird dies mit der Beschwerde geltend gemacht, kann der ihr anhaftende Verstoß im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes durch eine über § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO hinausgehende, umfassende Prüfung, ob vorläufiger Rechtsschutz zu gewähren ist, geheilt werden (Fortführung der Senatsrechtsprechung, vgl. Senatsbeschl. v. 31.7.2018 - 2 ME 405/18 -, juris Rn. 11).

  3. 3.

    Öffentliche Schulen des Landes Niedersachsen sind als Landesbehörden in Bezug auf von ihnen selbst erlassene oder unterlassene Verwaltungsakte gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 79 Abs. 2 NJG richtiger Klage- bzw. Antragsgegner.

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Osnabrück - Vorsitzender der 1. Kammer - vom 31. Juli 2018 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500 EUR festgesetzt.

Gründe

1

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den erstinstanzlichen Beschluss bleibt ohne Erfolg. Der Antragsteller besuchte im Schuljahr 2017/2018 die 10. Klasse des Gymnasiums J. und wurde nicht in die gymnasiale Oberstufe versetzt. Mit dem angegriffenen Beschluss hat das Verwaltungsgericht seinen Antrag, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihn bis zu einer bestandskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren im Schuljahr 2018/2019 in einer 11. Klasse eines staatlichen Gymnasiums zu beschulen oder dem Besuch der 11. Klasse eines Gymnasiums in freier Trägerschaft zuzustimmen, abgelehnt.

2

Das Verwaltungsgericht hat zur Begründung des angefochtenen Beschlusses ausgeführt, dass es dem Begehren des Antragstellers, welches ausdrücklich gegen die in als Landesschulbehörde gerichtet sei, jedenfalls an einem Anordnungsanspruch fehle. Eine gegen die in gerichtete Anspruchsgrundlage sei nicht ersichtlich. Darauf, dass sich der Antragsteller nicht gegen die in, sondern gegen die Schule hätte wenden müssen, habe der anwaltlich vertretene Antragsteller nicht hingewiesen werden müssen, da auch ein gegen die Schule gerichteter Antrag erfolglos geblieben wäre. Nach der Benotung des Antragstellers in den mit mangelhaft bewerteten Fächern sei eine Versetzung ausgeschlossen gewesen, und die Notengebung sei nicht hinreichend substantiell angegriffen worden.

3

Zwar ist der erstinstanzliche Beschluss verfahrensfehlerhaft ergangen, weil er unter Verstoß gegen den Anspruch auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) durch den Kammervorsitzenden ergangen ist (1.). Der deshalb vom Senat umfassend zu prüfende, gegen die Antragsgegnerin gerichtete Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg, weil der Antragsteller auch im zweiten Rechtszug den gemäß §§ 123 Abs. 3 VwGO, 920 Abs. 2, 294 ZPO erforderlichen Anordnungsanspruch gegenüber der Antragsgegnerin für die von ihm begehrte Regelung nicht glaubhaft gemacht hat (2.). Angesichts der hier ausnahmsweise gegebenen umfassenden Prüfungskompetenz des Senats ist auch die hilfsweise beantragte Zurückverweisung zur erneuten Entscheidung an das Verwaltungsgericht jedenfalls nicht geboten (3.).

4

1. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts ist durch den Kammervorsitzenden und nicht in der für Beschlüsse außerhalb der mündlichen Verhandlung regulär vorgesehenen Kammerbesetzung mit drei Berufsrichtern (§ 5 Abs. 3 Sätze 1 und 2 VwGO) ergangen, obwohl die hierfür erforderlichen Voraussetzungen nach §§ 123 Abs. 2 Satz 3, 80 Abs. 8 VwGO nicht vorlagen. Dies wird vom Antragsteller in seinem Beschwerdevorbringen mit Erfolg gerügt.

