Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 08.02.2011, Az.: 6 LD 4/08

Rechtmäßigkeit der Zurückstufung eines Beamten um ein Amt wegen Herbeiführung eines Vermögensschadens beim Dienstherrn; Nachweis einer Vereinnahmung von Nachnahmebeträgen zu privaten Zwecken durch einen Beamten aufgrund der Unauffindbarkeit bestimmter Zustellblätter mit Zahlscheinen und Abrechnungstaschen; Auffälligkeit und demzufolge Beweiskraft einmaliger Vorkommnisse im Zusammenhang mit seit Jahren fehlerlos ausgeführten Routineabläufen; Nachweis einer Unterschlagung bei fehlenden Hinweisen für eine finanzielle Notlage bei der verdächtigten Person und fehlender Aufklärung über den Verbleib des betreffenden Geldes; Annahme einer Verletzung der Pflichten eines Beamten durch Unterlassen der Einlage von Abrechnungstaschen in ein Wertgelass trotz fehlenden Nachweises einer entsprechenden Absicht; Zurückstufung eines Beamten wegen eines Dienstvergehens insbesondere unter Zugrundelegung der Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung sowie besondere Umstände der Tatbegehung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
08.02.2011
Aktenzeichen
6 LD 4/08
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2011, 10681
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2011:0208.6LD4.08.0A

Amtlicher Leitsatz

Zurückstufung eines Beamten um ein Amt wegen Herbeiführung eines Vermögensschadens beim Dienstherrn; Vorliegen eines Zugriffsdelikts verneint

Aus dem Entscheidungstext

1

Der Beklagte wendet sich mit seiner Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts, mit dem dieses ihn eines Dienstvergehens für schuldig befunden und aus dem Beamtenverhältnis entfernt hat.

2

Der am 1967 geborene Beklagte erwarb im Jahre 1985 nach dem Besuch der Hauptschule und dem anschließenden Besuch der Berufsfachschule - Wirtschaft - den Realschulabschluss. Anschließend absolvierte er bei der Klägerin eine Ausbildung zur Dienstleistungsfachkraft im Postbetrieb. Mit Wirkung vom 1987 ernannte die Klägerin den Beklagten zum Postoberschaffner z. A. unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe und mit Wirkung vom 1988 zum Postoberschaffner. Es folgten mit Wirkung vom 1989 die Ernennung zum Posthauptschaffner, vom 1994 die Verleihung der Eigenschaft eines Beamten auf Lebenszeit und vom 1997 die Beförderung zum Postbetriebsassistenten. Die Klägerin versetzte den Kläger mit Wirkung vom 2005 innerhalb des ZSPL G. vom Dienstort H. zum Dienstort I..

3

Der Beklagte ist Vater eines im Jahre 199 geborenen Sohnes. Er ist seit dem 2001 verheiratet und bis zu den Vorwürfen, die Gegenstand dieses Verfahrens sind, weder strafrechtlich noch disziplinarisch in Erscheinung getreten.

4

Am 2005 vernahm die Klägerin den Beklagten zu dem Sachverhalt, dass der Beklagte am 2005 eine korrekte Zustellabrechnung ausgefüllt und die Belege ordnungsgemäß zum Abrechnungscenter nach J. geschickt habe, eine Gegenbuchung durch die Zustellkasse K. über insgesamt 1.065,99 EUR jedoch mangels Abrechnung ihr gegenüber unterblieben sei. Hierzu erklärte der Beklagte laut Protokoll der Vernehmung, dass er sich den Vorgang nicht erklären könne, er in diesem Zeitraum erhebliche private Probleme wegen der Erkrankung seines Vaters und seiner Unzufriedenheit mit dem Dienstposten gehabt habe und er nicht wisse, wo er das Bargeld abgelegt oder ob er es in das Wertgelass eingeworfen habe. Weitere Schritte unternahm die Klägerin daraufhin nicht.

5

Am 2007 leitete die Klägerin gegen den Beklagten ein Disziplinarverfahren ein, da er im Verdacht der Begehung eines Dienstvergehens stehe. Er habe im Zeitraum vom 2005 bis zum 2007 mindestens 13 Nachnahmebeträge in einer Gesamthöhe von 2.268,90 EUR unterschlagen, indem er zwar die Zahlscheine der Nachnahmesendungen zum Abrechnungscenter nach J. gesandt habe, die Bargeldablieferungen an die Zustellkasse K. jedoch unterblieben seien.

6

Am 2007 enthob die Klägerin den Beklagten wegen dieser Vorwurfe vorläufig des Dienstes und ordnete zugleich die Einbehaltung von 50 vom Hundert der Dienstbezüge an. Den hiergegen gerichteten Antrag des Beklagten auf Aussetzung der vorläufigen Dienstenthebung und der teilweisen Einbehaltung der Dienstbezüge lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 29. April 2008 (- 12 A 2/07 -) ab. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt:

"Nach § 38 Abs. 1 BDG kann die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde einen Beamten gleichzeitig mit oder nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens vorläufig des Dienstes entheben, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werden wird. Das ist hier der Fall, da nach dem gegenwärtigen Sachstand der hinreichende Verdacht besteht, dass der Antragsteller Unterschlagungen begangen hat, deretwegen nach der in diesem Verfahren nur möglichen summarischen Prüfung mit seiner Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zu rechnen ist.

