Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 08.02.2011, Az.: 1 LA 109/08
Zurechnung eines Bauplatzes zum Innenbereich oder "Außenbereich im Innenbereich" im Falle einer Nachbarklage gegen die Erweiterung eines Produktionsbetriebes; Erteilung einer Baugenehmigung für die Erweiterung einer Produktionsstätte, die Errichtung einer Schallschutzwand und die Anlage von zwölf Pkw-Einstellplätzen; Einhaltung von Lärmrichtwerten an der Grundstücksgrenze
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 08.02.2011
- Aktenzeichen
- 1 LA 109/08
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2011, 10664
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2011:0208.1LA109.08.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Oldenburg - 24.04.2008 - AZ: 4 A 5024/06
Rechtsgrundlagen
- § 2 Abs. 2 BauGB
- § 34 Abs. 2 BauGB
- § 34 Abs. 3a BauGB
Fundstellen
- BauR 2011, 890
- DVBl 2011, 580
- DÖV 2011, 370
- FStNds 2011, 263-268
- ZfBR 2011, 788
- ZfBR 2011, 381-382
Amtlicher Leitsatz
Das Verwaltungsgericht kann im Falle einer Nachbarklage gegen die Erweiterung eines Produktionsbetriebes unter Umständen offen lassen, ob der Bauplatz dem Innenbereich oder einem "Außenbereich im Innenbereich" zuzurechnen ist; durch rechtliche Unterschiede in der Herleitung des Rücksichtnahmegebots für die jeweiligen Bereiche ist es daran nicht ohne Weiteres gehindert.
Gründe
Die Kläger wenden sich als Nachbarn gegen eine der Beteiligten erteilte Baugenehmigung der Beklagten für die Erweiterung einer Produktionsstätte, die Errichtung einer Schallschutzwand und die Anlage von 12 Pkw-Einstellplätzen.
Sie selbst sind Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks Heinrichstraße F. in D.. Das langgestreckte Straßengeviert Heinrichstraße - Bremer Feld - Grüne Straße - Nelkenstraße - Bremer Straße ist entlang der Heinrichstraße fast durchgängig mit Wohnhäusern bebaut; nur das nördliche Ende ist auch gewerblich geprägt. An der Nelkenstraße findet sich jedenfalls im mittleren Teil ebenfalls eine lange Reihe von Wohngrundstücken, offenbar in einem Plangebiet, das allgemeines Wohngebiet festsetzt. Zwischen den beiden letztgenannten Straßen verläuft eine Bahnlinie der D. -G. Eisenbahn rückwärtig hinter den Wohngrundstücken an der Nelkenstraße. Der südöstliche Teil des Straßengevierts wird durch große Produktionsstätten für Margarine, Soßen und Tiefkühlkost der Firma H. (inzwischen wohl umbenannt in I.) eingenommen. Die bisherige Nutzung der Fläche im Inneren des Straßengevierts ist in den Bauakten nicht dokumentiert und zwischen den Beteiligten im Einzelnen streitig. Diese Fläche ist zwischen der bisherigen Produktionsstätte und der ersten Reihe der Bebauung an der Bremer Straße etwa 200 m lang. Im Westen wird sie durch die Bahnstrecke und weiter nördlich - jenseits eines Versprungs des Buchgrundstücks - durch in zweiter und dritter Reihe stehende Gebäude auf tiefen Grundstücken an der Bremer Straße begrenzt (Nrn. 21, 23 A). Im Osten stößt die Freifläche auf die rückwärtigen Hausgärten der Bebauung entlang der Heinrichstraße, wobei die Grundstücke Nr. 1 bis 6 gut 30 m tief sind, die südlicher gelegenen Grundstücke bis etwa 50 m.
Das Baugrundstück selbst verjüngt sich von Süden nach Norden insgesamt etwas, mit einem zusätzlichen Versprung nach Osten. Auf der Höhe des Grundstücks der Kläger reduziert sich seine Breite deshalb von rund 75 m (Grenze zur Bahnstrecke) auf etwa 48 m (Grenze zum Grundstück Bremer Straße 23 A). Seine schmale Zufahrt liegt zwischen zwei Gebäuden an der Bremer Straße.
