Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 14.01.2021, Az.: 7 LA 91/20

Anlieger; Einfahrt; Entfall; Erschwernis; Wegfall; Zufahrt

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
14.01.2021
Aktenzeichen
7 LA 91/20
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2021, 71206
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 02.06.2020 - AZ: 6 A 151/17

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Ausreichend im Sinne des § 20 Abs. 5 Satz 3 NStrG ist eine anderweitige Zufahrt dann, wenn sie vorhanden und tatsächlich nutzbar ist. Unerheblich ist, ob das Entfallen einer Zufahrt bei verbleibender Nutzbarkeit (nur noch) der anderweitigen Zufahrt aufgrund der Art und Weise der Anordnung baulicher Anlagen auf dem Anliegergrundstück Einschränkungen der tatsächlichen Erreichbarkeit von Teilen der baulichen Anlagen mit sich bringt (hier: behauptete Unerreichbarkeit einer Doppelgarage).

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück - 6. Kammer (Einzelrichter) – auf die mündliche Verhandlung vom 2. Juni 2020 wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes für das Zulassungsverfahren wird auf 30.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

Der Kläger begehrt nach der Neuerstellung einer sein Grundstück erschließenden Straße, die nach seiner Einschätzung zu einer Erschwerung oder gar teilweisen Verunmöglichung der Nutzung einer auf seinem Grundstück gelegenen Garagenzufahrt geführt habe, im Bereich dieser Garagenzufahrt den Rückbau der Straße in den ursprünglichen Zustand, hilfsweise Anpassungsmaßnahmen an seiner Garagenzufahrt, höchst hilfsweise eine angemessene Entschädigung.

Er ist Eigentümer des Grundstücks A-Straße in A-Stadt, das mit seiner Nordostseite in einer Länge von gut 50 m an die von Südosten nach Nordwesten verlaufende Straße D. grenzt. Das gesamte Baugebiet liegt an einem Hang, aufgrund dessen die Straße D. von Südosten nach Nordwesten bergab verläuft und das Grundstück des Klägers im Wesentlichen unterhalb dieser Straße liegt. In der südöstlichen Ecke des klägerischen Grundstücks befindet sich eine etwa 8 m lange, auf die Straße D. führende Garagenzufahrt. Im Zuge der Neuerstellung der abgängigen Straße im Jahr 2016 änderte die Beklagte (auch) im Bereich dieser Garageneinfahrt das Gefälle des Gehweges und des eigentlichen Straßenkörpers mit der Folge, dass ein Höhenversatz in einem zwischen den Beteiligten umstrittenen Umfang zwischen Garageneinfahrt und Gehweg entstand. Im nordöstlichen Bereich des klägerischen Grundstückes befindet sich eine von der Straße aus weiterhin uneingeschränkt nutzbare Grundstückszufahrt, die zu einem Carport führt.

Nachdem der Kläger sein Begehren erfolglos bei der Beklagten angebracht hatte, hat er Klage erhoben, die das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Urteil und im Wesentlichen der Begründung abgewiesen hat, der Hauptantrag bleibe ohne Erfolg, weil ein subjektives Recht auf Beibehaltung einer konkreten Grundstückszufahrt in einer konkreten Ausgestaltung nicht bestehe und aus diesem Grunde eine Rechtsverletzung, die Voraussetzung für das Bestehen eines Folgenbeseitigungsanspruches sei, nicht vorliege. Einem Erfolg der Hilfsanträge stehe der Umstand entgegen, dass das Grundstück des Klägers über eine weitere Zufahrt verfüge, was gemäß § 20 Abs. 5 Satz 3 NStrG zu einem Anspruchsausschluss führe.

Der hiergegen gerichtete, auf die Zulassungsgründe gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 VwGO gestützte Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen nicht.

