Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 26.01.2021, Az.: 10 LA 276/20

Hinreichende Darlegung von Verfahrensfehlern in Form der Versagung rechtlichen Gehörs; Erfordernis der grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache als Zulassungsvoraussetzung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
26.01.2021
Aktenzeichen
10 LA 276/20
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2021, 10572
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG Braunschweig - 02.11.2020

Fundstelle

  • AUAS 2021, 56-59

Tenor:

Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig - Einzelrichter der 8. Kammer - vom 2. November 2020 wird abgelehnt.

Die Kläger tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Zulassungsverfahrens.

Gründe

Der Antrag der Kläger, die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil zuzulassen, hat keinen Erfolg. Denn die von ihnen geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) sowie eines Verfahrensfehlers (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG) in Form der Versagung rechtlichen Gehörs liegen nicht vor bzw. sind von ihnen nicht hinreichend dargelegt worden.

1. Die Berufung ist nicht wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.

Eine Rechtssache ist nur dann im Sinne des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG grundsätzlich bedeutsam, wenn sie eine höchstrichterlich noch nicht geklärte Rechtsfrage oder eine obergerichtlich bislang noch nicht beantwortete Tatsachenfrage von allgemeiner Bedeutung aufwirft, die im Rechtsmittelverfahren entscheidungserheblich und einer abstrakten Klärung zugänglich ist, im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Weiterentwicklung des Rechts einer fallübergreifenden Klärung in einem Berufungsverfahren bedarf, nicht schon geklärt ist und (im Falle einer Rechtsfrage) nicht bereits anhand des Gesetzeswortlauts und der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung sowie auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Berufungsverfahrens beantwortet werden kann (BVerwG, Beschluss vom 8.8.2018 - 1 B 25.18 -, juris Rn. 5, zu § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO; ferner: GK-AsylG, Stand: Juni 2019, § 78 AsylG Rn. 88 ff. m.w.N.; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: April 2019, § 78 AsylG Rn. 21 ff. m.w.N).

Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gemäß § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG verlangt daher nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (u.a. Senatsbeschluss vom 13.9.2018 - 10 LA 349/18 -, juris Rn. 2 ff.):

1. dass eine bestimmte Tatsachen- oder Rechtsfrage konkret und eindeutig bezeichnet,

2. ferner erläutert wird, warum sie im angestrebten Berufungsverfahren entscheidungserheblich und klärungsbedürftig wäre, und

3. schließlich dargetan wird, aus welchen Gründen ihre Beantwortung über den konkreten Einzelfall hinaus dazu beitrüge, die Rechtsfortbildung zu fördern oder die Rechtseinheit zu wahren.

Ob eine als grundsätzlich klärungsbedürftig bezeichnete Frage entscheidungserheblich ist, ist anhand der Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts zu prüfen, soweit gegen diese keine begründeten Verfahrensrügen erhoben worden sind (ständige Rechtsprechung des Senats: zuletzt u.a. Senatsbeschluss vom 25.7.2019 - 10 LA 155/19 -, juris Rn. 7 m.w.N.). Diese Tatsachenfeststellungen sind im Zulassungsverfahren bindend und unterliegen dort anders als in einem Berufungsverfahren keiner Richtigkeitskontrolle (Senatsbeschluss vom 25.7.2019 - 10 LA 155/19 -, juris Rn. 7 m.w.N.).