Auf Grund der nunmehr umstrittenen Baugenehmigung wird dieser innere Bereich jetzt überwiegend durch eine große Produktionshalle eingenommen, welche im Westen an die Bahngleise grenzt und im Osten fast an die rückwärtigen Hausgärten heranreicht. Die zugehörige Verladehalle mit fünf Lkw-Buchten ist in dem Gebäudeende auf der Höhe des Grundstücks der Kläger angeordnet.
Die am 5. Juli 2006 erteilte, mit Nachtrag vom 10. April 2008 geänderte Baugenehmigung enthält zahlreiche Nebenbestimmungen.
Das Verwaltungsgericht hat die dagegen gerichtete Klage abgewiesen. Es hat ein Planungserfordernis verneint und offen gelassen, ob sich die Anlage nach § 34 Abs. 3a BauGB oder nach § 35 BauGB beurteile; die Nachbarschutzansprüche seien in beiden Fällen gleich. Nach den vorgelegten schalltechnischen Gutachten würden die für ein allgemeines Wohngebiet geltenden Lärmrichtwerte im Wesentlichen eingehalten. Am Immissionspunkt 5 werde zwar der Nachtwert um 1 dB(A) überschritten (41 dB(A)); das sei wegen der Randlage des Grundstücks und der Gemengelage aber vertretbar, zumal das Grundstück durch benachbarte Gewerbenutzung vorbelastet sei. Die Baugenehmigung enthalte auch hinreichende Auflagen zum Schutz der Kläger. Das Schallschutzgutachten sei fortzuschreiben und die Einhaltung der Werte zu überprüfen. Danach erforderliche Maßnahmen seien umgehend durchzuführen. Der Lkw-Verkehr werde ebenfalls durch Nebenbestimmungen geregelt. Frühere Bedenken habe ein TÜV-Gutachten vom 23. Juni 2006 ausgeräumt. Gegen "Kommunikationsgeräusche" sei durch organisatorische Maßnahmen vorzugehen; erforderlichenfalls müsse eine Schallschutzwand angeordnet werden. Die Geruchssituation werde sich gegenüber dem früheren Zustand verbessern. Innerhalb der Halle würden die Lkw an Abgas-Absauganlagen angeschlossen. Der Grenzabstand werde eingehalten; eine erdrückende Wirkung trete nicht ein. Auf eine Wertminderung der Grundstücke komme es nicht an.
Mit ihrem dagegen gerichteten Zulassungsantrag machen die Kläger ernstliche Zweifel und grundsätzliche Bedeutung geltend. Es treffe nicht zu, dass Nachbaransprüche bei der Anwendung von § 34 Abs. 3a BauGB und § 35 Abs. 3 BauGB deckungsgleich seien. Jedenfalls dann, wenn ein nicht privilegiertes Außenbereichsvorhaben zu Unrecht zugelassen werde, könne der Nachbar ihm Verstöße gegen § 35 Abs. 3 BauGB entgegenhalten. Das sei hier mit der Überschreitung des Nachtwerts der Fall. Zudem sei die Lärmbelastung infolge nachträglich eingebauter Belüftungseinrichtungen und einer Schranke faktisch höher. Dies müsse nicht geduldet werden, zumal im rückwärtigen Hausgarten. Nr. 6.7 TA Lärm könne nicht für eine Zwischenwertbildung herangezogen werden, weil hier keine Gebietskategorien aneinandergrenzten, sondern der Außenbereich an den Innenbereich.
