Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 20.11.2014, Az.: 13 LC 140/13

Bewirtschaftungsplan; Bewirtschaftungsziel; Einleitwert; Kläranlage; Maßnahmenprogramm; Mindestanforderungen; Stand der Technik; Überwachungswert; Verschärfung; Wasserrahmenrichtlinie; wasserrechtliche Erlaubnis

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
20.11.2014
Aktenzeichen
13 LC 140/13
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2014, 42577
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 03.07.2013 - AZ: 5 A 2837/11

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Zu den Anforderungen an die nachträgliche Verschärfung der Überwachungswerte einer wasserrechtlichen Erlaubnis einer Kläranlage über den Stand der Technik hinaus.

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg - 5. Kammer - vom 3. Juli 2013 geändert.

Die Bescheide des Beklagten vom 25. August 2011 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide des Beklagten vom 16. November 2011 werden aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des festgesetzten Kostenbetrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich mit seinen drei Klagen gegen drei Bescheide des Beklagten, mit denen dieser Überwachungswerte für die vom Kläger betriebenen Kläranlagen Bakum, Lohne/Rießel und Lohne-Nordlohne geändert und neu festgesetzt hat.

Der Kläger betreibt die genannten Kläranlagen seit vielen Jahren.

Nach vorhergehender Anhörung setzte der Beklagte mit Änderungsbescheid vom 25. August 2011 zur Einleitungserlaubnis vom 29. Februar 1996 für die Kläranlage Bakum die unter Ziffer II aufgeführten Überwachungswerte für CSB auf 70 mg/l (zuvor 90 mg/l), für Nges auf 10 mg/l (zuvor 18 mg/l) und für Pges auf 1,5 mg/l (zuvor 2 mg/l) sowie die unter Ziffer IV aufgeführten abgaberechtlichen Überwachungswerte für CSB, N und P in gleicher Höhe neu fest. Für die Kläranlage Lohne-Nordlohne änderte der Beklagte mit Änderungsbescheid vom 25. August 2011 nach vorangegangener Anhörung des Klägers die Einleitungserlaubnis vom 29. Februar 1996 dahin, dass die unter Ziffer II aufgeführten Überwachungswerte für CSB auf 60 mg/l (zuvor 90 mg/l) und für Nges auf 14 mg/l (zuvor 18 mg/l) sowie die unter Ziffer IV aufgeführten abgaberechtlichen Überwachungswerte für CSB und N in gleicher Höhe neu festgesetzt wurden. Für die Kläranlage Lohne/Rießel schließlich setzte der Beklagte nach vorhergehender Anhörung mit Änderungsbescheid vom 25. August 2011 zur Einleitungserlaubnis vom 1. März 1996 die unter Ziffer II aufgeführten Überwachungswerte für CSB auf 60 mg/l (zuvor 90 mg/l) und für Nges auf 14 mg/l (zuvor 18 mg/l) sowie die unter Ziffer IV aufgeführten abgaberechtlichen Überwachungswerte für CSB und N in gleicher Höhe neu fest. Zur Begründung verwies der Beklagte jeweils darauf, dass die Anlagen des Klägers die gesetzlich vorgesehenen und zuvor festgesetzten Mindestanforderungen nach Anhang 1 der Abwasserverordnung seit 1992 unterschritten. Durch die Erklärung der niedrigeren Werte sei es dem Kläger möglich gewesen, die Abwasserabgabe zu reduzieren. Die jetzt erfolgte Herabsetzung diene der Sicherstellung einer besseren Wassergüte und -qualität in der Zukunft. Die Maßnahme sei auch verhältnismäßig, da die derzeitigen Messwerte noch unter 20% der neu festgesetzten Werte lägen. Damit seien die Voraussetzungen für eine Reduzierung der der Berechnung der Abwasserabgabe zugrunde zu legenden Schadeinheiten gem. § 4 Abs. 5 AbwAG weiterhin gegeben.

Der Kläger legte dagegen jeweils Widerspruch ein, da es für die Maßnahme keine hinreichende Rechtsgrundlage gebe und das Wasserhaushaltsgesetz – WHG - eine Unterschreitung der im Anhang zur Abwasserverordnung festgelegten Mindestanforderungen nicht erlaube. Zudem würden für ihn die Verrechnungsmöglichkeiten nach der Abwasserverordnung eingeschränkt. Schließlich komme eine nachträgliche Anforderung an die Abwassereinleitung nur mit einer auf die konkreten Verhältnisse am Bakumer Bach, am Hopener Mühlenbach und an der Schellohne zielenden Begründung in Betracht, woran es hier fehle.

Der Beklagte wies die Widersprüche mit Widerspruchsbescheiden vom 16. November 2011 zurück. Insbesondere seien die benannten Rechtsvorschriften richtig angewandt worden. Eine Herabsetzung der Überwachungswerte sei sowohl zulässig als auch verhältnismäßig. Mit ihr könne die Gewässerqualität des Bakumer Bachs, des Hopener Mühlenbachs und der Schellohne nachhaltig verbessert und die verbesserte Qualität auch aufrechterhalten werden. Dem Kläger bliebe nach den vorliegenden Messwerten ein hinreichender Puffer von 20%. Die wirtschaftlichen Interessen des Klägers hätten gegenüber einer dauerhaften Gewässerverbesserung zurückzustehen.

Der Kläger hat am 12. Dezember 2011 jeweils Anfechtungsklage erhoben. § 13 WHG sei als Ermächtigungsgrundlage nicht geeignet. Vielmehr sei eine Herabsetzung der Mindestanforderungen unzulässig. § 57 WHG entfalte insoweit eine Sperrwirkung. Dafür spreche auch die Formulierung des § 5 Abs. 1 Satz 3 WHG a.F., wonach die Anforderungen nach § 7a WHG a.F. nicht unterschritten werden dürften. Zudem sei durch die Schaffung der Mindestanforderungen durch die Rechtsverordnung bereits dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügt worden. Dies ergebe sich auch aus den Kriterien zur Bestimmung des Standes der Technik unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit zwischen Aufwand und Nutzen. Eine erneute Bemühung der Verhältnismäßigkeit sei rechtswidrig.

Unabhängig davon führe eine Verschärfung der Überwachungswerte nicht zu einer Verbesserung der Wasserqualität der drei Einleitungsgewässer, denn da er -  der Kläger - auch diese - neu festgesetzten - Werte seit Jahren eingehalten habe, sei kein Verbesserungseffekt zu erzielen. Außerdem habe der Beklagte die konkreten Verhältnisse am Bakumer Bach, am Hopener Mühlenbach und an der Schellohne weder ermittelt noch in seine Erwägungen einbezogen.