Auch das Gericht sieht den Antragsteller als hinreichend überführt an. Zwar streitet für den Antragsteller die Unschuldsvermutung; auch ist er bei den Taten weder gesehen worden, noch hat er gestanden, das Geld für sich vereinnahmt zu haben. Die Begleitumstände der dem Antragsteller vorgeworfenen Nachnahmeunterschlagungen lassen dennoch keinen vernünftigen Zweifel an seiner Täterschaft zu. Die Zusteller rechnen ihre Einnahmen und Ausgaben täglich mittels eines Zustellblattes ab. Sie legen das Bargeld zusammen mit dem Teil 1 des Zustellblattes in eine Abrechnungstasche, verschließen diese Tasche durch Zuziehen des Reißverschlusses und werfen die Tasche in ein Trommelwertgelass. Als Bescheinigung für das Einlegen gibt der Zusteller sein Namenszeichen auf dem vorbereiteten Lieferschein am Trommelwertgelass ab. Dieses Wertgelass wird vom Gruppenführer geleert, die einzelnen Abrechnungstaschen in eine graue Versandtasche eingelegt, mit einem Schloss gesichert und zur Zentralen Zustellkasse nach K. geschickt. Dort wird die graue Tasche von einem Kassenbeamten geöffnet und die kleinen Abrechnungstaschen werden einzeln nacheinander bearbeitet. Der Kassenbeamte bucht das entsprechende Bargeld in seinen Kassenbestand. Anschließend werden die bearbeiteten Abrechnungstaschen wieder in die Versandtasche eingelegt und an den Stützpunkt zurückgeschickt. Die Teile 2 und 3 des Zustellblattes schickt der Zusteller zusammen mit den Belegen (Zahlscheinen) in einem gewöhnlichen Briefumschlag an das Zentrale Abrechnungscenter nach J.. Die Zustellblätter werden nach Zustellstützpunkten getrennt abgelegt. Das Abrechnungscenter J. hatte Buchungen von Nachnahmezahlscheinen getätigt, die Gegenbuchung des Bargeldes in der Zustellkasse K. blieb jedoch aus. Nachforschungen ergaben dann, dass es sich um Nachnahmepaketsendungen gehandelt hat, die der Antragsteller den Empfängern zugestellt hatte. Eine Abrechnung jedoch hat der Antragsteller nur mit dem Abrechnungscenter in J. durchgeführt. Im Abrechnungscenter wurden die Zahlscheine verbucht und die Absender der Nachnahmepaketsendungen erhielten ihr Geld überwiesen. Somit konnten auch keine Nachforschungsaufträge eingehen. Eine Bargeldablieferung hingegen zur Zustellkasse K. wurde in keinem dieser Fälle durchgeführt. Der Antragsteller hat in seinem Stützpunkt die Abrechnungsunterlagen an der Druckerstation erstellt und alle Formalitäten des Abrechnungsmodus bearbeitet. Hierbei musste er ausweislich des von ihm nicht in Zweifel gezogenen Berichts des Ermittlungsführers von seinem Platz aufstehen und am Trommelwertgefäß vorbeigehen, um dann den Umschlag mit den Abrechnungsunterlagen für das Abrechnungszentrum in J. in den dafür vorgesehenen Briefbehälter einzulegen. Unter diesen Umständen wäre es schon außerordentlich merkwürdig, dass der Antragsteller lediglich die Belege zum Briefbehälter gebracht hätte, das Bargeld aber auf dem Abrechnungsplatz hat liegen lassen. Spätestens auf seinem Weg vorbei an dem Wertgelass hätte ihm auffallen müssen, dass er das Bargeld noch nicht abgeliefert hatte. Selbst wenn der Antragsteller die Ablieferungstasche mit dem Bargeld versehentlich an dem Abrechnungsplatz liegen gelassen haben sollte und nur den Brief zum Briefbehälter gebracht hätte, so hätte ein Dritter nur Sekunden gehabt, um die Tasche in seinen Besitz zu bringen. Dies wäre obendrein sehr schwierig gewesen, da der Antragsteller sowohl vom Wertgelass aus als auch vom Briefbehälter aus den Abrechnungsplatz hat einsehen können. Im Übrigen hätte er bei der Rückkehr vom Briefbehälter zum Abrechnungsplatz eine versehentlich liegen gebliebene Geldtasche sehen müssen. Schließlich erscheint gänzlich unwahrscheinlich, dass der Antragsteller an weiteren fünf Tagen das Geld versehentlich liegen gelassen haben sollte, nachdem er bereits im 2005 schon einmal damit konfrontiert worden war, Bargeld aus einer Nachnahmelieferung nicht in das Wertgelass eingeworfen zu haben. Spätestens ab diesem Zeitpunkt erscheint ausgeschlossen, dass der so gewarnte Antragsteller angesichts des geschilderten Procederes weiterhin von ihm abzuführendes Bargeld irgendwo liegen gelassen und es jeweils ein unbekannter Dritter an sich genommen haben könnte. Die Einlassung des Antragstellers, ja, er habe das Geld nicht in das Wertgelass eingelegt, aber nein, er habe das Geld nicht für sich privat vereinnahmt und er könne sich an die genauen Begleitumstände der in Rede stehenden Vorgänge nicht mehr erinnern, vermag das Gericht nach dem Vorstehenden nur als unbeachtliche Schutzbehauptung zu werten.

Der Antragsteller hat sich durch seine Tat aller Voraussicht nach als Beamter untragbar gemacht. Hat sich ein Beamter bei der Ausübung seiner dienstlichen Tätigkeit an Vermögenswerten vergriffen, die ihm dienstlich anvertraut sind, ist ein solches Dienstvergehen "regelmäßig" geeignet, das erforderliche Vertrauensverhältnis zwischen ihm und seinem Dienstherrn zu zerstören, so dass in einem solchen Fall - wie auch dem vorliegenden - die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis die regelmäßig verwirkte Disziplinarmaßnahme ist. Insoweit sieht das Gericht zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen in entsprechender Anwendung des § 117 Abs. 5 VwGO von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und stellt fest, dass es der zutreffenden und alle maßgeblichen Umstände des Einzelfalles berücksichtigenden Begründung der Verfügung der Antragsgegnerin vom 2007 folgt. Die von dem Antragsteller vorgebrachten Belastungen durch den 2005 erfolgten Wechsel des Dienstortes und der Erkrankungen seiner Eltern lassen weder seine Schuldfähigkeit entfallen noch sind sie angesichts des Gewichts des von ihm verwirklichten Zugriffsdelikts geeignet, die gebotene Entfernung aus dem Dienst als unverhältnismäßig erscheinen zu lassen. Anhaltspunkte für das Vorliegen eines der anerkannten "klassischen Milderungsgründe" sind nicht ersichtlich. Weder lässt sich zugunsten des Antragstellers eine besondere Konfliktsituation wie das Handeln in einer wirtschaftlichen Notlage, in einer psychischen Ausnahmesituation oder in einer besonderen Versuchungssituation annehmen, noch lassen die mit dem Dienstvergehen zusammenhängenden Verhaltensweisen wie eine freiwillige Wiedergutmachung des Schadens oder Offenbarung des Fehlverhaltens oder der Zugriff auf geringwertige Gelder oder Güter die Pflichtverletzung in einem milderen Licht erscheinen. Aber auch andere, darüber hinausgehende Entlastungsgründe vergleichbaren Gewichts, die auf ein verbliebenes Restvertrauen des Dienstherrn trotz der Tat schließen lassen könnten, sind nicht gegeben. Dies gilt sowohl für seine bisherige Unbescholtenheit, seine befriedigenden dienstlichen Leistungen, seine sonstige beanstandungsfreie Dienstführung als auch für seine Belastungen im Zusammenhang mit dem Dienstortwechsel und den Erkrankungen der Eltern. Denn der Antragsteller hat in seiner leicht einsehbaren und für den Dienstherrn unabdingbaren Kernpflicht eines Postzustellers, dienstlich eingenommenes Bargeld nicht für sich selbst zu verbrauchen, versagt. Dies vermögen auch die von ihm geschilderten persönlichen Belastungen nicht beachtlich zu relativieren, zumal er durch das Gespräch am 2005 vorgewarnt worden war und gleichwohl unterschlug.

Die Einbehaltung von 50% der monatlichen Dienstbezüge ist ebenfalls aus den in dem Bescheid der Antragsgegnerin vom 2007 genannten Gründen nicht zu beanstanden."

7

Am 6. Juli 2007 stellte die Klägerin Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Unterschlagung. Das Ermittlungsverfahren unter dem Az. stellte die Staatsanwaltschaft endgültig nach Zahlung eines Betrages von 500,- EUR seitens des Beklagten gemäß § 153a StPO ein.

8

Mit Schreiben vom 2007 nahm der Beklagte zur Einleitungsverfügung Stellung und führte aus, dass er in den 13 Fällen zwar das vereinnahmte Geld in die dafür vorgesehenen Werttaschen verbracht, es aber unterlassen habe, die Werttaschen in den dafür vorgesehenen Tresor zu legen. Dies sei unabsichtlich geschehen. Er könne sich auch nicht mehr daran erinnern, wo die Werttaschen geblieben seien. Privat vereinnahmt habe er das Geld nicht. Er habe daher nicht schuldhaft seine Dienstpflichten verletzt.

