Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 26.01.2021, Az.: 1 OA 96/20
Nachbarklage; Streitgegenstand; Streitgegenstand, unteilbarer; Streitwertfestsetzung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 26.01.2021
- Aktenzeichen
- 1 OA 96/20
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2021, 71218
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 11.07.2020 - AZ: 2 B 51/20
Rechtsgrundlagen
- § 52 Abs 1 GKG
- § 53 Abs 2 Nr 2 GKG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Wird mit einer Nachbarklage eine von dem genehmigten Bauvorhaben ausgehende Beeinträchtigung nicht nur eines, sondern gleich mehrerer Eigentumsobjekte geltend gemacht, sind, um das Interesse des betreffenden Rechtsschutzsuchenden am Wegfall der angegriffenen Baugenehmigung für die Streitwertfestsetzung nach § 52 Abs. 1 GKG zutreffend abzubilden, die zunächst zu bestimmenden Einzelstreitwerte zu addieren. Ob sich die Eigentumsobjekte dabei auf einem Grundstück oder auf mehreren im Eigentum des betreffenden Klägers stehenden Grundstücken befinden, ist nicht erheblich. Mangels Trennbarkeit des Streitgegenstands ist auch nicht relevant, ob sich die tatsächliche Betroffenheit der Eigentumsobjekte unterschiedlich darstellt.
Tenor:
Auf die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin wird der Streitwertbeschluss des Verwaltungsgerichts Göttingen vom 11. Juli 2020 geändert.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 17.000,00 EUR festgesetzt.
Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Die Beschwerde betrifft die Streitwertfestsetzung in einem Baunachbarstreit.
Im Frühjahr 2018 erwarben die Beigeladenen ein in einem eingemeindeten Ortsteil der Antragsgegnerin gelegenes etwa 4.350 m² großes Grundstück, das bereits seit Mitte des 19. Jahrhunderts gastronomisch genutzt wird, wobei bauplanerische Festsetzungen - auch für die angrenzenden Grundstücke - nicht bestehen. Zum Zeitpunkt des Eigentumserwerbs war das Grundstück mit einem in den 1970er Jahre errichteten Gasthaus mit Hotelbetrieb bestanden. Nach Sanierung und Renovierung der Gebäude führten die Beigeladenen sowohl den Pensionsbetrieb als auch die Gastronomie weiter, zu der u.a. ein ca. 240 m² großer Saal mit einer über 70 m² großen Bühne gehört.
Die Beigeladenen beantragten zunächst die Erlaubnis, die gartenseitig an den Saal angrenzende Terrasse überdachen zu dürfen, um dort einen Raucherbereich - ausschließlich für die Gäste des Saales - einzurichten. Sie gaben an, dass der Saal durchschnittlich etwa ein- bis zweimal im Monat für ein bis zwei Tage angemietet werde, wobei die Betriebszeit zwischen 11 Uhr vormittags und 5 Uhr morgens liegen könne. Die Zahl der Gäste betrage zwischen 60 und 150, davon sei ungefähr ein Viertel Raucher.
In der Folgezeit machte die Antragstellerin von der Saalvermietung ausgehende Ruhestörungen geltend. Sie ist Eigentümerin zweier unmittelbar westlich an das Grundstück der Beigeladenen angrenzender Grundstücke. Das kleinere der beiden Grundstücke mit einer Größe von etwa 200 m² ist zur Straße hin mit einem von der Antragstellerin vermieteten Wohnhaus bebaut, das Wand an Wand an die Bühne des Saales im Gasthaus der Beigeladenen angrenzt. Das größere Grundstück mit ungefähr 1.200 m² umschließt das kleinere L-förmig, erstreckt sich also rückwärtig hinter es. Dort ist es, im seitlichen Abstand von höchstens 4 m zum Gartenbereich des Grundstücks der Beigeladenen, ebenfalls mit einem Wohnhaus bestanden, das die Antragstellerin selbst bewohnt.
Auf Veranlassung der Immissionsschutzbehörde forderte die Antragsgegnerin im Baugenehmigungsverfahren ein schalltechnisches Gutachten an. Daraufhin änderten die Beigeladenen ihr Vorhaben auf „Anbau eines Wintergartens“ ab. Nach einer mit dem Änderungsantrag vorgelegten Bauvorlage ist der geplante Wintergarten mit einer Tiefe von etwas mehr als 5 m an seiner zum Garten gerichteten 11,40 m aufweisenden Längsseite fast vollständig verglast und verfügt über zwei große Fenster sowie eine Tür.