Demgegenüber sei für den Kläger ein ausreichender Spielraum zwischen den tatsächlichen Ablaufwerten und den Überwachungswerten notwendig. Ein Großteil des der Kläranlage Bakum zugeführten Abwassers stamme von zwei abwasserintensiven Betrieben, einer Versandschlachterei und einer Fettschmelze. Durch Veränderungen bei der dortigen Abwasservorbehandlung, durch marktbedingt unterschiedliche Produktionsauslastungen oder auch durch Betriebsstörungen könnten Schwankungen bei der Abwasserzusammensetzung und/oder -menge entstehen, die sich wegen des dominierenden Anteils der Betriebsabwässer am Gesamtabwasser auf den Betrieb der Kläranlage Bakum unmittelbar auswirken könnten. Zudem könnten erhebliche Schwankungen in der Reinigungsleistung dieser Kläranlage und damit auch bei den Überwachungswerten durch Witterungseinflüsse auftreten. Schließlich habe der Beklagte die wirtschaftlichen Interessen des Klägers nicht mit dem notwendigen Gewicht in seine Verhältnismäßigkeitsprüfung eingestellt. Die abgaberechtlichen Folgen der Verschärfung seien zugunsten des Einleiters bei der Ermessensausübung zu berücksichtigen. Diese Erwägungen gälten entsprechend auch für die beiden anderen Kläranlagen.

Der Kläger hat jeweils beantragt,

den Änderungsbescheid vom 25. August 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. November 2011 aufzuheben.

Der Beklagte hat jeweils beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat er auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide und seiner Widerspruchsbescheide verwiesen und ergänzend vorgetragen, soweit die Mindestanforderungen nicht unterschritten werden dürften, sei darunter zu verstehen, dass eine Verschlechterung ausgeschlossen werden solle. Eine Verschärfung der Anforderungen sei hingegen ohne weiteres möglich. Die künftig zu berücksichtigenden Überwachungswerte seien auch so bemessen, dass dem Kläger ein hinreichender Puffer von 20% verbleibe. Es seien zudem keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass sich eine darüber hinausgehende Verschlechterung der Überwachungswerte aufgrund unvorhersehbarer Schwankungen ergeben könne. Zudem habe das Verhältnis zwischen häuslicher und gewerblicher Einleitung in Bakum im letzten Jahr bei nahezu der Hälfte gelegen. Da der Beklagte letztlich durch die Wasserrechtsrahmenrichtlinie verpflichtet sei, alle Gewässer hinsichtlich ihrer Reinheit und Güte zu schützen, müsse dies auch für den Bakumer Bach, den Hopener Mühlenbach und die Schellohne gelten. Die durch Erlass geregelte Prüfpflicht bei sich fortlaufend wiederholender Erklärung über niedrigere Einleitungswerte führe zu einer umfassenden Pflicht zum Einschreiten, da eine Überprüfung und das Einschreiten für den Fall der Nichteinhaltung der Mindestwerte bereits gesetzlich geregelt sei und es dafür keiner eigenen Erlassregelung bedurft hätte. Der Zuständigkeitsbereich des Beklagten sei durch Landwirtschaft und große Tierhaltungsbetriebe geprägt. Aufgrund der damit einhergehenden Problematik sei die Gewässerqualität und -güte insgesamt bedenklich und jedenfalls verbesserungsbedürftig. Zudem handle es sich bei dem Bakumer Bach um ein Gewässer II. Ordnung mit der Güteklasse 2 bis 3, also mit einer als kritisch anzusehenden Gewässergüte, so dass die Maßnahmen zur Verbesserung des Zustandes notwendig seien. Bei dem Hopener Mühlenbach handle es sich um ein Gewässer II. Ordnung mit überörtlicher Bedeutung und der Güteklasse 3, also mit starker Verschmutzung, so dass ebenfalls Maßnahmen zur Verbesserung des Zustandes notwendig seien. Auch bei der Schellohne handle es sich um ein Gewässer II. Ordnung mit überörtlicher Bedeutung, bei der Maßnahmen zur Verbesserung des Zustandes erforderlich seien. Demgegenüber sei es nicht Aufgabe oder Zielsetzung des WHG, dem Kläger einen Puffer zur Wahrung betriebswirtschaftlicher Interessen zuzugestehen. Einmaligen Überschreitungen der Überwachungswerte werde durch die sogenannten 4 aus 5 - Regelung im Abwasserabgabenrecht hinreichend Rechnung getragen.

