Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 08.10.2021, Az.: 12 B 5201/21

Alternativgrundstück; Gutachten nicht eingeholt; Landwirtschaftliche Halle; Schallimmissionen; Staubimmissionen; Wertminderung

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
08.10.2021
Aktenzeichen
12 B 5201/21
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2021, 70773
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind erstattungsfähig.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 10.000,- € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen eine Baugenehmigung, die der Antragsgegner dem Beigeladenen für die Errichtung einer landwirtschaftlichen Halle erteilt hat.

Der Antragsteller ist Eigentümer des Grundstücks E., Flurstück F. der Flur G. der Gemarkung H.. Das Grundstück ist mit einem Wohnhaus bebaut. Es liegt im Geltungsbereich des von dem Antragsgegner erlassenen Bebauungsplans I.. Der Bebauungsplan setzt für das Plangebiet ein Kleinsiedlungsgebiet fest.

Der Beigeladene ist Landwirt und betreibt in H. im Haupterwerb einen landwirtschaftlichen Betrieb mit einer bewirtschafteten Fläche von 574 ha, davon 552 ha Ackerfläche. Schwerpunkt des Betriebes ist der Anbau von Getreide, Raps, Zuckerrüben und Mais. Außerdem ist der Beigeladene Inhaber eines vorrangig auf Getreidetransporte ausgerichteten landwirtschaftlichen Lohnunternehmens.

Unter dem 16. Oktober 2020 beantragte der Beigeladene bei dem Antragsgegner die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung einer landwirtschaftlichen Halle auf dem in seinem Eigentum stehenden Grundstück mit der Flurstücksnummer J. (ehemals Flurstücke K., L. und M.) der Flur G. der Gemarkung H.. Das Grundstück, das nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans liegt, befindet sich auf der gegenüberliegenden Seite der westlich an das Grundstück des Antragstellers anschließenden N.. Die geplante Halle soll im südöstlichen Bereich des Baugrundstücks errichtet werden. Sie hat eine Grundfläche von (42,53 m x 25,09 m =) 1.067,08 m2, eine Traufhöhe von 7,82 m und eine Firsthöhe von 11,18 m. Der Abstand zwischen der nordöstlichen Ecke der Halle und dem Wohngebäude des Antragstellers beträgt nach dem in den Bauvorlagen enthaltenen Lageplan ca. 40,00 m. Zur geplanten Nutzung der Halle wird in den von dem Beigeladenen im Genehmigungsverfahren vorgelegten „Ergänzende[n] Angaben zur Betriebsbeschreibung“ vom 8. März 2021 Folgendes ausgeführt:

„Die neugeplante Halle wird zum Unterstellen von landwirtschaftlichen Maschinen und Geräten und zur Lagerung von Idw. Produkten (Getreide) benötigt.

Für das Unterstellen der Idw. Maschinen und Geräte wurden bisher zwei gepachtete Gebäude genutzt. Ein Gebäude wurde gekündigt und das andere Gebäude ist für die Größe der genutzten Maschinen des landwirtschaftlichen Betriebes zu klein.

Für die Getreidelagerung ist nur eine Belüftung vorgesehen[,] eine Trocknungseinheit ist nicht geplant.

In der Halle wird eine Unterflurbelüftung verbaut. Das Belüftungsgebläse (15 KW Radialgebläse) wird in der Halle aufgestellt. Der Bauherr hat bei seiner Getreidehalle auf dem Hof Schallmessungen bei laufender Belüftung und offenem Tor draußen durchgeführt. Es ergab sich ein Geräuschpegel von 56 - 58 Dezibel bei einem Abstand von etwa 10m zum Gebäude. Das Gebläse in der alten Halle ist nicht schallgedämpft, dieses könnte man bei der neuen Halle gegebenenfalls einplanen oder nachrüsten, damit wir die Schallimmission so niedrig wie möglich halten. Um das Gebläse kann in der Halle zusätzlich eine Dämmung verbaut werden.

