Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 30.06.2021, Az.: 1 LC 120/17

Biogasanlage; Einwirkungsbereich; Familienprojekt; Geruchsimmission; Geruchsimmissions-Richtlinie; Kettenkumulation; Kumulation; Kumulation, nachträgliche; Stand der Technik; Standortbezogene Vorprüfung; Umweltverträglichkeitsprüfung; Umweltverträglichkeitsprüfung, unterbliebene; Verbesserungsgenehmigung; Verfahren, ergänzendes; Verfahrensfehler, absoluter

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
30.06.2021
Aktenzeichen
1 LC 120/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2021, 70958
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 14.11.2013 - AZ: 2 A 2625/12

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Die Legaldefinition des Einwirkungsbereichs nach § 2 Abs. 11 UVPG kann auch für die nachträgliche Kumulation im Rahmen des UVPG 2010 herangezogen werden. Eine Überschneidung von Immissionsradien reicht zur Annahme eines gemeinsamen Einwirkungsbereichs i.S. des UVPG nicht aus; im Überschneidungsbereich muss auch ein schutzwürdiges Objekt liegen, auf das die Immissionen einwirken.
2. Eine funktionale und wirtschaftliche Verschränkung im Sinne eines planvollen Vorgehens liegt bei einem sog. Familienprojekt vor (Anschluss an OVG Berl.-Bbg., Beschl. v. 8.9.2015 - 11 S 22.15 -, ZUR 2016, 113 = juris Rn. 41 ff.; OVG NRW, Beschl. v. 16.3.2020 - 10 A 360/18 -, juris Rn. 39 ff.).
3. Eine gemeinsame bauliche oder betriebliche Einrichtung i.S. von § 3b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 UVPG 2010 (§ 10 Abs. 4 Satz 2 UVPG), die landwirtschaftliche Ställe mit Tierhaltung verbinden, können auch ein gemeinsam zu Verwaltungszwecken genutztes Gebäude (hier: Hofstelle mit Büroräumen) und eine zur Gülleverwertung verwendete Biogasanlage sein.
4. Die Möglichkeit einer "Kettenkumulation", bei der die Kumulation von zwei Anlagen nur mittels einer mit beiden Anlagen kumulierenden weiteren Anlage begründet wird, besteht nicht, weil die Umweltauswirkungen grundsätzlich für jede Anlage einzeln zu betrachten sind und nur unter besonderen Voraussetzungen eine gemeinsame Bewertung geboten ist.

Tenor:

Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Stade - 2. Kammer - vom 14. November 2013 wird geändert. Die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 11. November 2010 mit den Nachtragsbaugenehmigungen vom 6. Juli 2012 und 17. August 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Oktober 2012 wird für rechtswidrig und nicht vollziehbar erklärt.

Die Gerichtskosten des erstinstanzlichen Verfahrens und die im Berufungsverfahrens bis zum 9. Juni 2015 angefallenen Gerichtskosten tragen der zu diesem Zeitpunkt durch Rücknahme der Berufung aus dem Berufungsverfahren ausgeschiedene Ehemann der Klägerin (ehemaliger Kläger zu 2.) zur Hälfte, die Klägerin zu einem Viertel und der Beklagte und der Beigeladene je zu einem Achtel. Die bis zum 9. Juni 2015 angefallenen außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen der Beklagte und der Beigeladene je zu einem Viertel. Die bis zum 9. Juni 2015 angefallenen außergerichtlichen Kosten des Beklagten und des Beigeladenen trägt der ausgeschiedene Kläger zu 2. zur Hälfte und die Klägerin zu einem Viertel. Die nach dem 9. Juni 2015 angefallenen Gerichtskosten tragen die Klägerin zur Hälfte und der Beklagte und der Beigeladene zu je einem Viertel. Die nach dem 9. Juni 2015 angefallenen außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen der Beklagte und der Beigeladene je zu einem Viertel. Die nach dem 9. Juni 2015 angefallenen außergerichtlichen Kosten des Beklagten und des Beigeladenen trägt die Klägerin zur Hälfte. Im Übrigen trägt jeder Beteiligte seine außergerichtlichen Kosten selbst.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin, der ausgeschiedene Kläger zu 2., der Beklagte bzw. der Beigeladene können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin, der Beklagte bzw. der Beigeladene vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich zur Abwehr von Geruchsimmissionen auf ihr benachbartes Grundstück gegen eine dem Beigeladenen am 11. November 2010 für die Errichtung eines Aufzuchtstalles für 1920 Ferkel und drei Futtermittelsilos erteilte Baugenehmigung. Nach Zurückverweisung der Sache durch das Bundesverwaltungsgericht und teilweiser Rücknahme der Klage in der anschließenden mündlichen Verhandlung vor dem Senat steht zwischen den Beteiligten im Wesentlichen noch im Streit, ob für das Vorhaben aufgrund nachträglicher Kumulation eine bei der Genehmigungserteilung nicht beachtete Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung oder einer Vorprüfung des Einzelfalls zur Feststellung der UVP-Pflichtigkeit bestand.

Die Klägerin erwarb 1997 Eigentum an dem Grundstück A-Straße (Gemarkung G. Flur 3 Flurstück 295/4) im Ortsteil G. der zum Kreisgebiet des Beklagten gehörenden Gemeinde A-Stadt. Das Grundstück mit einer Größe von mehr als 1,6 ha liegt am nördlichen Rand des Ortsteils im Übergang zum Außenbereich. Bauplanerische Festsetzungen bestehen für es insgesamt nicht. Auf dem Grundstück befand sich früher eine Hofstelle; in dem zur Straße hin gelegenen Bereich waren nach dem Krieg ein „Flüchtlingshaus“ mit angebautem Kuhstall sowie in den 1950er Jahren ein Schweinestallanbau und ein Hühnerstall genehmigt worden. Spätestens 1989 wurde die landwirtschaftliche Nutzung aufgegeben. Die Klägerin bezog nach dem Erwerb des Grundstücks gemeinsam mit ihrem Ehemann das zur Hofstelle gehörende Wohnhaus. 2000 wurde ihr zusätzlich eine Wohnung in einem Teil des dafür erweiterten ehemaligen Hühnerstalls genehmigt. Die Klägerin nutzt ihr Grundstück außerdem zur Haltung und zum Training ihrer Reitpferde sowie für ein Fotoatelier.

Der 1974 in die Gemeinde A-Stadt eingegliederte Ortsteil G., der eine Fläche von ca. 8 km² und weniger als 250 Einwohner aufweist, liegt etwa 1 km nördlich des Hauptorts. Der Ortsteil wird von landwirtschaftlichen Betrieben mit Tierhaltungsanlagen geprägt. In dem für die Einwirkung von Tier-, Gülle- und Silagegerüchen auf das Grundstück der Klägerin maßgeblichen Bereich befinden sich neben sieben weiteren Betrieben zwei Betriebsstätten, die im Grundeigentum des Sohnes des Beigeladenen stehen, über Pachtverträge aber neben einem Geschäftspartner auch von seiner Ehefrau sowie dem Beigeladenen genutzt werden. Der Standort A-Straße 8, der das im Übergang zum Außenbereich liegende Flurstück 287/2 der Flur 3 und das nördlich angrenzende Flurstück 54/2 der Flur 10, jeweils Gemarkung G., umfasst, liegt nordöstlich und der Standort H., der sich auf die Außenbereichsflurstücke 17, 18 und 19 der Flur 11 Gemarkung G. erstreckt, liegt nordwestlich des Grundstücks der Klägerin. Der Abstand zwischen beiden Betriebstätten liegt zwischen ungefähr 670 m und 820 m.

Sowohl der Beigeladene als auch sein Sohn und dessen Ehefrau führ(t)en jeweils einen privilegierten landwirtschaftlichen Betrieb mit dem Betriebszweig Schweinehaltung. Der Sitz des Betriebes des Beigeladenen ist auf der Hofstelle in der C-Straße im Hauptort A-Stadt; in seinem Wohnhaus unterhält der Beigeladene ein Büro. Der Sohn des Beigeladenen wohnt gemeinsam mit seiner Ehefrau auf dem Standort A-Straße 8. Nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ist der Sohn des Beigeladenen allerdings weiterhin unter der Anschrift seines Elternhauses in der C-Straße gemeldet. Dort stand ihm in den Jahren 2008 bis 2016 auch ein Büro zur Verfügung, das von dem Büro seines Vaters getrennt in seinem früheren Kinderzimmer eingerichtet war. Das Büro verfügte über eine eigene Toilette und einen eigenen Zugang von außen und wurde von einem seiner Angestellten genutzt worden.

