Landgericht Göttingen
Beschl. v. 10.01.2003, Az.: 10 T 4/03
Anforderungen an die Durchführung eines Insolvenzverfahrens; Voraussetzungen für das Vorliegen von Insolvenzgründen; Anforderungen an einen Schuldenbereinigungsplan
Bibliographie
- Gericht
- LG Göttingen
- Datum
- 10.01.2003
- Aktenzeichen
- 10 T 4/03
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 32666
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGGOETT:2003:0110.10T4.03.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BGH - 19.01.2006 - AZ: IX ZB 14/03
Rechtsgrundlagen
- § 97 Abs. 1 InsO
- § 98 Abs. 2 Nr. 1 InsO
- § 101 Abs. 1 InsO
Fundstellen
- EWiR 2003, 775 (Volltext mit red. LS)
- InVo 2003, 321-322 (Volltext mit red. LS)
- NWB 2003, 3273
- NZI 2003, 383-384 (Volltext mit red. LS)
- ZAP 2003, 1104
- ZIP 2003, 680-682 (Volltext mit red. LS)
- ZInsO 2003, 134-135 (Volltext mit red. LS)
Gründe
Am 5.9.2000 hat eine Gläubigerin beantragt, das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin zu eröffnen. Mit Beschl. v. 29.9.2001 hat das AG das Insolvenzverfahren eröffnet und den RA ... zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser hat am 1.11.2001 beantragt, die Anberaumung einer Sitzung des Insolvenzgerichts zur Anhörung des Beschwerdeführers, in der dieser u.a. Kontounterlagen für bestimmte bezeichnete Konten vorlegen sollte sowie Auskunft über die Kontobewegungen auf diesen Konten geben sollte. Ferner sollte der Beschwerdeführer Unterlagen über ein benanntes Treuhandkonto vorlegen und über den Grund der Einrichtung des Kontos und den Grund einzelner Zahlungsbewegungen Auskunft erteilen. Ferner sollte der Beschwerdeführer Auskunft darüber erteilen, welche Endmietverhältnisse von der Schuldnerin eingegangen worden waren sowie über Einzelheiten dieser Mietverhältnisse Auskunft geben und Unterlagen vorlegen. Der Termin zur Anhörung des Beschwerdeführers vor dem AG hat stattgefunden am 27.5.2002. In diesem Termin hat der Beschwerdeführer u.a. bzgl. des Treuhandkontos erklärt, er werde im Schriftverkehr noch nachsehen, wer die Einrichtung des Treuhandkontos verlangt habe. Ferner hat er mitgeteilt, er werde in Bezug auf das Treuhandkonto noch ein exemplarisches Schreiben an die Mieter vorlegen. Weiterhin ergibt sich aus dem Protokoll der Anhörung, dass der Beschwerdeführer erklärt hat, er müsse noch nachschauen, ob die Schuldnerin und die B. Sparbücher an die U. weitergegeben hätten und ob das Ganze mit den Mietern abgesprochen gewesen sei. Ferner hat der Beschwerdeführer seinerzeit erklärt, er werde über den Treuhänder noch eine Kopie von notariellen Kaufverträgen von Wohnungseigentum vorlegen.
Nachdem der Richter den Beschwerdeführer über die Strafbarkeit einer falschen Versicherung an Eides statt belehrt hatte, erklärte der Beschwerdeführer seinerzeit, es könne sein, dass sich noch weitere Unterlagen bei Dritten befinden würden. Er wolle sich bis zum 28.6.2002 versichern, dass nicht doch noch weitere Unterlagen vorhanden seien und erst danach die eidesstattliche Versicherung abgeben.
Innerhalb der vom Beschwerdeführer genannten Frist sind von ihm keine Mitteilungen bei Gericht eingegangen geschweige denn Unterlagen vorgelegt worden.
Mit Verfügung v. 2.9.2002 hat das AG den Beschwerdeführer an die Abgabe der noch ausstehenden Erklärungen erinnert und insoweit eine Frist bis zum 15.10.2002 gesetzt. Mit Schreiben v. 30.10.2002 hat der Beschwerdeführer um Fristverlängerung bis zum 30.12.2002 gebeten. Mit Verfügung v. 8.11.2002 hat das AG Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung bestimmt auf den 10.1.2003 und den Beschwerdeführer zu diesem Termin geladen. Gleichzeitig hat es dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass er mit dem Erlass von Zwangsmaßnahmen bis zum Erlass eines Haftbefehls rechnen müsse, falls er zu dem Termin nicht erscheinen oder die angekündigten Erklärungen nicht bis zum 30.12.2002 abgeben werde.
Der Beschwerdeführer hat bis zum 30.12.2002 keinerlei Erklärungen abgegeben. In dem Termin v. 10.1.2003 vor dem AG hat der Beschwerdeführer erklärt, er habe weitere Unterlagen nicht gefunden.
Die Vorlage der Unterlagen, die er im Termin v. 27.5.2002 zugesagt habe, habe er verschlafen. Das AG hat daraufhin mit Beschl. v. 10.1.2003 die Verhaftung des ehemaligen Geschäftsführers der Schuldnerin angeordnet und zur Begründung ausgeführt, er habe seine Verpflichtung zur Klarstellung der Vermögensverhältnisse nicht erfüllt und trotz seiner Zusage Geschäftsunterlagen nicht vollständig vorgelegt.