Da wir ein Gebläse mit hoher Luftrate einbauen, können wir die Laufzeit einschränken. Das Gebläse wird max. 4 Stunden am Tag laufen (8-12 Uhr) und wird an voraussichtlich 20 - 25 Tagen im Jahr im Zeitraum von September bis Januar eingesetzt.“

Mit Schreiben vom 28. Oktober 2020 erteilte die Gemeinde H. ihr Einvernehmen zu dem Vorhaben.

Unter dem 16. Dezember 2020 teilte die Landwirtschaftskammer Niedersachsen dem Antragsgegner mit, dass gegen das Vorhaben aus ihrer Sicht keine Bedenken bestünden. Mit E-Mail vom 11. März 2021 unterrichtete der Beigeladene den Antragsgegner darüber, dass nach ergänzender Rücksprache mit der Landwirtschaftskammer die Einholung eines Schallgutachtens nicht erforderlich sei.

Mit Bescheid vom 11. Mai 2021 erteilte der Antragsgegner dem Beigeladenen die beantragte Baugenehmigung. Zu den grüngestempelten Bauvorlagen zählen u.a. die „Ergänzenden Angaben zur Betriebsbeschreibung“ vom 8. März 2021 sowie ein unter dem 13. April 2021 erstellter „Landschaftspflegerischer Fachbeitrag“ des Büros O.. Die Genehmigung ist u.a. mit folgenden Auflagen versehen:

Planungsrecht:

2. Zum Schutz der Nachbarschaft vor erheblich belästigenden Geräuschimmissionen ist die von der Genehmigung erfasste Anlage schalltechnisch so zu errichten und zu betreiben, dass das Gesamtbetriebsgeräusch der Anlage einschließlich aller dazugehörigen Nebeneinrichtungen (z.B. Maschinen, Geräte, Lüftungsanlagen sowie innerbetrieblicher Fahrzeugverkehr und Lieferverkehr) unter Berücksichtigung der Vorbelastung durch eigene und betriebsfremde Anlagen gemäß TA Lärm, „Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm“ vom 28[.] August 1998 (zuletzt geändert durch Bekanntmachung des BMUB vom 1. Juni 2017) nachstehende Lärmimmissionswerte nicht überschreitet.

Immissionsorte

Immissionsrichtwert
in dB(A) tags / nachts

X (Allg. Wohngebiet / Kleinsiedlungsgebiet)

55 / 40

Y (Allg. Wohngebiet / Kleinsiedlungsgebiet)

55 / 40

Z (Allg. Wohngebiet / Kleinsiedlungsgebiet[)]

55 / 40

Q (Außenbereich / Dorfgebiet)

60 / 45

Als Tagzeit gilt die Zeit von 06.00 Uhr bis 22.00 Uhr.

Einzelne kurzzeitige Geräuschspitzen dürfen die Immissionsrichtwerte am Tage um nicht mehr als 30 dB(A) überschreiten.

- Lärmträchtige Tätigkeiten zur Nachtzeit sind nicht beantragt (Als Nachtzeit gilt die Zeit von 22.00 Uhr bis 06.00 Uhr.).

- Da bereits nachbarliche Einwendungen vorliegen, wird die Erarbeitung und Vorlage einer zumindest überschlägigen Lärmimmissionsprognose empfohlen.

3. Auf Anforderung des Landkreises P. oder des Staatlichen Gewerbeaufsichtsamtes Q. (z.B. im Zusammenhang mit berechtigten Nachbarschaftsbeschwerden) ist durch Messung einer Messstelle nach § 29b BImSchG die Einhaltung der festgelegten Immissionsrichtwerte nachzuweisen.

Für die Ermittlung und Beurteilung der Geräuschimmissionen ist die Sechste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundesimmissionsschutzgesetz (Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm - TA Lärm vom 26[.]08.98, siehe GMB1 Nr. 26/1998, S. 503) in der jeweilig geltenden Fassung anzuwenden.

Sofern begründete Beschwerden durch die Nutzung und den Betrieb der baulichen Anlage vorgebracht werden, hält sich der Landkreis P. weitergehende Anforderungen oder Einschränkungen vor.

