Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 22.01.2021, Az.: 13 ME 513/20

Behörde; Beleihung; Beliehener; Entgeltkalkulation; Heilung; Krankenhaus; Selbstorganschaft; Verwaltungsakt; Verwaltungshelfer; Widerspruchsbescheid

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
22.01.2021
Aktenzeichen
13 ME 513/20
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2021, 71219
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 27.10.2020 - AZ: 5 B 150/20

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. § 17b Abs. 3 Satz 5 KHG a.F. ermächtigte die Vertragsparteien als gemeinsam Beliehene zur Verpflichtung einzelner Krankenhäuser zur Teilnahme an der Krankenhausentgeltkalkulation durch Verwaltungsakt.

2. Die Ermächtigung des Instituts für das Entgeltsystem im Krankenhaus zum Erlass der Verpflichtungsbescheide namens und im Auftrag der Vertragsparteien überschreitet den auf einen Verwaltungshelfer übertragbaren Aufgabenkreis. Dieser Mangel ist jedoch durch den Erlass eines Widerspruchsbescheides durch die Vertragsparteien nach § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO geheilt.

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Braunschweig - 5. Kammer - vom 27. Oktober 2020 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind erstattungsfähig.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 25.000 EUR festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Braunschweig vom 27. Oktober 2020 hat keinen Erfolg.

I. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Verpflichtungsbescheid vom 24. Juli 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Oktober 2019 zu Recht abgelehnt. Die mit der Beschwerde dargelegten Gründe, auf deren Prüfung sich der Senat nach
§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, rechtfertigen keine andere Entscheidung.

Der Verpflichtungsbescheid vom 24. Juli 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Oktober 2019 erweist sich nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung voraussichtlich als rechtmäßig.

1. Der Verpflichtungsbescheid vom 24. Juli 2019 ist jedenfalls in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Oktober 2019 ordnungsgemäß erlassen worden.

Die Antragsgegner sind durch § 17b Abs. 3 Satz 5 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG) in der hier anzuwendenden Fassung des Gesetzes zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze vom 11. Dezember 2018 (BGBl. I S. 2394) zum Erlass des Verpflichtungsbescheides ermächtigt worden.

§ 17b Abs. 3 KHG lautete in dieser Fassung:
1Die Vertragsparteien nach Absatz 2 Satz 1 vereinbaren bis zum 30. Juni 2000 die Grundstrukturen des Vergütungssystems und des Verfahrens zur Ermittlung der Bewertungsrelationen auf Bundesebene (Bewertungsverfahren), insbesondere der zu Grunde zu legenden Fallgruppen, sowie die Grundzüge ihres Verfahrens zur laufenden Pflege des Systems auf Bundesebene. 2Die Vertragsparteien vereinbaren die Bewertungsrelationen und die Bewertung der Zu- und Abschläge nach Absatz 1a. 3Die Bewertungsrelationen werden auf der Grundlage der Fallkosten einer sachgerechten und repräsentativen Auswahl von Krankenhäusern kalkuliert. 4Auf der Grundlage eines vom Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus zu entwickelnden Vorschlags vereinbaren die Vertragsparteien nach Absatz 2 Satz 1 bis spätestens zum 31. Dezember 2016 ein praktikables Konzept für eine repräsentative Kalkulation nach Satz 3 und deren Weiterentwicklung. 5Als Bestandteil des Konzepts haben die Vertragsparteien geeignete Maßnahmen zu seiner Umsetzung zu vereinbaren; dabei können sie insbesondere bestimmte Krankenhäuser zur Teilnahme an der Kalkulation verpflichten und Maßnahmen ergreifen, um die Lieferung uneingeschränkt verwertbarer Daten zu gewährleisten und um die Richtigkeit der übermittelten Daten umfassend überprüfen zu können. 6Widerspruch und Klage gegen die Verpflichtung zur Teilnahme an der Kalkulation haben keine aufschiebende Wirkung.“

