Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 19.01.2021, Az.: 8 PA 5/21

Bewilligung; Formular; Formularerklärung; Minderjähriger; Prozesskostenhilfe; Unterhalt; Unterhaltsanspruch; Unterhaltsverpflichtete

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
19.01.2021
Aktenzeichen
8 PA 5/21
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2021, 71216
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 08.12.2020 - AZ: 12 A 7671/18

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Wird Prozesskostenhilfe für minderjährige Kläger beantragt, müssen die gesetzlichen Vertreter eine Formularerklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Minderjährigen abgeben und außerdem als Unterhaltsverpflichtete die entsprechenden Formularangaben über ihre eigenen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse machen.

Tenor:

Die Beschwerde der Kläger gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover - 12. Kammer - vom 8. Dezember 2020 wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

Gründe

Die Beschwerde der Kläger gegen den ihnen die Gewährung von Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss des Verwaltungsgerichts ist im Ergebnis unbegründet.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist der Anspruch auf Rechtsschutzgleichheit verletzt, wenn das Fachgericht einen PKH-Anspruch unter Hinweis auf die zwischenzeitliche Erledigung der Sache verneint, obschon das Rechtsschutzbegehren zum Zeitpunkt der Bewilligungsreife des PKH-Antrags Aussicht auf Erfolg hatte; dieser Zeitpunkt ist der maßgebliche Zeitpunkt für die Prüfung der Erfolgsaussichten des Prozesskostenhilfegesuchs (BVerfG, Beschl. v. 16.4.2019 – 1 BvR 2111/17 –, juris Rn. 25 mit umfangreichen Nachweisen). Jedenfalls dürfen dem entscheidenden Gericht zuzurechnende Verzögerungen bei der Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag nicht zu Lasten des Rechtsschutzsuchenden berücksichtigt werden (BVerfG, Beschl. v. 12.5.2020 – 2 BvR 2151/17 –, juris Rn. 20; Beschl. v. 5.12.2018 – 2 BvR 2257/17 –, juris Rn. 15). Zwar setzt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung begrifflich voraus, dass das entsprechende Rechtsschutzbegehren noch anhängig ist, allerdings kommt ausnahmsweise auch nach Abschluss der Instanz eine rückwirkende Bewilligung von Prozesskostenhilfe in Betracht, wenn – wie hier – das Gericht sie bereits vor Beendigung des Verfahrens hätte bewilligen müssen (BVerfG, Beschl. v. 14.4.2010 – 1 BvR 362/10 –, juris Rn. 13f.). Auch unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann den Klägern indes Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden, weil die Voraussetzung der Bewilligungsreife im Zeitpunkt der Erledigung der Hauptsache (BVerfG, Beschl. v. 8.11.2018 – 1 BvR 1020/17 -, juris Rn. 1; Beschl. v. 14.4.2010 – 1 BvR 362/10 –, juris Rn. 14 m.w.N.) hier nicht erfüllt ist.

Gemäß § 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO ist dem Antrag auf Prozesskostenhilfe u.a. eine Erklärung der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) beizufügen. Soweit Formulare für die Erklärung eingeführt sind, wie inzwischen durch § 1 PKHFV, muss sich die Partei nach § 117 Abs. 4 ZPO ihrer bedienen. Davon ausgenommen sind lediglich die in § 2 Abs. 1 PKHFV bezeichneten Fälle. Die Vorschrift betrifft minderjährige unverheiratete Kinder, die in einer Abstammungssache nach § 169 FamFG oder in einem Verfahren über den Unterhalt ihre Rechte verfolgen oder verteidigen oder die einen Unterhaltsanspruch vollstrecken wollen. Daraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass auch für ein im Verwaltungsprozess gemeinsam mit seinen Eltern klagendes Kind eine eigene Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf dem eingeführten Formular abgegeben werden muss (Senat, Beschl. v. 12.9.2019 – 8 ME 66/19 –, juris Rn. 74 m.w.N.). Diesem Erfordernis genügt das Prozesskostenhilfebegehren der Kläger nicht. Die von ihrem Prozessbevollmächtigten eingereichte Formularerklärung nennt unter den „Angaben zu Ihrer Person“ nicht die Kläger, sondern stattdessen ihren Vater namentlich. Die Frage nach Angehörigen, denen gegenüber ein gesetzlicher Unterhaltsanspruch besteht, wird dann verneint, was – bezogen auf die beiden minderjährigen Kläger – eine offensichtliche Falschangabe darstellt, und zur Folge hat, dass auch die notwendigen Formulare über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ihrer beiden unterhaltsverpflichteten Eltern fehlen. Schließlich ist das Formular lediglich vom Vater der Kläger unterschrieben, während die Unterschrift ihrer Mutter fehlt. Angesichts dessen, was über die persönlichen Umstände der Kläger zu 1. und 2. ersichtlich ist, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie bzw. die Unterhaltsverpflichteten die Prozesskosten aus aktuell im Inland verfügbaren Mitteln oder aufgrund eines Anspruchs auf Prozesskostenvorschuss finanzieren können, zwar gering. Dies führt aber nicht dazu, dass sich das Gericht mit einer solchen Mutmaßung zufriedengeben kann; die gesetzlichen Vertreter des Kindes haben vielmehr die erforderlichen Angaben zu machen und für deren Richtigkeit einzustehen (Senat, Beschl. v. 12.9.2019 – 8 ME 66/19 –, juris Rn. 74 m.w.N.).

Nach der Erledigung des Rechtsstreits konnte Bewilligungsreife auch nicht mehr herbeigeführt werden, so dass es auch keines entsprechenden gerichtlichen Hinweises bedurfte (vgl. BVerfG, Beschl. v. 27.10.2017 – 1 BvR 1746/16 –, juris Rn. 4; BGH, Beschl. v. 17.10.2013 – III ZA 274/13 –, juris 7, 11).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Nach § 166 Abs.1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO werden die Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht erstattet.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).