9

Nach ihrem abschließenden Ermittlungsbericht vom 2007, auf den hinsichtlich der Einzelheiten verwiesen wird, warf die Klägerin dem Beklagten vor, am 2005, und 2006 sowie , . und 2007 bei 13 Kunden Nachnahmebeträge einschließlich Entgelte in Höhe von insgesamt 2.268,90 EUR zwar mit dem Zentralen Abrechnungscenter J. verrechnet, die zugehörigen Geldbeträge jedoch nicht an die Zustellkasse K. abgeliefert zu haben.

10

Zu dem Ermittlungsbericht nahm der Beklagte erneut Stellung und führte ergänzend zu seinem bisherigen Vorbringen aus, dass ihm die mit dem Dienststellenwechsel im Jahre 2005 verbundene Umstellung sehr schwer gefallen sei. Hinzu seien schwere Krankheiten der Eltern gekommen, die ihn psychisch sehr belastet hätten, sodass sich möglicherweise Nachlässigkeiten in die Pflichterfüllung eingeschlichen hätten. Er sei bereit, den Schaden unter Einräumung einer angemessenen Ratenzahlung zurückzuzahlen.

11

Die Klägerin beteiligte den Betriebsrat, der mit Schreiben vom 2008 der Erhebung einer Disziplinarklage mit dem Ziel der Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis widersprach, da er die disziplinare Höchstmaßnahme wegen der Umstände dieses Falles nicht für gerechtfertigt erachtete.

12

Am 15. April 2008 hat die Klägerin Disziplinarklage wegen der in dem Ermittlungsbericht genannten Vorwürfe erhoben. Nach ihrer Auffassung sei die Einlassung des Beklagten zum Verbleib der Gelder nicht glaubhaft. Der Beklagte habe vorsätzlich gegen seine Dienstpflichten verstoßen und sich an den Geldern des Dienstherrn vergriffen, was zu einem Verlust des notwendigen Vertrauens und damit zu einer Entfernung aus dem Beamtenverhältnis führen müsse.

13

Die Klägerin hat beantragt,

den Beamten aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.

14

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen,

15

hilfsweise

auf eine mildere Disziplinarmaßnahme zu erkennen.

16

Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 9. Oktober 2008 den Beklagten eines Dienstvergehens für schuldig befunden und ihn aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen mangels neuen Vorbringens des Beklagten im Verfahren auf seinen Beschluss vom 29. April 2008 (- 12 A 2/07 -) Bezug genommen.

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Gegen dieses Urteil hat der Beklagte fristgemäß Berufung eingelegt. Er wendet sich zum einen gegen den Tatvorwurf der Unterschlagung und den Vorwurf, ein Dienstvergehen begangen zu haben. Der Vorwurf der Zueignung der Gelder für die private Verwendung sei unzutreffend. Es sei zu berücksichtigen, dass in dem Zustellsaal 18 Zusteller ihren Arbeitsplatz hätten und ca. fünf bis zehn Kollegen gleichzeitig anwesend gewesen seien. In dem Zustellsaal stünden in der Mitte die Verteilspinde und befänden sich neben dem Trommelwertgelass an anderer Stelle auch die sogenannten Verteilkisten, in denen er sortiert die zu vernichtenden Info-Sendungen, zurückzusendende Info-Post, vollbezahlte Briefe und nachzusendende Post sowie die Abrechnung in die Kiste für das Abrechnungscenter J. eingeworfen habe. Nachdem er Teil 1 des Zustellblatts und das Bargeld in die Abrechnungstasche gelegt und diese Tasche verschlossen sowie die Teile 2 und 3 des Zustellblatts mit den Zahlscheinen für das Abrechnungscenter J. in den dafür bestimmten Briefumschlag gelegt habe, habe er versucht, möglichst zeitsparend zu arbeiten, um die Arbeiten schnell erledigen, im Anschluss in die Freizeit gehen und seinen familiären Verpflichtungen nachkommen zu können. Er habe die nicht zustellbare Post des Tages zusammen mit der Abrechnungstasche und dem für das Abrechnungscenter bestimmten Briefumschlag an sich genommen und sei zu den Verteilkisten gegangen, um die dort hinein gehörende Post zu sortieren. Von dort habe er wegen der Verteilspinde seinen Arbeitsplatz nicht einsehen können. Dieser Vorgang habe ca. drei bis vier Minuten gedauert. Dann sei er zu dem Trommelwertgelass gegangen, um die Tasche mit dem Nachnahmegeld einzuwerfen. Auch von dort aus habe er seinen Arbeitsplatz nicht sehen können. Die gegenteilige Darstellung im Ermittlungsbericht sei unzutreffend. So wie geschildert habe er seine Arbeit an ungefähr drei von fünf Tagen erledigt. Ein- bis zweimal in der Woche habe er jedoch die Abrechnungstasche mit dem Nachnahmegeld zunächst auf seinem Schreibtisch liegen lassen und sei ohne sie zu den Verteilkisten gegangen. Erst danach habe er die Abrechnungstasche genommen und in das Wertgelass eingelegt. Hin und wieder sei er mit der Abrechnungstasche auch erst zum Wertgelass gegangen und habe dann die Arbeit an den Verteilkisten erledigt. Er müsse einräumen, seine Arbeit sehr hektisch verrichtet zu haben, was auf seine vielen familiären Verpflichtungen zurückzuführen sei. Aufgrund dessen sei es durchaus möglich, dass ihm bei der Abwicklung des Abrechnungsverfahrens Fehler unterlaufen seien. Es könne durchaus sein, dass er die Abrechnungstasche mit den Nachnahmebeträgen in eine der Verteilkisten gelegt oder eine im Zustellsaal anwesende Person die von ihm unbeaufsichtigt liegen gelassene Abrechnungstasche an sich genommen habe. Dass er das Abhandenkommen der Abrechnungstasche nicht bemerkt habe, dürfte damit zusammenhängen, dass er wegen der schweren Krankheiten seiner Eltern sowie der Verschlechterung des Gesundheitszustandes seiner Schwiegermutter, die am 2007 verstorben sei, sowie der nachfolgenden Erkrankung seiner Ehefrau an einer Depression psychisch sehr stark beansprucht gewesen sei und sich nicht mehr auf eine ordnungsgemäße Erfüllung seiner Dienstpflichten habe konzentrieren können.

18

Selbst wenn von einem Dienstvergehen auszugehen sei, habe er nicht das Vertrauen der Klägerin endgültig zerstört. Aufgrund der Umstände sei davon auszugehen, dass er sich in einer psychischen Ausnahmesituation befunden habe, die es ihm nicht ermöglicht habe, in situationsangemessener Weise zu reagieren. Dies sei mildernd zu berücksichtigen. Bei ihm sei ärztlicherseits ein Burn-Out-Syndrom diagnostiziert worden. Nach der Stellungnahme von Dr. L. vom 2008 seien jedenfalls die am 2006, 2007 und 2007 vorgeworfenen Taten in einem engen Zusammenhang zu dem Burn-Out-Syndrom zu sehen. Insoweit könne es auch sein, dass Handlungen außerhalb seines Bewusstseins begangen worden seien. Einzelheiten seien der Stellungnahme von Dr. L. vom 2008, den Schreiben von Dr. M. vom 2007 und 2007, dem Entlassungsbericht der N. klinik O. vom 2007 über seine stationäre Behandlung in der Zeit vom 2007 bis zum 2007 sowie der Stellungnahme von Dipl.-Psych. P. vom 2008 zu entnehmen. Auch wenn Dr. L. die anderen Taten nicht seiner Erkrankung habe zuordnen können, sei zu berücksichtigen, dass er sich im gesamten Tatzeitraum in einer psychischen Ausnahmesituation befunden habe.