a) Die Antragsgegnerin zu 1. als Körperschaft des öffentlichen Rechts und die Antragsgegner zu 2. und zu 3. als privatrechtliche Vereine handelten in Ausübung der Befugnis zur Verpflichtung einzelner Krankenhäuser nach Satz 5 dieser Vorschrift als Beliehene. Beliehene führen hoheitliche Verwaltungsaufgaben im eigenen Namen selbständig aus, die ihnen durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes übertragen worden sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.3.1969 - VII C 37.67, juris Rn. 18; Beschl. v. 29.9.2005 - 7 BN 2.05 -, juris Rn. 5). Sofern wesentliche Modalitäten der Beleihung geregelt werden sollen, bedürfen diese ebenfalls einer gesetzlichen Grundlage (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.8.2010 - 3 C 35.09 -, juris Rn. 23 ff. zur Einschränkung des Haftungsrückgriffs gegen den Beliehenen).

Die Antragsgegner wurden durch § 17b Abs. 3 Satz 5 KHG a.F. vom Bundesgesetzgeber ausdrücklich mit der Verpflichtung der Krankenhäuser zur Teilnahme an der Kalkulation der Bewertungsrelationen beliehen. Aus dem Wortlaut ergibt sich eindeutig die Befugnis zum Handeln durch Verwaltungsakt. Der Gesetzgeber wollte den Selbstverwaltungspartnern die Befugnis verleihen, geeignete Krankenhäuser mit verbindlicher Wirkung zur Teilnahme an der Kalkulation auszuwählen. Auch sollten die Maßnahmen geeignet sein, eine verpflichtende Kalkulationsteilnahme effektiv durchzusetzen, z.B. durch spürbare Sanktionsmaßnahmen (vgl. BT-Drs. 18/5372, S. 55). Die Übertragung der Befugnis zum Handeln durch Verwaltungsakt wird auch durch Satz 6 der Vorschrift gestützt, der die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage gegen die Verpflichtung zur Teilnahme an der Kalkulation nach § 17b Abs. 3 Satz 5 KHG a.F. ausschließt. Gegenstand dieser Regelung kann nur der Rechtsbehelf gegen einen Verwaltungsakt sein. Die Einfügung dieses Satzes soll gewährleisten, dass sich Krankenhäuser, die zu einer Kalkulationsteilnahme verpflichtet werden, nicht durch Widerspruch
oder Klage dieser Kalkulationsteilnahme entziehen können (vgl. BT-Drs. 19/5593, S. 110). Vor diesem Hintergrund erweist sich die Annahme der Antragstellerin, den Antragsgegnern sei lediglich die Regelungsbefugnis zu vertraglichem Handeln übertragen worden, als abwegig.

Die Beleihung ist auch nicht wegen fehlender Regelungen des Verwaltungsverfahrens unwirksam. Eine gesetzliche Regelung über das „Wie“ einer Beleihung ist nur insoweit erforderlich, als besondere Modalitäten eingeführt werden sollen, die aufgrund des Wesentlichkeitsgrundsatzes einer derartigen Regelung bedürfen (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.8.2010, a.a.O.). Das ist hier nicht der Fall, denn das Tätigwerden der Selbstverwaltungspartner folgt im Rahmen der Verpflichtung von einzelnen Krankenhäusern zur Teilnahme an der Kalkulation den allgemeinen Regeln.