Gegen diesen Beschluss wendet sich der frühere Geschäftsführer der Schuldnerin mit der sofortigen Beschwerde. Er meint, der Beschluss sei unverhältnismäßig, weil das AG zunächst mildere Mittel habe festsetzen müssen. I.Ü. sei der Beschluss ungeeignet, da er, der Beschwerdeführer, aus der Haft nichts unternehmen könne. Darüber hinaus sei er zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung bereit, das AG habe ihn hierzu in dem Termin v. 10.1.2003 gar nicht aufgefordert. Er habe darüber hinaus alle ihm als ehemaligen Geschäftsführer vorliegenden Geschäftsunterlagen vorgelegt.
Die sofortige Beschwerde ist gem. §§ 6, 98 Abs. 3 Satz 3 InsO zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet. Das AG hat den angefochtenen Haftbefehl zu Recht erlassen. Gem. § 98 Abs. 2 Nr. 1 InsO kann das Gericht den Schuldner nach Anhörung in Haft nehmen, wenn er eine Auskunft verweigert. Die Auskunftspflicht des Schuldners folgt aus § 97 Abs. 1 InsO. Danach ist der Schuldner verpflichtet, dem Insolvenzgericht über alle das Verfahren betreffenden Verhältnisse Auskunft zu geben. Diese Verpflichtung zur Auskunft bzw. die sich aus § 98 Abs. 2 Nr. 1 ergebende Rechtsfolge der Verhaftung treffen hier den Beschwerdeführer, obwohl er nicht mehr der Geschäftsführer der Schuldnerin ist. Dies folgt aus § 101 Abs. 1 InsO. Danach gelten die §§ 97-99 entsprechend für die Mitglieder des Vertretungs- oder Aufsichtsorgans. § 97 Abs. 1 und § 98 gelten außerdem entsprechend für Personen, die nicht früher als zwei Jahre vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Vertretungs- oder Aufsichtsorgan des Schuldners ausgeschieden sind. Der Beschwerdeführer war Geschäftsführer der Schuldnerin, und zwar auch noch in einem Zeitraum, der nicht länger als zwei Jahre vor der Antragstellung zurücklag. Hier datiert der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin v. 5.9.2000. Im September 1998 war der Beschwerdeführer unzweifelhaft noch Geschäftsführer der Schuldnerin.
Die Voraussetzungen für den Erlass des Haftbefehls liegen auch in materieller Hinsicht vor. Der Beschwerdeführer hat hier Auskünfte, zu denen er verpflichtet ist, verweigert. Dabei spielt es keine Rolle, dass der Beschwerdeführer die Erteilung der Auskünfte hier nicht ausdrücklich verweigert hat. Vielmehr läuft es auf dasselbe hinaus, dass er hier über einen Zeitraum von mehr als einem halben Jahr den Aufforderungen des Gerichts zur Auskunftserteilung nicht nachgekommen ist und auch ihm gewährte Fristverlängerungen ungenutzt hat verstreichen lassen. Dass der Beschwerdeführer hier noch Auskünfte zu erteilen hat und hierzu auch in der Lage ist, ergibt sich aus seiner Anhörung v. 27.5.2002. Der Beschwerdeführer hat in dieser Anhörung zu dem Komplex Treuhandkonto erklärt, er werde im Schriftverkehr nachsehen, wer die Einrichtung eines Treuhandkontos verlangt hat. Des Weiteren werde er klären, ob den Mietern mitgeteilt worden sei, dass es sich bei dem neuen Konto um ein Treuhandkonto handele. Hierzu werde er exemplarisch ein Schreiben an die Mieter vorlegen. Ferner müsse er nachschauen, ob die Schuldnerin und die B. die Sparbücher an die U. weitergegeben hätten und ob das Ganze mit den Mietern abgesprochen gewesen sei.
Zu dem Komplex Endmietverhältnisse der Schuldnerin hat der Beschwerdeführer in der Anhörung v. 27.5.2002 erklärt, er werde noch eine Kopie der notariellen Kaufverträge von Wohnungseigentum in der ...-Str. vorlegen.
Damit hat der Beschwerdeführer selbst zum Ausdruck gebracht, dass es ihm zumindest in diesen Komplexen möglich ist, noch weitere Aufklärung zu leisten und Auskünfte zu erteilen. Dem ist er jedoch nicht innerhalb der Frist nachgekommen. Auch die Erinnerungen seitens des AG sowie die von ihm selbst gesetzten Fristen im Rahmen seiner Anträge auf Fristverlängerung sind ergebnislos verlaufen. In der Anhörung v. 10.1.2003 hat der Beschwerdeführer hierzu erklärt, er habe die Vorlage dieser Unterlagen, die er im Termin v. 27.5.2002 zugesagt habe, verschlafen. Dieses Verhalten des Schuldners stellt eine klare Verweigerung i.S.d. § 98 Abs. 2 InsO dar. Durch seine Untätigkeit hat der Beschwerdeführer deutlich zu erkennen gegeben, dass er nicht gewillt ist, die von ihm begehrten Auskünfte zu erteilen.
Zur Erzwingung dieser Auskünfte durfte das AG deshalb die Haft anordnen und den Haftbefehl erlassen.
Die Anordnung der Haft steht auch nicht außer Verhältnis zu den verfolgten Zielen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer länger als ein halbes Jahr Gelegenheit hatte, die in Rede stehenden Auskünfte zu erteilen. Er hat sich jedoch, wie er selbst in der Anhörung v. 10.1.2003 erklärt hat, noch nicht einmal bemüht, die in Rede stehenden Unterlagen herauszusuchen und daraus die erforderlichen Informationen zu gewinnen. Eine nochmalige Fristsetzung seitens des Gerichts erscheint deshalb in jedem Falle aussichtslos. Dasselbe gilt für das mildere Zwangsmittel der zwangsweisen Vorführung. Der Beschwerdeführer war hier zweimal beim AG erschienen, ohne jedoch die geforderten Auskünfte zu erteilen.