Das von der Klägerin angegriffene Bauvorhaben betrifft die Betriebsstätte A-Straße 8 im Übergang vom Flurstück 287/2 der Flur 3 zum Flurstück 54/2 der Flur 10. Dort genehmigte der Beklagte dem Beigeladenen, der die Fläche zuvor von seinem Sohn gepachtet hatte, am 11. November 2010 den Neubau eines Ferkelaufzuchtstalles für 1920 Ferkel (im Folgenden benannt als Stall 3; die Bezeichnungen der Anlagen folgen einem von dem Beklagten im Berufungsverfahren eingereichten, Bl. 608 GA, Lageplan) und drei Futtermittelsilos. Zu diesem Zeitpunkt waren auf dem Flurstück 287/2 bereits zwei dem Beigeladenen und seiner Ehefrau schon im Jahr 1998 mit einem Gesamtbesatz von 2232 Tieren baurechtlich genehmigte Ferkelaufzuchtställe (Ställe 1 und 2) vorhanden.

Die Baugenehmigung vom 11. November 2010 nimmt Bezug auf eine dem Sohn des Beigeladenen bei ähnlichem Standort am 7. Februar 2008 für das Vorhaben „Neubau eines Ferkelaufzuchtstalles für 1920 Ferkel, 3 Futtermittelsilos und eines Güllebehälters“ erteilte, in der Folgezeit aber nicht umgesetzte Baugenehmigung. Dem Beklagten war im November 2009 zunächst ein förderrechtlich begründeter Bauherrenwechsel zum Beigeladenen angezeigt worden. Im Juli 2010 hatte der Beigeladene dann Änderungen zur Baugenehmigung vom 7. Februar 2008 beantragt und schließlich auf Veranlassung des Beklagten im August 2010 einen neuen Bauantrag gestellt. Geändert wurde insbesondere die Entlüftung des Ferkelaufzuchtstalles. Während das am 7. Februar 2008 genehmigte Vorhaben über eine Abluftreinigungsanlage (Biofilter) verfügen sollte, findet die Entlüftung nach der hier streitgegenständlichen Baugenehmigung über mehr als 14 m hohe Abluftkamine mit Sauglüftungsanlage statt.

Bereits im Juli 2010 waren Anwohner auf die Baumaßnahme, mit deren Umsetzung zu diesem Zeitpunkt begonnen worden war, aufmerksam geworden. Gegenüber dem Beklagten wandten sie dagegen ein, schon derzeit erheblichen Geruchsimmissionen durch Tierhaltung ausgesetzt zu sein. Auch die Klägerin und ihr Ehemann machten Bedenken geltend. Insbesondere beanstandeten sie das im Auftrag des Sohnes des Beigeladenen zur Beurteilung der Auswirkungen des Vorhabens auf die Nachbarschaft hinsichtlich Geruchs-, Ammoniak- und Staubimmissionen von dem Ingenieurbüro Prof. Dr. I. erstellte Gutachten als fehlerhaft. Im Zuge der daraufhin erfolgten Überarbeitung des Gutachtens verpflichtete sich der Beigeladene am 8. November 2010, bis zur Inbetriebnahme des Ferkelaufzuchtstalles Maßnahmen zur Emissionsminderung vorzunehmen, nämlich - unter entsprechendem Verzicht auf die Ausnutzung der Baugenehmigung aus 1998 - den Tierbestand in den Ställen 1 und 2 von bis dahin 1.080 auf 888 Ferkel bzw. von 1.152 auf 960 Ferkel zu verringern und die beiden Ställe in Zukunft zentral durch einen am nördlichen Stallende von Stall 2 vorgesehenen 14 m hohen Abluftkamin zu entlüften. Außerdem wurde der Güllebehälter aus dem Bauantrag herausgenommen.

Das überarbeitete Gutachten vom 3. November 2010 war zu der Einschätzung gelangt, dass es durch die Emissionsminderungsmaßnahmen zu einer Senkung der Geruchswahrnehmungshäufigkeiten an sämtlichen umliegenden Nachbarhäusern kommen würde. Darlegt wurde auch, dass bereits in der Ist-Situation im Umfeld des Vorhabenstandortes der Orientierungswert der Geruchsimmissions-Richtlinie für Dorfgebiete von 15 % der Jahresstundenwahrnehmungshäufigkeit überschritten werde. Ein Senken der Immissionswerte unter diesen Wert sei durch den Betrieb C. allein nicht möglich, weil die Vorbelastungen u.a. auch aus anderen Betrieben bereits ohne Umsetzung des Vorhabens teilweise höher seien. Für das als Immissionsort 1 geführte Grundstück der Klägerin wurde bei einer Vorbelastung von 34,7 % von einer Senkung der Geruchswahrnehmungshäufigkeit um 1 % auf 33,7 % ausgegangen.

Die Verpflichtungserklärungen des Beigeladenen zur Belegung und Entlüftung der Ställe 1 und 2 wurden - neben weiteren immissionsschutzrechtlichen Auflagen - als Nebenbestimmungen in die Baugenehmigung vom 11. November 2010 aufgenommen. Zu deren Bestandteil wurde ebenfalls das Gutachten des Ingenieurbüros Prof. Dr. I. vom 3. November 2010 gemacht. Auch wurde die Betriebsbeschreibung Bestandteil der Baugenehmigung; in ihr ist u.a. festgelegt, dass die Einstallung der Ferkel in den Stall 3 mit einem Gewicht von ca. 7 kg und die Aufzucht bis 28 kg erfolgen.

Im Zeitpunkt der Erteilung der Baugenehmigung vom 11. November 2010 befanden sich auf beiden Betriebsstätten weitere Anlagen bzw. lagen Genehmigungen zur Errichtung weiterer Anlagen vor:

Auf dem südlich gelegenen Flurstück 19 des Standortes H. war dem Sohn des Beigeladenen zu einem bereits 1997 genehmigten und anschließend auch in Betrieb genommenen Stall für 244 Sauen einschließlich Absatzferkel (Stall 10) am 5. Mai 2008 eine Baugenehmigung für den Anbau eines Abferkelstalles mit 88 Plätzen bei gleichzeitiger Erhöhung des Gesamtbestandes auf 485 produzierende Zuchtsauen und 88 Jungsauen erteilt worden. Schon zuvor - am 9. Januar 2008 - war der Schwiegertochter des Beigeladenen unmittelbar westlich angrenzend der Neubau eines Sauenstalls mit einem Gesamtbestand von 485 NT-Sauen und 150 Jungsauen (Stall 11) genehmigt worden. Darüber hinaus war dem Beigeladenen für das nördlich gelegene Flurstück 17 der Betriebsstätte H. am 4. November 2009 eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung für den Neubau eines Schweinemaststalles mit 1824 Schweinemastplätzen (Stall 7) erteilt worden. Auf dem mittleren Flurstück 18 wurde eine Biogasanlage mit einer Feuerungswärmeleistung von 1,288 MW (Anlage 8 - Biogasanlage I) betrieben, die dem Sohn des Beigeladenen am 16. Januar 2006 einschließlich eines Güllebehälters (Traunsteiner Silo) mit einem Fassungsvermögen von 7.922 m³ immissionsschutzrechtlich und baurechtlich genehmigt worden war und deren Abwärme für den Stall 10 genutzt wurde. Die Biogasanlage I war zudem über eine Gasleitung mit einem auf dem Standort A-Straße 8 befindlichen, einem Geschäftspartner des Sohnes des Beigeladenen, Herrn J. K., in den Jahren 2006/2007 genehmigten Blockheizkraftwerk (Anlage 5 - BHKW I) verbunden, mit dessen thermischer Energie die Ställe 1 und 2 beheizt wurden. Für einen Standort westlich der Biogasanlage I war dem Sohn des Beigeladenen am 6. September 2010 eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung einschließlich Baugenehmigung für eine zweite Biogasanlage mit einer Feuerungswärmeleistung von 1,126 MW (Anlage 9 - Biogasanlage II) genehmigt worden. Im November 2010 wurde ein Bauherren-/Betreiberwechsel zur C. & K. GmbH & Co. KG angezeigt, an der der Sohn des Beigeladenen und sein Geschäftspartner Herr K. je zur Hälfte beteiligt sind, wobei die C. & K. GmbH von Herrn K. geführt wird. Von der Biogasanlage II war eine Gasrohrleitung zu einem zweiten Blockheizkraftwerk (BHKW II) auf der Betriebsstätte A-Straße 8 östlich des vorhandenen BHWK I vorgesehen, das dem Sohn des Beigeladenen am 16. Mai 2011 genehmigt wurde. Die thermisch ausgekoppelte Wärme des BHWK II wird für ein Nahwärmenetz genutzt, das der Beheizung des Stalles 3 dient.

