Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 06.11.2014, Az.: 12 LC 252/13
Alkohol; Fahrerlaubnis; Sportboot
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 06.11.2014
- Aktenzeichen
- 12 LC 252/13
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2014, 42591
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 22.10.2013 - AZ: 7 A 1849/13
Rechtsgrundlagen
- Art 20 Abs 3 GG
- § 8 SportBootFSV
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Der Regelung des § 8 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a SportBootFSV lässt sich nicht mit einer dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG genügenden Klarheit und Bestimmtheit entnehmen, dass es für den Entzug des Sportbootführerscheins See ausreicht, wenn ein Fahrerlaubnisinhaber einmal mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,1 Promille oder mehr ein Sportboot geführt hat.
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg - 7. Kammer - vom 22. Oktober 2013 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis zum Führen von Sportbooten auf Seeschifffahrtsstraßen (im Folgenden: Sportbootführerschein-See).
Der Kläger befuhr mit seiner 8 m langen und 2,5 m breiten Segelyacht am H. Juni 2012 von K. kommend die Ostsee und fuhr im Bereich I. sein Boot fest. Die von anderen Seglern herbeigerufenen Besatzungsmitglieder eines Rettungsbootes betraten gegen 23 Uhr das Boot und fanden dort den schlafenden und alkoholisierten Kläger vor. Die von den sodann alarmierten Beamten der Wasserschutzpolizei vorgenommene freiwillige Atemalkoholmessung erbrachte um 0.58 Uhr (J. Juli) einen Atemalkoholwert von 2,14 Promille, eine um 2.20 Uhr entnommene Blutprobe wies eine BAK von 2,17 Promille und eine um 2.40 Uhr entnommene Blutprobe eine BAK von 2,12 Promille auf.
Es ist zwischen den Beteiligten streitig, ob der Kläger schon vor dem Festfahren des Bootes Alkohol konsumiert hatte und ob das Segelboot im Bereich I. „auf Grund lag“ oder in einer Art Mulde mit tieferem Wasser trieb.
Die Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nordwest (nunmehr: Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt, Außenstelle Nordwest) hörte den Kläger unter dem 17. August 2012 zu ihrer Absicht an, ihm den Sportbootführerschein-See zu entziehen. Sie begründete dies damit, dass der Kläger nach Mitteilung der Wasserschutzpolizei K. am H. Juni 2012 als verantwortlicher Schiffsführer mit dem Segelboot „...“ im Bereich I. (L.) am Grund festgekommen sei. Er sei zum Zeitpunkt der Fahrt mit dem Segelboot absolut fahruntüchtig gewesen. Sein von der Polizei ermittelter Atemalkoholwert habe 2,14 Promille betragen, Blutproben vom J. Juli 2012 (um 2.20 Uhr und 2.40 Uhr) hätten eine Blutalkoholkonzentration von 2,17 bzw. 2,12 Promille ergeben. Der Kläger bestritt den Vorwurf, dass er unter Alkoholeinfluss gesegelt sei.
Die Beklagte entzog dem Kläger durch Bescheid vom 15. Oktober 2012 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung den Sportbootführerschein-See. Sie stützte sich auf § 8 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a der Verordnung über die Eignung und Befähigung zum Führen von Sportbooten auf den Seeschifffahrtstrassen (SportBootFSV) und führte aus, verkehrsmedizinische Untersuchungen hätten ergeben, dass die im Straßenverkehr geltende Fahrtauglichkeitsgrenze von 1,1 Promille auch im Schiffsverkehr Anwendung finde. Da der Kläger diesen Grenzwert mit 2,17 Promille weit überschritten habe, habe er sich als unzuverlässig zum Führen eines Sportboots erwiesen. Wegen des vorsätzlichen Führens eines Sportboots unter Alkoholeinfluss bestünden gemäß § 2 Abs. 2 SportBootFSV erhebliche Zweifel an der Tauglichkeit des Klägers als Sportbootführer. Nach dem aktuellen Stand der Alkoholforschung deute eine Blutalkoholkonzentration ab 1,6 Promille auf deutlich normabweichende Trinkgewohnheiten und eine ungewöhnliche Giftfestigkeit hin. Er sei seinerzeit allein an Bord des Segelbootes und daher der verantwortliche Führer des Segelbootes gewesen.
Das Amtsgericht M. verurteilte den Kläger durch Urteil vom N. O. 2013 (- P. -) wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen in Höhe zu je 30,00 EUR. Auf die Berufung des Klägers stellte das Landgericht K. (Az.: Q.) das Verfahren (zunächst vorläufig) gegen Auflagen und nach Zahlung von 1.000,- EUR gemäß § 153 a Abs. 1 und Abs. 2 StPO endgültig ein.