Ein neuerliches Gutachten des TÜV Nord vom 21. April 2008 überzeuge nicht. Der darin errechnete Beurteilungspegel von nachts 39 dB(A) am Immissionsort 5 könne nicht eingehalten werden. Er setze voraus, dass zahlreiche Produktionsbedingungen und -auflagen reibungslos eingehalten würden. Das sei lebensfremd. Lauteste Lärmquelle sei die nächtliche Lkw-An- und Abfahrt. Vorausgesetzt werde insoweit, dass nur fünf Thermozüge pro Nacht an- und abführen, diese grundsätzlich mit abgeschaltetem Kühlaggregat heranführen, nur ein Lkw pro Nachtstunde die Verladehalle verlasse und die Kühlaggregate der in der Halle befindlichen Thermoauflieger beim Öffnen der Rolltore automatisch abgeschaltet würden. Außerdem müsse beim Öffnen der Rolltore die Arbeit in der Verladehalle eingestellt werden und laute Maschinen in der Technikzentrale müssten kurzfristig abgeschaltet werden. Die Abfahrt der Kühl-Lkw bis zur Bremer Straße dürfe nur im Schritttempo erfolgen. Der Verladerauminnenpegel müsse auf 70 dB(A) begrenzt sein. Die Schranke müsse funktionsbereit sein. Jeder Fahrer müsse über einen Funktransponder verfügen. Es müsse dafür gesorgt werden, dass Außenarbeiten und Gespräche im Außenbereich unterblieben. Das alles könne so nicht eingehalten werden und werde es auch nicht, wie die ersten Erfahrungen zeigten. Insbesondere sei die Ausfahrt der Lkw mit einem mehrmaligen Anfahrvorgang verbunden. Nach Verlassen der Ladehalle werde meist angehalten, um die Rückwand zu schließen. An der Schranke werde erneut gehalten, bis diese aufgegangen sei. Beim Einbiegen in die Bremer Straße werde wiederum angehalten. Im Übrigen habe das Gutachten nicht den Normalbetrieb zugrunde gelegt, sondern einen Testbetrieb.
Auch bei einer Betrachtung als Innenbereichsvorhaben sei das genehmigte Vorhaben unzulässig. Die nähere Umgebung sei hier nach§ 34 Abs. 2 BauGB als faktisches allgemeines Wohngebiet einzustufen. § 34 Abs. 3 a BauGB finde deshalb keine Anwendung. Ihnen selbst stehe dagegen ein Gebietserhaltungsanspruch zu. Abgesehen von der Wohnbebauung finde sich in der näheren Umgebung lediglich ein kleiner Autohandel. Der Betrieb der Beigeladenen stelle einen Fremdkörper dar. Eine Spedition auf den Grundstücken Bremer Straße 25 und 31 sei vor etwa 20 Jahren geschlossen worden. Eine Kfz-Werkstatt sei dort nicht betrieben worden; man habe lediglich Reparaturen an den Fahrzeugen des Speditionsbetriebs ausgeführt. Danach habe es dort einen kleineren Tierfutterhandel (mit einem einzigen 7,5-Tonner) gegeben, der seit mehreren Jahren stillgelegt sei.
Selbst wenn man das Gebiet nach § 34 Abs. 1 BauGB einstufe, finde § 34 Abs. 3a BauGB keine Anwendung, weil es hier nicht mehr um eine bloße "Erweiterung" gehe. Die Grundfläche der Betriebsgebäude und die Tiefkühlkostproduktion hätten sich mehr als verdoppelt. Der Verladebereich habe deutlich größere Ausmaße als bisher.
Die Rechtssache habe ferner grundsätzliche Bedeutung hinsichtlich der Rechtsfragen:
Sind Nachbarschutzansprüche unabhängig von der Anwendung des § 34 Abs. 3 a BauGB oder des § 35 Abs. 3 inhaltlich gleich, mit der Folge, dass die Einordnung des Bauvorhabens nach § 34 oder § 35 offen bleiben kann?
Kann ein sonstiges Bauvorhaben im Außenbereich nach § 35 Abs. 2 BauGB, das an einen Innenbereich heranrückt, eine Gemengelage i.S. der Nr. 6.7 TA Lärm bilden?
Die übrigen Beteiligten treten dem Vorbringen der Kläger entgegen, u.a. mit einer weiteren Stellungnahme des TÜV Nord vom 21. Januar 2009.