Schließlich befand sich auf dem Standort A-Straße 8 westlich der Ställe 1 und 2 ein sog. Altstall (Stall 6), in dem, wie Ende 2010 bekannt wurde, ohne entsprechende Genehmigung Jungsauen gehalten wurden. Auf Forderung des Beklagten wurde die Nutzung aufgegeben. 2014 wurde dem Sohn des Beigeladenen hinsichtlich des Stalles 6 eine Baugenehmigung für das Vorhaben „Legalisierung Nutzungsänderung: Ställe in Jungsauenställe (Quarantäneställe), 80 Jungsauen, 2 Eber“ erteilt, die die Klägerin ebenfalls angriff.

Im Nachgang zur Baugenehmigung vom 11. November 2010 genehmigte der Beklagte am 8. November 2011 das Vorhaben „Neubau Zwischengang“ zur Verbindung der Ställe 1 und 2 mit dem Stall 3; zugleich wurde als Ersatz für die drei Futtermittelsilos die Errichtung von 2x4 Futtermittelsilos genehmigt. Erteilt wurde die Baugenehmigung der L. GbR, an die der Beigeladene den Stall 3 zum 1. Juli 2011 als Gesellschaftseinlage verpachtet hatte. Gegenstand der von ihm und seiner Schwiegertochter damals neu gegründeten Gesellschaft mit Sitz in der C-Straße in A-Stadt ist die gemeinsame Bewirtschaftung eines landwirtschaftlichen Betriebes; die Schwiegertochter des Beigeladenen brachte ihren gesamten landwirtschaftlichen Betrieb in die Gesellschaft ein.

Zur Baugenehmigung vom 11. November 2010 wurden zudem bis Ende 2012 - am 23. Mai 2011, 6. Juli 2012, 17. August 2012 und 17. Dezember 2012 - insgesamt vier Nachtragsgenehmigungen erteilt. Durch den dritten Nachtrag wurde eine etwa 1 km lange Gülleleitung zwischen dem Stall 3 und der Biogasanlage II auf dem Standort H. genehmigt. Die Schlussabnahme des Vorhabens erfolgte im August 2015.

Bereits am 2. Dezember 2010 hatten die Klägerin und ihr Ehemann gegen die Baugenehmigung vom 11. November 2010 Widerspruch eingelegt, den der Beklagte mit am 30. Oktober 2012 zur Zustellung gegebenem Widerspruchsbescheid vom 25. Oktober 2012 als unbegründet zurückwies und u.a. ausführte: Die Kritik der Klägerin und ihres Ehemannes an dem Gutachten vom 3. November 2010 werde durch eine dazu eingeholte Stellungnahme des Ingenieurbüros Prof. Dr. I. vom 23. Dezember 2010 ausgeräumt. Mit ihrer Forderung nach dem Einbau eines Biofilters in den Stall 3 könnten die Eheleute ebenfalls nicht durchdringen. Bei einem Ferkelaufzuchtstall wie dem genehmigten entspreche der Einsatz von Abluftreinigungsanlagen, wie der Senat im Jahr 2009 entschieden habe, noch nicht dem Stand der Technik.

Am 30. November 2012 haben die Klägerin und ihr Ehemann (als Kläger zu 2.) Klage erhoben. Zur Begründung haben sie maßgeblich geltend gemacht, dass das Vorhaben des Beigeladenen ihnen gegenüber rücksichtslos sei. Die in dem Gutachten vom 3. November 2010 ermittelte Geruchsbelastung von 33,7 % der Jahresstunden sei ihnen nicht zuzumuten. Eine über einen für eine Dorfrandlage anzusetzenden Orientierungswert von 20% Geruchsstunden pro Jahr noch hinausgehende Überschreitung komme auch dann nicht in Betracht, wenn eine Baumaßnahme unter dem Strich zu einer Verringerung der Immissionsbelastung auf den Wohngrundstücken führe. Jedenfalls aber müsse in ihrem Fall zur Verbesserung der Geruchsimmissionssituation eine Abluftreinigungsanlage zwingend vorgegeben werden.

Die Klägerin und ihr Ehemann haben beantragt,

die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 11. November 2010 in der Fassung der Nachtragsgenehmigungen vom 6. Juli 2012 und 17. August 2012 sowie den Widerspruchsbescheid vom 25. November 2012 aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass seine Praxis, Ställe für Tierhaltung auch bei deutlich über 20 % der Jahresstunden liegenden Geruchswahrnehmungshäufigkeiten zuzulassen, wenn die Überschreitungen aus einer bestehenden Vorbelastung verschiedener landwirtschaftlicher Betriebe resultierten und das vorhandene Immissionsniveau nicht noch weiter erhöht, sondern vielmehr leicht gesenkt werde, nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstoße. Bei dem Ortsteil G. handele es sich um ein typisches Dorf mit noch relativ vielen landwirtschaftlichen Betrieben, mit denen die benachbarten Wohngrundstücke in einer über Jahre und Jahrzehnte gewachsenen „Schicksalsgemeinschaft“ stünden.

Der Beigeladene hat ebenfalls beantragt,

die Klage abzuweisen.

Auch der Beigeladene hat den Vorwurf der Rücksichtslosigkeit seines Vorhabens nicht für gerechtfertigt gehalten. Bei der Prüfung, ob einem im Außenbereich privilegierten Vorhaben öffentliche Belange entgegenstünden, sei nur zu betrachten, ob das Bauvorhaben selbst schädliche Umweltauswirkungen auslöse. Nicht maßgeblich sei, ob - ohne dass das Bauvorhaben an der Situation etwas ändere - eine Vorbelastung bestehe, die für sich schon festgelegte Belastungsgrenzen überschreite. Er sei rechtlich auch nicht gehalten, den Stall 3 mit einer Abluftreinigungsanlage auszurüsten. Ein Biofilter sei nur für solche Tierhaltungsanlagen Stand der Technik, die nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz genehmigungspflichtig seien.

Durch Urteil vom 14. November 2013 (2 A 2625/12) hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Die Klägerin und ihr Ehemann würden durch die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung nicht in ihren Rechten verletzt. Insbesondere liege ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme nicht vor. Auch in den Fällen, in denen die nach der Geruchsimmissions-Richtlinie an sich zulässigen Orientierungswerte (auch deutlich) überschritten würden, könne die Genehmigung weiterer Tierhaltung dann nicht versagt werden, wenn sich die Geruchssituation jedenfalls nach Verwirklichung des Vorhabens verbessere oder zumindest nicht verschlechtere. Maßgeblicher Grund dafür sei, dass eine gesundheitsschädigende Wirkung landwirtschaftlicher Immissionen aus Tierhaltung bisher nicht nachgewiesen sei.

Gegen das ihnen am 10. Januar 2014 zugestellte Urteil haben die Klägerin und ihr Ehemann am 5. Februar 2014 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt. Zur Begründung haben sie die Auffassung vertreten, dass das Verwaltungsgericht das Gebot der Rücksichtnahme verkannt habe.

In der mündlichen Verhandlung vom 9. Juni 2015 hat die Klägerin - ihr Ehemann hat die Berufung wegen der fehlenden Eigentümerstellung zurückgenommen - beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Stade - 2. Kammer - vom 14. November 2013 zu ändern und der Klage gemäß erstinstanzlichem Antrag stattzugeben.

Der Beklagte und der Beigeladene sind der Berufung jeweils unter Wiederholung und Vertiefung ihrer im Klageverfahren vertretenen Rechtspositionen entgegengetreten.

Das Urteil vom 9. Juni 2015 (- 1 LC 25/14 -, BRS 83 Nr. 157 = juris), mit dem der Senat der Berufung der Klägerin - das Verfahren ihres Ehemannes ist eingestellt worden - stattgegeben hat, hat das Bundesverwaltungsgericht auf die mit Beschluss vom 7. April 2016 (- 4 B 37.15 -, BauR 2016, 1285 = juris) zugelassene Revision des Beigeladenen durch Urteil vom 27. Juni 2017 aufgehoben und die Sache zur erneuten mündlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Die dem Berufungserfolg der Klägerin zugrundeliegende Auffassung des Senats, dass ein geruchsemittierendes landwirtschaftliches Vorhaben das Gebot der Rücksichtnahme bereits dann verletze, wenn es in einer erheblich über den in der Geruchsimmissions-Richtlinie genannten Werten vorbelasteten Umgebung verwirklicht werden solle, und zwar selbst dann, wenn durch das Vorhaben die bestehende Belastung nicht erhöht, sondern sogar leicht gesenkt werde, sei mit Bundesrecht unvereinbar. Zur Entscheidung in der Sache bedürfe es weiterer tatsächlicher Feststellungen; u.a. sei zu klären, ob die Baumaßnahme des Beigeladenen im Hinblick auf die hiermit im Zusammenhang stehenden Änderungen an den bereits bestehenden Ställen der Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedurft hätte (nachträgliche Kumulation); auf das Fehlen einer erforderlichen Umweltverträglichkeitsprüfung könnte sich die Klägerin berufen (BVerwG, Urt. v. 27.6.2017 - 4 C 3.16 -, BVerwGE 159, 187 = juris Rn. 6, 9 und 16 f.; Anschluss bereits durch Senatsurt. v. 11.2.2020 - 1 LC 63/18 -, BauR 2020, 1764 = juris).