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Der Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen,

20

hilfsweise,

das angefochtene Urteil zu ändern und auf eine mildere Disziplinarmaßnahme zu erkennen.

21

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

22

Nach ihrer Auffassung spreche der Umstand, dass der Beklagte vom Trommelwertgelass keine freie Sicht auf seinen Arbeitsplatz gehabt habe, nicht gegen seine Täterschaft. Er habe sich nur kurze Zeit von seinem Arbeitsplatz entfernt und es hätten sich in dem Raum mehrere Personen aufgehalten, die einen anderen Täter auch bei kurzer Abwesenheit des Beklagten hätten bemerken müssen. Vor allem erscheine es lebensfremd, dass sich der gleiche Ablauf innerhalb des Tatzeitraums sechsmal ereignet haben solle und der bereits vorgewarnte Beklagte in keinem Fall das Abhandenkommen des Geldes bemerkt haben wolle. Es sei auch nicht nachvollziehbar, dass sich der Beklagte an den sechs Tattagen in einer psychischen Ausnahmesituation befunden habe, während er im Übrigen die Nachnahmegelder korrekt abgerechnet habe. So habe auch Dr. L. in seiner Stellungnahme nicht alle Fälle der Erkrankung des Beklagten zuordnen können.

23

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten, die Gerichtsakte im Verfahren unter dem Az. 12 A 2/07 sowie die darin enthaltenen Kopien der Akte des Strafverfahrens verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Berufung ist teilweise begründet. Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten zwar zu Recht eines Dienstvergehens für schuldig befunden. Jedoch erachtet der Senat in Abweichung von der erstinstanzlichen Entscheidung aufgrund der vorliegenden Umstände dieses Einzelfalles die Zurückstufung um ein Amt als ausreichende, aber auch notwendige Disziplinarmaßnahme.

25

1.

Da der Beklagte zur Begründung seiner Berufung vorträgt, das Verwaltungsgericht und die Klägerin in ihrem Ermittlungsbericht vom 2007 hätten den Sachverhalt unzutreffend gewürdigt und es liege bereits ein Dienstvergehen nicht vor, begehrt er eine unbeschränkte Überprüfung des angefochtenen Urteils. Der Senat hat aus diesem Grunde die zur Annahme der Dienstpflichtverletzungen notwendigen Feststellungen selbst zu treffen. Nach der Überzeugung des Senats stellt sich der Sachverhalt wie folgt dar:

26

Der Beklagte stellte in 13 Fällen am 2005, 2006, 2006, 2007, 2007 und 2007 Nachnahmesendungen im Gesamtwert von 2.268,90 EUR an die Empfänger ordnungsgemäß zu und nahm die einzelnen Nachnahmebeträge ein. Die Zustellungen dokumentierte er korrekt. An den jeweiligen Tagen steckte der Beklagte im Zustellstützpunkt seines Dienstortes sodann Teil 1 des Zustellblatts mit den jeweils vereinnahmten Beträgen in die Abrechnungstasche und die Teile 2 und 3 vom Zustellblatt mit den Belegen (Zahlscheinen) in einen gewöhnlichen Briefumschlag für das Zentrale Abrechnungscenter nach J., den er in die vorgesehene Verteilkiste einlegte. Die jeweilige Abrechnungstasche legte er jedoch nicht in das Trommelwertgelass, von dem aus diese üblicherweise zur Zustellkasse nach K. geschickt werden. Hierdurch ist der Klägerin ein Schaden in Höhe von 2.268,90 EUR entstanden. Denn aufgrund des Zugangs der Teile 2 und 3 vom Zustellblatt mit den Zahlscheinen an das Abrechnungscenter J. sind die Zahlscheine gebucht und den Absendern der Nachnahmepakete die jeweiligen Beträge ausgezahlt worden. Aus diesem Grunde kam es nicht zu Nachforschungsaufträgen in Bezug auf den Verbleib des Geldes. Da die jeweiligen Abrechnungstaschen mit den Beträgen bei der Zustellkasse K. nicht eingegangen waren, kam es im internen Abrechnungssystem der Klägerin zu offenen Posten und letztlich zu einem Schaden in der genannten Höhe.

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Der Verbleib der Nachnahmebeträge, die der Beklagte an den einzelnen Tagen in die Abrechnungstasche steckte, bleibt letztlich ungeklärt. Die Klägerin und das Verwaltungsgericht gehen davon aus, dass der Beklagte sich die Beträge zugeeignet haben soll. Sie werten die Einlassungen des Beklagten, er habe an diesen Tagen das Abliefern der Abrechnungstasche unabsichtlich unterlassen beziehungsweise vergessen und habe keine Kenntnis vom Verbleib der Abrechnungstaschen, als Schutzbehauptungen. Die Beweislage, die für einen Zugriff des Beklagten auf das Geld spreche, sei erdrückend. Der Beklagte sei an allen Tagen der Zusteller gewesen, er habe alle Formalitäten ordnungsgemäß erledigt und es sei nicht glaubhaft, dass er das Wichtigste, nämlich das Geld in das Wertgelass einzulegen, vergessen haben soll. Spätestens wenn er an dem Wertgelass vorbeigekommen sei, hätte ihm auffallen müssen, dass er dort noch das Bargeld hätte einwerfen müssen. Der Arbeitsablauf sei jeden Tag gleich und es sei nicht überzeugend, dass er so häufig das Einwerfen der Abrechnungstasche in das Wertgelass vergessen habe. Es sei auszuschließen, dass andere Zusteller das Geld an sich genommen hätten, denn dieses wäre aufgefallen. Der Beklagte habe sich nur jeweils kurzzeitig von seinem Arbeitsplatz entfernt. Er hätte bei der Rückkehr vom Briefbehälter zum Abrechnungsplatz eine versehentlich liegen gebliebene Geldtasche sehen müssen.

28

Obwohl diese Argumente dafür sprechen, dass der Beklagte auf das Geld zugegriffen und für private Zwecke vereinnahmt hat, bleiben nach Auffassung des Senats letzte Zweifel an einem Zugriff des Beklagten auf die Nachnahmebeträge. Der Senat kann sich mithin nicht die nach§ 3 BDG i.V.m. § 108 Abs. 1 VwGO aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnene Überzeugung bilden, dass der Beklagte tatsächlich das Geld mit dem hierfür erforderlichen Zueignungswillen unterschlagen hat. Insoweit sind an die Überzeugungsbildung strenge Anforderungen zu stellen (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.8.2009 - BVerwG 1 D 1.08 -, Buchholz 232.0 § 77 BBG 2009 Nr. 1 = NVwZ 2010, 713 [BVerwG 25.08.2009 - BVerwG 1 D 1.08], zitiert nach [...] Langtext, Rn. 39). Leitend für diese Auffassung sind zum einen die nicht aufgeklärten Umstände über den Verbleib des Geldes und zum anderen die glaubhaften, nachvollziehbaren Einlassungen des Beklagten.