Mit Urteil vom 3. Juli 2013 hat das Verwaltungsgericht die Klagen abgewiesen. Nach § 13 WHG könne die zuständige Behörde auch nachträglich durch Inhalts- und Nebenbestimmungen zu einer wasserrechtlichen Erlaubnis Anforderungen an die Beschaffenheit einzubringender oder einzuleitender Stoffe stellen. Dabei müsse der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt werden und es dürften die Mindestanforderungen der AbwV nicht unterschritten werden. Es dürften zwar strengere, aber keine geringeren Anforderungen als in der AbwV gestellt werden. Diese stellten lediglich den Stand der Technik dar. Über den Stand der Technik hinausgehende Anforderungen könnten sich aus der bereits vorhandenen Belastung des Gewässers ergeben, vor allem dann, wenn zur Erreichung der Bewirtschaftungsziele des § 27 WHG ein bestimmter Gütezustand wiederhergestellt oder erhalten werden müsse. Hinsichtlich solcher konkreter Feststellungen habe der Beklagte seine Ermessenserwägungen in zulässiger Weise ergänzt. Zu Recht vertrete der Beklagte auch die Auffassung, die in § 27 WHG festgelegten Bewirtschaftungsziele seien im Einklang mit der Wasserrahmenrichtlinie (Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 - ABl. L 327 vom 22. Dezember 2000, S. 1) und als Konkretisierung der Ziele nach § 6 WHG dahin auszulegen, dass es Aufgabe der Wasserbehörden sei, für jedes oberirdische Gewässer eine ständige Verbesserung der Gewässerqualität und -güte anzustreben. So bedürfe es nicht einer konkreten Betrachtung des einzelnen Gewässers, soweit die Erhöhung der Einleitungsanforderungen gegenüber den in der AbwV festgeschriebenen Überwachungswerten einem solchen Verbesserungsziel diene. Die Festschreibung der neueren strengeren Überwachungswerte diene auch als Maßnahme, um Belastungen, wie Einträge von Düngerstoffen in oberirdische Gewässer und das Grundwasser zu reduzieren, was vom Kläger als der für die Trinkwasserversorgung zuständigen Körperschaft regelmäßig eingefordert werde. Schließlich wolle der Beklagte den Kläger im Sinne des § 4 Abs. 5 AbwAG motivieren, seine Anlagen fortgesetzt weiter zu modernisieren, um sich die abgaberechtlichen Vorteile zu erhalten, was letztlich wieder der Gewässerverbesserung und den wasserrechtlichen Bewirtschaftungszielen diene. Ein Festhalten an den Mindestanforderungen hemme hingegen eine dynamische Weiterentwicklung mit Blick auf diese Ziele mindestens in der Weise, als erst die gesetzgeberische Initiative einer Anpassung der Überwachungswerte aufgrund einer festgestellten Änderung des Stands der Technik abgewartet werden müsste. Demgegenüber könne der Auffassung des Klägers nicht beigetreten werden, mehr als die Einhaltung des Standes der Technik könne vom Inhaber einer wasserrechtlichen Erlaubnis schon aus Verhältnismäßigkeitsgründen grundsätzlich nicht verlangt werden. Jedenfalls seien strengere Regelungen zur Verbesserung eines Gewässers aufgrund einer konkreten Gewässersituation im Einzelfall zulässig. Derartige Einzelfallbetrachtungen habe der Beklagte auch angestellt. Dem stehe nicht entgegen, dass die betroffenen Kläranlagen die verschärften Werte bereits seit langer Zeit einhielten, da der Kläger auf der Grundlage des verringerten Sicherheitspuffers angehalten werde, vermeidbare Mehrverschmutzungen aus betriebswirtschaftlichen Gründen weiter zu reduzieren, eine nachhaltige Gewässerverbesserung jedenfalls mittelfristig erzielt werden könne. Ermessensfehler im Rahmen der angestellten Verhältnismäßigkeitsprüfung seien nicht erkennbar. Das Interesse des Klägers, weiterhin die Vergünstigung einer Reduzierung der Abwasserabgabe nach § 4 Abs. 5 AbwAG zu erlangen, werde durch Einräumung eines Aufschlags von 20% auf die tatsächlich erreichten Werte Rechnung getragen. Dadurch erhalte der Kläger zudem einen Sicherheitspuffer für die zeitweilige Verschlechterung der Einleitungswerte aufgrund unvorhersehbarer Ereignisse. Bei der Kläranlage Bakum sei der Anteil des gewerblichen gegenüber dem kommunalen Abwasser von 2005 bis 2011 deutlich zurückgegangen, so dass dieser Sicherheitspuffer auch insoweit ausreichend bemessen sei. Zudem könne einmaligen Überschreitungen durch die 4 aus 5-Regelung im Abwasserabgabengesetz hinreichend Rechnung getragen werden. Ein weitergehender Sicherheitspuffer sei mit den hochrangigen Zielen des WHG und der zugrundeliegenden Wasserrahmenrichtlinie nur schwer zu vereinbaren. Das Verwaltungsgericht hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen.

Am 2. August 2013 hat der Kläger Berufung eingelegt.

Hinsichtlich der Schellohne liege keine konkrete gewässerspezifische Begründung für die Verschärfung der Überwachungswerte vor. Im Gegensatz zum Bakumer Bach und zum Hopener Mühlenbach sei nach Angabe des Beklagten in seinem Schriftsatz vom 21. Juni 2013 hinsichtlich der Schellohne noch keine Einstufung der Gewässergüte durch den NLWKN vorgenommen worden. Bezüglich des Bakumer Bachs und des Hopener Mühlenbachs werde durch diesen Schriftsatz das Ermessen des Beklagten nicht lediglich ergänzt, sondern ausgetauscht. Erstmals in diesem Schriftsatz werde mit den Güteklassen dieser Gewässer argumentiert. In den Ausgangs- und Widerspruchsbescheiden sei hingegen der Gewässerschutz nur unter dem generellen Gesichtspunkt der Vorsorge und der allgemeinen Gewässerreinhaltung angesprochen worden. Dieser Wechsel von einer emissionsbezogenen zu einer immissionsbezogenen Begründung sei ein Austausch und nicht lediglich eine Ergänzung oder Konkretisierung der Ermessenserwägungen.

Die Verschärfung der Überwachungswerte könne mit dem Hinweis auf die Bewirtschaftungsziele des § 27 WHG auch inhaltlich nicht begründet werden. Es hätte geprüft werden müssen, ob die in Rede stehenden Verschärfungen durch die konkreten Bewirtschaftungsanforderungen für die aufnehmenden Gewässer gefordert würden sowie sinnvoll und zielführend seien. Dazu hätte der Bewirtschaftungsplan für die in Rede stehenden Gewässer herangezogen werden müssen. Vor dem Hintergrund einer integrativen Gewässerbewirtschaftung und der Betrachtung aller Belastungsquellen hätte berücksichtigt werden müssen, ob und ggf. welcher Handlungsbedarf in Bezug auf Abwassereinleitungen aus kommunalen Kläranlagen bestehe. Angesichts der Einhaltung des Standes der Technik durch die betroffenen Anlagen und Einleitungen sei ein derartiger konkreter Handlungsbedarf unter Bewirtschaftungsaspekten nicht nachgewiesen. Auch werde an keiner Stelle gesagt, welches der der in § 27 WHG geregelten Verbesserungsverbote die Verschärfung rechtfertigen solle. Insbesondere werde nicht geklärt, ob es sich bei den betroffenen Gewässern um künstliche oder erheblich veränderte handele. Die Gewässergüteklassen des NLWKN, auf die sich der Beklagte beziehe, seien zudem für die Bewirtschaftungsziele des § 27 WHG nicht maßgeblich. Nur auf der Grundlage einer davon anhand der jeweils geltenden Parameter zu unterscheidenden Einstufung nach § 5 der Oberflächenwasserverordnung könne beurteilt werden, ob die Verschärfung zu einer Verbesserung bei der Einstufungsklasse oder zumindest zu einer signifikanten oder erheblichen Verbesserung führe. Ein Kausalzusammenhang zwischen Einleitung und Gewässerbelastung sei nicht ermittelt worden.