Der Zulassungsantrag ist zulässig, aber unbegründet.
1.
Ernstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen nicht erst vor, wenn der Erfolg des Rechtsmittels wahrscheinlicher ist als sein Misserfolg, sondern bereits dann, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden (BVerfG, Beschl. v. 8.12.2009 - 2 BvR 758/07 -, NVwZ 2010, 634). Das ist den Klägern nicht gelungen.
a)
Nicht zu beanstanden ist, dass das Verwaltungsgericht die Frage, ob das Baugrundstück dem Innen- oder dem Außenbereich zuzurechnen ist, offen gelassen hat, weil die Anforderungen des Rücksichtnahmegebots in beiden Fällen identisch seien. Das mag gewisse Feinheiten in der rechtlichen Herleitung des Rücksichtnahmegebots vernachlässigen. Das Verwaltungsgericht wollte aber ersichtlich nur vergleichend nebeneinanderstellen, welche Anforderungen sich im praktischen Ergebnis stellen, was vor allem auf eine Einhaltung der Lärmrichtwerte hinausläuft. Der Zulassungsantrag legt nicht hinreichend dar, dass sich in Bezug auf die konkret geltend gemachten Beeinträchtigungen tatsächlich durchgreifende Unterschiede ergeben.
Im Nachbarstreit kommt es grundsätzlich nur darauf an, ob das streitige Vorhaben gerade Rechte des Nachbarn verletzt, nicht aber darauf, ob es unter irgendwelchen sonstigen Gesichtspunkten (nur) objektiv rechtswidrig ist. Das Abwehrrecht des Nachbarn wird also nicht durch Verstöße "angereichert", die nur das objektive Recht betreffen (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.10.1993 - 4 C 5.93 -, NVwZ 1994, 686 = BauR 1994, 354). Das Bundesverwaltungsgericht hat zwar entschieden, der "plantreue" Nachbar genieße einen "gewissen Vorrang", wenn es - auch ohne Verletzung von Nachbarrechten - um die Erteilung einer Ausnahme oder einer Befreiung für ein anderes im Gebiet eines Bebauungsplanes gelegenes Grundstück gehe (vgl. Urt. v. 6.10.1989 - 4 C 14.87 -, BVerwGE 82, 343 = BRS 49 Nr. 188). Daraus sind teilweise weitergehende Schlussfolgerungen gezogen worden (vgl. VGH Mannheim, Beschl. v. 8.11.2007 - 3 S 1923/07 -, NVwZ-RR 2008, 159), denen der Senat jedoch nicht folgt (vgl. Beschl. v. 18.2.2009 - 1 ME 282/08 -, BauR 2009, 954; Beschl. v. 13.1.2010 - 1 ME 237/09 -, RdL 2010, 98).
Die genannte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts käme hier deshalb - ansatzweise - nur dann zum Tragen, wenn man der Auffassung der Kläger folgte, ihr Grundstück und - so die hilfsweise angestellte Betrachtung - das Baugrundstück seien Teil eines faktischen allgemeinen Wohngebiets im Sinne des § 34 Abs. 2 BauGB. Dies entzöge zwar einer Anwendung des § 34 Abs. 3a BauGB den Boden. Allerdings verweist § 34 Abs. 2 BauGB, der auch nur für die Art der Nutzung eine Sonderregelung enthält, in seinem letzten Satzteil auf § 31 Abs. 2 BauGB, so dass es in seinem Anwendungsbereich einer Heranziehung des § 34 Abs. 3a BauGB gar nicht bedarf (vgl. Ernst-Zinkahn-Bielenberg, BauGB, § 34 Rdnr. 87b; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 15.2.1990 - 4 C 23.86 -, BVerwGE 84, 322 = DVBl. 1990, 572, zu verbleibenden Unterschieden des § 34 Abs. 3 BauGB a.F. zu § 31 Abs. 2 BauGB). Auch im Bereich einer Ausnahme und Befreiung nach §§ 34 Abs. 2, 31 BauGB könnte aber ein "gewisser Vorrang" desjenigen, der sein Grundstück entsprechend dem faktischen Gebietscharakter nutzt, eine Rolle spielen.