29

Die Klägerin hat im disziplinaren Ermittlungsverfahren den Verbleib des Geldes nicht aufgeklärt. Sie hat auch keine Anhaltspunkte ermittelt, die dafür sprechen könnten, dass der Beklagte im Tatzeitraum in finanziellen Schwierigkeiten gewesen ist, die ein Motiv für den Zugriff auf das Geld bieten könnten. Aus dem Strafverfahren ergeben sich ebenfalls keine zwingenden Anhaltspunkte, die als Beleg für den Zugriff des Beklagten auf das Geld im Sinne einer Unterschlagung dienen könnten. Da der Beklagte nicht wegen Unterschlagung rechtskräftig verurteilt worden ist, kommt eine Bindungswirkung an die Feststellungen im Strafverfahren nach Maßgabe von § 57 Abs. 1 Satz 1 BDG nicht in Betracht. Das Ermittlungsverfahren wegen Unterschlagung wurde nach § 153a StPO eingestellt, nachdem der Beklagte einen Betrag von 500,- EUR an eine gemeinnützige Einrichtung gezahlt hatte. Eine solche Einstellung nimmt jedoch nicht an der Bindungswirkung des § 57 Abs. 1 Satz 1 BDG teil, weil ihr - wie auch hier - nicht zwingend tatsächliche Feststellungen zugrunde liegen müssen (vgl. dazu Hummel/Köhler/Mayer, BDG, 4. Aufl. 2009, § 57, Rn. 4). Ebenso scheidet eine Berücksichtigung der der Einstellungsverfügung zugrunde liegenden Tatsachen ohne erneute Prüfung durch das Disziplinargericht in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens durch das Disziplinargericht nach § 57 Abs. 2 BDG aus. Nach dieser Vorschrift sind die in einem anderen gesetzlich geordneten Verfahren getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht bindend, können aber der Entscheidung ohne erneute Prüfung zugrunde gelegt werden. Die Anwendung dieser Vorschrift scheitert in diesem Fall daran, dass zum einen die Staatsanwaltschaft ausweislich der Akten des Strafverfahrens in ihrem Ermittlungsverfahren keine eigenen tatsächlichen Feststellungen getroffen hat (vgl. dazu auch BayVGH, Urt. v. 16.1.2005 - 16b D 04.421 -, zitiert nach [...] Langtext, Rn.28) und zum anderen der Beklagte die Erfüllung des Unterschlagungstatbestandes bestritten hat (vgl. BVerwG, Beschl. v. 4.9.2008 - BVerwG 2 B 61.07 -, Buchholz 235.1 § 58 BDG Nr. 4 = NVwZ 2009, 597 = ZBR 2009, 95 [BVerwG 04.09.2008 - BVerwG 2 B 61.07], [BVerwG 04.09.2008 - 2 B 61.07] zitiert nach [...] Langtext, Rn. 8). Die Indizwirkung für die Begehung einer Unterschlagung, die von der Erfüllung der Auflage im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren ausgeht, genügt nach Auffassung des Senats nicht, um zweifelsfrei von einem Zugriff des Beklagten ausgehen zu können.

30

Die bestehenden Zweifel an einer Unterschlagung des Geldes durch den Beklagten beruhen auf dessen nachvollziehbaren Einlassungen. Es ist nicht davon auszugehen, dass es sich hierbei um bloße Schutzbehauptungen handelt. Der Beklagte hat im gesamten Verfahren von Anfang an, selbst bei seiner Vernehmung am 2005, zu den fehlenden Gegenbuchungen bei der Zustellkasse K. hinsichtlich der am 2005 vereinnahmten Nachnahmebeträge angegeben, dass er sich den Vorgang nicht erklären könne, er in diesem Zeitraum erhebliche private Probleme wegen der Erkrankung seines Vaters und seiner Unzufriedenheit mit dem Dienstposten gehabt habe und er nicht wisse, wo er das Bargeld abgelegt oder ob er es in das Wertgelass eingeworfen habe. Er hat nachvollziehbar dargelegt, dass er im Tatzeitraum durch die im Einzelnen vorgetragenen Erkrankungen seines Vaters, seiner Mutter, seiner Schwiegermutter, die dann verstarb, und seiner Ehefrau psychisch erheblich belastet gewesen ist, und er hat eingeräumt, aufgrund dessen nicht mit der gebotenen Sorgfalt seine dienstlichen Aufgaben erledigt zu haben. Darüber hinaus hat er überzeugend aufgezeigt, dass der Abrechnungsvorgang aufgrund seiner familiären Verpflichtungen ihm nicht - wie die Klägerin meint - "in Fleisch und Blut" übergegangen ist, sondern er sich nach seinem Wechsel des Dienstpostens zunächst überfordert gefühlt, unter Zeitdruck gestanden und nicht jeden Tag den gleichen Arbeitsablauf bei der Erstellung der Abrechnung und dem Einlegen der Abrechnungstasche in das Wertgelass praktiziert hat, um auf diese Weise Zeit zu sparen und eher bei seiner Familie sein zu können. Schließlich kann auch nicht mit der gebotenen Gewissheit ausgeschlossen werden, dass der Beklagte an einzelnen Tagen die Abrechnungstasche auf seinem Arbeitsplatz hat liegen lassen, während er bei den Verteilkisten war, und in dieser Zeit, die der Beklagte mit drei bis vier Minuten angegeben hat, ein anderer Zusteller unbemerkt auf die Abrechnungstasche Zugriff genommen haben könnte. Da der Arbeitsbetrieb nach den unwidersprochenen Angaben des Beklagten im Zustellstützpunkt sehr hektisch war, musste nicht ohne weiteres auffallen, wenn ein anderer Zusteller das Geld an sich genommen hätte.

31

Der Einwand der Klägerin, der Beklagte hätte nicht so häufig das Wichtigste der Abrechnung - das Einlegen der Abrechnungstasche in das Wertgelass - vergessen können und die am Arbeitsplatz liegen gelassene Abrechnungstasche bemerken müssen, zerstreut die Zweifel des Senats nicht. Denn aufgrund des geschilderten Arbeitsablaufes und der psychischen Belastungssituation, der der Beklagte ausgesetzt gewesen ist, erscheint es durchaus nachvollziehbar, dass der Beklagte unter dem Druck, schnell nach Hause kommen zu wollen und zu müssen, nicht mehr in der Lage gewesen ist, seine Arbeitsabläufe in der gebotenen Art und Weise zu strukturieren und zu kontrollieren. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass bei dem Beklagten von seinem Hausarzt jedenfalls im 2006 eine psychische Dekompensation und im 2007 ein Burn-Out-Syndrom diagnostiziert und ein Zusammenhang hiermit zu dem Verhalten am Arbeitsplatz hergestellt worden ist (vgl. die Stellungnahme von Dr. L. vom 2008). Dass zunächst zwischen dem ersten Vorfall im 2005 und dem zweiten Vorfall im 2006 über ein Jahr lag und demgegenüber zwischen den letzten Vorfällen am 2006, , und 2007 nur wenige Tage beziehungsweise Wochen verstrichen waren, spricht nicht ohne Weiteres für einen Zugriff des Beklagten auf das Geld. Denn insoweit ist in den Blick zu nehmen, dass sich aufgrund der Verschlechterung der Erkrankung der Schwiegermutter des Beklagten und deren Tod Anfang 2007 mit der anschließenden depressiven Erkrankung der Ehefrau des Beklagten dessen Belastungssituation erheblich zugespitzt hatte und vor diesem Hintergrund die gesteigerte Häufigkeit von Versäumnissen sich erklären lässt. Aus diesem Grunde zerstreut auch der Hinweis der Klägerin, dass der Beklagte am 2007 doch die Abrechnungstasche mit Einnahmen vom Vortag, aber nicht mit den Einnahmen dieses Tages in das Wertgelass eingelegt hat, die Zweifel des Senats nicht.

