Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 13.01.2021, Az.: 13 LA 350/20
Einbürgerung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 13.01.2021
- Aktenzeichen
- 13 LA 350/20
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2021, 71207
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 26.08.2020 - AZ: 6 A 217/18
Rechtsgrundlagen
- § 12a RuStAG
- § 8 Abs 1 Nr 2 RuStAG
- § 8 Abs 2 RuStAG
- § 9 Abs 1 RuStAG
Tenor:
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück - Einzelrichterin der 6. Kammer - vom 26. August 2020 wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens.
Der Streitwert des Berufungszulassungsverfahrens wird auf 10.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück - Einzelrichterin der 6. Kammer - vom 26. August 2020 bleibt ohne Erfolg.
Die von dem Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (1.) und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (2.) liegen nicht vor.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind zu bejahen, wenn der Rechtsmittelführer einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 8.12.2009 - 2 BvR 758/07 -, BVerfGE 125, 104, 140 - juris Rn. 96). Die Richtigkeitszweifel müssen sich dabei auch auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen; es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung führen wird (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.3.2004 - BVerwG 7 AV 4.03 -, NVwZ-RR 2004, 542, 543 - juris Rn. 9). Eine den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügende Darlegung dieses Zulassungsgrundes erfordert, dass im Einzelnen unter konkreter Auseinandersetzung mit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung ausgeführt wird, dass und warum Zweifel an der Richtigkeit der Auffassung des erkennenden Verwaltungsgerichts bestehen sollen. Hierzu bedarf es regelmäßig qualifizierter, ins Einzelne gehender, fallbezogener und aus sich heraus verständlicher Ausführungen, die sich mit der angefochtenen Entscheidung auf der Grundlage einer eigenständigen Sichtung und Durchdringung des Prozessstoffes auseinandersetzen (vgl. Senatsbeschl. v. 31.8.2017 - 13 LA 188/15 -, juris Rn. 8; Stuhlfauth, in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth u.a., VwGO, 7. Aufl. 2018, § 124a Rn. 80 jeweils m.w.N.).
Das Verwaltungsgericht hat die Klage auf Einbürgerung mit Verweis auf die Vorstrafen des Klägers abgewiesen. Diese stünden sowohl einem Einbürgerungsanspruch nach § 10 Abs. 1 Satz 1 StAG als auch der Ermessenseinbürgerung nach §§ 8, 9 StAG entgegen. In der Summe ergäben die noch nicht aus dem BZR zu tilgenden Verurteilungen eine Geldstrafe von 210 Tagessätzen und eine Freiheitsstrafe von 6 Monaten. Ein Härtefall oder ein besonderes öffentliches Interesse an einer Einbürgerung bestehe nicht.
Der Kläger wendet gegen die Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils ein, das Verwaltungsgericht übersehe, dass im Rahmen der Ermessenseinbürgerung die jeweiligen Verurteilungen umfassend zu werten seien. Die Freiheitsstrafe sei vor geraumer Zeit, 2009, verhängt worden und überdies zur Bewährung ausgesetzt worden. Die einzelnen Geldstrafen würden nur Tagessatzhöhen von maximal 50 Tagessätzen erreichen, meist wesentlich weniger. Bei einer Ehegatten-Einbürgerung nach § 9 StAG dürften nicht besonders schwerwiegende oder länger zurückliegende Verurteilungen der Einbürgerung nicht entgegenstehen.
Dieser Vortrag begründet keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung. Ein Ermessen war nicht auszuüben, da schon die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Einbürgerung nicht vorliegen und von ihnen nicht abgesehen werden konnte.
Nach § 8 Abs. 1 StAG kann ein Ausländer (nur) eingebürgert werden, wenn die dortigen Voraussetzungen erfüllt sind. Gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 StAG ist eine Voraussetzung für die Einbürgerung eines Ausländers, dass er nicht wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt worden ist. Hiervon kann nach § 8 Abs. 2 StAG aus Gründen des öffentlichen Interesses oder zur Vermeidung einer besonderen Härte abgesehen werden. Verurteilungen zu Geldstrafen von bis zu 90 Tagessätzen und Freiheitsstrafen bis zu drei Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt und nach Ablauf der Bewährungszeit erlassen worden sind, bleiben nach § 12a Abs. 1 StAG außer Betracht, mehrere Verurteilungen sind zusammenzuzählen, es sei denn, es wird eine niedrigere Gesamtstrafe gebildet; treffen Geld- und Freiheitsstrafe zusammen, entspricht ein Tagessatz einem Tag Freiheitsstrafe. Übersteigt die Strafe oder die Summe der Strafen geringfügig den Rahmen, so wird im Einzelfall entschieden, ob diese außer Betracht bleiben kann.