Im Hinblick auf die ebenfalls für die Rückverweisung maßgebliche Frage, ob die am Grundstück der Klägerin als Vorbelastung festgestellte Geruchsfracht sich rechtmäßig betriebenen, mithin entsprechend genehmigten Anlagen zuordnen lasse, hat der Beklagte sämtliche Bauakten der in dem für eine Einwirkung von Tier-, Gülle- und Silagegerüchen auf das Grundstück der Klägerin maßgeblichen Bereich befindlichen landwirtschaftlichen Betriebe sowie darüber hinaus eine die hiernach genehmigten Tierbestände auswertende Stellungnahme des Ingenieurbüros Prof. Dr. I. vom 29. Januar 2018 vorgelegt. Danach haben sich gegenüber den im Gutachten vom 3. November 2010 zugrunde gelegten Tierbestandsdaten für sämtliche Emissionsquellen (unmaßgeblich) geringere Geruchsemissionen ergeben. Für das Grundstück der Klägerin ist nunmehr nach Verwirklichung des Vorhabens des Beigeladenen bei dadurch unverändert bewirkter 1-prozentiger Minderung eine Geruchsjahresstundenhäufigkeit von 31,7 % statt von 33,7 % prognostiziert worden.

Zur weiteren Begründung der Berufung macht die Klägerin geltend, dass ihrer Ansicht nach viel dafür spreche, dass aufgrund nachträglicher Kumulation für das Vorhaben des Beigeladenen eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung bzw. einer Vorprüfung des Einzelfalls zur Feststellung der UVP-Pflichtigkeit bestanden habe. Es liege nahe, dass die Anlagen auf den Betriebsstätten A-Straße 8 und H. in ein gemeinsames „Familienbetriebskonzept“ eingebunden seien. Jedenfalls stehe das Vorhaben des Beigeladenen in einem Nutzungszusammenhang mit den auf dem Standort H. vorhandenen Ställen 10, 11 und 7 sowie den Biogasanlagen I und II.

Die Klägerin beantragt - unter Rücknahme der Klage im Übrigen -,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Stade - 2. Kammer - vom 14. November 2013 zu ändern und die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 11. November 2010 in der Fassung der Nachtragsgenehmigungen vom 6. Juli 2012 und 17. August 2012 sowie den Widerspruchsbescheid vom 25. Oktober 2012 für rechtswidrig und nicht vollziehbar zu erklären.

Der Beklagte und der Beigeladene beantragen - bei gleichzeitiger Zustimmung zur teilweisen Klagerücknahme - jeweils,

die Berufung zurückzuweisen.

Nach Auffassung des Beklagten und des Beigeladenen ergeben sich auch unter dem Gesichtspunkt der nachträglichen Kumulation keine Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung vom 11. November 2010. Für eine Kumulierung mit dem Stall 3 kämen die beiden Biogasanlagen bereits deswegen nicht in Betracht, weil es sich nicht um Vorhaben derselben Art handele. Hinsichtlich der Ferkelaufzuchtställe auf dem Standort A-Straße 8 und den Stallanlagen auf der Betriebsstätte H. sei angesichts einer Entfernung von ca. 700 m schon nicht mehr von einer Überschneidung der Einwirkungsbereiche auszugehen. Schließlich fehle es an einer Verbindung der Anlagen durch gemeinsame betriebliche und bauliche Einrichtungen.

Wegen der (sonstigen) Angaben des Sohnes des Beigeladenen im Rahmen seiner Befragung durch den Senat in der mündlichen Verhandlung vom 30. Juni 2021 wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Dem Senat haben die das Grundstück der Klägerin (Beiakten H bis O), die das Vorhaben des Beigeladenen (Beiakten A bis G), die die Betriebsstätte A-Straße 8 insgesamt (BA001 bis BA008), die den Standort H. (BA009 bis BA021) sowie die die sieben anderen landwirtschaftlichen Betriebe in G. mit für das Grundstück der Klägerin geruchsrelevanter Tierhaltung (BA022 bis BA050 mit Auswertung BA051) betreffenden Verwaltungsakten des Beklagten vorgelegen. Ihr Inhalt ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 30. Juni 2021 gewesen, soweit das Urteil darauf beruht.

Entscheidungsgründe

I.

Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 30. Juni 2021 nach Erörterung der Sach- und Rechtslage die Klage mit Einwilligung des Beklagten (§ 92 Abs. 1 Satz 2 VwGO) zurückgenommen hat, ist das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin im Übrigen ist begründet. Das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts ist antragsgemäß zu ändern. Die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 11. November 2010 mit den Nachtragsbaugenehmigungen vom 6. Juli 2012 und 17. August 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Oktober 2012 ist für rechtswidrig und nicht vollziehbar zu erklären. Zwar gründet diese Feststellung nicht auf einer Verletzung materieller Rechtsvorschriften, die dem Schutz der Rechte der Klägerin dienen. In dem für die rechtliche Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt ihrer Erteilung (vgl. BVerwG, Beschl. v. 23.4.1998 - 4 B 40.98 -, Buchholz 406.11 § 9 BauGB Nr. 87 = juris Leitsatz 2 und Rn. 3) verstößt die streitgegenständliche Baugenehmigung nicht gegen das in dem Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB enthaltene Gebot der Rücksichtnahme. Es liegt aber ein absoluter Verfahrensfehler vor, den die Klägerin auch rügen kann.

1.

Materiell-rechtlich ist das Vorhaben des Beigeladenen an § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB zu messen, in dessen Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen das Gebot der Rücksichtnahme eine ausdrückliche Regelung erfahren hat. Auf dieser Grundlage ist die Zulassung eines weiteren geruchsemittierenden Vorhabens in einem erheblich vorbelasteten Gebiet möglich, wenn hierdurch die vorhandene Geruchsimmissionssituation verbessert oder aber zumindest nicht verschlechtert wird, sofern die Vorbelastung die Grenze zur Gesundheitsgefahr noch nicht überschritten hat (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) und das - immissionsschutzrechtlich nicht genehmigungsbedürftige - Vorhaben den Anforderungen des § 22 Abs. 1 BImSchG genügt. Auch darf die Geruchsimmissions-Richtlinie nicht rechtssatzartig, insbesondere nicht im Sinne einer Grenzwertregelung, sondern nur als Orientierungshilfe angewendet werden und findet auf nicht nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz genehmigungsbedürftige Anlagen ohnehin nur sinngemäß Anwendung. Maßgeblich für die Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze sind folglich die konkreten Umstände des Einzelfalles, die einer umfassenden Würdigung zu unterziehen sind (BVerwG, Urt. v. 27.6.2017 - 4 C 3.16 -, BVerwGE 159, 187 = juris Leitsatz 1 und Rn. 11, 13 sowie 15; Senatsurt. v. 11.2.2020 - 1 LC 63/18 -, BauR 2020, 1764= juris Rn. 35).

Hiernach stand das Gebot der Rücksichtnahme der Erteilung der Baugenehmigung vom 11. November 2010 nicht entgegen:

Durch die Zulassung des Vorhabens des Beigeladenen wurde die auf dem Grundstück der Klägerin bereits vorhandene Immissionssituation geringfügig verbessert, jedenfalls nicht verschlechtert. Nach dem Gutachten des Ingenieurbüros Prof. Dr. I. vom 3. November 2010 wurde für das Grundstück der Klägerin bei einer Vorbelastung von 34,7 % eine Senkung der Geruchswahrnehmungshäufigkeit durch das neue Vorhaben um 1% auf 33,7 % festgestellt. Den Einwand der Klägerin im Widerspruchsverfahren, dass das Gutachten die Schwachwindlagen nicht hinreichend berücksichtige, hatte das Ingenieurbüro mit Stellungnahme vom 23. Dezember 2010 ausgeräumt. In ihr findet sich ein Auszug aus den von der Windmessstelle des Deutschen Wetterdienstes in Bremervörde zur Verfügung gestellten Daten, nach dem auch Schwachwindlagen mit Windgeschwindigkeiten von 0 bis 3 Knoten zugrunde lagen. Auch mit der Rüge der Klägerin, in dem Gutachten seien nicht sämtliche emittierenden Betriebe berücksichtigt worden, es fehle der Betrieb M. mit Rinderhaltung, hat sich der Beklagte durch Einholung einer Stellungnahme des Ingenieurbüros vom 7. Dezember 2015 auseinandergesetzt. Der Betrieb M. liegt vom Grundstück der Klägerin und dem Vorhabenstandort mehr als 700 m entfernt in südsüdwestlicher Richtung, in der sich ein Windhäufigkeitsminimum befindet. Zudem handelt es sich um weniger geruchsintensive Rinderhaltung. Nach der in der Stellungnahme dargestellten Isolinie der Geruchshäufigkeiten durch den Betrieb M. hält diese vom Vorhabenstandort einen Abstand von 180 m ein. Der Betrieb M. trägt mithin nicht zur Vorbelastung bei.