Die Darlegung der Entscheidungserheblichkeit und Klärungsbedürftigkeit der bezeichneten Frage im Berufungsverfahren (2.) setzt voraus, dass substantiiert dargetan wird, warum sie im Berufungsverfahren anders als im angefochtenen Urteil zu entscheiden sein könnte und - im Falle einer Tatsachenfrage - welche (neueren) Erkenntnismittel eine anderslautende Entscheidung nahelegen (ständige Rechtsprechung des Senats: u. a. Senatsbeschluss vom 18.2.2019 - 10 LA 27/19 -; Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 25.7.2017 - 9 LA 70/17 - m.w.N.). Die Begründungspflicht verlangt daher, dass sich der Zulassungsantrag mit den Erwägungen des angefochtenen Urteils substantiiert auseinandersetzt (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.6.2019 - 5 BN 4.18 -, zu den Anforderungen an die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die Darlegung einer Tatsachenfrage setzt außerdem eine intensive, fallbezogene Auseinandersetzung mit den von dem Verwaltungsgericht herangezogenen und bewerteten Erkenntnismitteln voraus (Senatsbeschluss vom 18.2.2019 - 10 LA 27/19 -; Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 13.1.2009 - 11 LA 471/08 -, juris Rn. 5), weil eine Frage nicht entscheidungserheblich und klärungsbedürftig ist, die sich schon hinreichend klar aufgrund der vom Verwaltungsgericht berücksichtigten Erkenntnismittel beantworten lässt (GK-AsylG, a.a.O., § 78 AsylG Rn. 609 m.w.N; vgl. auch BVerwG, Beschlüsse vom 30.1.2014 - 5 B 44.13 -, juris Rn. 2, und vom 17.2.2015 - 1 B 3.15 -, juris Rn. 3, zu den Anforderungen an die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Erforderlich ist daher über den ergebnisbezogenen Hinweis, dass der Bewertung der Situation in dem betreffenden Land zu der als klärungsbedürftig bezeichneten Tatsachenfrage durch das Verwaltungsgericht im Ergebnis nicht gefolgt werde, hinaus, dass in Auseinandersetzung mit den Argumenten des Verwaltungsgerichts und den von ihm herangezogenen Erkenntnismitteln dargetan wird, aus welchen Gründen dieser Bewertung im Berufungsverfahren nicht zu folgen sein wird (GK-AsylG, a.a.O., § 78 AsylG Rn. 610 m.w.N). Dabei ist es Aufgabe des Zulassungsantragstellers, durch die Benennung von Anhaltspunkten für eine andere Tatsacheneinschätzung, also insbesondere durch das Anführen bestimmter (neuerer) Erkenntnisquellen, darzutun, dass hierfür zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht (GK-AsylG, a.a.O., § 78 AsylG Rn. 610 f. m.w.N). Es reicht deshalb nicht, wenn der Zulassungsantragsteller sich lediglich gegen die Würdigung seines Vorbringens durch das Verwaltungsgericht wendet und eine bloße Neubewertung der vom Verwaltungsgericht berücksichtigten Erkenntnismittel verlangt (GK-AsylG, a.a.O., § 78 AsylG Rn. 609 m.w.N, Hailbronner, a.a.O., § 78 AsylG Rn. 28).

Diesen Anforderungen genügt der Zulassungsantrag der Kläger nicht.

Sie halten die Frage für klärungsbedürftig,

"dass für einen einkommensschwachen Mann mittleren Alters keine spezifischen angemessenen traumatherapeutischen Angebote in Albanien zu Verfügung stehen"?

Zur Begründung dieses Zulassungsgrunds bringen sie vor, dass die Frage verallgemeinerungsfähig sei, weil sie den Kläger zu 1. und weitere vergleichbare Ausländer betreffe. Nach dem Bericht des Auswärtigen Amtes vom 24. Juni 2019 sei die Versorgungslage in den psychiatrischen Kliniken schlecht, die gut ausgestatteten Privatkliniken seien für einen großen Teil der Bevölkerung hingegen zu teuer. Aus dem vom Verwaltungsgericht herangezogenen Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 2. Oktober 2020 gehe lediglich hervor, dass die allgemeine Versorgung in staatlichen Krankenhäusern und Polikliniken und die damit einhergehende medikamentöse Versorgung gewährleistet sei. Dies indiziere, dass es einem Mann wie dem Kläger zu 1. nicht möglich sei, dort eine angemessene traumaspezifische Therapie zu erhalten.