Ernsthafte Richtigkeitszweifel sind zu bejahen, wenn der Rechtsmittelführer einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 08.12.2009 - 2 BvR 758/07 -, juris). Die Richtigkeitszweifel müssen sich dabei auch auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen; es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung führen wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.03.2004 - 7 AV 4.03 -, juris). Eine den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügende Darlegung dieses Zulassungsgrundes erfordert, dass im Einzelnen unter konkreter Auseinandersetzung mit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung ausgeführt wird, dass und warum Zweifel an der Richtigkeit der Auffassung des erkennenden Verwaltungsgerichts bestehen sollen. Hierzu bedarf es regelmäßig qualifizierter, ins Einzelne gehender, fallbezogener und aus sich heraus verständlicher Ausführungen, die sich mit der angefochtenen Entscheidung auf der Grundlage einer eigenständigen Sichtung und Durchdringung des Prozessstoffes auseinandersetzen (vgl. Senat, Beschluss vom 18.03.2013 - 7 LA 181/11 -, juris m.w.N.).

Derartige Zweifel vermag der Kläger mit seiner Zulassungsbegründung nicht aufzuzeigen.

a. Hinsichtlich seines Hauptantrages fokussiert er sich auf die vermeintliche Rechtswidrigkeit des Umbaus der Straße, übergeht dabei jedoch, dass Voraussetzung für das Bestehen eines Folgenbeseitigungsanspruches, den die Beteiligten ebenso wie das Verwaltungsgericht zu Recht als einzige denkbare Anspruchsgrundlage ansehen, unter anderem ist, dass durch hoheitlichen Eingriff in ein subjektives Recht des Anspruchstellers ein andauernder rechtswidriger Zustand geschaffen worden sein muss (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.02.2015 - 1 C 13.14 -, juris; Beschluss vom 02.12.2015 - 6 B 33.15 -, juris; Papier/Shirvani in Maunz/Dürig, GG, Stand: August 2020, Art. 34, Rn. 62-68). Soweit er ausführt, das Verwaltungsgericht übersehe im Ergebnis, „dass auch ohne Anspruch auf Beibehaltung der bestehenden Zufahrt eine Beschränkung des Nutzungsrechts rechtmäßig sein muss“ (S. 5 der Zulassungsbegründung, Bl. 270 GA), fehlt es an einer Darlegung der Umstände, aus denen sich ein subjektives Nutzungsrecht – welchen konkreten Inhalts auch immer – ergeben sollte. Das Verwaltungsgericht hat insoweit richtig ausgeführt – und diese Ausführungen wiederholt der Kläger zwei Absätze vor der eben zitierten Passage selbst –, dass zwar ein subjektives Recht auf eine Verbindung eines betroffenen Grundstücks zur Straße bestehe, nicht aber auf Aufrechterhaltung einer konkreten bestehenden Verbindung zwischen Grundstück und Straße (S. 7 unten UA). Die entsprechende Lücke in der Argumentation des Klägers offenbart sich deutlich in den beiden auf den eben zitierten Satz folgenden Sätzen der Zulassungsbegründung, in denen der Kläger ausführt, der Eigentümer eines Grundstücks könne sich „selbstverständlich gegen rechtswidrige Maßnahmen wehren, die zu einer Beschränkung seiner Rechtsposition führen“. Eine Beschränkung „seiner Nutzungsmöglichkeiten oder einer bestehenden Situation“ habe er lediglich als Folge rechtmäßiger Maßnahmen hinzunehmen. Während der erste der beiden Sätze abstrakt zutrifft, im konkreten Fall mangels Bestehens einer geschützten Rechtsposition allerdings nicht weiterführt, trifft der nachfolgende Satz nicht zu: Eine rein tatsächliche Nutzungsmöglichkeit ist für sich betrachtet nicht wehrfähig, der (ehemals) Nutzungsbegünstigte kann ihre Wiederherstellung – ohne Rücksicht auf die Frage, ob die Entziehung der Nutzungsmöglichkeit rechtmäßig war – nicht im Wege des Folgenbeseitigungsanspruches geltend machen.