Der Kläger hat am 4. Februar 2013 nach Zurückweisung seines Widerspruchs Klage erhoben und geltend gemacht, er habe das Segelboot seinerzeit ohne jeglichen Einfluss von Alkohol geführt. Es sei dann ca. 100 - 150 m außerhalb des Fahrwassers wegen der geringen Windverhältnisse und der damit verbundenen geringen Wassertiefe auf Grund gelaufen. Das Boot habe auf Grund gelegen und sich nicht mehr bewegen können. Dann habe er Alkohol getrunken, nach dem Genuss des Alkohols aber weder Motor noch sonstige technische Einrichtungen bedient, um das Segelboot in Bewegung zu setzen. Auch wer Alkohol trinkend oder schlafend bei laufendem Motor hinter dem Lenkrad eines Kraftfahrzeuges sitze, führe ein Fahrzeug nicht.
Er hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 15. Oktober 2012 und ihren Widerspruchsbescheid vom 3. Januar 2013 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben und ausgeführt: Die zulässige Klage sei begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 15. Oktober 2012 sei rechtswidrig und verletze den Kläger in seinen Rechten. Die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, dem Kläger seinen Sportbootführerschein-See aufgrund des Vorfalls vom H. Juni bzw. J. Juli 2012 zu entziehen. Zu Unrecht stütze die Beklagte ihre Maßnahme auf § 8 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a SportBootFSV. Nach dieser Vorschrift sei dem Inhaber die Fahrerlaubnis zur Führung eines Sportboots auf den Seeschifffahrtstraßen zu entziehen, wenn er sich nach der Erteilung der Fahrerlaubnis als unzuverlässig erwiesen habe, weil er mehrfach mit einer Blutalkoholkonzentration von 0,5 Promille oder mehr oder einer Atemalkoholkonzentration von 0,25 mg/l oder mehr oder unter erheblicher Einwirkung berauschender Mittel ein Sportboot geführt habe. Die Annahme der Beklagten, dass der Kläger mit seiner Trunkenheit am H. Juni bzw. J. Juli 2012 diese Voraussetzungen erfüllt habe, gehe fehl. Dabei lasse das Gericht ausdrücklich offen, ob der Kläger, nachdem sein Boot außerhalb der Fahrrinne festgesessen habe, das Boot noch geführt habe oder nicht. Selbst wenn man zu seinen Lasten mit der Beklagten annehme, dass er auch schlafend im Rausch seinerzeit das Boot geführt habe, seien die Voraussetzungen von § 8 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a SportBootFSV nicht erfüllt. Die Vorschrift verlange, dass das Führen eines Sportboots mehrfach mit den dort genannten Alkoholwerten oder unter erheblicher Einwirkung berauschender Mittel stattgefunden hat. Die Vorschrift könne - anders als die Beklagte meine - nicht so verstanden werden, dass es zur Erfüllung ihres Tatbestandes auch genüge, einmal unter erheblicher Einwirkung alkoholischer Mittel ein Sportboot geführt zu haben. Nach Überzeugung des Gerichts sei vielmehr das erste Wort der Vorschrift „mehrfach“ auf jeden der weiteren genannten Tatbestände zu beziehen. Wenn eine andere Regelung seinerzeit gewollt gewesen sei, so hätte „einmal“ vor den Worten „unter erheblicher Einwirkung…“ eingefügt sein müssen. Das mache beispielsweise ein Blick auf verwandte Vorschriften im Fahrerlaubnisrecht deutlich. So werde in § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 FeV deutlich unterschieden zwischen einem erheblichen Verstoß oder wiederholten Verstößen gegen verkehrsrechtliche Vorschriften. Hinzu komme, dass die Folgen des Führens eines Sportboots auf einer Seeschifffahrtstraße unter Alkoholeinfluss in den beiden ersten Alternativen von § 8 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a SportBootFSV abschließend geregelt seien. Die dritte Alternative müsse wie folgt gelesen werden: „unter erheblicher Einwirkung sonstiger berauschender Mittel“. Nach der Systematik der Vorschrift sei ihre letzte Alternative nicht ein allgemeiner Auffangtatbestand für „Rauschfahrten“, sondern sanktioniere das Führen von Sportbooten auf Seefahrtstraßen unter dem Einfluss nicht alkoholischer berauschender Mittel. Dies könnte man nur anders sehen, wenn in den ersten beiden Alternativen von § 8 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a SportBootFSV-See jeweils eine Obergrenze für die Blutalkohol- bzw. Atemalkoholkonzentration angegeben und damit verdeutlicht worden wäre, dass die beiden ersten Alternativen der Vorschrift nur die „einfache“ Alkoholfahrt beträfen. Dann wäre es auch rechtmäßig, das einmalige Führen eines Sportbootes mit einer höheren Alkoholkonzentration als „erhebliche Einwirkung berauschender Mittel“ zu werten und mithin den Sportbootführerschein-See zu entziehen. Die in der mündlichen Verhandlung am 22. Oktober 2013 dargestellte Verwaltungspraxis der Beklagten gebe § 8 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a SportBootFSV im Ergebnis folgenden Wortlaut:
„weil er einmal unter erheblicher Einwirkung berauschender Mittel ein Sportboot oder mehrfach mit einer Blutalkoholkonzentration von 0,5 Promille bis 1,1 (?) oder einer Atemalkoholkonzentration von 0,25 mg/l bis 0,55 mg/l (?) geführt hat.“
Das Gericht teile die Auffassung der Beklagten, dass eine solche Regelung im Interesse der Sicherheit der Seeschifffahrt wünschenswert sei. Der Verordnungsgeber habe es aber unterlassen, sie zu treffen. Dies könne nach rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht zu Lasten des Bürgers gehen. Vielmehr müsse der Verordnungsgeber dies selbst durch eine Neufassung der Vorschrift regeln. Ob der Verordnungsgeber seinerzeit beabsichtigt habe, die eben dargestellte Regelung zu treffen und sich lediglich in der Wortwahl vergriffen habe, mit der Folge, dass die geltende Regelung seinen Willen möglicherweise nicht vollständig verwirkliche, sei angesichts des eindeutigen Wortlauts der Vorschrift unerheblich. Jedenfalls reiche nach Überzeugung der Kammer ein einmaliges Führen eines Sportboots mit einer Blutalkoholkonzentration von viel (wieviel?) mehr als 0,5 Promille nicht aus, um dem Betroffenen den Sportbootführerschein-See gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a SportBootFSV zu entziehen. Anderenfalls bestehe aufgrund des Wortlauts der Vorschrift die Gefahr, dass in einem Fall das Führen eines Sportbootes z.B. mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,7 Promille einmalig zur Entziehung des Führerscheins ausreiche, während in einem anderen Fall genauso rechtmäßig - gestützt auf § 8 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a 1. Alt. SportBootFSV - der Führerschein erst nach einer weiteren Alkoholfahrt entzogen werde. Es sei nicht ersichtlich, dass sich die Verfügung vom 15. Oktober 2012 auf andere Rechtsgrundlagen in § 8 SportBootFSV stützen ließe. Dies habe auch die Beklagte nicht geltend gemacht.
Die Beklagte hat dagegen die vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Berufung eingelegt. Sie macht geltend: Zwar bestreite der Kläger, ein Sportboot unter Alkoholeinfluss geführt zu haben, dies sei jedoch - wie bereits erstinstanzlich dargelegt - erwiesen. Auch im Übrigen sei der Tatbestand des § 8 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a SportBootFSV erfüllt. Dieser enthalte, anders als das Verwaltungsgericht angenommen habe, nicht drei, sondern nur zwei Alternativen. Die Regelungen zum Blut- (0,5 Promille) bzw. Atemalkohol (0,25 mg/l) erfassten den gleichen Sachverhalt, nur die Messmethode sei eine andere. Die zweite Alternative („unter erheblicher Einwirkung berauschender Mittel“) unterscheide sich von der ersten darin, dass nicht mehrfache Alkoholfahrten erforderlich seien, sondern bei erheblicher Einwirkung alkoholischer Mittel eine einzige Fahrt ausreiche. Bei Alkoholverstößen sei es aufgrund der fortgeschrittenen Messtechnik relativ leicht möglich, auch verhältnismäßig geringe Werte nachzuweisen. Daher habe der Verordnungsgeber festlegen können, dass schon relativ geringe Alkoholwerte ab 0,5 Promille bzw. 0,25 mg/l bei mehrfachen Verstößen zu einem Entzug der Fahrerlaubnis führen könnten. Bei erheblichen Verstößen solle dagegen bereits eine einmalige Fahrt ausreichen und zwar unabhängig davon, ob Alkohol oder andere auf das zentrale Nervensystem einwirkende berauschende Mittel eingenommen worden seien. Wann eine erhebliche Einwirkung im konkreten Fall vorliege, sei eine Frage des Einzelfalls. Für Alkoholfahrten könne auf die in der rechts- und verkehrsmedizinischen Wissenschaft festgelegte 1,1 Promille-Grenze für Kraftfahrzeugführer zurückgegriffen werden, die mittlerweile auch im Schiffsverkehr Anwendung finde. Im Ergebnis bedeute dies, dass bereits eine einzige Fahrt unter erheblicher Einwirkung auch alkoholischer Getränke ausreichend sei, um die Fahrerlaubnis entziehen zu können. Nach dem Sinn und Zweck könne die Vorschrift nur in diesem Sinne verstanden werden. Es sei daher nicht erforderlich, zusätzlich das Wort „einmal“ vor den Worten „unter erheblicher Einwirkung“ einzufügen. Dass dies an anderer Stelle - wie etwa in § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 FeV - geschehen