32

Hinzu kommt, dass die Klägerin zunächst den Einlassungen des Beklagten selbst Glauben geschenkt haben dürfte, nachdem sie den Beklagten zu dem Fehlen der Nachnahmebeträge am 2005 vernommen hatte, weitere Schritte zur Aufklärung oder die Einleitung eines Disziplinarverfahrens aber unterließ.

33

Auch wenn angesichts dieser Zweifel der Senat die Erfüllung eines Zugriffs des Beklagten auf die Nachnahmebeträge nicht feststellen kann, rechtfertigt dieser Umstand nicht die Abweisung der Klage. Denn die Sachverhaltsfeststellungen begründen auch ohne diesen Umstand die Annahme von Dienstpflichtverletzungen und damit eines Dienstvergehens.

34

Für die Frage, ob ein Beamter im angeschuldigten Tatzeitraum seine Dienstpflichten schuldhaft verletzt hat, ist die Sach- und Rechtslage zur Tatzeit maßgebend, soweit nicht im Hinblick auf den Rechtsgedanken des § 2 Abs. 3 StGB für den Beamten materiell-rechtlich günstigeres Recht gilt (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.8.2009, a.a.O., Rn. 33).

35

Durch sein Verhalten hat der Beklagte seine in § 55 Satz 2 BBG in der bis zum 11. Februar 2009 geltenden Fassung (BBG a.F.; nunmehr § 62 Satz 2 BBG) normierte Befolgungspflicht, die ihm obliegende Pflicht zu uneigennütziger Amtsführung (§ 54 Satz 2 BBG a.F.; nunmehr § 61 Satz 2 BBG) und seine Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten innerhalb des Dienstes (§ 54 Satz 3 BBG a.F.; nunmehr § 61 Satz 3 BBG) schuldhaft verletzt und damit den Tatbestand eines innerhalb des Dienstes begangenen Dienstvergehens im Sinne von § 77 Abs. 1 Satz 1 BBG a.F. (entspricht § 77 Abs. 1 Satz 1 BBG) verwirklicht. Da die Neuregelungen des BBG mit Ausnahme von Anpassungen an die geschlechtergerechte Sprache mit den Vorgängerregelungen im Wesentlichen übereinstimmen, bestimmen sich Umfang und Inhalt der Dienstpflichten des Beklagten und damit die Frage ihrer Verletzung zur Tatzeit allein nach den §§ 54 Satz 2 und 3 sowie 55 Satz 1 BBG a.F. (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.8.2009, a.a.O., Rn. 33).

36

Indem der Beklagte an sechs Tagen die Abrechnungstaschen mit den von ihm vereinnahmten Nachnahmebeträgen nicht in das Wertgelass eingelegt hat, sondern diese abhanden gekommen sind, hat er seine nach § 55 Satz 2 BBG a.F. bestehende Pflicht zur Befolgung der allgemeinen Richtlinien verletzt. Er hat gegen die Vorschriften aus dem "Handbuch für die Briefzustellung", Abschnitt 4 "..., Abrechnung und Ablieferung" verstoßen, wonach die Zustellkraft nach jedem Zustellgang über alle Einnahmen und Ausgaben in einem Zustellblatt abzurechnen hat. Diesem Abrechnungsgebot ist der Beklagte nicht in ordnungsgemäßer Weise nachgekommen, da er die vereinnahmten Beträge nicht der Zustellkasse in K. zugeleitet hat.

37

Diese Pflicht hat der Beklagte auch schuldhaft verletzt. Seiner Einschätzung, er habe das Einlegen der Abrechnungstasche lediglich fahrlässiger Weise vergessen, folgt der Senat in dieser Allgemeinheit nicht. Soweit der Beklagte erstmals am 2005 die Abrechnungstasche nicht in das Wertgelass eingelegt hat, muss er sich den Vorwurf des grob fahrlässigen Handelns entgegen halten lassen. Der Beklagte hat in besonders schwerem und ungewöhnlich hohem Maße die im Verkehr erforderliche Sorgfalt verletzt, weil er in dem eine hohe Aufmerksamkeit erfordernden Bereich der Abrechnung unstrukturiert gearbeitet und seine Arbeitsweise mehrmals in der Woche geändert hat. Hinsichtlich der weiteren nachfolgenden Fälle ist sogar von einem bedingt vorsätzlichen Handeln des Beklagten auszugehen. Denn nachdem der Beklagte bereits im 2005 auf das Fehlen von Nachnahmebeträgen angesprochen worden war, nahm er mangels Umstellung seines Arbeitsverhaltens zumindest billigend in Kauf, dass erneut Abrechnungstaschen abhandenkommen können.

38

Darüber hinaus hat der Beklagte schuldhaft im dargestellten Sinne gegen seine Pflicht zu uneigennütziger Amtsführung im Sinne von§ 54 Satz 2 BBG a.F. verstoßen, weil er die bei der Abrechnung und Abführung der vereinnahmten Nachnahmebeträge gebotene Sorgfalt aus privaten Gründen verletzt hat, um schneller seine Arbeit beenden und seinen familiären Verpflichtungen nachkommen zu können. Er hat damit innerhalb des Dienstes seinen privaten Interessen den Vorrang vor den dienstlichen Interessen eingeräumt, was die Annahme dieser Pflichtenverletzung rechtfertigt.

39

Schließlich hat der Beklagte seine Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten, das sein Beruf erfordert, verletzt. Diese in§ 54 Satz 3 BBG a.F. geregelte Pflicht schützt den Betriebsfrieden und das Verhältnis zum Dienstherrn. Sie ist vorliegend als verletzt anzusehen, weil die Klägerin mangels Kontrolle bei der Abrechnung und Ablieferung der vereinnahmten Nachnahmebeträge dem Beklagten in seinem Aufgabenbereich ein erhebliches Vertrauen entgegen gebracht hat, das dieser durch die nicht ordnungsgemäße Erfüllung seiner Aufgaben enttäuscht hat. Auch insoweit ist dem Beklagten der Vorwurf grob fahrlässigen beziehungsweise bedingt vorsätzlichen Handelns zu machen.

40

Durch das festgestellte Verhalten hat der Beklagte mithin schuldhaft seine Dienstpflichten innerhalb des Dienstes verletzt und damit den Tatbestand eines einheitlich zu würdigendes Dienstvergehens im Sinne von § 77 Abs. 1 Satz 1 BBG a.F. erfüllt.

41

2.

Wegen dieses Dienstvergehens erachtet der Senat die Zurückstufung des Beklagten um ein Amt als tat- und schuldangemessen. Die angemessene Disziplinarmaßnahme bestimmt sich nach der Schwere des Dienstvergehens, dem Persönlichkeitsbild des Beamten sowie der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit (vgl. § 13 Abs. 1 BDG). Bei der Frage nach der Schwere des Dienstvergehens ist maßgebend auf das Eigengewicht der Verfehlung abzustellen. Hierfür können objektive Handlungsmerkmale (insbesondere Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung sowie besondere Umstände der Tatbegehung), subjektive Handlungsmerkmale (insbesondere Form und Gewicht der Schuld) sowie unmittelbare Folgen des Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich und für Dritte bestimmend sein (BVerwG, Urt. v. 20.10.2005 - BVerwG 2 C 12.04 -, BVerwGE 124, 252 <259>; Urt. v. 6.6.2007 - BVerwG 1 D 2.06 -, zitiert nach [...] Langtext, Rn. 24).