Im Oktober 2019 erteilte die Antragsgegnerin die beantragte Baugenehmigung, wobei sie die Einhaltung der nach Ziff. 6.1 TA Lärm u.a. für Dorfgebiete geltenden Immissionsrichtwerte aufgab. Ergänzend heißt es in den zur Genehmigung erlassenen Auflagen, dass die Einhaltung der Richtwerte auf Verlangen durch Vorlage eines schalltechnischen Gutachtens nachzuweisen sei, wenn bei der Vorhabennutzung berechtigte Nachbarbeschwerden aufträten, die nachgewiesen auf die Nichteinhaltung schließen ließen. Außerdem bleibe vorbehalten, die insoweit getroffenen Nebenbestimmungen zu ergänzen oder abzuändern, wenn sich herausstellen sollte, dass diese nicht ausreichten, Nachteile oder Belästigungen von den Nachbarn und der Allgemeinheit fernzuhalten.
Nach erfolgloser Durchführung des Vorverfahrens erhob die Antragstellerin gegen die Baugenehmigung Anfechtungsklage und beantragte zugleich die Anordnung deren aufschiebender Wirkung. In der Klage- und Antragsschrift heißt es, dass sie nachbarliche Abwehrrechte zum Schutze der Wohnqualität der beiden in ihrem Eigentum stehenden Grundstücke geltend mache. Dabei sei das Mietwohngrundstück besonders stark betroffen, weil das Gebäude Wand an Wand mit der Bebauung auf dem Grundstück der Beigeladenen errichtet sei, so dass es hier besonders stark zu einer Geräuschübertragung komme. Die Antragstellerin erhob gegen die Antragsgegnerin zusätzlich Klage auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen eine gewerbliche Vermietung von Räumlichkeiten auf dem Grundstück der Beigeladenen. Sie vertrat die Ansicht, dass die Beigeladenen das vor dem Eigentumserwerb bestehende Betriebskonzept derart verändert hätten, dass sie hierfür einer Nutzungsänderungsgenehmigung bedürften.
Das Verwaltungsgericht gab dem Eilantrag der Antragstellerin wegen eines von ihm als hinreichend wahrscheinlich angesehenen Verstoßes gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme statt und legte der Antragsgegnerin demgemäß (mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen) die Kosten des Verfahrens auf. Den Wert des Streitgegenstandes setzte es auf 8.500,00 EUR fest. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass sich die Kammer an den Streitwertannahmen des Senats orientiere, die bei Nachbarklagen gegen eine Baugenehmigung bei geltend gemachter Beeinträchtigung eines Einfamilienhauses einen Rahmen von 4.000,00 EUR bis 30.000,00 EUR vorsähen. Dies ergebe einen Mittelwert von 17.000,00 EUR, der im Hinblick auf die Vorläufigkeit der begehrten gerichtlichen Regelung halbiert werde.
Wenige Tage nach Zustellung des Eilbeschlusses hat der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin in eigenem Namen Streitwertbeschwerde erhoben. Das Verwaltungsgericht lege offenbar nur die nachbarliche Beeinträchtigung eines einzelnen Einfamilienhauses zugrunde. In der Klage- und Antragsschrift sei jedoch dargelegt, dass die Antragstellerin Rechtsschutz hinsichtlich beider in ihrem Eigentum stehenden Immobilien begehre. Dies rechtfertige eine Verdoppelung des festgesetzten Streitwerts.
Das Verwaltungsgericht hat der Streitwertbeschwerde mit ausführlicher Begründung nicht abgeholfen. Auch nach Auffassung der Antragsgegnerin, die die Antragstellerin im Hinblick auf den Eilbeschluss in deren auf Aufhebung der den Beigeladenen erteilten Baugenehmigung gerichteten Hauptsacheverfahren klaglos gestellt hat, ist die Streitwertfestsetzung nicht zu beanstanden. Das Interesse der Antragstellerin beziehe sich (nur) auf das von ihr selbst bewohnte Haus.
II.