Darauf kommt es hier aber deshalb nicht an, weil jedenfalls der räumliche Bereich eines faktischen allgemeinen Wohngebiets allenfalls die Grundstücke an der Heinrichstraße selbst erfasste, nicht zugleich auch die dahinter liegenden Grundstücke im Inneren des Straßengevierts. Diese können bestenfalls als Teil einer Gemengelage qualifiziert werden, weil sich jedenfalls dort der dominierende Charakter der bereits vorher bestehenden Produktionsanlagen unabweisbar bemerkbar macht. Diese können nicht als Fremdkörper aus der Betrachtung ausgeschieden werden, weil sie ihrerseits ihre Umgebung schon "beherrscht" haben (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.2.90 - 4 C 23.86 -, BVerwGE 84, 322 = NVwZ 1990, 755). Ob und wie weit die Grundstücke an der Bremer Straße gewerblich vorbelastet waren, ist demgegenüber nicht mehr entscheidend.
Der von den Klägern geltend gemachte Gebietserhaltungsanspruch mag deshalb bei Veränderungen der Bebauung entlang der Heinrichstraße durchgreifen, also innerhalb des unterstellten faktischen Wohngebiets. Er gibt aber kein vergleichbar weit reichendes Abwehrrecht gegen Bebauung in einem angrenzenden Gebiet, das diesen Charakter nicht teilt. Das Aneinandergrenzen von unterschiedlichen Gebietsarten ist grundsätzlich hinzunehmen, wenn diese nicht schon für sich genommen unverträglich sind und Konflikte durch geeignete Maßnahmen vermieden werden können.
In diesem Zusammenhang bleibt unabhängig von Lage der Lage des Vorhabens im Innen- oder Außenbereich § 50 BImSchG auf dessen Zulässigkeit ohne Einfluss. Insoweit hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 3. Dezember 2009 (- 4 C 5.09 -, DVBl 2010, 380) zu § 34 BauGB ausgeführt (vgl. hierzu Berkemann, ZfBR 2010, 18), was in gleicher Weise auch für§ 35 BauGB zutrifft:
"§ 50 BImSchG ist auf Entscheidungen über die bodenrechtliche Zulässigkeit von Vorhaben nach§ 34 BauGB weder direkt noch entsprechend (so aber Jarass, BImSchG, 7. Aufl. 2007, § 50 Rn. 8; Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht Band I, § 50 BImSchG Rn. 25) anwendbar. § 50 BImSchG enthält Anforderungen an die Zuordnung von für eine bestimmte Nutzung vorgesehenen Flächen. Die Vorschrift setzt voraus, dass die Behörde im Rahmen ihrer Entscheidung über die Zulassung der Maßnahme eine verbindliche Raumnutzungsentscheidung, mit der abschließend über die raumplanerische Zulässigkeit der Bodeninanspruchnahme befunden wird, zu treffen hat; erforderlich hierfür ist - wie § 50 Satz 2 BImSchG bestätigt - eine vom Abwägungsgebot gesteuerte, in planerischer Gestaltungsfreiheit ergehende Entscheidung des zuständigen öffentlichen Planungsträgers (Urteile vom 24. November 1994 - BVerwG 7 C 25.93 - BVerwGE 97, 143 <148 f.> und vom 26. April 2007 - BVerwG 4 C 12.05 - BVerwGE 128, 358 <372 f., Rn. 47>). Die Entscheidung nach § 34 Abs. 1 BauGB ist keine derartige planerische, sondern eine gebundene Entscheidung. Für die im Zusammenhang bebauten Ortsteile hat bereits der Gesetzgeber selbst entschieden, dass ein Vorhaben, das sich in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt, unter den weiteren Voraussetzungen des § 34 BauGB zulässig ist. Die Umgebungsbebauung erfüllt insoweit im unbeplanten Innenbereich dieselbe Funktion wie ein Bebauungsplan in einem überplanten Gebiet (Urteil vom 11. Februar 1993 - BVerwG 4 C 15.92 - BRS 55 Nr. 174 S. 478). Für eine "planersetzende" Entscheidung in dem Sinne, dass die Behörde eine planerische Abwägung unter Berücksichtigung des Planungsgrundsatzes in § 50 BImSchG zu treffen hätte, gibt § 34 BauGB keinen Raum (Beschluss vom 12. Juni 1990 - BVerwG 7 B 72.90 - NVwZ 1990, 962 <963>; Urteil vom 16. Juni 1989 - BVerwG 8 C 39.87 - [...] Rn. 15)."