sei, ändere an dem Sinn und Zweck der Regelung nichts. Hinzu komme, dass mit der ersten Alternative keine abschließende Regelung des Führens eines Sportbootes auf einer Seeschifffahrtstraße unter Alkoholeinfluss getroffen worden sei. Dies ergebe sich nicht nur daraus, dass damit - wie ausgeführt - nur die verhältnismäßig „einfachen“ Alkoholfahrten gemeint seien, während die schweren Verstöße über die zweite Alternative abgedeckt werden sollten, sondern auch daraus, dass mit dem Begriff „berauschende Mittel“ erkennbar alle möglichen „Rauschfahrten“ erfasst werden sollten. Hätte der Verordnungsgeber nur andere als alkoholische Mittel sanktionieren wollen, so hätte er vor den Worten „berauschende Mittel“ das Wort „andere“ eingefügt. Dies belege der Blick in die Seeschifffahrtstraßenordnung. Dort heiße es in § 3 Abs. 3 SeeschStrO, dass ein Fahrzeug nicht führen dürfe, wer infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel in der sicheren Führung eines Fahrzeugs behindert sei. In derselben Weise unterscheide § 316 Abs. 1 StGB zwischen dem Genuss alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel. Diese Unterscheidung finde sich auch in den jährlichen Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamts zu Unfällen. Der Verordnungsgeber habe diese Unterscheidung aber nicht getroffen und es gebe auch keine Anzeichen dafür, dass er sie habe treffen wollen. Der in der zweiten Alternative genannte Oberbegriff „berauschende Mittel“ schließe Alkohol somit ein. Es mache daher keinen Sinn, dass für beide Alternativen ein mehrmaliges Führen eines Fahrzeugs zur Tatbestandsverwirklichung erforderlich sein solle. Wegen Fehlens einer Obergrenze seien schwere Alkoholfahrten dort nämlich schon erfasst und damit doppelt geregelt. Der Verordnungsgeber habe aber anderes im Sinn gehabt. Er habe in der ersten Alternative mit der Festlegung von Untergrenzen von 0,5 Promille bzw. 0,25 mg/l und der Mehrfach-Tat bestimmt, unter welchen Voraussetzungen bereits mit einer Sanktion gerechnet werden müsse. Mit der zweiten Alternative sei geregelt, dass bereits eine einmalige Alkoholfahrt ausreichen könne, wenn ein Fahrzeug unter erheblicher Einwirkung berauschender Mittel geführt worden sei. Dieser Wille des Verordnungsgebers sei aus dem Wortlaut der Vorschrift auch ausreichend erkennbar.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg vom 22. Oktober 2013 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das Urteil und führt aus, § 8 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a SportBootFSV setze eindeutig auch für den Tatbestand des Führens eines Fahrzeuges unter dem Einfluss von berauschenden Mitteln ein mehrfaches Führen voraus. Darüber hinaus sei jedenfalls ausdrücklich geregelt, dass bei einer festgestellten BAK von mehr als 0,5 Promille ein Sportboot mehrfach geführt worden sein müsse, um die Entziehung des Sportbootführerscheins-See zu rechtfertigen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht geht zu Recht davon aus, dass die streitgegenständliche Entziehung der Fahrerlaubnis zum Führen von Sportbooten auf Seeschifffahrtstraßen nicht auf § 8 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a SportBootFSV gestützt werden kann.
Dabei kann der Senat - wie das Verwaltungsgericht - offenlassen, ob der Kläger sein Boot mit einer BAK von 2,17 Promille im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a SportBootFSV geführt hat. Selbst wenn dies der Fall war, wofür nach Auffassung des Senats einiges spricht, wäre die Entziehung nicht gerechtfertigt.
§ 8 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a SportBootFSV lautet:
„Vorbehaltlich der Anwendung des Seesicherheits-Untersuchungs-Gesetzes kann die Fahrerlaubnis entzogen werden, wenn sich der Inhaber nach der Erteilung der Fahrerlaubnis als unzuverlässig erwiesen hat
1. weil er
a) mehrfach mit einer Blutalkoholkonzentration von 0,5 Promille oder mehr oder einer Atemalkoholkonzentration von 0,25 mg/l oder mehr oder unter erheblicher Einwirkung berauschender Mittel ein Sportboot geführt hat…“
Die von der Beklagten im angefochtenen Bescheid vorgenommene Auslegung, wonach es danach für den Entzug des Sportbootführerscheins-See ausreicht, wenn ein Fahrerlaubnisinhaber einmal mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,1 Promille oder mehr ein Sportboot geführt hat, ist mit dem aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG folgenden Klarheits- und Bestimmtheitsgebot nicht zu vereinbaren.