5

Zwar kann gemäß §§ 123 Abs. 2 Satz 3, 80 Abs. 8 VwGO über einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in dringenden Fällen der Vorsitzende entscheiden. Eine Dringlichkeit in diesem Sinne ist aber nur gegeben, wenn das Zuwarten bis zum Zusammentreten des Spruchkörpers zu einer Verzögerung führen würde, die mit unzumutbaren Nachteilen im vorläufigen Rechtsschutz verbunden wäre. Die Eilentscheidung darf im konkreten Fall keinen Aufschub dulden (vgl. Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juni 2017, § 80 Rn. 491; Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 80 Rn. 119). Wann dies der Fall ist, entscheidet der Vorsitzende nach pflichtgemäßem Ermessen (Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, Rn. 339). § 123 Abs. 2 Satz 3 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 8 VwGO stellt eine Ausnahmevorschrift dar, welche im Hinblick auf die Garantie des gesetzlichen Richters eine einzelfallbezogene und zurückhaltende Anwendung erforderlich macht (vgl. Sächs. OVG, Beschl. v. 20.6.2018 - 1 B 108/18 -, juris Rn. 12). Liegen die Voraussetzungen für eine Vorsitzendenentscheidung nach § 80 Abs. 8 VwGO (i.V.m. § 123 Abs. 2 Satz 3 VwGO) nicht vor, kann hierin ein Verstoß gegen den Anspruch auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) liegen. Ein solcher Verstoß ist allerdings nicht schon bei jeder irrtümlichen Überschreitung der den Fachgerichten gezogenen Grenzen anzunehmen. Eine Verletzung der Garantie des gesetzlichen Richters kommt aber in Betracht, wenn das Fachgericht Bedeutung und Tragweite der Gewährleistung aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkannt hat oder wenn die maßgeblichen Verfahrensnormen in objektiv willkürlicher Weise angewandt worden sind (vgl. BVerfG, Kammerbeschl. v. 28.9.2017 - 1 BvR 1510/17 -, juris Rn. 16). Hiernach ist bei der Anwendung einer prozessualen Norm, die in einem Beschlussverfahren bei Vorliegen einer Dringlichkeit entgegen der regulären Besetzung eines Spruchkörpers eine Entscheidung allein durch den Vorsitzenden zulässt, von einem Entzug des gesetzlichen Richters auszugehen, wenn das Vorliegen einer solchen Dringlichkeit weder offenkundig ist noch in dem angefochtenen Beschluss dargelegt wird (vgl. BVerfG, a.a.O. Rn. 17, zu § 155 Abs. 2 Satz 2 SGG).

6

Gemessen an diesen Maßstäben ist ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG festzustellen. Der streitgegenständliche Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist am 2. Juli 2018 bei dem Verwaltungsgericht eingegangen. Nach Eingehen der Antragserwiderung der Antragsgegnerin am 23. Juli 2018 replizierte der Antragsteller hierauf am 30. Juli 2018 (Eingang beim Verwaltungsgericht). Am Folgetag hat der Vorsitzende der 1. Kammer den streitgegenständlichen Beschluss erlassen. Eine Begründung für die Beschlussfassung allein durch den Vorsitzenden ist in dem angegriffenen Beschluss nicht dargelegt worden und wurde auch nicht in anderer Weise in der Gerichtsakte festgehalten. Auch eine offenkundige Dringlichkeit lag nicht vor. Zwar begann das Schuljahr 2018/2019 gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 NSchG am 1. August 2018, der erste Schultag nach den Sommerferien fand jedoch erst am 9. August 2018 statt. Weshalb selbst dann, wenn der Beschluss aus Sicht des Verwaltungsgerichts noch vor dem Schuljahresbeginn i.S.d. § 28 Abs. 1 Satz 1 NSchG hätte ergehen sollen, nicht auch ein Zusammentritt der zuständigen drei Berufsrichter der 1. Kammer bzw. bei Verhinderung eines zur Entscheidung berufenen Kammermitglieds die Einbeziehung eines nach dem Geschäftsverteilungsplan berufenen Vertreters zur Beschlussfassung am 31. Juli 2018 möglich gewesen sein sollte, ist nicht ersichtlich. Demnach kann bereits nicht davon ausgegangen werden, dass es durch ein Zusammentreten der vorgesehenen Spruchkörperbesetzung überhaupt zu einer beachtlichen Verzögerung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gekommen wäre. Indem das Verwaltungsgericht in den Gründen des angefochtenen Beschlusses ausgeführt hat, dass über den Antrag "gemäß § 123 Abs. 2 S. 3 i.V.m. § 80 Abs. 8 VwGO der Vorsitzende allein entscheidet", hat es auch zu erkennen gegeben, dass es die Anwendung der Norm in Einzelfall geprüft und bejaht hat. Es ist daher als ausgeschlossen anzusehen, dass das Dringlichkeitserfordernis als zwingende Vorrausetzung für die alleinige Zuständigkeit des Vorsitzenden lediglich übersehen worden ist (vgl. BVerfG, a.a.O. Rn. 19; Sächs. OVG, a.a.O. Rn. 12).