Die auf der Grundlage von § 32 Abs. 2 Satz 1 RVG von dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin aus eigenem Recht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat den Wert des Streitgegenstandes für das erstinstanzliche Eilverfahren zu gering bewertet. Nach der sich aus ihrem Antrag für die Antragstellerin ergebenden Bedeutung der Sache ist der Streitwert mit 17.000,00 EUR festzusetzen. Dies ergibt sich im Einzelnen wie folgt:
Maßgebend für die Streitwertfestsetzung sind, davon ist das Verwaltungsgericht auch zutreffend ausgegangen, die gesetzlichen Regelungen der §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Nach § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG bestimmt sich u.a. in einem Eilverfahren nach § 80a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO der Wert nach § 52 Abs. 1 und 2 GKG. Vorrangig ist dabei § 52 Abs. 1 GKG, nach dem, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen ist. Auf den Auffangwert des § 52 Abs. 2 GKG darf erst abgestellt werden, wenn der Sach- und Streitstand keine genügenden Anhaltspunkte für eine Streitwertfestsetzung nach Ermessen bietet (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.7.1989 - 7 C 39.87 -, BVerwGE 82, 260 = juris Rn. 18 zu § 13 Abs. 1 GKG a.F.).
Aus dem Verweis von § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG auf § 52 Abs. 1 und 2 GKG folgt allerdings keine Gleichsetzung der Streitwerte in Hauptsache- und Eilverfahren. Es liegt auf der Hand, dass die Bedeutung der Sache für den Rechtsschutzsuchenden in der Regel unterschiedlich ist. Dies gilt insbesondere auch für die vorliegende Konstellation. Mit der Drittanfechtungsklage lässt sich die Aufhebung des einen Anderen begünstigenden Verwaltungsakt, mit dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung dieser Klage - oder eines ihr vorhergehenden Widerspruchs - dagegen nur die vorläufige Aussetzung seiner für den Dritten positiven Wirkung erreichen. Demgemäß ist in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes regelmäßig die Hälfte des Streitwertes im Verfahren zur Hauptsache anzusetzen (vgl. Elzer, in: Hartmann/Toussaint, Kostenrecht, 50. Aufl. 2020, § 53 GKG Rn. 6, u.a. mit Verweis auf Nr. 1.5 Satz 1 Halbs. 1 Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013).
Eine entsprechende Empfehlung enthält Nr. 18 b) der - im Internetauftritt des Gerichts veröffentlichten - Streitwertannahmen der Bausenate des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts für Verfahren ab dem 1. Januar 2002 (im Folgenden kurz: Streitwertannahmen), die bis zur Bekanntgabe einer vom Senat vorgenommenen Aktualisierung sowie für die zu diesem Zeitpunkt bereits anhängig gewordenen Verfahren noch angewendet werden. Auch das Verwaltungsgericht hat bei seiner Streitwertfestsetzung einen mit der Vorläufigkeit der begehrten gerichtlichen Regelung begründeten Abschlag von ein Halb vorgenommen und der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin hat dagegen keine Einwände erhoben. Seine Beschwerde zielt vielmehr auf eine schon zu niedrige Bestimmung des Wertes des Streitgegenstandes des von der Antragstellerin gleichzeitig mit dem Eilverfahren eingeleiteten - inzwischen durch Klaglosstellung erledigten - Hauptsacheverfahrens auf Aufhebung der den Beigeladenen erteilten Baugenehmigung.
Als die sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebende Bedeutung der Sache im Sinne von § 52 Abs. 1 GKG ist bei einer Anfechtungsklage das Interesse des Rechtsschutzsuchenden am Wegfall des angegriffenen Verwaltungsakts anzusehen (vgl. Elzer, in: Hartmann/Toussaint, Kostenrecht, 50. Aufl. 2020, § 52 GKG Rn. 7). Die vom Senat angewendeten Streitwertannahmen differenzieren daher für die Streitwertfestsetzung bei Nachbarklagen gegen Baugenehmigungen unter Vorgabe eines Streitwertrahmens nach dem als beeinträchtigt angesehenen Objekt (z.B. Einfamilienhaus, gewerblicher Betrieb, Gartenteil). In Ergänzung dazu hat der Senat im letzten Jahr entschieden, wie der Streitwert in dem Fall, dass eine gravierende Wohnqualitätsverschlechterung mehrerer in einem Mehrfamilienhaus befindlicher Wohnungen geltend gemacht wird, zu bestimmen ist; maßgebend ist hiernach ein bestimmter Betrag pro betroffener Wohnung (vgl. Senatsbeschl. v. 21.7.2020 - 1 OA 52/20 -, NVwZ-RR 2020, 1047 = juris Leitsatz und Rn. 10 m.w.N.).