Der Rechtmäßigkeit der Beleihung der Antragsgegner steht nicht entgegen, dass der Gesetzgeber mehrere Stellen mit der Verpflichtung der Krankenhäuser zur Kalkulationsteilnahme gemeinsam beliehen hat. Die Antragsgegner erfüllen dabei den funktionalen Behördenbegriff des Verwaltungsverfahrensrechts (vgl. dazu nur: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 21. Aufl. 2020, § 1 Rn. 51 ff. m.w.N.). Durch den Beleihungsakt ist den Antragsgegnern die Erfüllung öffentlicher Verwaltungsaufgaben zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung, d.h. zum Handeln mit Außenwirkung in eigener Zuständigkeit und im eigenen Namen übertragen worden. Dabei besteht allerdings die Besonderheit, dass die Befugnis zur Verpflichtung einzelner Krankenhäuser zur Teilnahme an der Kalkulation den drei ihrerseits jeweils organisatorisch selbständigen Antragstellern gemeinsam übertragen worden ist. Sie können diese Befugnis folglich nur gemeinsam handelnd ausüben. Insbesondere bedarf es - mangels abweichender Regelungen - einer einvernehmlichen Entscheidung der Beliehenen. Dies ist ausweislich des Widerspruchsbescheids vom 23. Oktober 2019 auch geschehen (vgl. GA, Bl. 49 ff.). Dort werden die drei Antragsgegner im Kopf des Bescheids aufgeführt, und die zuständigen Sachbearbeiter aller drei Antragsgegner haben diesen Bescheid unterschrieben. Die Antragsgegner handeln auf diese Weise zwar jeweils im eigenen Namen, aber zugleich gemeinsam als funktional einheitliche Behörde. Insoweit verfügen sie über das erforderliche Mindestmaß organisatorischer Selbst- und Eigenständigkeit (vgl. zur Behördeneigenschaft gemeinsam handelnder Selbstverwaltungspartner im Sozialverwaltungsrecht: BSG, Urt. v. 28.7.2008 - B 1 KR 5/08R -, juris Rn. 17 m.w.N.). Die von der Antragstellerin geforderte einheitliche Organisation ist dazu nicht erforderlich. Die Argumentation der Antragstellerin legt in diesem Zusammenhang ihren Schwerpunkt in unzutreffender Weise auf den organisationsrechtlichen Aspekt der in § 1 Abs. 4 VwVfG genannten „Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt“.

Die aktuelle Beleihung der Beigeladenen mit der Befugnis zur Verpflichtung einzelner Krankenhäuser zur Teilnahme an der Kalkulation in Satz § 17b Abs. 3 Satz 6 KHG in der Fassung des Medizinprodukte-EU-Anpassungsgesetzes vom 28. April 2020 (BGBl. I S. 960) mag den tatsächlichen Verwaltungsabläufen geschuldet sein. Rückschlüsse auf die Rechtmäßigkeit der zuvor bestehenden gemeinsamen Beleihung der Antragsgegner lassen sich aus dieser Änderung nicht ziehen. Die Gesetzesmaterialien dazu sind unergiebig (vgl. BT-Drs. 19/17589, S. 182 und bereits BT-Drs. 19/13397, S. 86).

Selbst wenn die vorliegende Konstellation mit dem tradierten Behördenbegriff des Verwaltungsverfahrensrechts nicht in Übereinstimmung gebracht werden könnte, änderte dies nichts an der Rechtmäßigkeit der Beleihung. Der Gesetzgeber hat diese Beleihung in § 17b Abs. 3 Satz 5 KHG a.F. und damit in einem Gesetz vorgenommen, das gleichrangig neben dem VwVfG steht. Er ist dabei zur Beachtung des in Rechtsprechung und Literatur herausgebildeten Behördenbegriffs nicht verpflichtet. Dieser müsste vielmehr unter Berücksichtigung der vorhandenen gesetzlichen Regelungen überdacht und ggf. fortentwickelt werden. Es gibt keinen verfassungsrechtlichen Grundsatz, der einer gemeinsamen Beleihung mehrerer Stellen entgegensteht.

b) Es liegt im Ergebnis auch kein Verstoß gegen den Grundsatz der Selbstorganschaft vor. Nach diesem Grundsatz muss die öffentliche Verwaltung die ihr zugewiesenen Aufgaben grundsätzlich selbst und durch eigene Bedienstete erfüllen (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.8.2011 - 9 C 2.11 -, juris Rn. 14; Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 3 Rn. 12a). Dies gilt auch für die Antragsgegner als Beliehene, die in dieser Eigenschaft Teil der öffentlichen Verwaltung sind.