7

Ist eine angefochtene Sachentscheidung unter Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG zustande gekommen und ist dies mit der Beschwerde geltend gemacht worden, kann der ihr anhaftende Verstoß im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes durch eine über § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO hinausgehende, umfassende Prüfung, ob vorläufiger Rechtsschutz zu gewähren ist, geheilt werden (vgl. Senatsbeschl. v. 31.7.2018 - 2 ME 405/18 -, juris Rn. 11; Sächs. OVG, a.a.O. Rn. 13; OVG NRW, Beschl. v. 2.11.2017 - 4 B 891/17 -, juris Rn. 33; VGH Bad-Württ., Beschl. v. 11.4.2016 - 11 S 393/16 -, juris Rn. 9). Von dieser umfassenden Prüfungsbefugnis macht der Senat Gebrauch.

8

Ob aus der weiteren Rüge des Antragstellers in seinem Beschwerdevorbringen, dass das Verwaltungsgericht vor Ergehen des angegriffenen Beschlusses nicht darauf hingewiesen habe, dass sich der Antragsteller nach seiner Rechtsauffassung gegen die Schule und nicht gegen die Antragsgegnerin als Landesschulbehörde hätte wenden müssen, ein weiterer Verfahrensmangel folgt, kann der Senat offenlassen. Ein insofern in Betracht kommender Gehörsverstoß kann jedenfalls aufgrund der hier bereits wegen des festgestellten Verstoßes gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ausnahmsweise erfolgenden umfassenden Prüfung des Senats im Beschwerdeverfahren geheilt werden.

9

2. Auch bei umfassender Prüfung des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO hat der Antragsteller einen gegen die Antragsgegnerin gerichteten Anordnungsanspruch nicht glaubhaft machen können. Eine gegenüber der Antragsgegnerin geltend zu machende Anspruchsgrundlage für die von ihm begehrte vorläufige Beschulung im Schuljahr 2018/2019 in einer 11. Klasse eines staatlichen Gymnasiums bzw. die Zustimmung zum Besuch einer 11. Klasse eines Gymnasiums in freier Trägerschaft ist nicht ersichtlich.

10

Voraussetzung für eine Beschulung des Antragstellers in einer 11. Klasse eines Gymnasiums ist das Vorliegen einer Versetzungsentscheidung am Ende des 10. Schuljahrganges. Gemäß § 59 Abs. 4 Satz 1 NSchG kann eine Schülerin oder ein Schüler den nächsthöheren Schuljahrgang einer Schulform oder eines Schulzweiges erst besuchen, wenn die Klassenkonferenz entschieden hat, dass von ihr oder ihm eine erfolgreiche Mitarbeit in diesem Schuljahrgang erwartet werden kann (Versetzung). Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über den Wechsel zwischen Schuljahrgängen und Schulformen der allgemein bildenden Schulen vom 3. Mai 2016 (Nds. GVBl. 2016, 82, zuletzt geänd. d. VO v. 24.5.2017, Nds. GVBl. 2017, 163 - WeSchVO -) findet in der Schulform Gymnasium am Ende der Schuljahrgänge 5. bis 10. eine solche Versetzung statt. Ausweislich des Abschlusszeugnisses des Gymnasiums J. 27. Juni 2018 ist eine Versetzungsentscheidung am Ende der 10. Klasse nicht erfolgt.