Für nachträgliche emissionsbezogene Maßgaben an die Einleitung von Abwasser, für das die Abwasserverordnung Anforderungen aufstelle, sei nicht die allgemeine Regelung in § 13 Abs. 1 und 2 Nr. 1 WHG, sondern die besondere Regelung in § 57 Abs. 3 WHG einschlägig. Diese sei gegenüber der allgemeinen Regelung des § 13 WHG die speziellere Vorschrift. Nach dieser Bestimmung seien nachträgliche Anforderungen aber nur zulässig, wenn vorhandene Abwassereinleitungen nicht den Anforderungen der Abwasserverordnung und dem Stand der Technik entsprächen. Das sei hier nicht der Fall. Dieses Ergebnis könne auch aus der Vorgängervorschrift des § 5 Abs. 1 WHG abgeleitet werden, derzufolge die Anforderungen des § 7a WHG a.F. nicht unterschritten werden durften. Dies habe sich durch die seit dem 1. März 2010 geltende Nachfolgeregelung des § 13 WHG in der Sache nicht geändert. Diese Formulierung sei so zu verstehen, dass keine schärferen als die Anforderungen nach dem Stand der Technik verlangt werden dürften. Durch die Bestimmung des Standes der Technik erfolge auch eine Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit zwischen Aufwand und Nutzen möglicher Maßnahmen und dem Grundsatz der Vorsorge und Vorbeugung. Der Begriff der Mindestanforderungen dürfe nicht dahingehend missverstanden werden, dass es sich nur um bescheidene Minimalanforderungen handele, die deshalb nach der Entscheidung der Wasserbehörde beliebig verschärft werden könne. Auch die abwasserabgabenrechtlichen Folgen und Risiken einer Verschärfung der Überwachungswerte im Hinblick auf die Verrechnungsregelung des § 10 Abs. 3 AbwAG und die Möglichkeit der Heraberklärung nach § 4 Abs. 5 AbwAG sprächen gegen eine Verschärfung über den Stand der Technik hinaus.

Die Entscheidungen seien auch ermessensfehlerhaft. Erfülle der Einleiter die Anforderungen, die er nach dem Stand der Technik einzuhalten habe, stehe es ihm nach der gesetzlichen Konzeption frei, seine Anlagen weiter zu verbessern, um sich auf diese Weise einen zusätzlichen Sicherheitspuffer zwischen Überwachungs- und Betriebswerten zu verschaffen. Die „4-aus-5-Regelung“ könne bei verschärften Überwachungswerten im Falle unzulässiger Einleitungen in die öffentliche Abwasseranlage erfahrungsgemäß eine drastische Erhöhung der Abwasserabgabe nicht verhindern. Die derzeitigen Ergebnisse der Kläranlagen Lohne/Rießel und Bakum beruhten auf dem Umstand, dass sie noch nicht voll ausgelastet seien, da bei ihrer Dimensionierung die künftige Entwicklung der angeschlossenen Kommunen berücksichtigt worden sei. Als Wasserverband diene der Kläger dem öffentlichen Interesse. Er sei nicht auf die Erzielung von Gewinnen ausgerichtet. Betriebswirtschaftliche Gründe sprächen nicht gegen, sondern für eine möglichst gute Abwasserbehandlung. Durch die Heraberklärungen sei bereits eine kontinuierliche Reduzierung der Gewässerbelastung durch den Betreiber erreicht worden. Eine aktuelle Verbesserung der Gewässerqualität werde daher durch eine Verschärfung der Überwachungswerte nicht erreicht.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg - 5. Kammer -vom 3. Juli 2013 zu ändern und die Änderungsbescheide des Beklagten vom 25. August 2011 in Gestalt seiner Widerspruchsbescheide vom 16. November 2011 für die Kläranlagen Bakum, Lohne-Nordlohne und Lohne/Rießel des Klägers aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung und trägt ergänzend vor, es ergebe keinen Sinn, § 57 WHG eine Sperrwirkung gegenüber § 13 WHG zuzuschreiben. In diesem Falle sei eine Herabsetzung der Schadstoffeinleitung bei bestehenden Anlagen nur deshalb nicht möglich, weil sie den in § 57 WHG definierten technischen Standard einhielten. Die Überwachungswerte würden bei einem Status quo verbleiben und der Kläger erhalte einen Verschmutzungspuffer, den er nach eigenen Gutdünken ausnutzen könne. Dies könne nicht Sinn und Zweck der Regelungen des Wasserhaushaltsgesetzes sein, die unter Berücksichtigung der Wasserrahmenrichtlinie eine Reinhaltung des Gewässers als Lebensgrundlage für Mensch und Natur als besonders schützenswert erachteten.

Es sei in jedem einzelnen Bescheid Ermessen ausgeübt worden. Dabei sei darauf hingewiesen worden, dass die betroffenen Gewässer erheblich vorbelastet seien, weil der Gebietsbereich des Beklagten extensiv landwirtschaftlich bewirtschaftet werde. Die dortigen Gewässer befänden sich im Wesentlichen in der Güteklasse II aber auch III, was schon einen erheblichen Verschmutzungsgrad bedeute. Insofern seien keine neuen Ermessenserwägungen angestellt worden, indem erst kurz vor der mündlichen Verhandlung die Güteklassen der Gewässer mitgeteilt worden seien.

Entgegen der Angaben des Klägers sei die angefochtene Entscheidung nicht auf die Bewirtschaftungsziele des § 27 WHG gestützt worden. Lediglich in Ergänzung zu § 13 WHG sei § 27 WHG als Ausprägung der Wasserrahmenrichtlinie in die Entscheidung eingeflossen. Als untere Wasserbehörde habe er, der Beklagte, die Gewässer zum Wohle der Allgemeinheit möglichst schadstoffarm zu halten, unabhängig davon, ob diese Einleitquellen bereits einen guten oder gar sehr guten Standard aufwiesen. Durch das Herabsetzen der Überwachungswerte werde auch in Zukunft, ausgehend von der Schadstoffquelle Kläranlage, zumindest eine Verschlechterung der Qualität der Gewässer verhindert. Das entspreche den Vorgaben der EG-Wasserrahmenrichtlinie und damit letztlich den grundsätzlichen Regelungen des § 27 WHG. Diese Zielrichtung ergebe sich auch aus dem Erlass des Beigeladenen vom 22. Februar 2010. Eine Überwachung habe nur dann Sinn, wenn damit die Verhinderung einer Verschlechterung einhergehe. Da die Klägerin seit mehreren Jahren von der Möglichkeit Gebrauch mache, niedrigere Werte nach § 4 Abs. 5 AbwAG zu erklären, sei er, der Beklagte, nach diesem Erlass zur Anpassung der Werte verpflichtet gewesen.