Damit haben die Kläger die Klärungsbedürftigkeit der genannten Fragen nicht dargelegt. Zum einen haben sie mit ihrem Vorbringen die auf weitere gerichtliche Entscheidungen gestützte Annahme des Verwaltungsgerichts, der Lagebericht stelle die grundsätzliche Behandelbarkeit nicht in Frage, nicht in Zweifel gezogen, da sie keine Erkenntnisse vorgetragen, die eine andere Annahme begründen könnten. Auch sind sie auf die Feststellungen der verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen, die das Verwaltungsgericht in seiner angegriffenen Entscheidung für seine Annahme mit herangezogen hat, nicht eingegangen.

Zum anderen haben die Kläger auch bereits die Entscheidungserheblichkeit ihrer Frage nicht dargelegt, weil das Gericht - insofern mangels begründeter Verfahrensrügen für das Zulassungsverfahren bindend - nicht festgestellt hat, dass bei dem Kläger zu 1. die von den Klägern geltend gemachte posttraumatische Belastungsstörung tatsächlich vorliegt. Die Frage von entsprechenden Therapiemöglichkeiten stellt sich daher nicht. Dementsprechend konnte das Verwaltungsgericht auch die auf die Klärung dieser Fragen gerichteten Beweisanträge der Kläger mangels Entscheidungserheblichkeit verfahrensfehlerfrei ablehnen. Der von ihnen geltend gemachte Gehörsverstoß liegt damit insoweit ebenfalls nicht vor. Dies gilt gleichermaßen soweit sich die Beweisanträge auf die Frage bezogen haben, ob bei einer Rückkehr nach Albanien für den Kläger zu 1. mit einer suizidalen Dekompensation zu rechnen sei, wenn er nicht in dem selben Umfang wie bisher therapeutisch und medikamentös behandelt werde.

2. Die Kläger rügen zwar, dass das Verwaltungsgericht unter Verstoß gegen ihren Anspruch auf rechtliches Gehör und damit verfahrensfehlerhaft das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung beim Kläger zu 1. nicht festgestellt habe. Dieser Zulassungsgrund liegt nach der Begründung ihres Zulassungsantrags jedoch nicht vor.

Die Kläger bringen insoweit vor, das Verwaltungsgericht habe ihren in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag auf Vernehmung des behandelnden Arztes darüber, dass der Kläger zu 1. an einer posttraumatischen Belastungsstörung leide, abgelehnt und damit ihr Recht auf rechtliches Gehör verletzt. Dies ist jedoch nicht der Fall.

Das Recht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, wovon grundsätzlich auszugehen ist (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 14.12.2017 - 2 BvR 1872/17 -, juris Rn. 29; BVerwG, Beschluss vom 9.1.2020 - 5 B 25.19 D -, juris Rn. 17). Die Beteiligten müssen dementsprechend Gelegenheit erhalten, sich zu allen entscheidungserheblichen Tatsachen und Rechtsfragen erklären zu können (vgl. BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 1.8.2017 - 2 BvR 3068/14 -, juris Rn. 47; BVerwG, Beschluss vom 9.1.2020 - 5 B 25.19 D -, juris Rn. 17). Das Prozessgrundrecht soll sicherstellen, dass die gerichtliche Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, die ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und mangelnder Berücksichtigung des Sachvortrags eines Beteiligten haben (vgl. etwa BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 24.7.2019 - 2 BvR 686/19 -, juris Rn. 27 m.w.N.). In diesem Sinne gebietet Art. 103 Abs. 1 GG auch die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 25.3.2020 - 2 BvR 113/20 -, juris Rn. 45). Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebotes verstößt allerdings nur dann gegen den Anspruch auf rechtliches Gehörs, wenn die Ablehnung eines Beweisantrags im Prozessrecht objektiv keine Stütze mehr findet (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 25.3.2020 - 2 BvR 113/20 -, juris Rn. 45, und stattgebender Kammerbeschluss vom 19.12.2016 - 2 BvR 1997/15 -, juris Rn. 15 m.w.N.; BVerwG, Beschlüsse vom 16.9.2020 - 5 PB 22.19 -, juris Rn. 19, und vom 21.1.2020 - 1 B 65.19 -, juris Rn. 17 m.w.N.; Senatsbeschluss vom 20.9.2018 - 10 LA 284/18 -, juris Rn. 26). Wann ein Beweisantrag entscheidungserheblich ist, ist grundsätzlich von den Fachgerichten im Rahmen der konkreten Verfahrenssituation und auf der Grundlage des einfachen Rechts zu beurteilen. Die Grenze des verfassungsrechtlich Zulässigen wird erst dann überschritten, wenn ein Beweisantrag in willkürlicher Weise als unerheblich qualifiziert wird (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 8.11.2006 - 2 BvR 194/05 -, juris Rn. 22; Bayerischer VGH, Beschluss vom 17.11.2020 - 13a ZB 19.31718 -, juris Rn. 4; OVG Saarland, Beschluss vom 6.2.2020 - 2 A 145/19 -, juris Rn. 14). Willkürlich ist ein Richterspruch aber nur, wenn er unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht. Fehlerhafte Rechtsanwendung allein macht eine Gerichtsentscheidung nicht willkürlich. Von einer willkürlichen Missdeutung kann insbesondere nicht gesprochen werden, wenn das Gericht sich mit der Rechtslage eingehend auseinandersetzt und seine Auffassung nicht jeden sachlichen Grundes entbehrt (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 22.5.2015 - 1 BvR 2291/13 -, juris Rn. 5).

