Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 23.02.2011, Az.: 8 LA 18/11
Berufungszulassung bei Vorliegen eines Verfahrensmangels i.S.d.§ 124 Abs. 2 Nr. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) durch Nichtbehandlung bzw. fehlerhafter Ablehnung eines Antrages auf Terminsverlegung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 23.02.2011
- Aktenzeichen
- 8 LA 18/11
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2011, 12007
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2011:0223.8LA18.11.0A
Rechtsgrundlagen
- § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO
- § 173 S. 1 VwGO
- § 227 Abs. 1 S. 1 ZPO
Aus dem Entscheidungstext
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts, mit dem dieses seine Klage gegen die Leistungsbescheide der Beklagten über Beitragsrückstände vom 6. Oktober 2008, 21. September 2009 und 7. Oktober 2010 in Höhe von insgesamt 51.162,90 EUR abgewiesen hat, bleibt ohne Erfolg.
Der Antrag genügt bereits nicht den Anforderungen, die § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO an die Darlegung der Zulassungsgründe stellt. Nach dieser Vorschrift sind innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Berufung kann nach§ 124 Abs. 2 VwGO nur aus den dort genannten Gründen zugelassen werden. Es ist mithin in der Begründung des Zulassungsantrages darzulegen, ob die Zulassung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), wegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), wegen Abweichung des erstinstanzlichen Urteils von einer Entscheidung eines der in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO bezeichneten Gerichte und / oder wegen eines Verfahrensmangels (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) beantragt wird. Ferner muss im Einzelnen unter konkreter Auseinandersetzung mit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung begründet werden, weshalb der benannte Zulassungsgrund erfüllt ist (vgl. Senatsbeschl. v. 21.4.2010 - 8 LA 55/10 -; Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand: Mai 2010, § 124a Rn. 90 ff.).
Die vom Kläger zugleich mit dem Zulassungsantrag vom 24. Januar 2011 eingereichte Begründung wird diesen Anforderungen nicht gerecht. Denn darin wird mit keinem Wort dargelegt, auf welchen der gesetzlichen Zulassungsgründe der Zulassungsantrag gestützt werden soll. Keine der fünf Fallgruppen des § 124 Abs. 2 VwGO ist nach Ziffer oder Wortlaut benannt oder auf sonstige Weise hinreichend erkennbar in Bezug genommen worden.
Im Übrigen liegt der nach dem Vorbringen des Klägers einzig in Betracht kommende Zulassungsgrund des Verfahrensmangels nach§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO in der Sache auch nicht vor.
Der Kläger meint, das Verwaltungsgericht habe seinen Antrag auf Verlegung der mündlichen Verhandlung nicht ordnungsgemäß behandelt. Am Tage der mündlichen Verhandlung sei er plötzlich und überraschend erkrankt. Aufgrund der Erkrankung habe vor der Behandlung keine schriftliche Äußerung erfolgen können. Dies wäre für das Verwaltungsgericht aufgrund der telefonischen Information auch erkennbar gewesen. Unmittelbar nach dem Arztbesuch sei dem Verwaltungsgericht eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung übersandt worden.
Wird ein Antrag auf Verlegung eines Termins zur mündlichen Verhandlung in verfahrensfehlerhafter Weise nicht behandelt oder abgelehnt, kann hiermit zwar grundsätzlich eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehörs und damit auch ein Verfahrensmangel im Sinne des§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO verbunden sein.
Hier hat der Kläger aber bereits keinen wirksamen Antrag auf Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht gestellt. In der telefonischen Mitteilung des Klägers an die Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichts vom 15. Dezember 2010 (Bl. 73 Gerichtsakte) kann ein solcher Antrag nicht gesehen werden. Denn danach hat der Kläger, der Rechtsanwalt ist und sich selbst vertritt, auf Nachfrage lediglich angemerkt, "Er beantrage Terminsverlegung, "wenn das ginge'", und werde sich entsprechend schriftlich äußern. Angesichts der formulierten Bedingung und der angekündigten schriftlichen Äußerung ist das Verwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger mit der telefonischen Mitteilung noch keinen Verlegungsantrag stellen wollte, einen solchen vielmehr nur angekündigt hat. Entgegen dieser Ankündigung war bis zur mündlichen Verhandlung ein Verlegungsantrag bei dem Verwaltungsgericht aber nicht eingegangen.
Selbst wenn in der telefonischen Mitteilung des Klägers ein Verlegungsantrag zu sehen wäre, hätte für das Verwaltungsgericht keine Veranlassung bestanden, diesem Antrag zu entsprechen. Gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann ein Termin aus erheblichen Gründen aufgehoben oder verlegt werden. Eine kurzfristige überraschende Erkrankung eines anwaltlich nicht vertretenen Beteiligten oder eines Prozessbevollmächtigten stellt zwar regelmäßig einen erheblichen Grund für die Aufhebung oder Verlegung eines Verhandlungstermins dar (vgl. BVerwG, Beschl. v. 21.12.2009 - 6 B 32.09 -, [...] Rn. 3 m.w.N.). Der Verhinderungsgrund muss aber wenigstens plausibel und nachvollziehbar dargelegt sein (vgl. Bayerischer VGH, Beschl. v. 17.11.2009 - 21 ZB 09.877 -, [...] Rn. 8; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 69. Aufl., § 227 Rn. 8), wobei eine Glaubhaftmachung gemäß § 227 Abs. 2 VwGO erst auf Verlangen des Vorsitzenden erforderlich ist. Hier fehlt es bereits an einer plausiblen und nachvollziehbaren Darlegung einer sein Erscheinen zur mündlichen Verhandlung hindernden Erkrankung des Klägers. Der im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung dem Gericht vorliegende bloße telefonische Hinweis des Klägers, es habe "ihn erwischt" (vgl. Telefonvermerk der Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichts v. 15.12.2010, Bl. 73 Gerichtsakte), genügt hierfür nicht.
Schließlich ist dem Zulassungsvorbringen nicht zu entnehmen, dass das angefochtene Urteil auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO beruhen kann. Der Kläger hat weder dargelegt, dass seine persönliche Anhörung in der mündlichen Verhandlung erforderlich gewesen ist, noch dass bei seiner Anwesenheit in der mündlichen Verhandlung eine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können (vgl. zu diesen Erfordernissen: BVerwG, Beschl. v. 22.5.2006 - 10 B 9.06 -, NJW 2006, 2648, 2649).