Für die Gewässer Bakumer Bach, Hopener Mühlenbach und die Schellohne bestünden keine Maßnahmenprogramme oder Bewirtschaftungspläne. Für den Bakumer Bach werde mit der Förderung des Landes zurzeit ein Gewässerentwicklungsprogramm zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie erarbeitet. Die zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie erforderliche Erfassung der Gewässergüte habe für den Hopener Mühlenbach den Gewässerzustand „unbefriedigend“ (4) und für den Bakumer Bach den Gewässerzustand „schlecht“ (5) ergeben. Nach der Wasserrahmenrichtlinie sei der Beklagte gehalten, mindestens das gute ökologische Potential der Gewässer zu erreichen. Dafür sei zumindest eine Trendumkehr der auf das Gewässer einwirkenden Belastungen erforderlich. Hierzu zählten gerade bei den vorliegenden Gewässern mit einer eher geringen Wasserführung neben den diffusen Einleitungen besonders auch die Einleitungen der kommunalen Kläranlagen. Die Entscheidung über die mögliche Einleitung zusätzlicher Schadstofffrachten könne deshalb nicht mehr in das Ermessen des Kläranlagenbetreibers fallen. Bei Zulassung der alten Überwachungswerte ergäbe sich speziell für die Schellohne, die Kläranlage Lohne-Nordlohne sei hier die Quelle des Gewässers, eine mögliche Belastung von 72 t CSB/a statt 48 t CSB/a und von 14,4 N/a statt von 11,2 t N/a, wenn dem Antrag des Klägers auf Festsetzung der alten Überwachungswerte stattgegeben würde. Für die beiden anderen Gewässer ergäben sich ähnlich gravierende Verschlechterungen der derzeitigen tatsächlichen Einleitwerte. Auch ohne Vorlage spezieller Maßnahmenprogramme oder Bewirtschaftungspläne sei dieses nicht mit den Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie vereinbar und führe zur nochmaligen Verschlechterung der Gewässerqualität.

Der mit Senatsbeschluss vom 30. April 2014 Beigeladene hat keinen Antrag gestellt und ausgeführt, der Runderlass vom 22. Februar 2010 enthalte keine Anweisung an den Beklagten, Überwachungswerte einer Einleitungserlaubnis im Fall sog. „Reihenheraberklärungen“ niedriger festzusetzen. Der Runderlass halte die zuständige Behörde in diesem Falle bereits nach dem Wortlaut seiner Ziffer 4 lediglich zu einer Prüfung an. Die Maßstäbe einer solchen Prüfung seien demgegenüber dem Wasserrecht und nicht dem Runderlass zu entnehmen. Bei der Entscheidung über die Anpassung von Überwachungswerten in einer wasserrechtlichen Erlaubnis handele es sich damit weiterhin um eine Einzelfallentscheidung der unteren Wasserbehörde. Soweit ersichtlich habe der Beklagte bei seinen streitgegenständlichen Entscheidungen entsprechende Ermessenserwägungen angestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind .

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers ist begründet.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen die Bescheide des Beklagten vom 25. August 2011 in der Gestalt seiner Widerspruchsbescheide vom 16. November 2011 zu Unrecht abgewiesen.

Maßgeblich für die Entscheidung des vorliegenden Falles ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses der Widerspruchsbescheide vom 16. November 2011.

Zu Recht hat der Beklagte die Verschärfung der Überwachungswerte auf § 13 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 des Wasserhaushaltsgesetzes - WHG - vom 31. Juli 2009 (BGBl. I S. 2585), zuletzt geändert durch Gesetz vom 6. Oktober 2011 (BGBl. I S. 1986) gestützt. Nach dieser Bestimmung sind Inhalts- und Nebenbestimmungen auch nachträglich möglich. Die zuständige Behörde kann insbesondere Anforderungen an die Beschaffenheit einzubringender oder einzuleitender Stoffe stellen.

Die Anwendung dieser Regelung ist entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht durch § 57 WHG gesperrt. § 57 WHG ist eine die allgemeine Vorschrift des § 12 WHG ergänzende Spezialvorschrift für das Einleiten von Abwasser, die aus der Vorgängervorschrift des § 7a WHG a.F. entwickelt worden ist (vgl. Czychowski/Reinhardt, a.a.O., § 57, Rdnrn. 1 f.). Schon die Formulierung „darf nur erteilt werden“ in § 57 Abs. 1 WHG weist darauf hin, dass beide Vorschriften nebeneinander bestehen (vgl. BT-Drucks. 16/12275, S. 69; Czychowski/Reinhardt, WHG, 10. Aufl. 2010, § 57, Rdnrn. 13.) und § 57 die allgemeinen Anforderungen des § 12 WHG im Hinblick auf die Einleitung von Abwasser in Gewässer lediglich konkretisiert. § 57 Abs. 1 Nr. 1 WHG setzt unter Bezugnahme auf den Stand der Technik Mindestanforderungen fest, deren Erfüllung Voraussetzung der Erteilung einer für das Einleiten von Abwasser erforderlichen wasserrechtlichen Erlaubnis nach § 12 WHG ist (vgl. Berendes/Frenz/Müggenborg, WHG, 2011, § 57, Rdnrn. 6 ff.). Allerdings verwendet das Gesetz den Begriff der Mindestanforderungen nicht ausdrücklich. § 1 Abs. 1 der ursprünglich auf der Grundlage des § 7a Abs. 1 Satz 3 WHG a.F. erlassenen Abwasserverordnung (AbwV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Juni 2004 (BGBl. I, S. 1108) greift diese Begrifflichkeit jedoch auf. Demnach bestimmt diese Verordnung die Anforderungen, die bei der Erteilung einer Erlaubnis für das Einleiten von Abwasser in Gewässer mindestens festzusetzen sind. Zugleich wird durch die Abwasserverordnung nach § 57 Abs. 2 Satz 1 WHG der für § 57 Abs. 1 Nr. 1 WHG maßgebliche Stand der Technik normativ festgelegt. Die Weitergeltung der Abwasserverordnung auch unter dem neuen Wasserhaushaltsgesetz (vgl. dazu VGH BW, Urt. v. 8.11.2011 - 3 S 1729/09 -, juris, Rdnrn. 36 ff. m.w.N.). ergibt sich schon daraus, dass diese Verordnung zwischenzeitlich mehrfach auf der Grundlage von § 57 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 23 Abs. 1 Nr. 3 WHG geändert worden ist. Da die Berücksichtigung des Standes der Technik trotz des damit vorgegebenen vergleichsweise hohen Standards (vgl. die Definition in § 3 Nr. 11 WHG) mithin nur die Einhaltung der Mindestanforderungen gewährleistet, können im Einzelfall durchaus strengere Anforderungen zum Gegenstand einer Einleitungserlaubnis gemacht werden (vgl. VGH BW, a.a.O., juris, Rdnr. 39; Czychowski/Reinhardt, a.a.O., § 57, Rdnr. 4). Das ergibt sich bereits aus § 57 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG, der die Erteilung einer Einleitungserlaubnis zusätzlich zu dem hohen Anforderungsniveau des Standes der Technik des § 57 Abs. 1 Nr. 1 WHG von der Vereinbarkeit mit den Anforderungen an die Gewässereigenschaft und der Erfüllung sonstiger - ggf. strengerer - Vorschriften abhängig macht (vgl. Berendes/Frenz/Müggenborg, a.a.O., § 57, Rdnr. 20). Letzteres wird auch in § 1 Abs. 3 AbwV nochmals ausdrücklich ausgeführt. Diese verschärften Anforderungen können im Wege von Inhalts- und Nebenbestimmungen nach § 13 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 WHG angeordnet werden. Das kann - unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit - auch nachträglich erfolgen, wie sich auch aus der in § 18 Abs. 1 WHG gesetzlich angeordneten Widerruflichkeit der Erlaubnis ergibt (vgl. BT-Drs. 16/12275, S. 56; Berendes/Frenz/Müggenborg, a.a.O., § 13, Rdnr 36; Czychowski/Reinhardt, a.a.O., § 13, Rdnr. 88). Die nachträgliche Anordnung stellt sich insoweit als ein milderes Mittel dar.