Zudem ist in die Beurteilung die von dem Beigeladenen im Revisionszulassungsverfahren vorgelegte Nachberechnung des Ingenieurbüros Prof. Dr. I. vom 24. Juli 2015 einzubeziehen, in der auch die Einzelbeiträge der landwirtschaftlichen Betriebe zur Gesamtgeruchsbelastung betrachtet worden sind. Danach wird die Immissionssituation durch das Vorhaben noch etwas mehr, d.h. um 1,3 %, verbessert. Eine noch größere Steigerung, nämlich um 3,7 %, tritt ein, wenn die tatsächliche Abluftrate der Kamine und die 2015 zur Verfügung stehenden genaueren Wetterdaten berücksichtigt werden.

Durchgreifende Einwände gegen die Ergebnisse der gutachterlichen Stellungnahmen sind nicht ersichtlich. Soweit die Klägerin geltend gemacht hat, dass es im Zusammenhang mit der Inbetriebnahme des Ferkelaufzuchtstalles zu Erhöhungen der Geruchsimmissionen gekommen sei, die bislang keinen Eingang in die Gutachten des Ingenieurbüros gefunden hätten, ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei der angeführten Anlieferung von Futtermitteln mit Lkw und Zu- und Abtransporten mit Ferkeln nur um sporadisch auftretende und kurz andauernde Ereignisse handelt. Das Argument der Klägerin, dass in Folge des Klimawandels das Windaufkommen abgenommen habe, trägt nicht. Die verwendeten Wetterdaten stammen aus den Jahren 2003 bis 2009 und waren daher 2010 hinreichend aktuell. Auch die von der Klägerin vorgelegte Stellungnahme der N. O. vom 26. September 2018, die ihr ihr Nachbar P. Q. zur Verfügung gestellt hat, hilft ihr nicht weiter. Denn sie bezieht sich mit ihrer Kritik, es fehle an einer Betrachtung der eigentlichen Zusatzbelastung durch die Betriebsstätten der Beigeladenenfamilie und es seien nicht die optimalen Wetterdaten zugrunde gelegt worden, offensichtlich auf das Gutachten vom 3. November 2010. Mit der Nachberechnung vom 24. Juli 2015 liegt aber eine Solobetrachtung vor, die auch genauere Wetterdaten berücksichtigt. Im Übrigen geht die Stellungnahme der N. mit ihrer Annahme, eine akzeptable Verbesserung liege erst vor, wenn die Geruchshäufigkeiten um 5 bis 10 % gesenkt würden, von unzutreffenden rechtlichen Voraussetzungen aus.

Die am Grundstück der Klägerin als Vorbelastung festgestellte Geruchsfracht ist auch rechtmäßig betriebenen Anlagen zuzuordnen. Zu Recht hat der Beklagte darauf hingewiesen, dass sich schon das Gutachten des Ingenieurbüros Prof. Dr. I. vom 3. November 2010 auf den damals als genehmigt angesehenen Tierbestand stützt. Nach der Zurückverweisung des Verfahrens hat der Beklagte zudem sämtliche Bauakten der in den für die Einwirkung von Tier-, Gülle- und Silagegerüchen auf das Grundstück der Klägerin maßgeblichen Bereich befindlichen landwirtschaftlichen Betriebe ausgewertet und die auf der Grundlage der hiernach genehmigten Tierbestände erstellte Stellungnahme des Ingenieurbüros Prof. Dr. I. vom 29. Januar 2018 ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die Vorbelastung sogar noch etwas geringer, jedenfalls auf dem 2010 prognostizierten Niveau ist.

Dass die auf ihr Grundstück einwirkende Geruchsfracht im Hinblick auf Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG bedenklich sein könnte, hat auch die Klägerin nicht geltend gemacht. Nach der Rechtsprechung des Senats ist selbst bei einer Vorbelastung von 50 % Geruchsstunden durch Schweinehaltung nicht von einer Gesundheitsgefahr auszugehen (vgl. Senatsurt. v. 16.8.2018 - 1 LC 180/16 -, BauR 2019, 483 = juris Rn. 21 und 26).

Schließlich genügt das Vorhaben des Beigeladenen auch den Anforderungen des § 22 Abs. 1 BImSchG. Der Stand der Technik, an dem sich nach § 22 Abs. 1 Satz 1 BImSchG die Errichtung und der Betrieb nicht genehmigungsbedürftiger Anlagen messen lassen müssen, ist gemäß § 3 Abs. 6 Satz 1 BImSchG der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zur Begrenzung von Emissionen in Luft, Wasser und Boden, zur Gewährleistung der Anlagensicherheit, zur Gewährleistung einer umweltverträglichen Abfallentsorgung oder sonst zur Vermeidung oder Verminderung von Auswirkungen auf die Umwelt zur Erreichung eines allgemein hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt gesichert erscheinen lässt (vgl. dazu BVerwG, Beschl. v. 13.1.2021 - 4 B 23.20 -, AbfallR 2021, 115 = juris Rn. 5 ff.). Dabei ist nach der Anlage zu § 3 Abs. 6 BImSchG die Verhältnismäßigkeit zwischen Aufwand und Nutzen möglicher Maßnahmen zu berücksichtigen. Auf dieser Grundlage hat der Senat, worauf der Beklagte bereits in seinem Widerspruchsbescheid vom 25. Oktober 2012 hingewiesen hat, mit Urteil vom 10. November 2009 bezogen auf den damaligen Entscheidungszeitpunkt verneint, dass bei der Schweinehaltung der Einsatz von Biofiltern bereits dem Stand der Technik entsprach (Senatsurt. v. 10.11.2009 - 1 LB 45/08 -, BauR 2010, 195 = juris Rn. 82 f.). Der nur ungefähr ein Jahr später liegende Genehmigungszeitpunkt des Vorhabens des Beigeladenen fordert keine abweichende Beurteilung, zumal anderslautende Rechtsprechung nicht ersichtlich ist. Vielmehr gehen die von dem Beigeladenen im Berufungsverfahren vorgelegten verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen auch für spätere Jahre davon aus, dass Abluftreinigungsanlagen bei nur nach Baurecht genehmigungsbedürftigen Stallgebäuden mit Schweinehaltung noch nicht Stand der Technik sind (VG Gera, Urt. v. 2.3.2017 - 5 K 256/16 -; VG Regensburg, Urt. v. 20.5.2014 - RO 2 K 13.1819 -, juris Rn. 60; so auch der Gemeinsame Runderlass d. MU, d. MS und d. ML v. 2.11.2020 - 33-40501/207.01 -).

2.

Die Klägerin kann die von ihr begehrte Feststellung aber auf der Grundlage des gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a) UmwRG bzw. § 8 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG in diesem Verfahren anwendbaren § 4 Abs. 1b Satz 1 UmwRG verlangen. Der Vorschrift ist zu entnehmen, dass dann, wenn eine Verletzung von Verfahrensvorschriften durch ein ergänzendes Verfahren behoben werden kann - woran vorliegend keine Zweifel bestehen -, Entscheidungen nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a) bzw. Nr. 5 UmwRG für rechtswidrig und nicht vollziehbar zu erklären sind (vgl. z.B. OVG LSA, Urt. v. 24.3.2021 - 2 L 79/17 -, BImSchG-Rspr § 16 Nr. 17 = juris Rn. 137, 220 ff., 223; siehe auch BVerwG, Urt. v. 24.5.2018 - 4 C 4.17 -, BVerwGE 162, 114 = juris Rn. 40). Denn der Baugenehmigung vom 11. November 2010 wohnt ein absoluter Verfahrensfehler im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b) UmwRG inne, weil eine nach den Bestimmungen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung erforderliche Vorprüfung des Einzelfalls zur Feststellung der UVP-Pflichtigkeit weder durchgeführt noch nachgeholt worden ist, was die Klägerin nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 UmwRG auch rügen kann. Vor der Genehmigung des Vorhabens des Beigeladenen wäre aufgrund nachträglicher Kumulation des Stalles 3 mit dem Stall 10 nach § 3b Abs. 2 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 und Abs. 3 Satz 2 UVPG 2010 analog i.V.m. Anlage 1 Nrn. 7.9.3, 7.8.3 und 7.11.3 eine standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls zur Feststellung der UVP-Pflichtigkeit erforderlich gewesen.