4. Eine etwaige Lüftungs- oder Gebläseanlage ist dem Stand der Technik entsprechend unter dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme als schallgedämmte Anlage, ausschließlich bei geschlossenen Toren, zu betreiben. Eventuell erforderliche Lüftungsein- und [-]auslässe im Gebäude sind so zu positionieren und auszubilden, dass zusätzliche Beeinträchtigungen ausgeschlossen bzw. minimiert werden.

5. Zu- und Abgangsverkehr zur Halle sind unter dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme auf die unter Auflage 2 genannten Tagzeiten zu beschränken. Ansonsten ist durch Messungen nachzuweisen, dass die Immissionsrichtwerte eingehalten werden.

6. Da es sich laut Bauantrag und Betriebsbeschreibung ausschließlich um landwirtschaftliche Nutzungen handelt, darf die Maschinen- und Lagerhalle ausschließlich der beantragten landwirtschaftlichen Nutzung dienen. Maßnahmen oder Nutzungen, die dem landwirtschaftlichen Lohnbetrieb dienen, sind von der Baugenehmigung ausgenommen.“

Mit E-Mail vom 12. Mai 2021 setzte der Antragsgegner den Antragsteller von der Genehmigung in Kenntnis.

Unter dem 14. Mai 2021 legte der Antragsteller gegen die Baugenehmigung Widerspruch ein.

Am 18. Mai 2021 hat der Antragsteller Klage erhoben (Az. R.).

Unter dem 9. Juni 2021 hat der Antragsteller bei dem Antragsgegner einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Baugenehmigung gestellt.

Mit Bescheid vom 12. August 2021 hat der Antragsgegner den Widerspruch des Antragstellers zurückgewiesen und dessen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Baugenehmigung abgelehnt.

Am 6. September 2021 hat der Antragsteller um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Zur Begründung trägt er vor, mit dem Vorhaben gehe eine erhebliche Lärm- und Staubbelastung einher, die den Wert seines Grundstücks mindere, erhebliche Auswirkungen auf seine Wohnqualität habe und dadurch sein Grundrecht auf Eigentum beeinträchtige. Darüber hinaus habe der Antragsgegner außer Acht gelassen, dass der Beigeladene in H. im Bereich des Friedhofsgeländes über ein Alternativgrundstück verfüge. Auf diesem Grundstück könne die Halle errichtet werden, ohne Nachbarn zu beeinträchtigen. Das Grundstück sei auch erschlossen. Jedenfalls sei die Erschließung ohne größeren Aufwand möglich.

Der Antragsteller beantragt,

die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 11. Mai 2021 anzuordnen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung trägt er unter Bezugnahme auf den Inhalt seines Widerspruchsbescheides vor, unzumutbare Lärmbeeinträchtigungen der Nachbarschaft seien nach der Betriebs- und Nutzungsbeschreibung nicht zu erwarten, zumal die Einlagerung von Getreide nur an wenigen Tagen des Jahres erfolge und die Lüftungs- bzw. Gebläseanlage mit entsprechenden Lärmschutzeinrichtungen versehen werde. Das Gebläse werde überdies lediglich an 20 bis 25 Tagen des Jahres für jeweils maximal vier Stunden (08:00 Uhr bis 12:00 Uhr) betrieben. Mit den Auflagen Nr. 2 bis 6 seien ferner Regelungen ergangen, die ebenfalls dem Schutz der Nachbarschaft dienten. Auf die Vorlage einer Schallimmissionsprognose habe aufgrund des nur geringen Umfanges des zu erwartenden zusätzlichen Verkehrs, der nur zeitweisen Nutzung der Lüftungs- bzw. Gebläseanlage sowie im Hinblick auf die in der TA Lärm enthaltenen Betreiberpflichten verzichtet werden können. Durch das Vorhaben würden auch keine unzumutbaren Staubbelastungen verursacht, zumal solche Belastungen nahezu ausschließlich bei der Einlagerung sowie gegebenenfalls beim Abtransport des Getreides entstehen dürften. Etwaige Staubimmissionen durch die weitere Nutzung des Gebäudes als Maschinenhalle sowie durch den An- und Abfahrtsverkehr über die geschotterte Zufahrt seien zu vernachlässigen. Im Übrigen seien die mit landwirtschaftlichen Betrieben einhergehenden Emissionen im ländlichen Bereich von benachbarten Nutzungen grundsätzlich hinzunehmen. Ein Bauvorhaben sei auch nicht bereits deshalb unzulässig, weil ein anderer, die Nachbarschaft weniger beeinträchtigender Standort in Betracht komme. Zudem sei die Erschließung des betreffenden Grundstücks nicht gesichert.