Einer nachträglichen Anordnung steht auch § 57 Abs. 3 WHG in der zum Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidungen geltenden Ausgangsfassung nicht entgegen. Danach waren bei vorhandenen Abwassereinleitungen die erforderlichen Anpassungsmaßnahmen an die Anforderungen des § 57 Abs. 2 WHG oder entsprechende Anforderungen der Abwasserverordnung in ihrer am 28. Februar 2010 geltenden Fassung innerhalb angemessener Frist durchzuführen. Die Kläranlagen des Klägers entsprachen diesen Anforderungen jedoch von Anfang an. Anpassungsmaßnahmen waren nicht erforderlich. Aus dieser Anpassungsvorschrift kann nicht geschlossen werden, dass strengere Anforderungen als die in Abs. 2 des § 57 WHG genannten unzulässig wären. Es fehlt insoweit lediglich an einer diese Einzelfälle ausdrücklich regelnden Übergangsvorschrift.

Der erneut erhobene Einwand des Klägers, die in der Vorgängervorschrift des § 5 Abs. 1 Satz 3 WHG a.F. enthaltene Regelung, derzufolge die Anforderungen des § 7a WHG a.F. (Stand der Technik) nicht unterschritten werden dürften, belege, dass schärfere Anforderungen als die des Standes der Technik nicht zulässig seien, ist bereits sprachlich schwer nachzuvollziehen. (Mindest)anforderungen werden dann unterschritten, wenn geringere Anforderungen gestellt oder die Mindestanforderungen nicht eingehalten werden. In diesen Fällen kommt es zu einem Überschreiten der in den Mindestanforderungen vorgesehenen Überwachungswerte. Werden hingegen schärfere Anforderungen gestellt, führt dies nicht zu einem Unterschreiten, sondern zu einer Übererfüllung der Mindestanforderungen und zu einem Unterschreiten der dort festgelegten Überwachungswerte. Die Festlegung schärferer Anforderungen war zudem auch nach § 5 Abs. 1 Satz 3 WHG a.F. zulässig. Diese Vorschrift diente allein der Klarstellung des in § 5 Abs. 1 Satz 2 verankerten Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (vgl. BT-Drs. 16/12275, S. 56). Dieser besagte, dass zusätzliche (schärfere) Anforderungen nicht gestellt werden durften, wenn der mit der Erfüllung der Anforderung verbundene Aufwand außer Verhältnis zu dem mit der Anforderung angestrebten Erfolg stand. § 5 Abs. 1 Satz 3 WHG a.F. legte folglich mit dem Stand der Technik einen Standard fest, der auch aus Gründen der Verhältnismäßigkeit durch Verwaltungsakt nicht unterschritten werden durfte. § 7a Abs. 2 WHG a.F. und § 57 Abs. 2 Satz 3 WHG sahen und sehen demgegenüber für vorhandene Einleitungen durch Rechtsverordnung zu regelnde Übergangsregelungen vor, die bei unverhältnismäßigen Anpassungsmaßnahmen sogar eine Unterschreitung des Niveaus des Standes der Technik ermöglichen.