Art. 103 Abs. 1 GG bietet damit keinen Schutz dagegen, dass ein angebotener Beweis aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts nicht erhoben wird (BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 31.3.2006 - 1 BvR 2444/04 -, juris Rn. 19). So kann das Gericht auch in Verfahren, in denen der Amtsermittlungsgrundsatz gilt, Beweisanträge unberücksichtigt lassen, wenn es die angebotenen Beweise nach dem sonstigen Ermittlungsergebnis für nicht sachdienlich oder aus Rechtsgründen für unerheblich hält (BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 22.9.2009 - 1 BvR 3501/08 -, juris Rn. 13; Senatsbeschluss vom 20.9.2018 - 10 LA 284/18 -, juris Rn. 26). Auch kann ein auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens oder einer amtlichen Auskunft gerichteter Beweisantrag insbesondere in asylgerichtlichen Verfahren, in denen regelmäßig eine Vielzahl amtlicher Auskünfte und sachverständiger Stellungnahmen über die politischen Verhältnisse im Heimatstaat zum Gegenstand des Verfahrens gemacht werden, im Allgemeinen nach tatrichterlichem Ermessen mit dem Hinweis auf eigene Sachkunde verfahrensfehlerfrei ablehnen und die Gefährdungsprognose im Einzelfall auf der Grundlage einer tatrichterlichen Beweiswürdigung eigenständig vornehmen (BVerwG, Beschluss vom 23.9.2019 - 1 B 40.19 -, juris Rn. 45; vgl. hierzu auch OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10.12.2020 - 1 A 3911/18.A -, juris Rn. 32). Ein Beweisantrag ist auch dann unzulässig und kann abgelehnt werden, wenn es sich um einen Ausforschungs- oder Beweisermittlungsantrag handelt, wenn er also lediglich zum Ziel hat, Zugang zu einer bestimmten Informationsquelle zu erlangen, um auf diesem Wege Anhaltspunkte für neuen Sachvortrag zu gewinnen (BVerwG, Beschluss vom 21.1.2020 - 1 B 65.19 -, juris Rn. 18). Einem Beweisantrag ist dementsprechend nur dann nachzugehen, wenn er hinreichend substantiiert ist (BVerwG, Beschluss vom 16.9.2020 - 5 PB 22.19 -, juris Rn. 21 m.w.N.). Dies ist nicht der Fall, wenn er so unbestimmt ist, dass im Grunde erst die Beweiserhebung selbst die entscheidungserheblichen Tatsachen und Behauptungen aufdecken kann. Solche Beweisanträge müssen regelmäßig dem Gericht eine weitere Sachaufklärung nicht nahelegen (BVerwG, Beschluss vom 21.1.2020 - 1 B 65.19 -, juris Rn. 18). So liegt es etwa, wenn für den Wahrheitsgehalt der Beweistatsachen nicht wenigstens eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht, das heißt, wenn sie mit anderen Worten ohne greifbare Anhaltspunkte willkürlich "aus der Luft gegriffen", "ins Blaue hinein", also "erkennbar ohne jede tatsächliche Grundlage" behauptet worden sind (BVerwG, Beschluss vom 21.1.2020 - 1 B 65.19 -, juris Rn. 18). Die für einen Beweisantrag erforderliche Substantiierung erschöpft sich nicht in der Nennung eines bestimmten Beweismittels und der Behauptung einer bestimmten Tatsache, die das Beweisthema