Von den Empfehlungen des Senats grundsätzlich einschlägig ist im Falle der Antragstellerin Nr. 8 a) der Streitwertannahmen, nach der bei einer auf die Beeinträchtigung eines Einfamilienhauses gestützten Nachbarklage ein Streitwert zwischen 4.000,00 EUR und 30.000,00 EUR vorgeschlagen wird. An Nr. 8 a) der Streitwertannahmen hat sich das Verwaltungsgericht auch ausdrücklich orientiert und dabei die Festsetzung des Mittelwertes für ermessensgerecht befunden, den es sodann als arithmetisches Mittel mit 17.000,00 EUR bestimmt hat. Auch diesen Ansatz hat der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin nicht in Frage gestellt, insbesondere nicht die aus der Heranziehung des Mittelwertes zu erkennende Bewertung des Verwaltungsgerichts der geltend gemachten Beeinträchtigung als eine durchschnittliche beanstandet. Anhaltspunkte, die insoweit eine abweichende Beurteilung geboten erscheinen ließen, sind auch sonst nicht ersichtlich.
Streitgegenständlich im vorliegenden Beschwerdeverfahren ist hiernach allein, ob, wie der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin geltend macht, das Verwaltungsgericht bei der Bestimmung der sich aus dem Anfechtungsklageantrag der Antragstellerin für sie ergebenden Bedeutung der Sache nicht nur eines, sondern beide in ihrem Eigentum stehenden Wohnhäuser hätte berücksichtigen müssen. Diese Frage ist entgegen der von dem Verwaltungsgericht in seinem Nichtabhilfebeschluss vertretenen Auffassung, die von der Antragsgegnerin im Ergebnis geteilt wird, zu bejahen. In der Folge wäre der von der Kammer als sachangemessen angesehene Hauptsachestreitwert zu verdoppeln und damit auf 34.000,00 EUR anzusetzen gewesen, so dass sich der Wert des Streitgegenstands für das erstinstanzliche Eilverfahren mit 17.000,00 EUR ergibt.
Wird mit einer Nachbarklage eine von dem genehmigten Bauvorhaben ausgehende Beeinträchtigung nicht nur eines, sondern gleich mehrerer Eigentumsobjekte geltend gemacht, sind, um das Interesse des betreffenden Rechtsschutzsuchenden am Wegfall der angegriffenen Baugenehmigung für die Streitwertfestsetzung zutreffend abzubilden, die zunächst zu bestimmenden Einzelstreitwerte zu addieren. Davon ist der Senat auch bereits in seinem oben angeführten Beschluss vom 21. Juli 2020 ausgegangen, in dem bei einem als beeinträchtigt angesehenen Mehrfamilienhaus zur Streitwertbemessung auf die Zahl der Wohnungen abgestellt wird, für die eine Betroffenheit geltend gemacht worden ist (Senatsbeschl. v. 21.7.2020 - 1 OA 52/20 -, NVwZ-RR 2020, 1047 = juris Leitsatz und Rn. 10). Ob sich die Eigentumsobjekte dabei, wie in dem mit Beschluss vom 21. Juli 2020 entschiedenen Fall, auf einem Grundstück oder auf mehreren im Eigentum des betreffenden Klägers stehenden Grundstücken befinden, ist nicht erheblich.
Dass das Verwaltungsgericht grundsätzlich eine abweichende Rechtsposition einnimmt, ist seinem Beschluss über die Nichtabhilfe der Beschwerde allerdings auch nicht zu entnehmen. Nach seiner Auffassung bestehen im Fall der Antragstellerin Besonderheiten, wegen derer zur Bestimmung des Streitwertes nur auf eines der beiden in ihrem Eigentum stehenden Wohnhäuser abzustellen ist. Dies überzeugt indes nicht.