Eine Norm muss inhaltlich so klar gefasst sein, dass sich der Bürger ein eigenes Bild von seiner Rechtslage machen und den Inhalt der ihn betreffenden Regelungen mit hinreichender Sicherheit feststellen kann (vgl. Grzeszick, in: Maunz-Dürig, GG, Art. 20 VII, Rn. 53). Das Bestimmtheitsgebot erfordert es, dass eine gesetzliche Ermächtigung der Exekutive zur Vornahme von Verwaltungsakten nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt und begrenzt ist, so dass das Handeln der Verwaltung messbar und im gewissen Ausmaß für den Staatsbürger vorhersehbar und berechenbar wird (vgl. etwa BVerfG, Beschl. v. 3.3.2004 - 1 BvF 3/92 -, BVerfGE 110, 33). Das Bestimmtheitsgebot soll mithin sicherstellen, dass der betroffene Bürger sich auf belastende Maßnahmen einstellen kann (vgl. Grzeszick, in: Maunz-Dürig, GG, Art. 20 VII, Rn. 50 ff.). Der Rechtsunterworfene muss im Wege der Auslegung in zumutbarer Weise erkennen können, ob eine Norm anwendbar ist (z.B. BVerfG, Beschl. v. 2.6.2008 - 1 BvR 349/04 und 1 BvR 378/04 -, NVwZ 2008, 1229 m. w. N.). Zudem muss die gesetzesausführende Verwaltung für ihr Verhalten steuernde und begrenzende Handlungsmaßstäbe vorfinden und müssen die Gerichte die Rechtskontrolle durchführen können (BVerwG, Urt. v. 25.1.2012 - 6 C 9.11 -, NVwZ 2012, 757). Der Gesetzgeber hat deshalb Anlass, Zweck und Grenzen des Eingriffs hinreichend bereichsspezifisch, präzise und normenklar festzulegen (BVerfG, Beschl. v. 3.3.2004 - 1 BvF 3/92 - BVerfGE 110, 33/53) und die Rechtsvorschriften so genau zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist (BVerfG, Beschl. v. 18.5.2004 - 2 BvR 2374/99 -, BVerfGE 110, 370; BVerwG, Urt. v. 16.10.2013 - 8 CN 1.12 -, BVerwGE 148, 133). Allerdings nimmt eine Auslegungsbedürftigkeit einer gesetzlichen Regelung noch nicht die rechtsstaatlich gebotene Bestimmtheit (vgl. BVerfG, Beschl. v. 9.11.1988 - 1 BvR 243/86 -, BVerfGE 73, 106). Die konkreten Anforderungen an die Bestimmtheit und Klarheit der Ermächtigung richten sich nach der Art und der Schwere des Eingriffs (BVerfG, Beschl. v. 3.3.2004, a.a.O., S. 54). Diese ergibt sich aus der Art der vorgesehenen Maßnahme und der von ihr für den Betroffenen ausgelösten Wirkungen. Welchem Ziel die Maßnahme dient, etwa der Gefahrenabwehr oder der Gefahrenverhütung, ist für die Beurteilung ihrer Schwere für den Betroffenen ohne Belang (BVerfG, Beschl. v. 3.3.2004 - 1 BvF 3/92 -, BVerfGE 110, 33). Je nachhaltiger die Grundrechte des einzelnen Bürgers betroffen oder bedroht sind, desto präziser und enger muss die gesetzliche Regelung sein (vgl. Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 VII, Rn. 51, 60 m. w. N.).
Die Entziehung des Sportbootführerscheins-See stellt unstreitig einen erheblichen Grundrechtseingriff in die über Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 des Grundgesetzes geschützte allgemeine Handlungsfreiheit des Fahrerlaubnisinhabers dar, so dass hohe Anforderungen an die Klarheit und Bestimmtheit der zum Entzug ermächtigenden Norm zu stellen sind.
Bei Zugrundlegung der sich danach ergebenden Maßstäbe kann § 8 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a SportBootFSV auch bei Anwendung der in Betracht kommenden Auslegungsmethoden nicht mit hinreichender Bestimmtheit entnommen werden, dass eine einmalige Fahrt unter „erheblicher“ Alkoholeinwirkung ausreicht, um den Sportbootführerschein-See entziehen zu können. Jedenfalls bei der Zusammenschau der in der Formulierung der Norm angelegten Unklarheiten kann der Betroffene der Norm nicht anhand objektiver Kriterien entnehmen, dass sie auch auf diesen Fall Anwendung finden soll (vgl. dazu: BVerfG, Beschl. v. 18.5.1988 - 2 BvR 579/84 - BVerfGE 78, 205; BVerwG, Urt. v. 16.6.1994 - 4 C 2.94 -, BVerwGE 96, 110).
1. Es ist bei der gewählten Fassung der Norm schon nicht klar, worauf sich der Begriff „mehrfach“ bezieht. Denkbar ist, dass sich „mehrfach“ auf die erste, alle oder - wie die Beklagte meint - nur auf die ersten beiden Varianten des Tatbestands bezieht.
Der reine Wortlaut legt es nahe, dass der Begriff „mehrfach“ entweder nur die erste oder alle jeweils mit „oder“ verbundenen drei Varianten (1. „mit einer Blutalkoholkonzentration von 0,5 Promille oder mehr“, 2. „einer Atemalkoholkonzentration von 0,25 mg/l oder mehr“, 3. „unter erheblicher Einwirkung berauschender Mittel“) des § 8 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a SportBootFSV betrifft. Steht ein Adjektiv - wie hier „mehrfach“ - zu Beginn einer Aufzählung so ist nach dem Wortlaut in der Regel davon auszugehen, dass es sich entweder nur auf die erste oder aber auf alle Varianten der Aufzählung bezieht. Es ist sprachlich zwar nicht ausgeschlossen, aber jedenfalls unüblich, ein Adjektiv wie „mehrfach“ zwar auf die ersten beiden Varianten zu beziehen, auf die dritte jedoch nicht. Soweit die Beklagte insoweit darauf verweist, dass es sich nicht um drei, sondern tatsächlich nur um zwei Alternativen, die erste aufgeteilt in zwei Varianten (1a. „mit einer Blutalkoholkonzentration von 0,5 Promille oder mehr“, 1b. „einer Atemalkoholkonzentration von 0,25 mg/l oder mehr“, 2. „unter erheblicher Einwirkung berauschender Mittel“), handelt, so trifft dies inhaltlich zu. Eine Blutalkoholkonzentration (BAK) von 0,5 Promille entspricht einer Atemalkoholkonzentration (AAK) von 0,25 mg/l und diese beiden Tatbestände sind auch in der Formulierung der Norm erkennbar aufeinander bezogen. Dies ist ein Indiz dafür, dass „mehrfach“ nicht allein auf die erste, sondern auch auf die zweite Variante zielt. Für die Frage, ob es sich daneben auch auf die weitere ebenfalls mit „oder“ verknüpfte selbstständige Variante („unter erheblicher Einwirkung berauschender Mittel“) bezieht, ist dem aber nichts zu entnehmen. Vom Wortlaut her wäre beides möglich.