Der Beigeladene beantragt ebenfalls,

den Antrag abzulehnen.

Er bestreitet den Vortrag des Antragstellers, wonach die Erschließung des Grundstücks im Bereich des Friedhofsgeländes gesichert sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners Bezug genommen.

II.

Der zulässige Antrag nach § 80a Abs. 3 Satz 2, § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO ist unbegründet.

In Verfahren nach § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO ist „ausgewogener“ Rechtsschutz zu gewähren. Nicht nur auf Seiten des Nachbarn drohen vollendete, weil unumkehrbare Tatsachen einzutreten, wenn das Vorhaben verwirklicht wird. Auch auf Seiten des Bauherrn können solche nicht oder nur schwer wiedergutzumachenden Folgen eintreten. Diese bestehen im Falle einer Antragsstattgabe in jedem Fall darin, die durch den Aufschub verlorene Zeit nicht nachholen und damit die in dieser Zeit erzielbaren Gewinne nicht mehr realisieren zu können. Da der Antragsteller von den Folgen des § 945 ZPO im verwaltungsgerichtlichen Nachbarstreit verschont bleibt, kommt in Verfahren des vorläufigen Nachbarrechtsschutzes den Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs ausschlaggebende Bedeutung zu. Der Sachverhalt ist dabei in aller Regel nur summarisch zu überprüfen. Das Ergebnis dieser Prüfung gibt dem Vollzugsinteresse des Bauherrn nicht erst dann Vorrang, wenn die Baugenehmigung danach mehr oder minder zweifelsfrei Nachbarrechte dieses Antragstellers nicht verletzt. Ein derartiger Rechtsschutz wäre nicht ausgewogen, weil er das Risiko, die Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung bei nur summarischer Prüfung nicht vollständig und zweifelsfrei ermitteln zu können, einseitig dem Bauherrn auferlegte, obwohl dessen Bauabsicht nach der gesetzlichen Wertung (§ 212a BauGB) grundsätzlich Vorrang genießen soll. Eine Stattgabe des vorläufigen Rechtsschutzantrags kommt deshalb erst dann in Betracht, wenn Überwiegendes für die Annahme spricht, der Rechtsbehelf des Nachbarn in der Hauptsache sei jedenfalls derzeit begründet (Nds. OVG, Beschl. v. 25.01.2007 - 1 ME 177/06 -, juris Rn. 11, und Beschl. v. 14.06.2017 - 1 ME 64/17 -, juris Rn. 13).

Eine danach vorgenommene Überprüfung ergibt, dass die Klage des Antragstellers gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung voraussichtlich keinen Erfolg haben wird.

Einen Rechtsanspruch auf Aufhebung einer erteilten Baugenehmigung, die nach § 70 Abs. 1 Satz 1 NBauO nur dann versagt werden darf, wenn das Vorhaben öffentlich-rechtlichen Vorschriften widerspricht, hat ein Nachbar nicht schon dann, wenn die Baugenehmigung rechtswidrig ist. Vielmehr setzt die Aufhebung der Baugenehmigung weiter voraus, dass der Nachbar durch die Genehmigung zugleich in seinen Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dies ist nur dann der Fall, wenn die verletzte Norm zumindest auch dem Schutz des Nachbarn dient, also drittschützende Wirkung hat.