42

Gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 BDG ist ein aktiver Beamter aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, wenn er das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat. Dies ist anzunehmen, wenn aufgrund der Gesamtwürdigung aller im Einzelfall bedeutsamen be- und entlastenden Gesichtspunkte der Schluss gezogen werden muss, der Beamte werde auch künftig in erheblicher Weise gegen Dienstpflichten verstoßen oder die durch sein Fehlverhalten herbeigeführte Schädigung des Ansehens des Berufsbeamtentums sei bei einer Fortsetzung des Beamtenverhältnisses nicht wieder gutzumachen. Ergibt die prognostische Gesamtwürdigung, dass ein endgültiger Vertrauensverlust noch nicht eingetreten ist, haben die Verwaltungsgerichte diejenige Disziplinarmaßnahme zu verhängen, die erforderlich ist, um den Beamten zur Beachtung der Dienstpflichten anzuhalten und der Ansehensbeeinträchtigung entgegen zu wirken (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.5.2007 - BVerwG 2 C 28.06 -, zitiert nach [...] Langtext, Rn. 17 f.).

43

In Ansehung dieser Maßstäbe und Kriterien ist die nach außen sichtbare Zurückstufung des Beklagten gemäߧ 9 BDG in das Amt eines Posthauptschaffners (Besoldungsgruppe A 4 BBesO) als erforderlich, aber auch ausreichend anzusehen.

44

Maßgebendes Bemessungskriterium hierfür ist zunächst die Schwere des von dem Beklagten begangenen Dienstvergehens, wobei vorliegend die Besonderheit besteht, dass sich auf der Grundlage des feststehenden Sachverhalts die Verwirklichung eines Zugriffsdelikts nicht feststellen lässt. Dies führt dazu, dass die Rechtsprechung zu den Zugriffsdelikten, die für den Regelfall die disziplinare Höchstmaßnahme vorsieht, nicht einschlägig ist. Das Verhalten des Beklagten hat zwar zu einem Vermögensschaden geführt, jedoch sind die erforderliche Zueignung des Geldes und der erforderliche Zueignungswille des Beklagten zur Überzeugung des Senats - wie ausgeführt - nicht feststellbar. Die Disziplinarmaßnahme in dem Fall, in dem der Beamte nicht mit der gebotenen Sorgfalt handelt und ihm dienstlich anvertrautes Geld abhanden kommt, muss sich daher nach den besonderen Umständen des Einzelfalles richten. Hieraus folgt, dass anhand der aufgezeigten Kriterien eine Zerstörung des Vertrauens in die Zuverlässigkeit und Ehrlichkeit des Beamten, die die disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme unausweislich macht, nur dann angenommen werden kann, wenn entweder das Eigengewicht der Tat besonders hoch ist oder wenn weitere Verfehlungen mit erheblichem disziplinaren Eigengewicht hinzutreten oder es sich um einen Wiederholungsfall handelt und durchgreifende Milderungsgründe im Einzelfall fehlen (ähnlich bei Betrugs- und Untreuefällen BVerwG, Urt. v. 24.1.2001 - BVerwG 1 D 57.99 -, zitiert nach [...] Langtext, Rn.11).

45

Die Schwere des hier zu beurteilenden Dienstvergehens zeichnet sich dadurch aus, dass der Beklagte zwar nicht Dritte geschädigt hat, denn die Absender der Nachnahmesendungen haben ihr Geld erhalten. Er hat jedoch durch sein Verhalten bei seinem Dienstherrn einen beachtlichen Vermögensschaden herbeigeführt, der die Schwelle der Geringfügigkeit deutlich überschritten hat. Erschwerend wirkt zudem, dass dem Beklagten teilweise bedingt vorsätzliches Handeln vorzuwerfen ist. Der Beklagte hat zudem im Kernbereich seiner leicht einsehbaren Dienstpflichten das Vertrauen seines Dienstherrn schwer erschüttert. Zu diesen Dienstpflichten zählt die Pflicht, das Vermögen des Dienstherrn nicht zu schädigen (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.1.2001, a.a.O., Rn. 14). Der Klägerin ist es nicht möglich gewesen, den Beklagten im Bereich der Abrechnung und Ablieferung von Postnachnahmesendungen lückenlos und umfassend zu kontrollieren (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.8.2009, a.a.O., Rn. 68). Sie hat vielmehr in den Beklagten ein großes Maß an Vertrauen bei der Erledigung dieser Aufgaben gesetzt, das dieser nachhaltig enttäuscht hat. Darüber hinaus ist es zu erneuten Dienstpflichtverletzungen gekommen, obwohl der Beklagte bereits einmal auf seine unkorrekte Arbeitsweise und den Verlust von Nachnahmebeträgen hingewiesen worden ist. Der Senat erachtet aufgrund dieser Umstände daher grundsätzlich als Orientierungsmaßnahme die Verhängung einer nach außen deutlich sichtbaren Disziplinarmaßnahme wie die Zurückstufung um zwei Ämter für geboten.

46

Allerdings ist die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Disziplinarmaßnahme nicht zu verhängen, weil sich aufgrund des Persönlichkeitsbildes des Beklagten und der Umstände dieses Einzelfalles Entlastungsgründe von solchem Gewicht ergeben, die ein Absehen von der Zurückstufung um zwei Ämter rechtfertigen. Der Beklagte ist tat- und schuldangemessen lediglich um ein Amt zurückzustufen.

47

Als durchgreifenden Entlastungsgrund erkennt der Senat vorliegend die besondere Ausnahmesituation an, in der sich der Beklagte während des Tatzeitraums befunden hat.

48

Hinsichtlich seines Fehlverhaltens im 2005 hat der Beklagte nachvollziehbar und glaubhaft geschildert, dass der Wechsel seines Einsatzortes von H. nach I. Anfang des Jahres 2005 neue Anforderungen mit sich gebracht habe, da er nunmehr ausschließlich in der Paketzustellung eingesetzt worden sei. Dem Dienstposten habe er sich nicht gewachsen gefühlt, da dessen Anforderungen in der Innenstadt sich für ihn als sehr schwer erwiesen hätten. Hierdurch habe er massiv unter Erschöpfungszuständen gelitten. Er habe deshalb Gespräche mit seinem Vorgesetzten und dem Betriebsrat gesucht und den Wunsch nach einem neuerlichen Wechsel seiner Tätigkeit geäußert. Erst Anfang 2006 sei seine Tätigkeit daraufhin geändert und er im Bereich der Brief- und Paketzustellung eingesetzt worden.

49

Das weitere Fehlverhalten am 2006 hat sich vor dem Hintergrund einer erheblichen familiären Belastungssituation ereignet. Nach den Angaben des Beklagten ist sein Vater seit Beginn des Jahres 2006 Dialysepatient. Dessen Erkrankung habe sich im Laufe des Jahres 2006 erheblich verschlechtert. Der Vater habe in das Krankenhaus eingewiesen werden müssen. Dort seien dem Vater wegen starker Diabetes zunächst zwei Zehen des rechten Fußes und sodann der halbe rechte Fuß abgenommen worden. Aus Sorge um ihren Ehemann sei seine Mutter in eine Depression gefallen und habe ebenfalls der Unterstützung durch den Beklagten bedurft. Dieses habe ihn ebenfalls sehr stark physisch und psychisch in Anspruch genommen. Hinzu gekommen sei, dass seine Mutter unter massiven Schädigungen der Wirbelsäule und unter migräneartigen Kopfschmerzen gelitten habe und sie daher von ihm - dem Beklagten - zu den Besuchen bei einem Schmerzspezialisten habe begleitet werden müssen.