Die Innen- oder Außenbereichslage hat ferner keine Bedeutung für die Frage, ob eine Richtwertüberschreitung auf dem Grundstück der Kläger hingenommen werden kann. Soweit Nr. 6.7 TA Lärm eine Zwischenwertbildung erlaubt, kann offen bleiben, ob sich dies auf den Innenbereich beschränkt. Denn am Rande des Außenbereichs besteht ohnehin nicht ohne weiteres ein Anspruch auf "Ruhe". Insbesondere gegenüber privilegierten Vorhaben im Außenbereich muss eine Mittelwertbildung hingenommen werden (vgl. VGH Kassel, Beschl. v. 30.10.2009 - 6 B 2668/09 -, RdL 2010, 7; Gatz, Anmerkung zu BVerwG, Beschl. v. 6.11.2008 - 4 B 58.08 -, jurisPR-BVerwG 1/2009 Anm. 2; Senatsbeschl. v. 20.1.2004 - 1 LA 309/02 -, RdL 2004, 206); das schmälert ihren Schutzanspruch generell. Nichts anderes gilt bei Lage neben einem "Außenbereich im Innenbereich". Dabei handelt es sich nicht um einen eigenständigen Rechtsbegriff, sondern nur um eine plastische Darstellung einer bestimmten Situation (vgl. BVerwG, Beschl. v. 15.9.2005 - 4 BN 37.05 -, BauR 2006, 348). Der Umstand, dass in einem solchen eher kleinräumigen Bereich privilegierte Außenbereichsvorhaben mit ihren typischen Emissionen weniger häufig verwirklicht werden, erfordert nicht, der Randbebauung in Bezug auf Lärm ein höheres Schutzniveau zuzugestehen als bei Randlage zu einem ausgedehnten Außenbereich.
Im Übrigen sind Lärmrichtwerte nicht als "Zaunwerte" stets an der Grundstücksgrenze einzuhalten, sondern in den Innenwohnbereichen der jeweiligen Wohngebäude und in den sogenannten Außenwohnbereichen, die sich nicht notwendig über das ganze Grundstück erstrecken (vgl. BVerwG, Beschl. v. 9.10.2008 - 9 PKH 2.08 -, NVwZ 2009, 55 [BVerwG 09.10.2008 - BVerwG 9 PKH 2.08; BVerwG 9 A 7.08]). Die Nachtwerte sind nur für die Innenwohnbereiche relevant, weil die Außenwohnbereiche des Nachts in der Regel nicht genutzt werden. Hier ist die Lärmbelastung auf dem Grundstück der Kläger nach der Rasterpegelberechnung zum schalltechnischen Gutachten vom 28. Februar 2006 in der Westecke am höchsten, erfasst damit hauptsächlich aber nur Außenwohnbereiche und das Wohnhaus nur am Rand. Auch deshalb scheint die Hinnahme einer leichten Pegelerhöhung hier vertretbar. Ob das neuere Gutachten die tatsächlich auftretenden Werte mit nur 39 dB(A) realistisch eingeschätzt hat, ist infolgedessen unerheblich.