Ohne dass es hierauf ankommt, merkt der Senat an, dass das „Sonderopfer“, dass der Kläger bei sich sieht, seinen Ursprung allein in der außerhalb der Einflusssphäre der Beklagten liegenden Gestaltung seines Grundstückes hat. In der Sache macht der Kläger entgegen seinen Ausführungen keine Gleichbehandlung mit den übrigen Anliegern der Straße, sondern eine ihn begünstigende Sonderbehandlung geltend. Um eine solche hätte er die Beklagte unter Umständen bitten können; er hätte allerdings in diesem Falle auch die damit verbundenen Mehrkosten zu tragen gehabt (§ 16 NStrG).

b. Bezüglich seiner Hilfsanträge nimmt der Kläger zu Unrecht an, das Verwaltungsgericht habe im Rahmen der Beantwortung der Frage nach dem Vorliegen einer anderweitigen ausreichenden Zufahrt im Sinne von § 20 Abs. 5 Satz 3 NStrG nicht allein auf das bloße Vorhandensein einer weiteren Zufahrt abstellen dürfen. Ausreichend im Sinne der Vorschrift ist eine anderweitige Zufahrt dann, wenn sie vorhanden und tatsächlich nutzbar ist.

Zwar lässt sich der Ersatz- und Entschädigungsregelung des § 20 Abs. 5 Satz 1 NStrG, die bei einer dauerhaften Unterbrechung oder erheblichen Nutzungserschwerung von Zufahrten Ersatz- bzw. Entschädigungsmaßnahmen durch den Straßenbaulastträger vorsieht, im Umkehrschluss entnehmen, dass Anliegern ein subjektives Recht auf eine Verbindung ihres Grundstücks zum öffentlichen Straßennetz zusteht. Zugleich ergibt sich aus dieser Regelung aber auch, dass ein subjektives Recht auf Aufrechterhaltung gerade der bestehenden Verbindung des Grundstücks mit dem öffentlichen Straßennetz nicht gewährleistet ist. Die daraus resultierende subjektiv geschützte Rechtsposition ist vielmehr auf den durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 GG geschützten Kernbereich des Anliegergebrauchs beschränkt. Der grundrechtlich geschützte Kernbereich des Anliegergebrauchs reicht nur so weit, wie die angemessene Nutzung des Grundeigentums eine Benutzung der Straße erfordert. Der gegenüber dem schlichten Gemeingebrauch gesteigerte Anliegergebrauch erstreckt sich daher nur auf den notwendigen Zugang des Grundstücks zur Straße und seine Zugänglichkeit von ihr; er gewährleistet nicht die maximale bauliche Ausnutzbarkeit Grundstücks oder die Bequemlichkeit und Leichtigkeit des Zu- und Abgangs (vgl. Senat, Urteil vom 02.12.2019 - 7 LB 36/18 -, juris; Beschluss vom 14.11.2019 - 7 ME 49/19 -, juris; Urteil vom 18.07.2012 - 7 LB 29/11 -, juris, jeweils m.w.N.).