aa) Es bestehen allerdings durchgreifende Bedenken dagegen, dass der Verpflichtungsbescheid vom 24. Juli 2019 diesen Anforderungen genügt. Die Tätigkeit der Beigeladenen beim Erlass dieses Bescheides geht über die zulässige Tätigkeit einer Verwaltungshelferin hinaus. Ein Verwaltungshelfer unterstützt die öffentliche Verwaltung bei der Durchführung bestimmter Verwaltungsaufgaben, wird aber - im Unterschied zum Beliehenen - nicht selbständig tätig, sondern nimmt Hilfstätigkeiten im Auftrag und nach Weisung der öffentlichen Verwaltung wahr (vgl. OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 15.3.2006 - 2 LB 9/05 -, juris Rn. 36; Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 1 Rn. 64 ff.). Kraft Gesetzes war der Beigeladenen durch § 17b Abs. 3 Satz 4 KHG a.F. nur die Erarbeitung eines Vorschlags eines praktikablen Konzepts für eine repräsentative Kalkulation nach Satz 3 und deren Weiterentwicklung übertragen. Für die unmittelbare Heranziehung einzelner Krankenhäuser zur Teilnahme an der Kalkulation hatte sie hingegen keine Zuständigkeit. Demnach konnte sie in diesem Zusammenhang wegen fehlender gesetzlicher Ermächtigung nur als Verwaltungshelferin in vorbereitender und unterstützender Funktion tätig werden. Sie war als solche insbesondere nicht befugt, selbständig Verwaltungsakte im Namen der Antragsgegner erlassen (vgl. OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 15.3.2006, a.a.O.; Kopp/Ramsauer, a.a.O. Rn. 65a; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 1 Rn. 251).

Genau das ist jedoch geschehen. Der Verpflichtungsbescheid vom 24. Juli 2019 ist allerdings unter dem Briefkopf der Beigeladenen verfasst worden und vom Geschäftsführer der Beigeladenen „i. A.“ unterschrieben worden. Im Einleitungssatz des Bescheids wird darauf hingewiesen, dass der Bescheid „namens und im Auftrag“ der Vertragsparteien - der Antragsgegner - ergehe. Dies entspricht der Regelung des § 2 Abs. 2 Satz 1 der „Vereinbarung gemäß § 17b Absatz 3 Satz 4 KHG zur Erhöhung der Repräsentativität der Kalkulation“ vom 2. September 2016 in der Fassung der Änderungsvereinbarung vom 17. Juli 2019, die zwischen den Antragsgegnern geschlossen worden ist. Diese Vereinbarung enthält im Zusammenhang mit der Aufgabenübertragung an die Beigeladene keinerlei Regelung über die Aufsicht der Antragsgegner über die Beigeladene im Zusammenhang mit dem Erlass der Verpflichtungsbescheide. Es ist auch nicht erkennbar, dass die Antragsgegner tatsächlich durch dafür qualifiziertes Personal Einfluss auf den Inhalt der Bescheide nehmen konnten oder die Entscheidungen - außerhalb des Widerspruchsverfahrens - einer Überprüfung unterzogen haben oder einer Überprüfung überhaupt zuführen konnten. Vielmehr haben die Antragsgegner das Verfahren der Auswahl der zur Teilnahme an der Kalkulation heranzuziehenden Krankenhäuser einschließlich des Erlasses der entsprechenden Verpflichtungsbescheide offenbar in vollem Umfang auf die Beigeladene übertragen und sich lediglich eine Kontrollmöglichkeit im Widerspruchsverfahren vorbehalten. Dem entspricht auch die nunmehr erfolgte gesetzliche Beleihung der Beigeladenen mit dieser Aufgabe, die die tatsächlichen Verhältnisse offenkundig lediglich nachzeichnet. Soweit die Beigeladene im Urteil des OVG für das Land Nordrhein-Westfalen vom 5. Februar 2020 (13 A 3354/18, juris Rn. 46, ebenso bereits im Beschl. v. 17.4.2019 - 13 B 1431/18 -, juris Rn. 54) als Verwaltungshelferin bezeichnet wird, beruht dies auf einer anderen Fallkonstellation. Die Beigeladene hatte dort ein formloses Schreiben an das betroffene Krankenhaus gesandt, das dieses über seine verpflichtende Teilnahme an der Datenerhebung informierte. Demgegenüber ist im vorliegenden Fall in Kenntnis des dortigen Beschlusses vom 17. April 2019 ausdrücklich ein formeller Verpflichtungsbescheid ergangen, zu dessen Erlass die Beigeladene als schlichte Verwaltungshelferin aus den oben angeführten Gründen nicht berechtigt war. Die von der Antragstellerin aufgeworfene Frage, ob die zwischen den Antragsgegnern getroffene Änderungsvereinbarung vom 17. Juli 2019 ein unzulässiger Vertrag zu Lasten der Beigeladenen ist, bedarf schon deshalb keiner Entscheidung.