Drittschützende Vorschriften des hier allein in Betracht kommenden Bauplanungsrechts werden durch die erteilte Baugenehmigung voraussichtlich nicht verletzt.

Da das Vorhaben des Beigeladenen nicht im Gebiet eines qualifizierten Bebauungsplans im Sinne von § 30 Abs. 1 BauGB und auch nicht innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB liegt, richtet sich seine planungsrechtliche Zulässigkeit nach § 35 BauGB. Nach § 35 Abs. 1 BauGB ist im Außenbereich ein Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es unter einen der in Nr. 1 bis 8 aufgeführten Privilegierungstatbestände fällt. Sonstige Vorhaben können nach § 35 Abs. 2 BauGB im Einzelfall zugelassen werden, wenn ihre Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist. Ob das Vorhaben des Beigeladenen ein privilegiertes Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 1 BauGB darstellt, oder ob es sich um ein sonstiges Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 2 BauGB handelt, bedarf hier keiner Entscheidung, weil eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange nicht gegeben ist.

1. Von dem Vorhaben des Beigeladenen gehen voraussichtlich keine schädlichen Umwelteinwirkungen aus.

Nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB liegt eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange vor, wenn das Vorhaben schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann. Die Vorschrift ist als gesetzliche Ausformung des allgemeinen baurechtlichen Gebots der Rücksichtnahme nachbarschützend (vgl. z.B. Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 14. Aufl. 2019, Vorb. §§ 29-38 Rn. 72). Schädliche Umwelteinwirkungen sind nach der auch im Rahmen des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB heranzuziehenden Legaldefinition des § 3 Abs. 1 BImSchG Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft hervorzurufen.

Diese Voraussetzungen sind hier aller Voraussicht nach weder in Bezug auf Geräuschimmissionen noch in Bezug auf Staubbelastungen erfüllt

a) Schädliche Umwelteinwirkungen in Form von Geräuschen sind hier deshalb nicht gegeben, weil keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die genehmigte Nutzung den in der Baugenehmigung für das Grundstück des Antragstellers festgesetzten Lärmimmissionsrichtwert von 55 dB(A) tags bzw. 40 dB(A) nachts überschreitet.

Zwar ist anerkannt, dass eine Baugenehmigung bestehende Konflikte nicht nur scheinbar, d.h. „auf dem Papier“ lösen darf. Dies ist etwa dann der Fall, wenn losgelöst von den Verhältnissen des Einzelfalls lediglich die Einhaltung von bestimmten Richtwerten vorgeschrieben wird, ohne dass geklärt ist, ob und wie dies gewährleistet und überprüft werden kann (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 08.02.2011 - 1 LA 109/08 -, juris Rn. 33, und Beschl. v. 09.08.2011 - 1 ME 107/11 -, juris Rn. 29, jeweils m.w.N.; VG Hannover, Beschl. v. 21.05.2013 - 12 A 2554/13 -, n.v.). Eine solche Fallkonstellation liegt hier jedoch nicht vor. Die streitgegenständliche Baugenehmigung belässt es nicht dabei, dem Beigeladenen die Einhaltung der genannten Immissionsrichtwerte aufzugeben, sondern enthält unter dem Gesichtspunkt des Schutzes vor Geräuschimmissionen konkrete Vorgaben für den Betrieb der Halle. So ist in der Auflage Nr. 4 geregelt, dass die von dem Beigeladenen geplante Lüftungs- bzw. Gebläseanlage - abweichend von der vorhandenen Ausführung auf seiner Hofstelle - mit einer Schalldämmung zu versehen ist und ausschließlich bei geschlossenen Toren betrieben werden darf. Ferner werden geräuschminimierende Vorgaben für die Positionierung und Ausbildung eventuell erforderlicher Lüftungsein- und -auslässe im Gebäude gemacht. Aus der grüngestempelten Betriebsbeschreibung ergibt sich zudem, dass der Betrieb des Gebläses auf 20 bis 25 Tage im Jahr im Zeitraum von September bis Januar und auf maximal vier Stunden am Tag (von 08:00 Uhr bis 12:00 Uhr) begrenzt ist. Der Zu- und Abgangsverkehr zur Halle ist nach der Auflage Nr. 5 auf die Tagzeit (von 06:00 Uhr bis 22:00 Uhr) zu beschränken, sofern der Beigeladene nicht durch Messungen nachweist, dass die (ersichtlich gemeint: nächtlichen) Immissionsrichtwerte eingehalten werden. Maßnahmen und Nutzungen, die dem Lohnbetrieb des Beigeladenen dienen, sind von der Baugenehmigung ausgenommen (Auflage Nr. 6).