In dem Nichtabhilfebeschluss wird zunächst ausgeführt, die Kammer sei bei ihrer Entscheidung davon ausgegangen, dass die Antragstellerin sich im Verfahren gegen die Baugenehmigung nur gegen die Beeinträchtigung des von ihr selbst bewohnten Einfamilienhauses habe wenden wollen. Der Prozessbevollmächtigte habe zwar auch das von der Antragstellerin vermietete weitere Wohnhaus zum Gegenstand seines Vortrags gemacht, sehe die Beeinträchtigungen insoweit allerdings infolge der Nutzung des Gas-tronomiebetriebs, des Veranstaltungssaals und dessen Bühne gegeben, an die das vermietete Haus unmittelbar angebaut sei. Diese Beeinträchtigung sei Gegenstand des Parallelverfahrens auf bauaufsichtliches Einschreiten, nicht jedoch des die Baugenehmigung für den Wintergarten betreffenden Verfahrens. Eine ähnliche Bewertung hat offenbar die Antragsgegnerin vorgenommen, die die erstinstanzliche Streitwertfestsetzung mit dem Argument rechtfertigt, das Interesse der Antragstellerin beziehe sich (nur) auf das von ihr selbst bewohnte Haus.
Diese das Begehren der Antragstellerin begrenzende Interpretation seiner Klage- und Antragsschrift rügt der Prozessbevollmächtigte mit seiner Beschwerde zu Recht. Unter dem Streitgegenstand eines gerichtlichen Verfahrens ist der prozessuale Anspruch zu verstehen, der seinerseits durch die erstrebte, im Klageantrag zum Ausdruck zu bringende Rechtsfolge sowie den Klagegrund, nämlich den Sachverhalt, aus dem sich die Rechtsfolge ergeben soll, gekennzeichnet ist (std Rspr; vgl. z.B. BVerwG, Urt. v. 10.5.1994 - 9 C 501.93 -, juris Rn. 9 m.w.N.). Ihn bestimmt zuvörderst der Rechtsschutzsuchende. Eine Auslegung ist dem Gericht nur im Rahmen von § 88 VwGO möglich, der allerdings nicht erlaubt, an die Stelle dessen, was ein Beteiligter erklärtermaßen will, das zu setzen, was er - nach Meinung des Gerichts - zur Verwirklichung seines Bestrebens wollen sollte. Die in § 86 Abs. 3 VwGO geregelte Hinwirkungspflicht des Vorsitzenden bezieht, soweit sie den Inhalt von Anträgen betrifft, ihren Sinn wesentlich gerade daraus, dass die in § 88 VwGO vorgesehene Freistellung der Auslegung so weit nicht geht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 29.8.1989 - 8 B 9.89 -, Buchholz 310 § 88 VwGO Nr. 17 = juris Rn. 2 - Hervorhebungen im Original).
Nach diesen Maßgaben lässt sich die explizit in der Klage- und Antragsschrift abgegebene Erklärung, die Antragstellerin mache nachbarliche Abwehrrechte zum Schutze der Wohnqualität der beiden in ihrem Eigentum stehenden Grundstücke geltend, jedenfalls ohne entsprechende vorherige Rückversicherung bei ihrem Prozessbevollmächtigten nicht einschränkend auslegen. Von einem offensichtlichen Versehen lässt sich schon angesichts der anwaltlichen Vertretung nicht ausgehen. Auch hat die Antragstellerin im Widerspruchsverfahren zwar nur hinsichtlich des von ihr selbst bewohnten Hauses eine bei einer nächtlichen Saalveranstaltung durchgeführte Schallpegelmessung vorgelegt. Die Erhebung des Widerspruchs selbst erfolgte aber ebenfalls ausdrücklich im Namen der Antragstellerin als Eigentümerin beider benachbarten Grundstücke. Schließlich mag die Einschätzung aus der Klage- und Antragsschrift, besonders stark sei das Mietwohngrundstück betroffen, weil das Gebäude Wand an Wand mit der Bebauung auf dem Grundstück der Beigeladenen errichtet sei, so dass es hier besonders stark zu einer Geräuschübertragung komme, nicht durchgreifen. Dass eine Beeinträchtigung des kleineren Grundstücks der Antragstellerin durch das Bauvorhaben der Beigeladenen von vornherein ausgeschlossen wäre, lässt sich angesichts des geringen Abstands des Wintergartens zur gemeinsamen Grundstücksgrenze, der sich aus den Bauvorlagen mit 4,85 m ergibt, aber auch nicht annehmen. Eine nähere Prüfung hätte bei der Frage der Begründetheit des Rechtsschutzbegehrens zu erfolgen. Auf die im Beschwerdeverfahren streitige Frage, inwieweit das vermietete Wohnhaus durch nicht zu Wohnzwecken genutzte Nebengebäude von dem geplanten Wintergarten abgeschirmt wird, kommt es daher für das Verständnis des Rechtsschutzbegehrens der Antragstellerin nicht an.