Die Auffassung des Antragstellers, die Verurteilungen seien im Rahmen der Ermessensausübung zu werten, trifft nicht zu. Verurteilungen, die die Bagatellgrenze des § 12a StAG übersteigen, stehen bereits tatbestandlich immer dann einer Einbürgerung entgegen, wenn keine Gründe des öffentlichen Interesses und kein besonderer Härtefall vorliegen. Die Verurteilungen des Klägers, in der Summe (210 Tagessätze + 6 Monate Freiheitsstrafe) über ein Jahr Freiheitsstrafe, überschreiten die Bagatellgrenze (vgl. Senatsurt. v. 13.2.2013 - 13 LC 33/11 -, juris Rn. 35 zu einer fünffachen Überschreitung). Zu einem öffentlichen Interesse oder einer besonderen Härte nach § 8 Abs. 2 StAG enthält die Zulassungsbegründung keinen Vortrag. Hierunter lassen sich insbesondere nicht die seit der Verurteilung verstrichene Zeit oder die Ehe mit einer deutschen Staatsangehörigen fassen. Wiederholte Straffälligkeit steht der Annahme eines Härtefalls zudem regelmäßig entgegen (Senatsurt. v. 13.2.2013 - 13 LC 33/11 -, juris Rn. 51). Dass der Kläger der Ehemann einer Deutschen ist, führt unter den Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 StAG lediglich dazu, dass ein eröffnetes Ermessen regelmäßig dahingehend ausgeübt werden muss, dass eine Einbürgerung erfolgt (vgl. BT-Drs. V/3971, S. 1). Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 8 Abs. 1, Abs. 2 StAG sind auch in Ansehung des Art. 6 GG weiterhin zu erfüllen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 6.11.2013 - 1 S 244/13 -, juris Rn. 33; Senatsurt. v. 13.2.2013 - 13 LC 33/11 -, juris Rn. 53). Da jedoch, wie oben gezeigt, die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Einbürgerung nicht vorliegen, ist kein Raum für eine Ermessensausübung auf der Rechtsfolgenseite.
2. Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.
Eine solche grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine höchstrichterlich noch nicht beantwortete Rechtsfrage oder eine obergerichtlich bislang ungeklärte Tatsachenfrage von allgemeiner Bedeutung aufwirft, die sich im Rechtsmittelverfahren stellen würde und im Interesse der Einheit der Rechtsprechung oder der Weiterentwicklung des Rechts einer fallübergreifenden Klärung durch das Berufungsgericht bedarf (vgl. Senatsbeschl. v. 31.8.2017, a.a.O., Rn. 53 m.w.N.). Um die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO darzulegen, hat der Zulassungsantragsteller die für fallübergreifend gehaltene Frage zu formulieren sowie näher zu begründen, weshalb sie eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat und ein allgemeines Interesse an ihrer Klärung besteht. Darzustellen ist weiter, dass sie entscheidungserheblich ist und ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten steht (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 15.8.2014 - 8 LA 172/13 -, GewArch 2015, 84, 85 - juris Rn. 15; Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124 Rn. 35 ff. m.w.N.).
Der Kläger hält für entscheidungserheblich und klärungsfähig,
„welche Auswirkungen die Privilegierungsbestimmungen des § 9 StAG auf die Ermessenseinbürgerung des Ehegatten eines deutschen Staatsangehörigen besitzt im Hinblick auf die Ermessensausübung im Rahmen der Prüfung gemäß § 8 StAG“.
Diese Frage ist jedoch nicht entscheidungserheblich, da wie bereits erörtert im vorliegenden Fall keine Ermessensentscheidung von der Beklagten vorzunehmen war.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
III. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, 52 Abs. 1 GKG und Nr. 42.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NordÖR 2014, 11).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).