bb) Dieser Mangel des Ausgangsbescheids ist jedoch durch den Widerspruchsbescheid vom 23. Oktober 2019 geheilt.

Gegenstand der Anfechtungsklage ist nach § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat.

Das in §§ 68 ff. VwGO normierte Widerspruchsverfahren ist unbeschadet seiner Eigenschaft als Sachurteilsvoraussetzung für die Anfechtungs- und die Verpflichtungsklage (§ 68 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO) Verwaltungsverfahren im Sinne des Verwaltungsverfahrensrechts. Das Ausgangsverfahren bildet mit dem Widerspruchsverfahren eine Einheit und wird erst mit einem etwaigen Widerspruchsbescheid abgeschlossen. Auch im gerichtlichen Verfahren setzt sich die Einheit fort, wie § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO zeigt. Der Widerspruchsbehörde kommt im Überprüfungsverfahren eine umfassende Kontrollbefugnis zu. Sie besitzt grundsätzlich die gleiche Entscheidungsbefugnis wie die Erstbehörde. Sie ist zur Änderung, Aufhebung und Ersetzung des Ausgangsbescheids einschließlich seiner Begründung und Ermessenserwägungen befugt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts liegt eine Gestaltänderung im Sinne des § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO auch dann vor, wenn ursprünglich kein Verwaltungsakt existierte und der Widerspruchsbescheid aus einer (schlichten) Willenserklärung einen Verwaltungsakt macht. Hieran gemessen steht der Umstand, dass die Antragsgegner die Feststellung der Verpflichtung zur Teilnahme an der Kalkulation und die Erstellung der Verpflichtungsbescheide der Beigeladenen als einer juristischen Person des Privatrechts übertragen haben, einer Gestaltung des Ausgangsbescheids nicht entgegen. Wenn selbst eine Willenserklärung ohne Verwaltungsaktqualität durch einen Widerspruchsbescheid in einen Verwaltungsakt umgestaltet werden kann, muss es erst recht möglich sein, einen bloß formal der Behörde zurechenbaren Verwaltungsakt durch Nachholen einer materiellen, behördlich verantworteten Regelung zu gestalten (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.8.2011 a.a.O., Rn. 20 m.w.N.; Sächsisches OVG, Urt. v. 18.12.2014 - 5 A 193/12 -, juris Rn. 29 ff.).

So liegt der Fall hier (vgl. auch VG Augsburg, Beschl. v. 25.6.2020 - Au 9 S 20.896 -, juris Rn. 42; VG C-Stadt, Beschl. v. 20.5.2020 - 24 L 408.19 -, juris Rn. 32; VG Karlsruhe, Beschl. v. 22.9.2020 - 2 K 2332/20 -, juris Rn. 29; VG Minden, Beschl. v. 3.8.2020 - 6 L 414/20 -, juris Rn. 5). Es kommt in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob die Antragsgegner eine von dem angefochtenen und ohne wirksame Ermächtigung getroffenen Verpflichtungsbescheid abweichende Entscheidung fällen. Maßgeblich ist, dass sie als auch für die Erstentscheidung zuständige Stelle nunmehr eine inhaltliche Entscheidung über die Verpflichtung der Antragstellerin getroffen haben. Sie haben die von der Antragstellerin erhobenen Einwände geprüft und zurückgewiesen. Mit der Widerspruchsentscheidung haben die Antragsgegner nunmehr Verantwortung für die von der Beigeladenen technisch vorbereitete Verpflichtungsentscheidung übernommen. Damit ist der Mangel der kompetenzwidrigen Ausgangsentscheidung durch die Beigeladene geheilt. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist es auch unerheblich, ob der Ausgangsbescheid, wie hier, namens und im Auftrag der für die Entscheidung zuständigen Antragsgegner ergangen ist oder ein privater Geschäftsbesorger ohne Kenntlichmachung dieses Verhältnisses nach außen im eigenen Namen gehandelt hat. In beiden Fällen hat zunächst ein dazu nicht ermächtigter Privater eine ihm nicht zustehende Entscheidung getroffen; in beiden Fällen kann die Entscheidung der zuständigen Stelle im Widerspruchsverfahren diesen Mangel heilen. Eine Differenzierung dahingehend, dass im ersten Fall eine Gestaltänderung und damit eine Heilung nach § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO möglich wäre, im zweiten Fall aber nicht, wäre sachwidrig, denn ein ermächtigungsloses Handeln im eigenen Namen stellt einen noch tiefergehenden Verstoß gegen das Gebot der Selbstorganschaft dar als das ermächtigungslose Handeln im Auftrag und im Namen der zuständigen Stelle.