bezeichnet. Das Substantiierungsgebot verlangt vielmehr, dass die Tatsache vom Beteiligten mit einem gewissen Maß an Bestimmtheit als wahr und mit dem angegebenen Beweismittel beweisbar behauptet wird (BVerwG, Beschluss vom 14.9.2017 - 4 B 28.17 -, juris Rn. 19; Senatsbeschluss vom 20.9.2018 - 10 LA 284/18 -, juris Rn. 26 m.w.N). Bei einem Sachverständigenbeweisantrag, der das Vorliegen einer behandlungsbedürftigen posttraumatischen Belastungsstörung zum Gegenstand hat, erfordert dies regelmäßig die Vorlage eines gewissen Anforderungen genügenden fachärztlichen Attests, aus dem sich nachvollziehbar ergeben muss, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt (BVerwG, Beschluss vom 26.7.2012 - 10 B 21.12 -, juris Rn. 7, und Urteil vom 11.9.2007 - 10 C 8.07 -, juris Rn. 15; OVG Bremen, Beschluss vom 13.6.2018 - 2 LA 50/17 -, juris Rn. 5; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13.6.2018 - 13 A 1080/18.A -, juris Rn. 13; vgl. auch Senatsbeschluss vom 20.9.2018 - 10 LA 284/18 -, juris Rn. 26). Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat, welche Art der Befunderhebung stattgefunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10.12.2020 - 19 A 2379/18 -, juris Rn. 87 m.w.N.; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 26.7.2012 - 10 B 21.12 -, juris Rn. 7; Bayerischer VGH, Beschluss vom 14.12.2018 - 1 ZB 18.33263 -, juris Rn. 3; OVG Bremen, Beschluss vom 12.11.2018 - 2 LA 60/18 -, juris Rn. 7). Wird das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung auf traumatisierende Erlebnisse im Heimatland gestützt und werden die Symptome erst längere Zeit nach der Ausreise aus dem Heimatland vorgetragen, so ist in der Regel auch eine Begründung dafür erforderlich, warum die Erkrankung nicht früher geltend gemacht worden ist (BVerwG, Beschluss vom 26.7.2012 - 10 B 21.12 -, juris Rn. 7 m.w.N.; Bayerischer VGH, Beschluss vom 5.4.2019 - 8 ZB 18.33333 -, juris Rn. 7). Diese Anforderungen an die Substantiierung ergeben sich aus der Pflicht des Beteiligten, an der Erforschung des Sachverhalts mitzuwirken (§ 86 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO), die in besonderem Maße für Umstände gilt, die in die eigene Sphäre des Beteiligten fallen (BVerwG, Urteil vom 11.9.2007 - 10 C 8.07 -, juris Rn. 15). Eine darüberhinausgehende Beibringung einer detaillierten, an den Forschungskriterien der ICD-10 (Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme) orientierten gutachtlichen fachärztlichen Stellungnahme ist demgegenüber nicht erforderlich, weil dies auf eine Art Beweisführungspflicht hinauslaufen würde, die in der Regel mit den verwaltungsprozessualen Grundsätzen nicht vereinbar ist (BVerwG, Urteil vom 11.9.2007 - 10 C 8.07 -, juris Rn. 16). Gleichermaßen kann von dem Betroffenen keine Glaubhaftmachung etwa im Sinne des § 294 ZPO verlangt werden (BVerwG, Urteil vom 11.9.2007 - 10 C 17.07 -, juris Rn. 13).