Im Zeitpunkt der Erteilung der Baugenehmigung vom 11. November 2010 galt das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) i.d.F. d. Bek. vom 24. Februar 2010 (BGBl. I S. 94; im Folgenden UVPG 2010). § 3c UVPG 2010 regelte die UVP-Pflicht im Einzelfall und bestimmte in seinem Satz 5, dass für das erstmalige Erreichen oder Überschreiten und jedes weitere Überschreiten der Prüfwerte für Größe und Leistung § 3b Abs. 2 Satz 1 und 2 und Abs. 3 UVPG 2010 entsprechend gilt. Nach § 3b Abs. 2 Satz 1 UVPG 2010 bestand die Verpflichtung zur Durchführung einer Vorprüfung, wenn mehrere Vorhaben derselben Art, die gleichzeitig von demselben oder mehreren Trägern verwirklicht werden sollen und in einem engen Zusammenhang stehen (kumulierende Vorhaben), zusammen die maßgeblichen Größen und Leistungswerte erreichen oder überschreiten. Zwar erfasste § 3b Abs. 2 Satz 1 UVPG 2010 nicht den Fall einer nachträglichen Kumulation, also eines Hinzutretens eines Vorhabens zu einem bereits vorhandenen Vorhaben. Insoweit lag insoweit jedoch eine planwidrige Gesetzeslücke vor, die durch eine Gesetzesanalogie zu § 3b Abs. 2 und 3 UVPG zu schließen war (BVerwG, Urt. v. 18.6.2015 - 4 C 4.14 -, BVerwGE 152, 219 = juris Leitsatz 1 und Rn. 14, 16 ff.; Urt. v. 17.12.2015 - 4 C 7.14 u.a. -, BVerwGE 153, 361 = juris Rn. 11).

§ 3b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 UVPG 2010 bestimmte, dass der für die Kumulation von Vorhaben derselben Art, die von demselben oder mehreren Trägern verwirklicht werden sollen, maßgebliche enge Zusammenhang gegeben ist, wenn diese Vorhaben als technische oder sonstige Anlagen auf demselben Betriebs- oder Baugelände liegen und mit gemeinsamen betrieblichen oder baulichen Einrichtungen verbunden sind.

In diesem Sinne auf demselben Betriebsgelände liegen mehrere Vorhaben, wenn zwischen ihnen ein räumlich-betrieblicher Zusammenhang besteht. Dieser wiederum ist gegeben, wenn sich die Umweltauswirkungen der Vorhaben überschneiden und die Vorhaben funktional und wirtschaftlich aufeinander bezogen sind (BVerwG, Urt. v. 18.6.2015 - 4 C 4.14 -, BVerwGE 152, 219 = juris Leitsatz 2 und Rn. 22 ff.). Der funktionale und wirtschaftliche Bezug zwischen kumulierenden Vorhaben setzt ein planvolles Vorgehen des/der Vorhabenträger(s) voraus. Ineinandergreifende betriebliche Abläufe sind hierfür zwar ausreichend, aber nicht zwingend erforderlich. Es genügen Umstände, aus denen sich ein die Vorhaben koordinierendes und dem/den Betreiber(n) zurechenbares Verhalten hinreichend verlässlich ableiten lässt (BVerwG, Urt. v. 17.12.2015 - 4 C 7.14 u.a. -, BVerwGE 153, 361 = juris Leitsatz und Rn. 18).

Eine nachträgliche Kumulation nach § 3b Abs. 2 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 UVPG 2010 analog war mithin bei solchen zueinander hinzutretenden Vorhaben anzunehmen, die derselben Art angehörten, über einen gemeinsamen Einwirkungsbereich verfügten, funktional und wirtschaftlich im Sinne eines planvollen Vorgehens der Vorhabenträger verschränkt und mit gemeinsamen betrieblichen oder baulichen Einrichtungen verbunden waren.

a)

Diese Voraussetzungen werden hinsichtlich des Vorhabens des Beigeladenen „Neubau eines Ferkelaufzuchtstalles für 1920 Ferkel“, das den von UVPG 2010 Anlage 1 Nr. 7.9.3 für die Errichtung und den Betrieb einer Anlage zur getrennten Intensivaufzucht von Ferkeln (Ferkel von 10 bis weniger als 30 kg Lebendgewicht) für eine standortbezogene Prüfung des Einzelfalles bestimmten Schwellenwert von 4.500 Plätzen für sich genommen nur zu 42,66 % erreicht, durch den Stall 10 erfüllt.

Stall 10 auf dem südlich gelegenen Flurstück 19 der Betriebsstätte H. war dem Sohn des Beigeladenen zunächst am 14. Juli 1997 als Neubau eines landwirtschaftlichen Betriebsgebäudes (Sauenstall) mit Güllebehälter genehmigt worden. Nach einer Stellungnahme der Landwirtschaftskammer Hannover waren für den Stall 244 Sauen einschließlich Absatzferkel vorgesehen. Am 6. Februar 2001 wurde dem Sohn des Beigeladenen eine Baugenehmigung für den Anbau eines Sauenstalls erteilt, wodurch der Besatz des Stalles 10 auf 460 Zuchtsauen gesteigert werden konnte. Am 14. Mai 2002 wurde der Besatz der vorhandenen Stallanlage auf 102 Sauen mit Ferkeln, 410 Sauen (niedertragend leer), 4 Eber und 36 Jungsauen erhöht. Im Zusammenhang mit seinem Vorhaben „Neubau eines Ferkelaufzuchtstalles für 1920 Ferkel, 3 Futtermittelsilos und eines Güllebehälters“ auf dem Standort A-Straße 8 beantragte der Sohn des Beigeladenen den Anbau eines Abferkelstalles (88 Plätze) an den Stall 10. Zugleich wurde dessen Gesamtbestand auf 485 produzierende Zuchtsauen und 88 Jungsauen erhöht. Am 5. Mai 2008 wurde die beantragte Baugenehmigung erteilt.

Bei den Ställen 3 und 10 handelt es sich, was der Beklagte und der Beigeladene auch nicht in Abrede stellen, um Vorhaben derselben Art. Durch die Regelungen zur Kumulation sollen nicht alle eng zusammenhängenden Vorhaben an einem Standort eine Bewertungseinheit im Sinne des UVPG bilden; eine gemeinsame Betrachtung soll nur dann angestellt werden, wenn es sich um qualitativ vergleichbare Vorhaben handelt, deren Größe oder Leistung nach den Kategorien gemäß Anlage 1 Spalte 1 Kennzeichen „X“ zu einem einheitlichen Gesamtwert aufsummiert werden kann (Arnold, in: Hoppe/Beckmann/Kment (Hrsg.), UVPG, 5. Aufl. 2018, § 10 Rn. 10, ähnlich Tepperwien, in: Schink/Reidt/Mitschang (Hrsg.), UVPG/UmwRG, 2018, § 10 UVPG Rn. 5). Stall 10 ist dem Vorhaben des Beigeladenen qualitativ vergleichbar. Nach UVPG 2010 Anlage 1 Nr. 7.8 richten sich auch bei Errichtung und Betrieb einer Anlage zur Intensivhaltung oder -aufzucht von Sauen einschließlich dazugehöriger Ferkel (Ferkel bis weniger als 30 kg Lebendgewicht) die Schwellenwerte nach der Anzahl der Plätze. Schwellenwerte sind zudem ausdrücklich festgelegt für Errichtung und Betrieb einer Anlage zur Intensivhaltung oder -aufzucht von Tieren in gemischten Beständen. UVPG 2010 Anlage 1 Nr. 7.11.3 legt die Erforderlichkeit einer standortbezogenen Vorprüfung fest, wenn die u.a. unter den Nummern 7.8.3 und 7.9.3 genannten Platzzahlen nicht erreicht werden, die Summe der Vom-Hundert-Anteile, bis zu denen die Platzzahlen ausgeschöpft werden, aber den Wert 100 erreicht oder überschreitet.