Weitere formelle Bedenken gegen den Erlass des Widerspruchsbescheids bestehen nicht. Der Widerspruchsbescheid vom 23. Oktober 2019 ist insbesondere von einem Vertreter oder Beauftragten der jeweiligen Leitung der Antragsteller unterschrieben worden. Dass dabei das Kürzel „i.V.“ oder „i.A.“ offensichtlich vergessen worden ist, führt nicht zur Rechtswidrigkeit des Widerspruchsentscheids. Die Antragsgegner sind ausweislich des gemeinsamen Briefkopfes und der Unterschrift durch jeweils einen ihrer Bediensteten als für die Widerspruchsentscheidung gemeinsam Verantwortliche erkennbar. Wer im Einzelnen unterschriftsberechtigt ist, ergibt sich aus der internen Organisation der jeweiligen Behörde. Dass die interne Zuständigkeitsregelung insoweit durch Rechtsatz erfolgt oder jedenfalls in geeigneter Weise bekannt gemacht wird, ist nach § 37 Abs. 3 Satz 1 VwVfG nicht erforderlich (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 37 Rn. 34). Das Widerspruchsverfahren wurde auch ordnungsgemäß durchgeführt. Insbesondere wurden ausweislich des ablehnenden Widerspruchsbescheids die Einwände der Antragstellerin gegen ihre Verpflichtung zur Teilnahme an der Kalkulation geprüft. Eines Abhilfeverfahrens bedurfte es nicht, da Ausgangs- und Widerspruchsbehörde identisch waren (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.7.1984 - 7 C 28.83 -, juris Rn. 28).

2. Unter Berücksichtigung des durch das Beschwerdevorbringen der Antragstellerin beschränkten Prüfungsumfangs erweist sich die Verpflichtung der Antragstellerin zur Teilnahme an der Kalkulation voraussichtlich auch materiell als rechtmäßig.

Das Verwaltungsgericht hat die Verpflichtung der Antragstellerin als „nach derzeitiger Einschätzung rechtmäßig“ angesehen. So sei zunächst das Auswahlverfahren mit den dafür heranzuziehenden Kriterien nach dem Konzept der Beigeladenen zur Verbesserung der Repräsentativität der Kalkulationsstichprobe sachgerecht und geeignet, die Vorgaben des Gesetzgebers in § 17b Abs. 3 KHG zu erfüllen. Auch das Losverfahren genüge diesen Anforderungen, die mit einem weiten Gestaltungsspielraum für die Beigeladene verbunden seien. Iterative Losentscheide verstießen nicht gegen höherrangiges Recht, weil insbesondere der Zufall dadurch nicht zum Rechtsprinzip erhoben werde. Denn die Teilnahme an jedem Losentscheid („Ziehungsschritt“) setze neben der Einbeziehung in das Auswahlverfahren einen entsprechenden Listenplatz im Ergebnis des Rankings voraus, das seinerseits an den qualifizierten sachgerechten Merkmalen „Trägerschaft“ und „Leistungsbereiche“ ausgerichtet sei. Seien danach die abstrakten Auswahlkriterien für eine Auswahlentscheidung rechtlich nicht zu beanstanden, so seien rechtliche Bedenken nach summarischer Prüfung auch nicht gegen die Auswahl der Antragstellerin in einem solchen Verfahren zu erheben. Ob sich die Antragsgegner wegen des bislang nicht in allen Einzelheiten nachzuvollziehenden Auswahlverfahrens letztlich vorwerfen lassen müssten, gegen die Pflicht zur vollständigen und wahrheitsgemäßen Aktenführung und -vorhaltung verstoßen zu haben, bedürfe im vorliegenden Verfahren keiner Entscheidung, denn aus einem derartigen Verstoß folge jedenfalls nicht die Rechtswidrigkeit der nachfolgenden Entscheidung.