In verfahrensrechtlicher Hinsicht erfordert eine Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör den substantiierten Vortrag, dass die Ablehnung des Beweisantrags fehlerhaft erfolgt ist, die Begründung der Ablehnungsentscheidung im Gesetz keine Stütze findet und deshalb das rechtliche Gehör verletzt worden ist (BVerwG, Beschluss vom 28.3.2013 - 4 B 15.12 -, juris Rn. 16; Bayerischer VGH, Beschluss vom 17.11.2020 - 13a ZB 19.31718 -, juris Rn. 4)

Die Kläger machen mit ihrer Berufungszulassungsbegründung insoweit geltend, dass der Kläger zu 1. an einer posttraumatischen Belastungsstörung leide, was der behandelnde Facharzt in seinen Attesten mehrfach ausgeführt habe. Die umfangreichen eingereichten medizinischen Stellungnahmen des behandelnden Facharztes für Psychiatrie hätten dem Gericht Anlass genug zu weiterer Beweiserhebung sein müssen. Entgegen den Ausführungen des Gerichts habe der als Zeuge zu vernehmende Facharzt in seinem Gutachten vom 27. Mai 2020 mitgeteilt, dass er bei den Gesprächen mit dem Kläger zu 1. regelmäßig im Rahmen der Erhebung der Tatsachengrundlage eine Konstanzanalyse durchgeführt habe und seine Angaben konstant gewesen seien. Zugleich habe er ausgeführt, die im Rahmen der Anhörung der Beklagten gemachte Angabe des Klägers zu 1., gesund zu sein, sei Teil seines Krankheitsbildes. Ihm fehle die Fähigkeit, vor Fremden, insbesondere vor Behörden und Gerichten, über seine Erkrankung zu sprechen. Der Arzt habe ebenfalls eine Kompetenzanalyse durchgeführt. Bereits in dem Attest vom 9. März 2020 sei zu erkennen, dass fortlaufende Termine des Klägers zu 1. bei dem Arzt stattgefunden hätten. Aus dem Attest vom 30. September 2020 ergäben sich die einzelnen Behandlungstermine. Es sei offensichtlich, dass der Arzt von einer schwerwiegenden Erkrankung des Klägers zu 1. ausgehe.

Das Verwaltungsgericht hat den Beweisantrag der Kläger, dass bei dem Kläger zu 1. eine posttraumatische Belastungsstörung vorliege, mit der Begründung abgelehnt, dieser habe gegenüber dem Gericht ein traumatisches Lebensereignis als Auslöser für die Symptomatik nicht nachvollziehbar dargelegt, sein Vorbringen sei insoweit unglaubhaft. Der Nachweis, dass ein traumatisches Lebensereignis stattgefunden habe, sei nicht Gegenstand der gutachterlichen (fachärztlichen) Untersuchung einer posttraumatischen Belastungsstörung. Vielmehr sei es ausschließlich Sache des Tatrichters, sich selbst die nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO notwendige Überzeugungsgewissheit von der Wahrheit des Parteivortrags zu verschaffen. Sämtliche Atteste des Facharztes seien hinsichtlich eines traumatisierenden Ereignisses nicht nachvollziehbar, weil sie sich nicht mit den übereinstimmenden Angaben der Kläger 1. und 2. im Asylverfahren, wonach sie beide gesund seien, auseinandersetzen. Sie setzten sich auch nicht damit auseinander, dass der Kläger zu 1. erst kurz vor der zunächst für den 21. Oktober 2019 anberaumten mündlichen Verhandlung, die dann nicht durchgeführt werden konnte, aufgrund der Erkrankung des Klägers zu 3., die zudem auch bereits in Albanien bestanden habe, psychisch erkrankt sei. Es fehle völlig an einer Konstanz- und Kompetenzanalyse des Facharztes. Da ein betroffener Ausländer ein Interesse an der Feststellung einer psychischen Erkrankung habe, um die Abschiebung zu verhindern, reiche es nicht aus, dass der Facharzt ausschließlich dessen Äußerungen - hier des Klägers zu 1. - wiedergebe, ohne sich mit dem Wahrheitsgehalt der Aussage zu befassen. Darüber hinaus setzten sich die Atteste auch mit den Angaben des Briefes des AWO Psychiatriezentrums nicht auseinander, wonach der Kläger zu 1. auf eigenen Wunsch ohne erkennbare und akute Eigen- und Fremdgefährdung entlassen worden sei. Die Diagnose des Facharztes, der Kläger sei sozial isoliert, sei nach dem persönlichen Eindruck in der mündlichen Verhandlung unzutreffend. Danach erfüllten die fachärztlichen Atteste nicht die Mindestanforderungen, die an fachärztliche Atteste, die eine posttraumatische Belastungsstörung belegen sollen.