Schließlich liegen weder nach § 34 BauGB noch nach § 35 BauGB besondere Versagungsgründe vor:
Die grundsätzliche Anwendbarkeit des § 34 Abs. 3a BauGB unterstellt, scheitert eine Genehmigung nicht daran, dass es sich nicht um eine "Erweiterung" im Sinne dieser Vorschrift handelte. Anders als § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 BauGB beschränkt sich § 34 Abs. 3a BauGB nicht auf "angemessene" Erweiterungen. Zu der insoweit gleichlautenden Vorschrift des § 34 Abs. 3 BauGB a.F. hat das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 16. März 1993 (- 4 B 253.92 -, DVBl. 1993, 884) ausgeführt:
"Eine Erweiterung setzt allerdings einen funktionalen und baulichen Zusammenhang zwischen dem vorhandenen Gebäude und der beabsichtigten baulichen Erweiterung voraus (...). Sie findet ihre Grenze zum einen dort, wo die Erweiterung der vorhandenen Bausubstanz der Sache nach ein neues Bauvorhaben darstellt. ..."
Letztere Eingrenzung ist nicht ganz eindeutig. Würde sie rein bautechnisch verstanden, schieden damit alle Vorhaben aus, die konstruktiv im Wesentlichen selbständig sind. Das ist aber ersichtlich nicht gemeint, sondern nur der Fall, dass die Summe von Altbau und Erweiterung im Verhältnis zum Altbau ein Vorhaben ergibt, in dem das Neue so dominiert, dass sich der gesamte Komplex praktisch als neues Vorhaben darstellt. Diese Schwelle wird hier noch nicht erreicht. Die Erweiterung hat zwar fast die Größe des Altvorhabens, ergänzt dieses aber nur, ohne es zu dominieren.
Bei Annahme einer Außenbereichslage können sich die Kläger nicht darauf berufen, dass im Außenbereich der öffentliche Belang des "Planungserfordernisses" berührt sei. Dies kann dem Rechtsmittel einer Nachbargemeinde zum Erfolg verhelfen, wenn die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 BauGB vorliegen (BVerwG, Urt. v. 1.8.2002 - 4 C 5.01 -, DVBl. 2003, 62). Da für benachbarte Grundstückseigentümer keine vergleichbare Norm eingreift, verbleibt es vor dem Hintergrund des § 1 Abs. 3 Satz 2 BauGB bei dem Grundsatz, dass das Unterbleiben der Planaufstellung, selbst wenn diese objektivrechtlich geboten sein sollte, den Einzelnen nicht im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO in seinen subjektiven Rechten verletzt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 3.8.1982 - 4 B 145.82 -, DVBl 1982, 1096).
b)
Der Umstand, dass das Vorhaben nur bei Einhaltung einer Vielzahl von Nebenbestimmungen nachbarverträglich betrieben werden kann, rechtfertigt eine Zulassung der Berufung ebenfalls nicht.
Solche "maßgeschneiderten" Inhalts- und Nebenbestimmungen müssen sich allerdings an dem Grundsatz messen lassen, dass die städtebauliche Beurteilung ein gewisses Maß an Typisierung erfordert (vgl. Übersicht bei Rebler/Scheidler, UPR 2011, 9). Entspricht eine bauliche Anlage einem bestimmten - störenden - Grundtypus, ist dieser der Bewertung zugrunde zu legen, auch wenn die bauliche Anlage durch weitreichende Nebenbestimmungen zur Genehmigung "schön gemacht" wird.
Darüber hinaus geht der Senat geht davon aus, dass Nebenbestimmungen eine Konfliktbewältigung nicht nur "auf dem Papier" vortäuschen dürfen (vgl. Senatsurt. v. 18.11.1993 - 1 L 355/91 -, UPR 1994, 345; Beschl. v. 25.11.1994 - 1 M 4954/94 -, 1 M 4954/94 -, [...]; Urt. v. 17.4.1997 - 1 L 2051/96 -, [...]; Urt. v. 29.8.1995 - 1 L 3462/94 -, BauR 1996, 79; Beschl. v. 19.1.2010 - 1 ME 239/09 -, n.v.; OVG Saarlouis, Beschl. v. 26.1.2007 - 2 W 27/06 -, BauR 2008, 652). Das ist z.B., aber nicht nur der Fall, wenn losgelöst von den Verhältnissen des Einzelfalls lediglich die Einhaltung von bestimmten Richtwerten vorgeschrieben wird, ohne dass geklärt ist, ob und wie dies gewährleistet und überprüft werden kann.