Demgegenüber wendet die Beklagten ein, die Auslegung, dass sich der Begriff „mehrfach“ auf alle drei Varianten beziehe, ergebe von vornherein keinen Sinn, weil dann mehrfache „schwere“ Alkoholfahrten doppelt erfasst seien, nämlich sowohl von der ersten (BAK von 0,5 Promille oder mehr oder einer AAK von 0,25 mg/l oder mehr) als auch von der zweiten Alternative („oder unter erheblicher Einwirkung berauschender Mittel“). Dieser Einwand überzeugt nicht. Die Auffassung der Beklagten unterstellt nämlich, dass „schwere“ Alkoholfahrten unter das Merkmal Führen eines Bootes „unter erheblicher Einwirkung berauschender Mittel“ zu subsumieren sind. Dieses lässt sich der Norm aber ebenfalls nicht eindeutig entnehmen (vgl. unter 2.).
Der Vergleich der Norm des § 8 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a SportBootFSV mit dem Wortlaut anderer Vorschriften ergibt kein einheitliches Bild. So hat der Verordnungsgeber, worauf schon das Verwaltungsgericht hingewiesen hat, etwa in § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 FeV („bei einem erheblichen Verstoß oder wiederholten Verstößen“) oder Nr. 5 („bei einer erheblichen Straftat … oder bei Straftaten“) - anders als im vorliegenden Fall - schon durch die gewählte Formulierung den Gegensatz zwischen einem einmaligen (erheblichen) und dem mehrfachen Verstoß deutlich gemacht. Auf der anderen Seite hat er, wenn er das Merkmal „mehrfach“ auf mehrere Varianten bezogen wissen wollte, dies in anderen Regelungen ebenfalls eindeutig durch die Regelungssystematik erkennen lassen. So ist etwa in § 10a der Verordnung über das Führen von Sportbooten auf den Binnenschifffahrtsstraßen zu Zweifeln an der Zuverlässigkeit bestimmt:
„Davon ist in der Regel auszugehen, wenn die Geldbuße wegen einer Ordnungswidrigkeit festgesetzt worden ist, weil der Betroffene mehrfach
1. mit einer Blutalkoholkonzentration von 0,5 Promille oder mehr ein Sportboot geführt hat,
2. eine vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit überschritten hat.“
In entsprechender Weise ist der Verordnungsgeber etwa in § 24 Abs. 5 der Verordnung über die Befähigungszeugnisse in der Binnenschifffahrt - Binnenschifferpatentverordnung - vorgegangen. Auch daraus lassen sich zwingende Argumente für die Auslegung der hier in Rede stehenden Norm aber nicht gewinnen.
Für die Auslegung, wonach sich „mehrfach“ nur auf das Führen eines Sportboots mit einer Blutalkoholkonzentration von 0,5 Promille oder mehr sowie mit einer Atemalkoholkonzentration von 0,25 mg/l oder mehr bezieht, führt die Beklagte indes Sinn und Zweck des Gesetzes an. Der SportBootFSV selbst lässt sich zu Sinn und Zweck nichts entnehmen und eine (veröffentlichte) Begründung zu der Norm ist nicht ersichtlich. Demnach erscheint es grundsätzlich möglich, dass der Verordnungsgeber erst nach einer wiederholten Fahrt unter Alkohol- oder Drogeneinfluss die Behörde ermächtigen wollte, die Fahrerlaubnis zu entziehen. Ein Vergleich mit Regelungen aus anderen Bereichen spricht jedoch auch nach Auffassung des Senats dafür, dass es dem Willen des Verordnungsgebers entsprochen haben dürfte, der Behörde jedenfalls bei Fahrten unter erheblicher Einwirkung berauschender Mittel wie etwa Drogen die Ermächtigung einzuräumen, den Sportbootführerschein-See schon nach einem einmaligen Verstoß zu entziehen (vgl. nur § 11 FeV i. V. m. Nr. 9.1 bis 3 der Anlage 4).
Diese Auslegung wird bekräftig durch die Rechtshistorie. Die nunmehr gültige Fassung des § 8 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a SportBootFSV wurde geschaffen durch Art. 4 Nr. 6 Buchst. b der Zwölften Verordnung zur Änderung seeverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 6. August 2005 (BGBl. I S. 2288, 2292).