Über § 57 Abs. 1 Nr. 1 WHG hinausgehende Anforderungen kommen dann in Betracht, wenn sie aus konkreten Bewirtschaftungsgründen, d.h. zum Schutz bestimmter nutzungsorientierter oder ökologischer Belange, für das benutzte Gewässer erforderlich sind. § 57 Abs. 1 Nr. 1 WHG regelt nur im Vorfeld der eigentlichen Bewirtschaftungsentscheidung Menge und Schädlichkeit des Abwassers eines einzelnen Einleiters. Die Vorschrift kann nicht verhindern, dass Abwassereinleitungen insgesamt die für ein Gewässer kritische Grenze erreichen, bietet insbesondere keine Möglichkeit, die Zahl der Einleiter und damit die Gesamtbelastung der Gewässer zu begrenzen (vgl. Czychowski/Reinhardt, a.a.O., § 13, Rdnr. 13). Die Bestimmung des § 57 Abs. 1 Nr. 2 WHG ergänzt die emissionsbezogene Betrachtungsweise des § 57 Abs. 1 Nr. 1 WHG um eine immissionsbezogene Herangehensweise, indem sie die Vereinbarkeit der Einleitung mit den Anforderungen an die Gewässereigenschaften zur Voraussetzung einer Erlaubnis macht. Um die komplexe Gemengelage von unterschiedlichen wasserwirtschaftlichen Bewirtschaftungsaspekten im praktischen Vollzug handhabbar zu machen, wird in aller Regel auf Bewirtschaftungsvorgaben des Wasserhaushaltsgesetzes abzustellen sein, d.h. auf Bewirtschaftungspläne im Sinne des § 83 WHG - ggf. ergänzt durch detailliertere Programme und Bewirtschaftungspläne für Teileinzugsbereiche, für bestimmte Sektoren und Aspekte der Gewässerbewirtschaftung sowie für bestimmte Gewässertypen - und auf die zur Ausführung dieser Bewirtschaftungspläne bezogenen Maßnahmenpläne nach § 82 WHG (vgl. Berendes/Frenz/Müggenborg, a.a.O., § 57, Rdnr. 20). Wegen der Bezugnahme auf sonstige rechtliche Anforderungen und die Anforderungen an die Gewässereigenschaften rechtfertigt § 57 Abs. 1 Nr. 2 WHG auch bei einer anderenfalls nicht tragbaren Verschlechterung der Gewässergüte schärfere Überwachungswerte als die dem Stand der Technik entsprechenden. Dies gilt selbst dann, wenn zwar Ziele der Landesplanung hinsichtlich der Gewässergüte bestehen, aber noch keine entsprechenden Festlegungen in einem Bewirtschaftungsplan aufgestellt worden sind (vgl. Zöllner in Sieder/Zeitler/Dahme, WHG; Loseblatt, Stand September 2013, § 7a WHG (a.F.), Rdnr. 16). Strengere Voraussetzungen können etwa im Einzelfall im Hinblick auf die Nutzungserfordernisse und die besondere Schutzbedürftigkeit eines Gewässers z.B. für die Trinkwasserversorgung oder die Erholung der Bevölkerung (Baden/Fischen) und zur Bewahrung der natürlichen Funktionsfähigkeit des Gewässers oder des Natur- und Landschaftsschutzes erforderlich sein. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall, dass die Kausalzusammenhänge zwischen der Einleitung und der Gewässerbelastung ermittelt werden (vgl. Czychowski/Reinhardt, a.a.O., § 13, Rdnr. 14). Spezifische Besonderheiten der konkreten Einleitungs- oder Gewässersituation müssen die über den Stand der Technik hinausgehenden Anforderungen rechtfertigen (vgl. VGH BW, a.a.O., Rdnrn 40, 42; weitergehend: Hess VGH, Urt. v. 26.2.2003 - 5 UE 2304/01 -, juris, Rdnr. 40). An diesen Voraussetzungen fehlt es im vorliegenden Fall.

Allerdings hat der Beklagte seine diesbezüglichen Ermessenserwägungen in zulässiger Weise nach § 114 Satz 2 VwGO ergänzt. Bereits in den Ausgangsbescheiden vom 25. August 2011 hat er ausgeführt, dass durch die Herabsetzung der Überwachungswerte für die Zukunft eine bessere Gewässerqualität und -güte sichergestellt werde. Das entspreche auch den Vorgaben der EG-Wasserrahmenrichtlinie, deren Ziel insbesondere die Erreichung eines guten Gewässerzustands sei. Diese Argumentation hat er in den Widerspruchsbescheiden vom 16. November 2011 wiederholt. Damit hat der Beklagte hinreichend deutlich zu erkennen gegeben, dass er seinen Entscheidungen nicht allein eine emissions-, sondern auch eine immissionsbezogene Betrachtungsweise zugrunde legt. Diese bereits in den angefochtenen Bescheiden angelegte Begründung hat er im Laufe des Verwaltungsverfahrens insbesondere durch den Verweis auf die Einstufung der Gewässer in die Gewässergüteklassen weiter konkretisiert. Ein völliger Austausch der Begründung der getroffenen Ermessensentscheidungen liegt mithin nicht vor. Die Bescheide verstoßen jedoch gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

Der Beklagte hat die Geeignetheit und Erforderlichkeit einer Verschärfung der Überwachungswerte der drei betroffenen Kläranlagen über den Stand der Technik hinaus aus wasserwirtschaftlicher Sicht nicht hinreichend belegt. Auf Nachfrage hat der Beklagte erklärt, für die Gewässer Bakumer Bach, Hopener Mühlenbach und die Schellohne bestünden keine Maßnahmenprogramme bzw. Bewirtschaftungspläne. Für den Bakumer Bach werde zurzeit mit Förderung des Landes ein Gewässerentwicklungsprogramm zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie erarbeitet. Es bestehen mithin bislang keine konkreten Vorgaben für die Bewirtschaftung der betroffenen Gewässer, an die die verschärften Überwachungswerte anknüpfen könnten. Der schlichte Hinweis auf die Wasserrahmenrichtlinie und die Bewirtschaftungsziele des § 27 WHG reicht insoweit nicht aus, zumal nicht einmal näher ausgeführt wird, ob es sich um oberirdische Gewässer im Sinne des § 27 Abs. 1 WHG oder um oberirdische Gewässer im Sinne des § 27 Abs. 2 WHG handelt, die nach § 28 WHG als künstlich oder erheblich verändert eingestuft werden, was Unterschiede im Hinblick auf die geltende Zielvorgabe für den zu erreichenden bzw. zu erhaltenden ökologischen Zustand bzw. das zur erreichende oder zu erhaltende ökologische Potential hat. Die Zielbestimmungen des § 27 WHG bedürfen darüber hinaus zunächst der Umsetzung durch Bewirtschaftungsprogramme und Maßnahmenpläne im Sinne der §§ 82 ff. WHG (vgl. insbesondere die durch § 83 Abs. 3 WHG eingeräumte Möglichkeit zur Erstellung von detaillierten Programmen und Teilplänen), die den Zustand der Gewässer und die Quellen etwaiger Belastungen insgesamt in den Blick nehmen und auf die einzelnen Gewässer bezogene Ziele definieren. Erst aus diesen heraus lassen sich sodann im Rahmen des Bewirtschaftungsermessens konkrete Maßnahmen ableiten (vgl. Berendes/Frenz/Müggenborg, a.a.O., § 27, Rdnrn. 107 ff.). Nur eine derart konzeptionelle Herangehensweise rechtfertigt auf der Grundlage der Wasserrahmenrichtlinie und der Bewirtschaftungsziele des § 27 WHG die Verschärfung der Überwachungswerte über den Stand der Technik hinaus.