Hier ist es nicht der Produktionsbetrieb in den Hallen, welcher im Verhältnis zu den Klägern zu Unzuträglichkeiten führen könnte, sondern der Lkw-Verkehr mit Kühltransportern. Wäre die Verladehalle an anderer Stelle, d.h. vom Grundstück der Kläger abgewandt angeordnet worden, wäre die Störwirkung des Vorhabens für sie eher gering.
Die für den Lkw-Verkehr getroffenen Bestimmungen zeigen gerade mit ihrem Detailreichtum an, dass tiefgreifende Lärmprobleme geschaffen werden und zu bewältigen sind. Das spricht hier aber noch nicht dafür, dass das Vorhaben wegen seines Störcharakters von vornherein nicht genehmigungsfähig war. Denn ein Vorhaben dieses Typus hätte mit gewissen Abweichungen für die Kläger und ihre Nachbarn auch deutlich störungsärmer verwirklicht werden können, etwa dadurch, dass dem Genehmigungsantrag eine Lärmschutzwand nicht nur an der Westseite des Wendeplatzes vor der Verladehalle, sondern auch nach Osten zu den Klägern und ihren Nachbarn hin zugrunde gelegt worden wäre.
Unbeschadet dessen führt der Detailreichtum der Inhalts- und Nebenbestimmungen hier gerade dazu, dass die Kontrolle ihrer Einhaltung leichter fällt als in vielen anderen Fällen, in denen ohne aufwändige sachverständige Lärmmessung kaum festgestellt werden kann, ob die Lärmvorgaben eingehalten werden. Dies nötigt zwar zunächst den Nachbarn als den Betroffenen ab, bei Verstößen zunächst selbst tätig zu werden. Damit können die Problemfelder aber auch relativ kurzfristig eingegrenzt werden, so dass die Bauaufsicht eine Übersicht gewinnt, inwiefern sie "nachsteuern" muss, um eine dauerhafte Einhaltung der ursprünglichen Vorgaben sicherzustellen oder neue, schärfere Vorgaben nachzuschieben.
2.
Die Berufung ist schließlich auch nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.
Von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift ist eine Rechtssache, wenn es maßgebend auf eine konkrete, über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage ankommt, deren Klärung im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts geboten erscheint. Die Klärung der Rechtsfrage ist geboten, wenn deren Beantwortung zweifelhaft ist oder wenn zu ihr unterschiedliche Auffassungen vertreten werden und sie sie noch nicht oder nicht hinreichend höchstrichterlich geklärt ist.
Das ist hier nicht der Fall.
Die Frage, ob Nachbarschutzansprüche unabhängig von der Anwendung des § 34 Abs. 3a BauGB oder des § 35 Abs. 3 inhaltlich gleich sind, mit der Folge, dass die Einordnung des Bauvorhabens nach § 34 oder § 35 BauGB offen bleiben kann, bedarf hier keiner generellen, sondern nur einer fallbezogenen Antwort. Diese lässt sich - wie oben aufgezeigt - bereits anhand gesicherter Rechtsprechung geben.
Die Frage, ob ein sonstiges Bauvorhaben im Außenbereich nach § 35 Abs. 2 BauGB, das an einen Innenbereich heranrückt, eine Gemengelage i.S. der Nr. 6.7 TA Lärm bilden kann, bedarf hier keiner Klärung, weil sich die Absenkung des Schutzniveaus gegenüber dem Außenbereich auch ohne Rücksicht auf Nr. 6.7 TA Lärm schon aus gefestigter Rechtsprechung ergibt.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).