Der Antrag hat auch nicht deshalb Erfolg, weil die Baugenehmigung ohne Einholung eines Schallgutachtens erteilt worden ist.

Im Rahmen eines baurechtlichen Genehmigungsverfahrens einer - wie hier - nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz nicht genehmigungsbedürftigen Anlage ist nicht ausnahmslos die Einholung einer gutachterlichen Prognose zu fordern. Vielmehr ist entsprechend Nr. 4.2 der TA Lärm nur dann eine Prognose der Geräuschimmissionen erforderlich, soweit nicht aufgrund von Erfahrungswerten vergleichbarer Anlagen zu erwarten ist, dass der Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geräusche sichergestellt ist (VG Hannover, Beschl. v. 21.05.2013 - 12 B 2554/13 -, n.v.; vgl. auch Nds. OVG, Beschl. v. 09.08.2011 - 1 ME 107/11 -, juris Rn. 32 ff.; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 26.11.2014 - 8 A 10524/14 -, juris Rn. 22; Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 14. Aufl. 2019, Vorb. §§ 29-38 Rn. 35). Von solchen Erfahrungswerten ist der Antragsgegner hier ersichtlich ausgegangen, nachdem ihm der Beigeladene am 11. März 2021 mitgeteilt hatte, dass nach Rücksprache mit der Landwirtschaftskammer die Einholung eines Schallgutachtens nicht erforderlich sei.

Selbst wenn der Antragsgegner fehlerhaft auf die Vorlage eines Immissionsgutachtens verzichtet hätte, wäre dem Antragsteller nicht deshalb vorläufiger Rechtsschutz zu gewähren. Unterbleibt die Einholung eines an sich erforderlichen Gutachtens, führt dies nur dazu, dass das Gericht im Nachbarstreit die verbleibenden Fragen im Hauptsacheverfahren von Amts wegen - in der Regel durch Beauftragung eines gerichtlichen Sachverständigen - selbst aufzuklären hat, es sei denn, eine Überschreitung der Immissionsrichtwerte drängt sich auf der Grundlage der vorhandenen Erkenntnisse auf (Nds. OVG, Beschl. v. 09.08.2011 - 1 ME 107/11 -, juris Rn. 32 und 46; VG Hannover, Beschl. v. 03.05.2021 - 12 B 393/21 -, n.v.). Letzteres ist hier unter Berücksichtigung der dargestellten Vorgaben der Baugenehmigung zum Betrieb der Lüftungs- bzw. Gebläseanlage, zum An- und Abfahrtsverkehr sowie zur Art der Nutzung der Anlage als Maschinen- und Lagerhalle ausschließlich für den landwirtschaftlichen Betrieb des Beigeladenen nicht der Fall.