Entgegen der Auffassung des Beklagten und des Beigeladenen verfügt der auf dem südlich gelegenen Flurstück 19 des Standortes H. ansässige Stall 10 auch über einen gemeinsamen Einwirkungsbereich mit Stall 3 auf der Betriebsstätte A-Straße 8. Zwar enthält das UVPG erst in der seit 2017 geltenden Fassung (BGBl. I S. 2808) eine Legaldefinition des Einwirkungsbereichs. § 2 Abs. 11 UVPG bestimmt, dass Einwirkungsbereich im Sinne des Gesetzes das geographische Gebiet ist, in dem Umweltauswirkungen auftreten, die für die Zulassung eines Vorhabens relevant sind. Der Begriff ist aber nicht neu (BT-Drs. 18/11499 S. 76) und ein geändertes Verständnis ist nicht anzunehmen. Im Schnittbereich der von den Ställen 3 und 10 ausgehenden, wegen der dort genehmigten Wohnnutzung für die Zulassung nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB bzw. als Vorbelastung auch maßgebenden Umweltauswirkungen, namentlich Geruchsimmissionen, liegen das Grundstück der Klägerin sowie weitere Wohnbebauung.

Die Ställe 3 und 10 sind auch funktional und wirtschaftlich miteinander im Sinne eines planvollen Vorgehens der Vorhabenträger verschränkt. Denn es handelt sich um ein sog. Familienprojekt (vgl. OVG Berl.-Bbg, Beschl. v. 8.9.2015 - 11 S 22.15 -, ZUR 2016, 113 = juris Rn. 41 ff.; OVG NRW, Beschl. v. 16.3.2020 - 10 A 360/18 -, juris Rn. 39 ff.), worauf wohl auch der von der Klägerin verwandte Begriff eines „gemeinsamen Familienbetriebskonzepts“ abzielt. Bei familiären Verflechtungen gerade in der (bäuerlichen) Landwirtschaft wird oftmals von einem koordinierten Vorgehen im Sinne einer funktionalen und wirtschaftlichen Bezogenheit mehrerer Vorhaben aufeinander auszugehen sein (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 16.3.2020 - 10 A 360/18 -, juris Rn. 41 ff. unter Verweis auf Arnold, in: Hoppe/Beckmann/Kment (Hrsg.), UVPG, 5. Aufl. 2018, § 10 Rn. 18). Diese Annahme findet sich vorliegend bestätigt.

Ausweislich der in den Genehmigungsakten befindlichen Stellungnahmen der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, jeweils vom 9. März 2007, standen die zunächst beide von dem Sohn des Beigeladenen beantragten Vorhaben „Neubau eines Ferkelaufzuchtstalles mit 1920 Ferkeln“ und „Anbau eines Abferkelstalles mit 88 Plätzen bei gleichzeitiger Erhöhung des Gesamtbestandes auf 485 produzierende Zuchtsauen und 88 Jungsauen“ von vornherein in einem Zusammenhang, der sich offenkundig daraus ergab, dass zum Ausbau der Ferkelaufzucht die Zahl der „produzierten“ Ferkel zu erhöhen war. Der zunächst erfolgte Bauherrenwechsel zum Beigeladenen und die sodann durch diesen wegen der Änderung der Entlüftung vorgenommene Neubeantragung des Ferkelaufzuchtstalles hatte nach der Stellungnahme der Landwirtschaftskammer Niedersachsen vom 9. November 2009, deren Richtigkeit der Beigeladene nicht in Abrede gestellt hat, lediglich förderrechtliche Gründe. Eine Entflechtung der beiden Vorhaben war damit nicht verbunden. Dass der Beigeladene, sein Sohn und dessen Ehefrau die Nutzung der Betriebsstätten A-Straße 8 und H. eher als familiäres Gesamtvorhaben begreifen, ergibt sich auch daraus, dass der Beigeladene nur wenige Monate nach der Erteilung der Baugenehmigung vom 11. November 2010 den Stall 3 in eine mit seiner Schwiegertochter zum 1. Juli 2011 neu gegründete Gesellschaft bürgerlichen Rechts einbrachte, deren Gegenstand die gemeinsame Bewirtschaftung eines landwirtschaftlichen Betriebes ist, der sich aus dem bis dahin bestehenden Betrieb der Schwiegertochter des Beigeladenen und dem Vorhaben zusammensetzt.

Eine wirtschaftliche Verschränkung der Ställe 3 und 10 entfällt auch nicht aufgrund der vom Sohn des Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung angegebenen Mitgliedschaft sämtlicher Betriebe der Standorte A-Straße 8 und H. in der Erzeugergemeinschaft für Qualitätsferkel des Kreises Cuxhaven und Umgebung, mit der sowohl eine Andienungspflicht als auch eine Abnahmegarantie für alle produzierten Ferkel und für die anfallenden Schlachttiere verbunden ist. Auch wenn die Entscheidung über die Belegung des Ferkelaufzuchtstalles nicht durch ihn oder ein anderes Familienmitglied, sondern durch die Erzeugergemeinschaft erfolgt, hat der Sohn des Beigeladenen selbst eingeräumt, dass schon aus Praktikabilitätserwägungen (kurzer Transportweg, Gesundheitsschutz) die in das Vorhaben eingestallten Ferkel überwiegend aus Stall 10 kommen.

Schließlich sind die Ställe 3 und 10 entgegen der Ansicht des Beklagten und des Beigeladenen auch mit gemeinsamen baulichen oder betrieblichen Einrichtungen verbunden:

Eine solche Einrichtung ist zum einen das zur Hofstelle in der C-Straße im Hauptort A-Stadt gehörende Wohnhaus, in dem nicht nur das Betriebsbüro des Beigeladenen, sondern in dem Zeitraum 2008 bis 2016 auch das Betriebsbüro seines Sohnes untergebracht war. Sowohl die hinsichtlich der Führung und Verwaltung des Ferkelaufzuchtstalles als auch die bezüglich des Betriebs des Abferkel- und Zuchtsauenstalles anfallenden Tätigkeiten wurden mithin vom selben Standort aus erledigt. Dass nach den Angaben des Sohnes des Beigeladenen sein Büro von dem Büro seines Vaters getrennt in seinem früheren Kinderzimmer eingerichtet war und über eine eigene Toilette und einen eigenen Zugang von außen verfügte, ist nicht erheblich. Jedenfalls das Gebäude wurde für den Betrieb beider Ställe genutzt.

Zum anderen ist gemeinsame bauliche oder betriebliche Einrichtung die Biogasanlage II auf dem Flurstück 18 der Betriebsstätte H.. Diese dient nämlich nicht nur dem Vorhaben, indem sie die dort bei der Ferkelaufzucht anfallende Gülle über die zwischen den Standorten errichtete Gülleleitung aufnimmt und das umgewandelte Biogas über die Gasrohrleitung zurück an das BHKW II leitet, mit dessen thermisch ausgekoppelter Wärme der Stall 3 beheizt wird. Dabei steht der Zurechnung der Biogasanlage II zum Ferkelaufzuchtstall nach Auffassung des Senats nicht entgegen, dass das BHWK II und die Gülleleitung erst nach Erteilung der Baugenehmigung vom 11. November 2010, nämlich am 16. Mai 2011 bzw. mit der dritten Nachgenehmigung vom 17. August 2012, genehmigt wurden. Denn angelegt war das Konzept, wie das Vorbild der Biogasanlage I, von der eine Gasleitung in das BHKW I führt, dessen thermische Energie zur Beheizung der Ställe 1 und 2 genutzt wird, zeigt, ersichtlich schon im Genehmigungszeitpunkt. Die Biogasanlage II wird auch hinsichtlich des Stalles 10 eingesetzt. Bereits in einer im Genehmigungsverfahren vorgelegten Stellungnahme der Landwirtschaftskammer Niedersachsen war ausgeführt, dass bei dem Betrieb der Biogasanlage eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Betrieb des Sohnes des Beigeladenen und den Betrieben des Beigeladenen, seiner Schwiegertochter und J. K. stattfinden solle. Aus den vorhandenen Tierbeständen der drei Betriebe der Beigeladenenfamilie falle die für die Biogasanlage erforderliche Menge von 8.000 t Schweinegülle - zu 16.050 t Biomasse - im Jahr an. Damit dient die Biogasanlage II als gemeinsame Abfallverwertungseinrichtung für das dem Beigeladenen genehmigte Vorhaben und den von seinem Sohn betriebenen Stall 10. Dass die Anlage jedenfalls gelegentlich auch Schweinegülle aus dem Stall 10 verwertet, hat der Sohn des Beigeladenen bei seiner Befragung in der mündlichen Verhandlung bestätigt.