11

Ohne Vorliegen einer Versetzungsentscheidung kann der Antragsteller eine Beschulung im 11. Schuljahrgang eines Gymnasiums nicht begehren, und zwar unabhängig davon, ob er auf dem bisher von ihm besuchten Gymnasium verbleibt oder einen Wechsel auf ein anderes Gymnasium erstrebt. Auch die vom Antragsteller angestrebte Aufnahme in das Wirtschaftsgymnasium der Berufsbildenden Schulen der Stadt K. setzt eine - ihm nicht erteilte - Versetzung in den 11. Schuljahrgang voraus. Voraussetzung für die Aufnahme in das Berufliche Gymnasium an einer berufsbildenden Schule, welches mit der Fachrichtung Wirtschaft geführt werden kann (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Anlage 7 der Verordnung über berufsbildende Schulen v. 10.6.2009, Nds. GVBl. 2009, 243, zuletzt geänd. d. VO v. 13.1.2017, Nds. GVBl. 2017, 8 - Bbs-VO -) ist gemäß § 2 Abs. 1 der Anlage 7 Bbs-VO der Erwerb eines Erweiterten Sekundarabschlusses I oder der Nachweis eines vergleichbaren Bildungsstandes. Wer das Gymnasium am Ende des 10. Schuljahrganges verlässt, erhält den Erweiterten Sekundarabschluss I nur bei Erfüllung der Mindestanforderungen in allen Pflicht- und Wahlpflichtfächern sowie erfolgter Versetzung in die Einführungsphase (vgl. § 9 Satz 1 der Verordnung über die Abschlüsse im Sekundarbereich I der allgemein bildenden Schulen einschließlich der Freien Waldorfschulen v. 7.4.1994, Nds. GVBl. 1994, 197, zuletzt geänd. d. VO v. 3.5.2016, Nds. GVBl. 2016, 89 - AVO - Sek I -). Dem Antragsteller ist vom Gymnasium J. lediglich der Sekundarabschluss I - Hauptschulabschluss erteilt worden. Eine Versetzung in die Einführungsphase der gymnasialen Oberstufe (11. Schuljahrgang des Gymnasiums) ist wie ausgeführt nicht erfolgt.

12

Eine Überprüfung der Nichtversetzungsentscheidung der Klassenkonferenz des Gymnasiums J., die nach dem Vortrag des Antragstellers am 20. Juni 2018 stattfand (entsprechende Unterlagen sind in dem vorliegenden Verwaltungsvorgang nicht enthalten) und des Abschlusszeugnisses vom 27. Juni 2018 kann der Antragsteller allein gegenüber dem Gymnasium J. geltend machen. Die Antragsgegnerin als staatliche Schulbehörde ist demgegenüber für ein solches Überprüfungsbegehren nicht passivlegitimiert.