Zuvor hieß es in § 8 Abs. 2 SportBootFSV:
„Eine Fahrerlaubnis kann entzogen werden, wenn der Inhaber
1. wegen Gefährdung des Schiffsverkehrs rechtskräftig verurteilt worden ist,
2. wiederholt mit Geldbuße geahndete Zuwiderhandlungen gegen strom- und schifffahrtspolizeiliche Vorschriften begangen hat,
3. unter erheblicher Einwirkung geistiger Getränke oder anderer berauschender Mittel ein Sportboot geführt hat, soweit nicht das Seesicherheits-Untersuchungs-Gesetz Anwendung findet, oder
4. einer Auflage nach § 2 Abs. 3 nicht nachkommt.“
Seinerzeit konnte mithin gestützt auf § 8 Abs. 2 Nr. 3 SportBootFSV unzweifelhaft schon dann die Fahrerlaubnis entzogen werden, wenn der Fahrerlaubnisinhaber einmal „unter erheblicher Einwirkung geistiger Getränke oder anderer berauschender Mittel“ ein Sportboot geführt hatte. Der Kontext der Änderung spricht dagegen, dass der Verordnungsgeber mit der Änderung des § 8 die Anforderungen für einen Entzug erhöhen und nunmehr immer ein „mehrfaches“ Führen unter erheblicher Einwirkung berauschender Mittel verlangen wollte. Mit der 12. Änderungs-VO wurde nämlich an verschiedenen Stellen (Seeschifffahrtstraßen-Ordnung, Verordnung zu den Internationalen Regeln von 1972 zur Verhütung von Zusammenstößen auf See, Verordnung zur Einführung der Schifffahrt-Ordnung Emsmündung, Sportbootführerscheinverordnung-See) die im Straßenverkehr seit 1998 bzw. 2001 geltende Grenze von 0,25 mg/l oder mehr Alkohol in der Atemluft oder von 0,5 Promille oder mehr Alkohol im Blut (vgl. § 24a StVG) normiert. Die Änderung diente mithin - wohl angestoßen von einem fraktionsübergreifenden Antrag, Alkoholmissbrauch in der Seeschifffahrt konsequenter zu bekämpfen (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, BT-Drs. 15/5514) - dazu, die Alkoholgrenzen in der Schifffahrt zu verschärfen und an die für den Straßenverkehr geltenden Regelungen anzupassen. Dem stünde es aber diametral entgegen, zugleich - anders als zuvor - als Voraussetzung für die Entziehung der Fahrerlaubnis immer einen „mehrfachen“ Alkohol- oder Drogenverstoß zu verlangen.
2. Selbst wenn man - wie die Beklagte - meint, es sei (noch) hinreichend erkennbar, dass sich der Begriff „mehrfach“ nur auf die Fälle des Führens eines Sportbootes mit einer BAK von 0,5 Promille oder mehr bzw. einer Atemalkoholkonzentration (AAK) von 0,25 mg/l oder mehr beziehe, so lässt sich § 8 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a SportBootFSV jedenfalls nicht hinreichend bestimmt entnehmen, dass und ab wann eine Fahrt unter erheblichem Alkoholeinfluss als Fahrt „unter erheblicher Einwirkung berauschender Mittel“ gewertet werden kann.
Insoweit streiten wiederum die Gesetzeshistorie (früher hieß es in § 8 ausdrücklich: „unter erheblicher Einwirkung geistiger Getränke oder anderer berauschender Mittel“) und auch vergleichbare Regelungen in anderen Bereichen (§ 69 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 316 StGB) dafür, dass von der Norm auch einmalige „schwere Alkoholfahrten“ erfasst sein sollen. Da Alkohol unstreitig als berauschendes Mittel anzusehen ist und es nicht etwa heißt „oder andere berauschende Mittel“, lässt der Wortlaut ein solches Verständnis zu.