Die nachträgliche Kumulation der Ställe 3 und 10 führt nach UVPG 2010 Anlage 1 Nrn. 7.9.3, 7.8.3 und 7.11.3 zum Erfordernis einer standortbezogenen Vorprüfung. Das Vorhaben „Anbau eines Abferkelstalles mit 88 Plätzen bei gleichzeitiger Erhöhung des Gesamtbestandes auf 485 produzierende Zuchtsauen und 88 Jungsauen“ erreicht den vom UVPG 2010 Anlage 1 Nr. 7.8.3 für die Errichtung und den Betrieb einer Anlage zur Intensivhaltung oder -aufzucht von Sauen einschließlich dazugehörender Ferkel (Ferkel bis weniger als 30 kg Lebensgewicht) für eine standortbezogene Prüfung des Einzelfalls bestimmten Schwellenwert von 560 Plätzen zu 58,75 %. Dies ergibt sich aus der Bestandsschutzvorschrift des § 3b Abs. 3 Satz 3 UVPG 2010, nach der der in den jeweiligen Anwendungsbereich der Richtlinien 85/337/EWG und 97/11/EG fallende, aber vor Ablauf der jeweiligen Umsetzungsfristen erreichte Bestand hinsichtlich des Erreichens oder Überschreitens der Größen- oder Leistungswerte unberücksichtigt bleibt. Der Neubau des Sauenstalls mit 244 Sauen war dem Sohn des Beigeladenen bereits 1997 und damit vor dem für die Richtlinie 97/11/EG maßgebenden Stichtag 14. März 1999 erteilt worden. Anzusetzen waren daher nur 241 Zuchtsauen und 88 Jungsauen. Addiert mit den für das Vorhaben ermittelten 42,66 % wird der in UVPG 2010 Anlage 1 Nr. 7.11.3 bestimmte Wert von 100 nicht nur erreicht, sondern mit 101,41 % knapp überschritten.

b)

Demgegenüber ergibt sich hinsichtlich der anderen im Zeitpunkt der Erteilung der Baugenehmigung vom 11. November 2010 auf den Betriebsstätten H. und A-Straße 8 bereits befindlichen oder jedenfalls genehmigten Anlagen keine weitere nachträgliche Kumulation, durch die die Schwellen zur allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls oder sogar zur UVP-Pflicht überschritten würden.

Die auf dem Standort A-Straße 8 bereits vorhandenen Ställe 1 und 2, deren Tierbestand im Zusammenhang mit der Erteilung der Baugenehmigung vom 11. November 2010 auf 888 Ferkel bzw. 960 Ferkel reduziert wurde, kommen wegen des durch § 3b Abs. 3 Satz 3 UVPG 2010 gewährleisteten Bestandsschutzes für eine Kumulation nicht in Betracht. Die Baugenehmigung für Ferkelaufzuchtställe mit einem Gesamtbesatz von 2232 Tieren war dem Beigeladenen und seiner Ehefrau bereits 1998 erteilt worden.

Keine Rolle spielt auch der westlich der Ställe 1 und 2 gelegene Stall 6. Zwar fand dort offenbar im Zeitpunkt der Erteilung der Baugenehmigung vom 11. November 2010 eine Haltung von Jungsauen statt. Nach den damals getroffenen Feststellungen war diese Nutzung aber nicht genehmigt und wurde von dem Sohn des Beigeladenen nach entsprechender Forderung des Beklagten aufgegeben und bislang auch nicht wiederaufgenommen. Eine Baugenehmigung für das Vorhaben „Legalisierung Nutzungsänderung: Ställe in Jungsauenställe (Quarantäneställe), 80 Jungsauen, 2 Eber, 180 m³ Güllelager“ wurde dem Sohn des Beigeladenen erst Jahre später am 25. November 2014 erteilt.

Eine nachträgliche Kumulation des Stalles 3 mit den dem Sohn des Beigeladenen auf dem Flurstück 18 der Betriebstätte H. am 16. Januar 2006 bzw. 6. September 2010 genehmigten Biogasanlagen I und II scheidet schon deswegen aus, weil es sich nicht um Vorhaben derselben Art handelt. UVPG 2010 Anlage 1 Nr. 8.4 zu Errichtung und Betrieb einer Anlage zur biologischen Behandlung von nicht gefährlichen Abfällen, auf die die Vorschriften des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes Anwendung finden, bestimmt die Schwellenwerte nach der Durchsatzleistung in Tonnen pro Tag und lässt die Bildung eines Gesamtwertes mit der Anzahl von Ferkelplätzen nicht zu. Auch im Übrigen gleichen sich Gestaltung und Betriebsweise von Ferkelaufzuchtstall und Biogasanlage nicht. Darüber hinaus hat der Beigeladene zu Recht darauf hingewiesen, dass in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt ist, dass Biogasanlagen und Schweinemastställe jedenfalls immissionsschutzrechtlich nicht derselben Art zugehören (vgl. BVerwG, Beschl. v. 29.12.2010 - 7 B 6.10 -, Buchholz 406.15 § 10 BImSchG Nr. 6 = juris Rn. 17).

Hinsichtlich des am 4. November 2009 auf dem am weitesten nördlich gelegenen Flurstück 17 des Standortes H. genehmigten Stalles 7, der nach einem Auszug aus den Geobasisdaten des LGLN vom 18. Januar 2018 in einem Abstand von etwa 817 m zum Vorhaben und von mehr als 700 m zu Wohngebäuden im Einwirkungsbereich des Stalles 3 liegt, fehlt es an einem gemeinsamen Einwirkungsbereich mit dem Vorhaben. Eine Überschneidung von Immissionsradien reicht zur Annahme eines gemeinsamen Einwirkungsbereichs im Sinne des UVPG nicht aus; im Überschneidungsbereich muss auch ein schutzwürdiges Objekt liegen, auf das die Immissionen einwirken. Aufgrund der großen Entfernung auch zu dem Grundstück der Klägerin wurde der Schweinemaststall mit 1824 Tierplätzen in den Gutachten des Ingenieurbüros Prof. Dr. I. jedoch zutreffend nicht in die Vorbelastungsbetrachtungen aufgenommen.

Dem Stall 11 auf dem Flurstück 19 der Betriebsstätte H. mangelt es an einer ihn mit dem Ferkelaufzuchtstall verbindenden baulichen oder betrieblichen Einrichtung. Die Baugenehmigung vom 9. Januar 2008 für den Neubau eines Sauenstalles mit einem Gesamtbestand von 485 NT-Sauen und 150 Jungsauen war der Schwiegertochter des Beigeladenen erteilt worden. Anhaltspunkte dafür, dass auch der Schwiegertochter des Beigeladenen im Zeitpunkt der Erteilung der Genehmigung vom 11. November 2010 in dem zur Hofstelle C-Straße in A-Stadt gehörenden Wohnhaus ein Betriebsbüro zur Verfügung stand, bestehen nicht. Gleichfalls fehlt es, zumal sich schon der Baubeginn des neuen Sauenstalles bis Ende 2013 verzögerte, an der Nutzung der Biogasanlage II als gemeinsame Abfallverwertungseinrichtung. Nach den Angaben des Sohnes des Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung bezieht die Biogasanlage II keine Gülle aus dem Stall 11.

Zwar hat der Senat erwogen, ob der Stall 11 im Wege einer „Kettenkumulation“ mit dem Stall 3 kumulieren könnte. Denn hinsichtlich der Ställe 10 und 11, die dem Sohn bzw. der Schwiegertochter des Beigeladenen und damit Eheleuten in nahem zeitlichen Zusammenhang in der ersten Hälfte des Jahres 2008 genehmigt worden sind und die sich auf einem einheitlichen Betriebsgrundstück mit gemeinsamer Zufahrt und Umzäunung befinden, liegt eine Kumulation nahe. Der Annahme einer „Kettenkumulation“ steht indes entgegen, dass die für eine Kumulation erforderlichen, weil die gemeinsame Betrachtung rechtfertigenden vier Voraussetzungen „Vorhaben derselben Art mit einem gemeinsamen Einwirkungsbereich, die funktional und wirtschaftlich im Sinne eines planvollen Vorgehens der Vorhabenträger verschränkt und mit gemeinsamen betrieblichen oder baulichen Einrichtungen verbunden sind“, gerade bezüglich der kumulierenden Vorhaben erfüllt sein müssen. Bei einer „Kettenkumulation“ würden jedoch zwei Vorhaben miteinander kumulieren, die den Anforderungen nicht untereinander, sondern jeweils nur in Bezug auf ein drittes Vorhaben entsprechen. Das ist vor dem Hintergrund, dass die Umweltauswirkungen grundsätzlich für jede Anlage einzeln zu betrachten sind und nur unter besonderen Voraussetzungen eine gemeinsame Bewertung geboten ist, nicht ausreichend, um zur Annahme kumulierender Vorhaben zu gelangen. Hinzu kommt, dass die Möglichkeit einer „Kettenkumulation“ mit einer deutlichen Ausweitung der Kumulationsfälle verbunden sein kann, die in den gesetzlichen Bestimmungen nicht angelegt ist.

III.

Der Kostenentscheidung liegen die Vorschriften der §§ 154 Abs. 1, Abs. 3, 155 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO zugrunde.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.