Das Verwaltungsgericht legt in seinem Nichtabhilfebeschluss weiter dar, dass es mit der Stattgabe des Eilantrags auch dann über den gesamten Streitgegenstand entschieden habe, wenn es davon ausgegangen wäre, dass die Antragstellerin von Anfang an die Beeinträchtigung beider Häuser hätte rügen wollen. Dabei stellt es zutreffend fest, dass der Eilbeschluss im Hinblick auf die zu besorgende Beeinträchtigung des von der Antragstellerin selbst bewohnten Hauses wiederum nur die Anordnung der aufschiebenden Wirkung zum Ergebnis haben könnte, auch wenn man hinsichtlich des vermieteten Hauses keine drohende Beeinträchtigung sehen würde. Denn mit der Berufung auf eine Beeinträchtigung der Wohnqualität beider in ihrem Eigentum stehenden Grundstücke macht die Antragstellerin für das von ihr mit dem Antrag verfolgte Ziel - bei einheitlichem Streitgegenstand, der hier darin besteht, dass die Antragstellerin auf der Grundlage der ihr zu Verfügung stehenden Rechtspositionen die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zu Fall bringen will - zwei verschiedene tatsächliche Belastungen geltend. Hat sie schon mit der ersten Erfolg, kommt es für das Entscheidungsergebnis nicht mehr darauf an, ob dies auch für die zweite der Fall ist. Unvollständig ist der Beschluss des Verwaltungsgerichts daher jedenfalls nicht. Aus ihm ergibt sich im Übrigen auch nicht, dass der angenommene Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme allein im Hinblick auf das von der Antragstellerin selbst bewohnte Haus festgestellt wird. Denn zur Begründung stellt das Verwaltungsgericht ganz allgemein darauf ab, dass die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung die durch sie für die Nachbarschaft geschaffene Konfliktlage nicht selbst löse.
Schließlich führt das Verwaltungsgericht zur Begründung der Nichtabhilfe aus, dass es bei umfassendem Verständnis des Begehrens der Antragstellerin voraussichtlich eine drohende Beeinträchtigung des vermieteten Hauses verneint hätte, und folgert hieraus eine Notwendigkeit zur Streitwertbegrenzung. Dazu heißt es, dass, würde man bei der Stattgabe eines Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nicht differenzieren, es in der Hand des Rechtssuchenden bzw. seines Prozessbevollmächtigten läge, den Streitwert durch die Geltendmachung mehrerer Häuser in die Höhe zu treiben, anstatt mit entsprechendem Kostenrisiko für jedes möglicherweise beeinträchtigte Gebäude einen gesonderten Antrag zu stellen. Diese Argumentation überzeugt allerdings nicht. Wird der Klageantrag im Klagegrund auf verschiedene Anspruchsgrundlagen gestützt, lässt dies den Streitgegenstand nicht in trennbare Teile zerfallen (vgl. BVerwG, Urt. v. 3.11.1994 - 3 C 30.93 -, Buchholz 418.15 Rettungswesen Nr. 2 = juris Leitsatz 1 und Rn. 30; Urt. v. 8.9.2011 - 10 C 14.10 -, BVerwGE 140, 319 = juris Leitsatz 1 und Rn. 16). Gleiches gilt entsprechend für die hier zu beurteilende Geltendmachung verschiedener tatsächlicher Beeinträchtigungen. Die Antragstellerin hätte demgemäß hinsichtlich des von ihr bewohnten und bezüglich des von ihr vermieteten Hausgrundstücks keine getrennten Verfahren einleiten können, weil der später gestellte Antrag wegen der Rechtshängigkeit des zuerst gestellten Antrags nach § 17 Abs. 1 Satz 2 GVG schon unzulässig gewesen wäre. Im Übrigen hängt die für die Streitwertfestsetzung maßgebliche Bedeutung der Sache nach § 52 Abs. 1 GKG generell nicht von dem Erfolg oder Misserfolg des betreffenden Rechtsschutzbegehrens ab.
Die Nebenentscheidungen folgen aus § 68 Abs. 3 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).