Auch der Zustand der betroffenen Gewässer rechtfertigt aus sich heraus nicht die vom Beklagten vorgenommene Verschärfung. Erstinstanzlich hat der Beklagte vorgetragen, der Bakumer Bach sei in die Gewässergüteklasse II-III einzuordnen und damit als kritisch einzustufen. Der Hopener Mühlenbach sei in die Gewässergüteklasse III einzuordnen; es handele sich also um ein stark verschmutztes Gewässer. Im Berufungsverfahren hat er den Gewässerzustand des Bakumer Bachs mit schlecht (5) und den des Hopener Bachs mit unbefriedigend (4) bezeichnet. Während es sich bei dieser Einstufung offensichtlich um eine nach der Niedersächsischen Verordnung zum wasserrechtlichen Ordnungsrahmen vom 27. Juli 2004 (Nds. GVBl. 2004, 268) handelt, folgt die erstinstanzliche Einordnung erkennbar dem Saprobiensystem. Eine Einstufung der Schellohne hat der Beklagte nicht vorgenommen. Insgesamt mag der Gewässerzustand des Bakumer Bachs und des Hopener Mühlenbachs aufgrund der Einstufung ihrer Gewässergüte verbesserungsbedürftig sein. Dennoch rechtfertigt diese Erkenntnis keine gleichsam freihändige Festsetzung schärferer Überwachungswerte ohne zugrundeliegendes Sanierungskonzept. Will die zuständige Wasserbehörde an die Einleitung von Abwasser zur Sanierung eines Gewässers über den Stand der Technik hinausgehende Anforderungen stellen, so muss sie sich zuvor Klarheit über die Ursachen des schlechten Gewässerzustandes sowie die zu ergreifenden Maßnahmen und deren Wirkung verschaffen. Nur auf diesem Wege ist ein effektives und die von den erforderlichen Maßnahmen betroffenen Adressaten in sachgerechter und verhältnismäßiger Weise treffendes Handeln möglich. Ein derartiges Sanierungskonzept ist im vorliegenden Fall erkennbar nicht erstellt worden. Eine Bestandsaufnahme der konkreten Beeinträchtigungen der betroffenen Gewässer hat nicht stattgefunden. Der Beklagte hat an keiner Stelle aufgezeigt, welche konkreten Auswirkungen die Einleitungen der klägerischen Kläranlagen auf die Einordnung der Gewässergüte der betroffenen Gewässer im Verhältnis zu anderen Faktoren haben. Vielmehr ist der Zuständigkeitsbereich des Beklagten nach dessen eigenen Angaben durch Landwirtschaft und große Tierhaltungsbetriebe geprägt, was zu entsprechenden Problemen im Hinblick auf die Wassergüte führe. Auf diese die Wasserqualität beeinträchtigenden Umstände hat eine Verschärfung der Überwachungswerte der Kläranlagen des Klägers indes keinen Einfluss. Auch eine Änderung der Einstufung durch die verschärften Grenzwerte ist nicht einmal behauptet worden. Dies erklärt sich daraus, dass nach übereinstimmenden Angaben der Beteiligten die Kläranlagen des Klägers auch die verschärften Anforderungen seit mehr als einem Jahrzehnt einhalten bzw. übererfüllen, eine unmittelbare Verbesserung des Gewässerzustandes auf der Grundlage der angefochtenen Bescheide mithin schon deshalb nicht zu erwarten ist.

Die lediglich mittelbare Wirkung verschärfter Überwachungswerte im Hinblick auf die künftig erschwerte Möglichkeit von Heraberklärungen nach § 4 Abs. 5 AbwAG und der daraus erwachsende Druck auf weitere technische Nachrüstung der betreffenden Kläranlagen rechtfertigt eine Verschärfung der Überwachungswerte über den Stand der Technik hinaus hingegen nicht. Grundsätzlich ist ein Einleiter von Abwasser nach § 57 Abs. 1 Nr. 1 WHG zur Einhaltung des relativ hohen Standards des Standes der Technik verpflichtet. Darüber hinausgehende Anforderungen können nur aus den beschriebenen, konkret zu ermittelnden und zu belegenden wasserwirtschaftlichen Gründen festgelegt werden (weitergehend: Hess VGH, Urt. v. 26.2.2003 - 5 UE 2304/01 -, juris, Rdnr. 40). Liegen derartige Gründe nicht vor, so hat es mit der Einhaltung des in der Abwasserverordnung definierten Standes der Technik sein Bewenden. Eine Dynamisierung dieser Anforderungen ist Aufgabe des Verordnungsgebers, nicht der einzelnen Wasserbehörden. Es liegt nicht in deren Zuständigkeit, den erforderlichen Anpassungsprozess des Standes der Technik durch Vorgabe jeweils eigener Werte zu beschleunigen. Eine Ermächtigung der Wasserbehörden, die Überwachungswerte bei langjähriger Unterschreitung anzupassen, enthält weder das Wasserhaushaltsgesetz noch das Abwasserabgabengesetz. Nur in diesem gesetzlichen Rahmen kann auch der Runderlass des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt und Klimaschutz vom 22. Februar 2010 - 22/62005/01 - ausgelegt werden. Nach dessen Ziffer 4 ist von der zuständigen Behörde zu prüfen, ob der wasserrechtliche Bescheid anzupassen ist, wenn sich eine Heraberklärung nach § 4 Abs. 5 AbwAG auf einen längeren Zeitraum als zusammenhängend drei Monate bezieht und sie fortlaufend mit grundsätzlich gleichem Inhalt wiederholt wird. Nur in den beschriebenen Ausnahmefällen, die einen wasserrechtlichen, nicht abgaberechtlichen Hintergrund haben, oder wenn der wasserrechtliche Bescheid bislang - aus welchen Gründen auch immer - nicht den Stand der Technik widerspiegelt, kann es zu einer Anpassung des wasserrechtlichen Bescheids kommen. In allen anderen Fällen ist eine Verschärfung über den Stand der Technik hinaus unzulässig. Dies ergibt sich auch aus der Stellungnahme des Beigeladenen im vorliegenden Verfahren, der ausführt, Ziffer 4 des Runderlasses halte die zuständigen Behörden lediglich zur Prüfung an und enthalte keine Anweisung, die Überwachungswerte einer Einleitungserlaubnis im Falle sogenannter Reihenheraberklärungen niedriger festzusetzen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen entspricht nicht der Billigkeit, weil dieser keinen Antrag gestellt hat und damit auch kein Kostenrisiko eingegangen ist (§ 162 Abs. 3 i.V.m. § 154 Abs. 3 VwGO).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, da die grundsätzlich bedeutsame Frage, unter welchen Voraussetzungen die Anforderungen an die Einleitung von Abwasser in Gewässer über den Stand der Technik hinaus verschärft werden können, bislang keine höchstrichterliche Klärung erfahren hat.

Der Streitwert wird auf 15.000 EUR festgesetzt. Dabei legt der Senat für jeden der angefochtenen Bescheide den Auffangwert des § 52 Abs. 2 GKG zugrunde.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).