Die Ausführungen der Beschwerdebegründung zur materiellen Rechtmäßigkeit der Auswahlentscheidung sind nicht einmal ansatzweise geeignet, diese Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu erschüttern.

Soweit die Antragstellerin ausführt, auch gegenüber dem Losverfahren würden durchgreifende Einwände erhoben, beschränken sich diese auf die Formulierung, entgegen der Auffassung des angefochtenen Beschlusses verfüge die Beigeladene nicht über einen „weiten Gestaltungsspielraum“, sondern allenfalls über einen Gestaltungsspielraum für Einzelheiten des Losverfahrens. Die Schilderung konkreter Auswirkungen dieses in erster Linie terminologischen Auffassungsunterschieds auf die Einzelheiten des Losverfahrens bleibt die Antragstellerin schuldig und verweist lediglich darauf, dass sich weitere Ansatzpunkte für eine fehlerhafte Auswahl erst im Hauptsacheverfahren klären ließen. Auch im Beschwerdeverfahren hat die Antragstellerin erneut nicht zu ihrer individuellen Betroffenheit vorgetragen. Aufgrund dieses Umstand kann nach der den Senat bindenden Bestimmung des § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO keine weitergehende Prüfung erfolgen.

Soweit die Antragstellerin die materielle Rechtswidrigkeit ebenfalls in der Entscheidung durch die dazu nicht befugte Beigeladene sieht, ist auf die vorstehenden Ausführungen zu verweisen. Das der Verpflichtung einzelner Krankenhäuser zugrundeliegende „Konzept [zur] Verbesserung der Repräsentativität der Kalkulationsstichprobe“ ist gemäß deren gesetzlichen Auftrag (§ 17b Abs. 3 Satz 4 KHG) von der Beigeladenen erarbeitet und nach § 1 Abs. 1 der zwischen den Antragsgegnern geschlossenen „Vereinbarung gemäß § 17b Absatz 3 Satz 4 KHG zur Erhöhung der Repräsentativität der Kalkulation“ vom 2. September 2016 in der Fassung der Änderungsvereinbarung vom 17. Juli 2019 zur Grundlage der Auswahlentscheidung gemacht worden. Durch die Widerspruchsentscheidung haben sich die Antragsgegner die im Ausgangsbescheid getroffene „Entscheidung“ der Beigeladenen zu eigen gemacht. Damit beschränkte sich die Sachherrschaft der Beigeladenen bei der Verpflichtung einzelner Krankenhäuser auf die (umfangreiche) technische Vorbereitung dieser Entscheidung im Wege der Durchführung der im „Konzept“ vorgesehenen Ziehungen und damit auf eine Aufgabe, deren Übertragung auf einen privaten Verwaltungshelfer grundsätzlich unbedenklich ist. Von einer fehlenden Beteiligung der Antragsgegner an der Entscheidung über die verpflichtende Heranziehung der Antragstellerin zur Teilnahme an der Kalkulation kann mithin nicht ausgegangen werden.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nach § 162 Abs. 3 VwGO erstattungsfähig, da sie durch ihre Antragstellung auch im Beschwerdeverfahren ein eigenes Kostenrisiko eingegangen ist (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).

III. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).