13

Nach § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO ist eine Klage (und in entsprechender Anwendung ein Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes), sofern das Landesrecht dies bestimmt, gegen die Behörde selbst, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen oder den beantragten Verwaltungsakt unterlassen hat, zu richten. § 79 Abs. 2 NJG trifft die Anordnung, dass, wenn eine Landesbehörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen oder den beantragten Verwaltungsakt unterlassen hat, die Klage gegen diese zu richten ist. Dementsprechend regelt § 79 Abs. 1 NJG, dass auch Landesbehörden im Sinne des § 61 Nr. 3 VwGO beteiligtenfähig sind. Entgegen der Ansicht des Antragstellers stellt eine öffentliche Schule eine Landesbehörde im vorgenannten Sinne dar, ist also im Verwaltungsprozess beteiligtenfähig und im Hinblick auf von der Schule selbst erlassene bzw. unterlassene Verwaltungsakte auch richtiger Klage- bzw. Antragsgegner (vgl. Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 6. Aufl. 2014, Rn. 810). Gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 NSchG sind die öffentlichen Schulen nichtrechtsfähige Anstalten ihres Trägers und des Landes. Hierin kommt zwar einerseits zum Ausdruck, dass den öffentlichen Schulen keine rechtliche Selbstständigkeit zukommt, andererseits aber auch, dass der Landesgesetzgeber sie mit einer gewissen Selbstständigkeit zur Erfüllung des ihnen gemäß § 2 NSchG erteilten Bildungsauftrages ausgestattet hat. Letzteres ergibt sich auch aus § 32 Abs. 1 Satz 1 NSchG, wonach die Schule im Rahmen der staatlichen Verantwortung und der Rechts- und Verwaltungsvorschriften eigenverantwortlich in Planung, Durchführung und Auswertung des Unterrichts, in der Erziehung sowie in ihrer Leitung, Organisation und Verwaltung ist. Eine öffentliche Schule unterfällt daher jedenfalls dem funktionalen Behördenbegriff i.S.d. § 1 Abs. 4 VwVfG (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 1 Rn. 237, siehe auch Brockmann/Littmann/Schippmann, NSchG, Stand April 2018, § 1 Erl. 3.2). Auch der Landesgesetzgeber geht unzweifelhaft davon aus, dass öffentliche Schulen Behörden darstellen, was in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 NJG zum Ausdruck kommt, wonach für Verwaltungsakte, die von Schulen erlassen wurden, die Durchführung eines Vorverfahrens entgegen der allgemeinen Regelung in § 80 Abs. 1 NJG nicht entfällt. Der Erlass eines Verwaltungsaktes setzt nach § 35 Satz 1 VwVfG die Behördeneigenschaft i.S.d. § 1 Abs. 4 VwVfG voraus. Unterfällt eine öffentliche Schule demnach dem funktionalen Behördenbegriff und stellt sie als nichtrechtsfähige Anstalt ihres (i.d.R. kommunalen) Trägers sowie des Landes auch keine kommunale Behörde dar, ist sie als Landesbehörde i.S.d. §§ 61 Nr. 3, 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO, 79 Abs. 1 und 2 NJG anzusehen (vgl. Sodan/Ziekow, a.a.O., § 61 Rn. 34f.).

14

Die Antragsgegnerin als Landesschulbehörde ist demgegenüber als eine andere Landesbehörde anzusehen, welche das beanstandete Abschlusszeugnis nicht erlassen und die in Rede stehende Nichtversetzungsentscheidung nicht getroffen hat. In der Hauptsache hat - den vorstehenden Ausführungen entsprechend - der Antragsteller mit Schreiben vom 22. Juni 2018 Widerspruch gegen das Abschlusszeugnis sowie gegen die erfolgte Nichtversetzung gegenüber dem Gymnasium J. eingelegt. Der hier zu beurteilende Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung richtet sich jedoch ausdrücklich gegen die Antragsgegnerin. Eine Auslegung des Antrages gemäß §§ 86 Abs. 1, 88 VwGO dahingehend, dass er sich (auch) gegen das Gymnasium J. richten würde, kommt angesichts dessen sowie der anwaltlichen Vertretung des Antragstellers nicht in Betracht.

15

3. Die Beschwerde hat schließlich auch nicht mit der hilfsweise beantragten Zurückverweisung des Verfahrens an das Verwaltungsgericht unter Aufhebung des erstinstanzlichen Beschlusses Erfolg. Im Hinblick auf die aufgrund des festgestellten Verstoßes gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ausnahmsweise eröffnete vollumfängliche Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Senats bedarf es zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes keiner Zurückverweisung zur erneuten Entscheidung an das Verwaltungsgericht, wobei offenbleiben kann, ob eine Zurückverweisung im vorliegenden Beschwerdeverfahren (die allenfalls in analoger Anwendung des § 130 Abs. 2 VwGO in Betracht käme) überhaupt zulässig wäre (vgl. auch OVG NRW, a.a.O, Rn. 35).

16

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG. In Anlehnung an Nr. 38.5 und Nr. 1.5 Satz 1 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit - Fassung 2013 - (NordÖR 2014,11) hat der Senat den in der Hauptsache bei - mit der vorliegenden Streitigkeit vergleichbaren - schulrechtlichen Versetzungsentscheidungen anzusetzenden Auffangstreitwert (§ 52 Abs. 2 GKG) für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes halbiert, da der Antragsteller nur eine vorläufige Beschulung in einer 11. Klasse eines Gymnasiums anstrebt (vgl. Senatsbeschl. v. 10.10.2017 - 2 ME 1547/17 -, juris Rn. 13).

17

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).