50

Bei den Vorfällen am 2006, 2007, 2007 und 2007 hat sich der Gesundheitszustand seiner Schwiegermutter zusehends verschlechtert, sodass hierdurch weitere Belastungen auf den Beklagten zugekommen sind. In den Monaten 2006 bis 2007 hat sich der Gesundheitszustand seiner Schwiegermutter dramatisch verschlechtert. Sie ist am 2007 verstorben, was zu einer schweren Trauerreaktion in Form einer mittelschweren Depression bei seiner Ehefrau geführt hat. Seine Ehefrau ist bis 2007 arbeitsunfähig krank geschrieben gewesen. Diese Umstände lassen den Schluss zu, dass der Beklagte seine Dienstpflichtverletzungen in einem Zustand begangen hat, der durch die dargelegten physischen und psychischen Belastungen mit Blick auf sein Persönlichkeitsbild gekennzeichnet gewesen ist. Bestätigt wird diese Einschätzung durch die Stellungnahme des Hausarztes des Beklagten, Dr. med. L., vom 2008. Danach sind der Beklagte und seine Familie bei ihm seit 1989 in hausärztlicher Betreuung und ihm die Familienumstände und die Krankheitsgeschichten sehr gut bekannt. Der Hausarzt konnte hinsichtlich der Dienstpflichtverletzung am 2006 einen deutlichen kausalen Zusammenhang zwischen der schweren Erkrankung des Vaters des Beklagten und einer psychischen Dekompensation des Beklagten feststellen. Die Fälle vom 2007 und 2007 standen nach Auffassung des Hausarztes in einem engen Zusammenhang mit einem von ihm und dem den Beklagten behandelnden Neurologen diagnostizierten Burn-Out-Syndrom. In den genannten Fällen sei ein kausaler Zusammenhang überwiegend wahrscheinlich, sodass davon ausgegangen werden könne, dass Handlungen des Beklagten auch außerhalb seines Bewusstseins begangen worden sein können. In Anbetracht dieser Stellungnahme und der Stellungnahmen des Neurologen Dr. med. M. vom 2007 und 2007, der ebenfalls von einem Burn-Out-Syndrom beim Beklagten ausgegangen ist, erscheinen die Einlassungen des Beklagten, er könne sich den Verbleib des Geldes nicht erklären und er habe unter einem solchen insbesondere psychischen Druck im Tatzeitraum gestanden, dass er nicht in der Lage gewesen sei, seinen Dienstpflichten ordnungsgemäß nachzukommen, nachvollziehbar und glaubhaft. Hierfür sprechen auch die Ausführungen der den Beklagten in der N. klinik O. stationär vom 2007 bis zum 2007 behandelnden Ärzte, wonach sich bei dem Beklagten seit dem Jahr 2005 eine gemischt ängstlich-depressive Symptomatik entwickelt habe. Er habe zwar seit 2006 eine zunehmende Erschöpfung gespürt, jedoch als Familienoberhaupt der Familie fungieren und deshalb einen Arzt nicht aufsuchen wollen. Sein Krankheitsgeschehen sei durch spezifische Persönlichkeitszüge begünstigt worden. Er habe schon immer versucht, es jedem Recht zu machen, insbesondere gegenüber seiner Herkunftsfamilie und später gegenüber seiner Ehefrau. Ihnen gegenüber habe er ein ausgeprägtes Pflicht- und Verantwortungsbewusstsein gehabt, wodurch ihm kein Aufwand zuviel gewesen sei, ihnen zu helfen. Aus diesem Grunde habe er erste Anzeichen der Erschöpfung übergangen und mit niemandem über seine Probleme gesprochen, um andere nicht damit zu belasten. Dies habe zu einem kontinuierlichen Anstieg seines psycho-physiologischen Anspannungsniveaus geführt, bis es zum 2007 zur psychischen Dekompensation gekommen sei. Es könnten bei ihm Angst und depressive Störung gemischt sowie ein episodischer Spannungskopfschmerz diagnostiziert werden. Bestätigt werden diese Angaben schließlich durch den Dipl.-Psych. P., der den Beklagten seit dem 2007 ambulant behandelt. Nach dessen Stellungnahme vom 2008 deute vieles darauf hin, dass die zunehmende seelische und körperliche Belastung zu dem vom Neurologen diagnostizierten Burn-Out-Syndrom geführt habe. Dieses habe eine solche Ausprägung erlangt, dass der Beklagte seine täglichen Pflichten nicht habe erfüllen können, was er sich selbst aber nicht eingestanden habe. Es sei davon auszugehen, dass sich der Beklagte in dieser Zeit in einem derartigen psychischen Ausnahmezustand befunden habe, der es ihm nicht mehr ermöglicht habe, in situationsangemessener Weise zu reagieren.

51

Auch wenn der Hausarzt Dr. L. die Vorfälle am 2005, 2006 und 2006 - gemeint ist wohl der 2007 - dem Krankheitsbild des Beklagten nicht zuordnen konnte und die ärztlichen Stellungnahmen nach dem Tatzeitraum gefertigt wurden, ist davon auszugehen, dass sich der Beklagte während des gesamten Tatzeitraums in einer körperlichen und psychischen Belastungssituation befunden hat, die aufgrund seines geschilderten Persönlichkeitsbildes dazu geführt hat, dass er seinen Dienstpflichten nicht mehr ordnungsgemäß nachkommen konnte. Es handelt sich bei der körperlichen und psychischen Belastungssituation nicht nur um ein vorübergehendes Erscheinungsbild, sondern um eine dauerhafte Erkrankung während des gesamten Tatzeitraums, die an den jeweiligen Tagen zu den begangenen Dienstpflichtverletzungen geführt hat. Aus diesem Grunde wie auch aufgrund des mildernden Umstandes, dass der Beklagte sich in eine ambulante psychotherapeutische Behandlung begeben hat, ist wegen des verbleibenden Gewichts des einheitlichen Dienstvergehens eine Dienstgradherabsetzung um mehr als ein Amt für nicht angemessen zu erachten. Vielmehr ist es ausreichend, den Beklagten um ein Beförderungsamt in das Amt ein Posthauptschaffners (Besoldungsgruppe A 4 BBesO) zurückzustufen, um ihn künftig zu einem beanstandungsfreien dienstlichen Verhalten zu veranlassen. Eine noch mildere Maßnahme auf der Grundlage dieser Entlastungsgründe scheidet indes aus, um nicht nur dem Beamten selbst, sondern auch seiner Umgebung (generalpräventiv) nachhaltig die Schwere seines Dienstvergehens vor Augen zu führen (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 25.8.2009, a.a.O., Rn. 80). Der Beklagte muss sich angesichts dieser Disziplinarmaßnahme im Klaren sein, dass er im Falle einer erneuten schwerwiegenden Dienstpflichtverletzung seinen Status als Beamter verlieren kann.