Aus dem Vorbringen der Kläger zum Vorliegen des von ihnen geltend gemachten Zulassungsgrunds eines Verfahrensfehlers in Form der Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör, geht nicht hervor, dass das Verwaltungsgericht zu Unrecht ihren Beweisantrag auf Vernehmung des Facharztes abgelehnt hat.

Auf die die Ablehnung des Beweisantrags nach dessen Ausführungen - unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa Beschluss vom 17.11.2020 - 13a ZB 19.31718 -, juris Rn. 6) - maßgeblich tragende Annahme des Verwaltungsgerichts, ein traumaauslösendes Ereignis sei nicht nachvollziehbar dargelegt worden, gehen sie bereits nicht ein und legen damit auch nicht hinreichend dar, dass die Ablehnung ihres Beweisantrags im Prozessrecht entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts keine Stütze findet und weshalb die Ablehnung des Beweisantrags fehlerhaft gewesen sein sollte (vgl. auch Bayerischer VGH, Beschluss vom 17.11.2020 - 13a ZB 19.31718 -, juris Rn. 8). Die Ausführungen der Kläger zeigen auch keine fehlerhafte Beweis- oder Sachverhaltswürdigung des Verwaltungsgerichts hinsichtlich des von diesem nicht festgestellten traumaauslösenden Ereignisses auf, soweit der Fehler im Rahmen des Zulassungsgrunds eines Verfahrensfehlers berücksichtigt werden könnte.

Unabhängig davon haben die Kläger mit ihrer Begründung des Zulassungsgrunds auch nicht dargelegt, dass entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts die ärztlichen Atteste des Facharztes die an sie zu stellenden Anforderungen erfüllten und ihr Beweisantrag nicht als unsubstantiiert abgelehnt werden konnte.

Auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu den Angaben im Brief des AWO Psychiatriezentrums und zur nicht feststellbaren sozialen Isolation des Klägers zu 1. gehen die Kläger bereits nicht ein. Demgegenüber machen sie zwar Ausführungen zu der vom Verwaltungsgericht als fehlend bemängelten Konstanz- und Kompetenzanalyse sowie zu der Auseinandersetzung mit ihren Angaben im Asylverfahren, zu denen sich in dem aktualisierten Attest vom 27. Mai 2020 nach dem Hinweis des Verwaltungsgerichts ergänzende Ausführungen befinden. Aber auch unter Berücksichtigung der Ausführungen der Kläger erfüllen die von ihnen angeführten Atteste vom 9. März 2020, 27. Mai 2020 und 30. September 2020 nicht die Anforderungen, die an die Substantiierung zur Beweiserhebung hinsichtlich des Vorliegens einer posttraumatischen Belastungsstörung zu stellen sind. Denn aus den Attesten geht nicht nachvollziehbar hervor, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat, insbesondere ob die von dem Kläger zu 1. geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Die Atteste geben auch nicht ausreichend Aufschluss über die Schwere der konkreten Erkrankung des Klägers und deren Behandlungsbedürftigkeit. Auch ein traumaauslösendes Ereignis ist ihnen letztlich nicht zu entnehmen.