Gegenteiliges lässt sich auch den von dem Kläger zitierten Urteilen sowie der zitierten Kommentierung zur Parallelvorschrift des § 8a Abs. 4 FStrG nicht entnehmen. Die Urteile des Bundesgerichtshofes vom 2. Juli 1959 (III ZR 76/58, juris) sowie vom 29. Mai 1967 (III ZR 143/66, juris) betreffen Sachverhalte, die sich von dem vorliegenden wesentlich unterscheiden: Während die erstgenannte Entscheidung sich mit der Frage auseinanderzusetzen hatte, ob die Verlegung der Trasse einer Bundesstraße Entschädigungsansprüche aufgrund zurückgegangener Kundenströme auslösen könne, betrifft die zweitgenannte Entscheidung zwar die wesentliche Erschwerung einer Hof- sowie einer Feldzufahrt infolge der Erhöhung eines Straßenkörpers; die betroffenen Einfahrten zum Hof bzw. zum Feld waren indes – anders als im vorliegenden Fall – die jeweils einzigen Zufahrten. Das vom Kläger angeführte Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes (5 K 1099/17, juris) betrifft ebenfalls einen schwerlich vergleichbaren Sachverhalt; in den Entscheidungsgründen wird allerdings – im Einklang mit den Gründen der angegriffenen Entscheidung – ausgeführt: „Denn § 8a FStrG und die entsprechenden Ländergesetze garantieren nicht eine optimale, sondern nur eine nach den jeweiligen Umständen zumutbare Erreichbarkeit. Aus diesen Vorschriften lässt sich kein Anspruch auf den Fortbestand einer Verkehrsverbindung herleiten, für die eine bestimmte Grundstücksnutzung von besonderem Vorteil ist.“ Inwieweit der Kläger die von ihm genannte Kommentierung zu § 8a FStrG als Stütze seiner Position verstanden wissen möchte, ist nicht recht nachvollziehbar. Auch dort wird nicht die Auffassung vertreten, es bestehe ein Anspruch auf Erhalt einer konkreten Einfahrt in einer konkreten Ausgestaltung; vielmehr wird (auch) dort unter anderem ausgeführt, ein Anlieger könne nicht darauf vertrauen, dass eine ihn begünstigende Zuordnung seines Grundstückes zur Straße unverändert aufrechterhalten bleibe (Grupp in: Marschall, FStrG, 6. Aufl. 2012, § 8a, Rn. 30).

2. Eine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO besteht hinsichtlich der von dem Kläger aufgeworfenen Frage, ob

„bei der Prüfung des Ausschlussgrundes des Bestehens einer anderweitig ausreichenden Verbindung zu dem öffentlichen Straßennetz i.S.v. § 20 Abs. 5 Satz 3 NStrG ausschließlich eine erschließungsrechtliche Perspektive dergestalt zu wählen [ist], dass die bloße Existenz einer anderen Verbindung einen Anspruchsausschluss begründet, oder […] eine funktionsbezogene Betrachtung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu erfolgen [hat], so dass bei der Frage der Angemessenheit auch die Folgen sowie eine Wertbeeinträchtigung des Grundstücks durch die Unterbrechung der Erschwernis der bestehenden Zufahrt zu berücksichtigen sind“,

nicht.

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache, wenn sie eine grundsätzliche, fallübergreifende Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, die im allgemeinen Interesse der Klärung bedarf. Das ist nur dann zu bejahen, wenn die Klärung der Frage durch die im erstrebten Berufungsverfahren zu erwartende Entscheidung zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder für eine bedeutsame Fortentwicklung des Rechts geboten erscheint (vgl. Beschluss des Senats vom 19.10.2012 - 7 LA 146/11 -, NVwZ-RR 2013, 28). An der Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage fehlt es, wenn sie sich unschwer aus dem Gesetz oder auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung beantworten lässt (vgl. Senat, Beschluss vom 18.03.2013 - 7 LA 181/11 -, juris). Um die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO darzulegen, hat der Zulassungsantragsteller die für fallübergreifend gehaltene Frage zu formulieren (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 08.01.2019 - 13 LA 401/18 -, juris) sowie näher zu begründen, weshalb sie eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat und ein allgemeines Interesse an ihrer Klärung besteht. Darzustellen ist weiter, dass sie entscheidungserheblich ist und ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten steht (vgl. Senat, Beschluss vom 23.04.2018 - 7 LA 54/17 -, juris).

Die benannte Frage lässt sich auf Grundlage der unter 1.b. zitierten Rechtsprechung des Senats ohne Weiteres dahingehend beantworten, dass – wie ausgeführt – eine anderweitige Zufahrt, um „ausreichend“ im Sinne von § 20 Abs. 5 Satz 3 NStrG zu sein, lediglich vorhanden und tatsächlich nutzbar sein muss.

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 GKG. Letztere berücksichtigt die Angabe des Klägers zum Wert des Streitgegenstandes (Schriftsatz vom 14. Juni 2017, Bl. 82 GA).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).