b) Das Grundstück des Antragstellers wird aller Voraussicht nach auch keinen schädlichen Umwelteinwirkungen in Form von Staub ausgesetzt. Zwar gehen von Getreidelagern regelmäßig Staubemissionen aus. Dass diese Staubbelastungen, die in erster Linie bei der - zeitlich begrenzten - Ein- und Auslagerung des Getreides entstehen (vgl. OVG LSA, Urt. v. 12.07.2007 - 2 L 176/02 -, juris Rn. 60), hier die Schwelle des § 3 Abs. 1 BImSchG erreichen würden, ist jedoch weder substantiiert von dem Antragsteller vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Dabei ist hinsichtlich des Zumutbarkeitsmaßstabes zu berücksichtigen, dass sich das Grundstück des Antragstellers im Randgebiet zum Außenbereich befindet. Da der Außenbereich nach § 35 Abs. 1 BauGB u.a. dazu dient, landwirtschaftliche Betriebe unterzubringen, müssen Eigentümer von Wohngebäuden im Randgebiet jederzeit mit der Ansiedlung solcher Betriebe rechnen, weshalb ihr Schutzanspruch vor damit zusammenhängenden Immissionen gemindert ist (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 06.04.2018 - 1 ME 21/18 -, juris Rn. 8; Bayer. VGH, Beschl. v. 03.05.2016 - 15 CS 15.1576 -, juris Rn. 14 und 23; Hess. VGH, Urt. v. 01.04.2014 - 9 A 2030/12 -, juris Rn. 64; OVG LSA, Urt. v. 24.03.2015 - 2 L 184/10 -, juris Rn. 96).

2. Der Vortrag des Antragstellers, durch das Vorhaben werde der Wert seines Grundstücks gemindert, geht vor diesem Hintergrund ins Leere. Im Übrigen vermag das Argument der Wertminderung eines Grundstücks durch die Verwirklichung einer genehmigten Nachbarbebauung grundsätzlich keinen nachbarlichen Abwehranspruch zu begründen (BVerwG, Beschl. v. 13.11.1997 - 4 B 195.97 -, juris Rn. 6; OVG NRW, Beschl. v. 16.03.2017 - 7 B 24/17 -, juris Rn. 6; VG Hannover, Beschl. v. 30.09.2021 - 12 B 4762/21 -, n.v.; Söfker, in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Stand: Mai 2021, § 34 Rn. 14).

3. Soweit der Antragsteller einwendet, dass der Beigeladene in H. im Bereich des Friedhofsgeländes über ein Alternativgrundstück verfüge, verhilft ihm das ebenfalls nicht zum Erfolg. Die Annahme, das Rücksichtnahmegebot könne allein deshalb verletzt sein, weil es einen aus der Sicht des Nachbarn günstigeren Standort für die emittierende Anlage gebe, ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verfehlt. Im Gegensatz zum Planfeststellungsrecht mit seiner aus dem Abwägungsgebot als Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes eröffneten Alternativenprüfung ist die bebauungsrechtliche Prüfung an den Bauwunsch des Bauherrn gebunden; er allein bestimmt das Vorhaben, dessen Zulässigkeit - im Regelfall auf der Grundlage seines Bauantrags - von der Behörde zu prüfen ist. Maßgeblich ist allein die Intensität der Belastungen der Nachbarschaft im konkreten Fall; ergibt die Prüfung - wie hier -, dass die Belastungen an dem vom Bauherrn gewählten Standort für den Nachbarn im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO zumutbar sind, so muss er die bauliche Anlage auch dann hinnehmen, wenn es einen besser geeigneten Alternativstandort gibt (BVerwG, Urt. v. 13.10.1998 - 4 B 93.98 -, juris Rn. 5 m.w.N.; VG Hannover, Beschl. v. 30.09.2021 - 12 B 4762/21 -, n.v.).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nach § 162 Abs. 3 VwGO aus Billigkeitsgründen für erstattungsfähig zu erklären, weil der Beigeladene einen Sachantrag gestellt und sich nach § 154 Abs. 3 VwGO damit einem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt hat.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG. Die Höhe des Streitwertes folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG und orientiert sich an Nr. 17 Buchst. b und Nr. 7 Buchst. a der Streitwertannahmen der mit Bau- und Immissionsschutzsachen befassten Senate des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts für ab dem 1. Juni 2021 eingegangene Verfahren (BauR 2021, 1240). Der danach in der Hauptsache anzunehmende Wert von 20.000,- € ist im Hinblick auf das vorliegende vorläufige Rechtsschutzverfahren zu halbieren.