Gegen diese von der Beklagten dem angefochtenen Entziehungsbescheid zugrunde gelegte Auslegung sprechen jedoch systematische Erwägungen. § 8 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a SportBootFSV enthält dem Wortlaut und der Systematik nach selbst bei Zugrundelegung der Lesart der Beklagten zwei grundsätzlich voneinander unabhängige Fälle, die jeweils für sich genommen den Entzug der Fahrerlaubnis rechtfertigen können. In beiden Fällen bestehen danach ähnliche gewichtige Hinweise auf eine Unzuverlässigkeit des Fahrerlaubnisinhabers. Diese ergeben sich dem Wortlaut nach entweder aus einer mehrfachen Fahrt mit einer Blutalkoholkonzentration ab 0,5 Promille bzw. einer Atemalkoholkonzentration ab 0,25 mg/l oder im anderen Fall aus einer einmaligen Fahrt unter erheblicher Einwirkung berauschender Mittel. Dabei erfasst die erste in zwei Varianten unterteilte Alternative dem eindeutigen Wortlaut nach nicht nur Fahrten mit einer „unerheblichen" Alkoholkonzentration etwa bis zur Grenze der absoluten Fahrunsicherheit (1,1 Promille), sondern jede BAK „von 0,5 Promille oder mehr“ bzw. AAK „von 0,25 mg/l oder mehr“. Unabhängig davon, wie weit der festgelegte Grenzwert von 0,5 Promille (BAK) bzw. 0,25 mg/l (AAK) überschritten ist, ist danach für den Entzug des Sportbootführerscheins-See immer eine mehrfache Alkoholfahrt erforderlich. Liegt aber eine spezielle Regelung für eine Fallgestaltung - wie hier für die Fahrt mit einer BAK von 0,5 Promille oder mehr oder eine AAK von 0,25 mg/l oder mehr - vor, die (nur) deshalb nicht erfüllt ist, weil es an einem zusätzlich geforderten Tatbestandsmerkmal („mehrfach“) mangelt, so ist der Rückgriff auf eine andere allgemeinere Vorschrift in aller Regel nicht zulässig, selbst wenn diese dem Wortlaut nach einschlägig ist. Andernfalls würde der nach der Fassung der Norm anzunehmende Wille des Gesetzes- bzw. Verordnungsgebers unterlaufen (vgl. etwa Bay. VGH, Beschl. v. 9.2.2009 - 11 CE 08.3028 -, SVR 2009, 113 zum Verhältnis von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c zu § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a FeV). Zudem ergäben sich, wenn man - wie die Beklagte - die zweite Alternative auch bei „erheblichen Alkoholverstößen“ für anwendbar erachtete, kaum zu lösende Abgrenzungsprobleme und Wertungswidersprüche hinsichtlich der nach ihrer Ausgestaltung gleichgewichtigen beiden Tatbestandsalternativen des § 8 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a SportBootFSV. Während das einmalige Führen eines Sportbootes mit einer BAK von - wie hier unterstellt - 2,14 Promille es nach der Wertung der ersten Alternative (noch) nicht rechtfertigte, die Fahrerlaubnis für Sportboote auf See zu entziehen, wäre dies nach der zweiten Alternative möglich. Gelöst werden könnten diese Abgrenzungsprobleme allenfalls dadurch, dass man die ersten beiden Varianten („mehrfach mit einer BAK von 0,5 Promille oder mehr oder einer AAK von 0,25 mg/l oder mehr“), wie es die Beklagte der Sache nach tut, in ihrem Anwendungsbereich gegen den eindeutigen Wortlaut reduziert und nur bei „nicht erheblichen“ Alkoholverstößen (etwa bis zu einer BAK von 1,1 Promille bzw. einer AAK bis zu 0,55 mg/l) für anwendbar erachtete. Die bloße Möglichkeit einer solchen teleologischen Reduktion der ersten Alternative, die vorliegend zur Abgrenzung nötig ist, um statt der ersten die zweite Alternative („unter erheblicher Einwirkung berauschender Mittel“) anwenden zu können, genügt jedoch nach Auffassung des Senats hier nicht den an die Klarheit und Bestimmtheit der Norm zu stellenden Anforderungen.
Die fehlende Klarheit bzw. Bestimmtheit ist vorliegend in beiden genannten Punkten auch nicht etwa durch die mögliche Vielgestaltigkeit des zu regelnden Sachverhalts bedingt (vgl. dazu Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 VII, Rn. 60, 65 m. w. N.). Der Verordnungsgeber hätte - wie dargelegt und in anderen Normen geschehen - mühelos durch die Formulierung deutlich machen können, worauf sich das Tatbestandsmerkmal „mehrfach“ beziehen soll. Ebenso hätte er - worauf schon das Verwaltungsgericht zutreffend hingewiesen hat - ohne weiteres unmissverständlich zum Ausdruck bringen können, dass schon ein einmaliger Alkoholverstoß, wenn er „erheblich“ ist, für den Entzug der Fahrerlaubnis ausreichen sollte. Dazu hätte er entweder die ersten beiden Varianten, bei denen ein mehrfacher Verstoß erforderlich sein sollte, nach „oben“ begrenzen („mehrfach mit einer BAK von 0,5 bis 1,1 Promille oder einer AAK von 0,25 bis 0,55 mg/l“) oder explizit normieren können, dass ab einer BAK von 1,1 Promille oder einer AAK von 0,55 mg/l ein einmaliger Verstoß ausreichen soll. Da er dies aber unterlassen hat und der Betroffene § 8 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a SportBootFSV im Wege der Auslegung nicht mit hinreichender Klarheit und Bestimmtheit entnehmen kann, dass die Vorschrift auch für den Fall des einmaligen „erheblichen“ Alkoholverstoßes Geltung beansprucht, kann der Entzug der Fahrerlaubnis des Klägers darauf nicht rechtswirksam gestützt werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision durch den Senat gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor. Der Senat hat aus prozessökonomischen Gründen nicht abschließend geklärt, ob der Kläger das Segelboot mit einer BAK von über 2 Promille im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a SportBootFSV geführt hat. Sind aber Tatsachen, die vorliegen müssten, damit eine grundsätzliche Frage sich in einem Revisionsverfahren überhaupt als entscheidungserheblich stellen kann, nicht festgestellt worden, so kann die Revision jedenfalls vom erkennenden Senat nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen werden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 17.3.2000 - 8 B 287.99 -, BVerwGE 111, 61).