Unter dem psychischen Befund werden lediglich einzelne Symptome pauschal aufgelistet, ohne darauf einzugehen, wie diese beim Kläger zu 1. festgestellt worden sind und in welcher konkreten Ausprägung sie bei ihm vorliegen. Ob die vom Kläger zu 1. auf Nachfrage angegebene Suizidalität auch aus fachpsychiatrischer Sicht befundet werden kann, wird hier nicht deutlich. Die nicht näher ausgeführte pauschale Behauptung, die Angaben des Patienten sein detailliert, ausführlich, nachvollziehbar, in sich schlüssig, glaubhaft und stimmten mit den erhobenen Befunden sowie dem klinischen Bild überein, führt nicht zu einer Nachvollziehbarkeit der Atteste. Ein konkreter Bezug zum Kläger zu 1. wird nicht hergestellt. Wie im Rahmen der psychiatrischen Beurteilung konkret zu den Diagnosen der vielfachen schwerwiegenden psychischen Erkrankungen (von einer schwergradigen Episode einer depressiven Störung über eine posttraumatische Belastungsstörung bis hin zu einem Entwurzelungssyndrom) gelangt wird, wird nicht nachvollziehbar dargestellt. Allein die Aufzählung von pauschalen Symptomen und auch ohne Zuordnung zu den verschiedenen Erkrankungen genügt hierfür nicht. Zu der hier maßgeblichen poststraumatischen Belastungsstörung wird lediglich ausgeführt, dass diese durch eine lang anhaltende familiäre Überforderung bedingt und durch eine Retraumatisierung im Rahmen eines unangekündigten Abschiebevorgangs aktualisiert sei. Weshalb sich aus einer lang anhaltenden familiären Überforderung eine posttraumatische Belastungsstörung ergeben könnte, wird nicht erläutert und auch nicht, wie es durch einen Abschiebevorgang insoweit zu einer Retraumatisierung kommen sollte. Unter dem Begriff der "Retraumatisierung" wird dabei die durch äußere Ursachen oder Bedingungen (Trigger), die dem zu Grunde liegenden traumatischen Erlebnis gleichen, ähneln oder Anklänge daran haben, ausgelöste Reaktualisierung der inneren Bilder des traumatischen Erlebens in der Vorstellung und den körperlichen Reaktionen des Betroffenen verstanden, die mit der vollen oder gesteigerten Entfaltung des Symptombildes der ursprünglichen traumatischen Reaktion auf der körperlichen, psychischen und sozialen Ebene einhergeht (OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 27.2.2020 - 2 L 16/18 -, juris Rn. 19; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 27.4.2016 - A 6 S 916/15 -, juris Rn. 42 m.w.N.). Letztlich wird eine posttraumatische Belastungsstörung als solche nicht konkret nachvollziehbar diagnostiziert. Vielmehr verbleibt es auf der einen Seite bei einer Aufzählung von allgemeinen Symptomen, die beim Kläger zu 1. vorliegen sollen und auf der anderen Seite bei einer Aufzählung von Diagnosen, ohne zwischen beiden einen konkreten Bezug herzustellen. Weshalb sich aus verstärkten Sorgen und Ängsten um die erkrankte Frau und das behinderte Kind die Gefahr eines Suizids ergeben sollte, wird ebenfalls nicht ausgeführt. Konkrete nachvollziehbare Ausführungen zu einer Traumatisierung des Klägers, seiner sozialen Isolation und Entwurzelung enthalten die Atteste nicht. Soweit der Facharzt in dem Attest vom 27. Mai 2020 ergänzt, das Benennen eines traumatisierenden Ereignisses sei ein Ziel der Traumatherapie und nicht deren Voraussetzung, hätte es umso mehr nachvollziehbarer Ausführungen zu der Diagnosestellung einer posttraumatischen Belastungsstörung bedurft.

Eine Verletzung des Anspruchs der Kläger auf rechtliches Gehör durch die Nichterhebung des von ihnen beantragten Beweises liegt danach nicht vor.