Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 17.06.2024, Az.: 4 KN 93/20

Keine Beiladung einer anerkannten Umweltvereinigung in einem Normenkontrollverfahren gegen eine naturschutzrechtliche Schutzgebietsverordnung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
17.06.2024
Aktenzeichen
4 KN 93/20
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2024, 17009
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2024:0624.4KN93.20.00

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Eine Berührung rechtlicher Interessen eines anderen i.S.d. § 65 Abs. 1 VwGO kann sich auch aus qualifizierten Verfahrensrechten wie etwa den Beteiligungs- und Klagerechten von anerkannten Umwelt- und Naturschutzvereinigungen ergeben.

  2. 2.

    Eine nach § 3 UmwRG anerkannte Umweltvereinigung steht ein qualifiziertes Verfahrensrecht dahingehend zu, dass sie rechtlich dazu legitimiert ist, die Vereinbarkeit einer untergesetzlichen Schutzgebietsverordnung mit höherrangigen, unionsrechtlich determinierten umweltbezogenen Vorschriften in einem gerichtlichen Verfahren zur Überprüfung zu stellen.

  3. 3.

    Eine einfache Beiladung i.S.d. § 65 Abs. 1 VwGO kann regelmäßig dann ermessensfehlerfrei abgelehnt werden, wenn der Dritte gegen die nunmehr angegriffene Entscheidung mittels eines eigenen Rechtsbehelfs hätte vorgehen können, dies aber unterlassen hat.

  4. 4.

    Als Kriterien für die gerichtliche Ermessensentscheidung nach § 65 Abs. 1 VwGO können auch die Anzahl der in ihren Interessen betroffenen Dritten sowie die Unmittelbarkeit und Schwere ihrer Beeinträchtigung herangezogen werden.

Tenor:

Der Antrag des E. F., A-Straße, A-Stadt, ihn zu dem Verfahren 4 KN 93/20 beizuladen, wird abgelehnt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 65 Abs. 4 Satz 3 VwGO).

Gründe

Der Antrag des E. F.,

ihn zu dem vorliegenden Normenkontrollverfahren beizuladen,

bleibt ohne Erfolg.

Gemäß § 47 Abs. 2 Satz 4 VwGO sind im Normenkontrollverfahren die Vorschriften des § 65 Abs. 1 und 4 VwGO sowie § 66 VwGO entsprechend anzuwenden. Eine notwendige Beiladung (§ 65 Abs. 2 VwGO) kommt demnach im Normenkontrollverfahren nicht in Betracht. Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 65 Abs. 1 VwGO ist aber eine einfache Beiladung möglich. Hiernach kann das Gericht, solange das Verfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen oder in höherer Instanz anhängig ist, von Amts wegen oder auf Antrag andere, deren rechtliche Interessen durch die Entscheidung berührt werden, beiladen.

Es kann vorliegend offenbleiben, ob durch eine Entscheidung über den Normenkontrollantrag des Antragstellers, mit welchem dieser begehrt, einzelne auf die Forstwirtschaft bezogene Bestimmungen der Verordnung der Antragsgegnerin über das Naturschutzgebiet "Bockmerholz, Gaim" vom 19. Dezember 2018 für unwirksam zu erklären, rechtliche Interessen des E. F. berührt werden würden. Denn jedenfalls übt das Gericht (welches gemäß § 87a Abs. 1 Nr. 6, Abs. 3 VwGO durch den Berichterstatter entscheidet) sein ihm hinsichtlich der Entscheidung über den Beiladungsantrag eingeräumte Ermessen dahingehend aus, von einer Beiladung abzusehen.

Rechtliche Interessen eines Dritten werden dann berührt, wenn die Möglichkeit besteht, dass sich seine Rechtsposition durch ein Unterliegen eines der Beteiligten im gerichtlichen Verfahren verbessert oder verschlechtert (vgl. BVerwG, Beschl. v. 9.3.2005 - 4 VR 1001.04 -, juris Rn. 2; Beschl. v. 20.6.1995 - 8 B 68.95 -, juris Rn. 3; Beschl. v. 19.11.1998 - 11 A 50.97 -, juris Rn. 6; Senatsbeschl. v. 4.7.2016 - 4 KN 77/16 -, juris Rn. 5; Nds. OVG; Beschl. v. 18.12.2023 - 10 OB 125/23 -, juris Rn. 10). Die Möglichkeit einer Rechtsverletzung ist insoweit nicht erforderlich, so dass die Anforderungen an die Zulässigkeit einer Beiladung geringere sind als die diejenigen, die an das Bestehen einer Klagebefugnis i.S.d. § 42 Abs. 2 VwGO zu stellen sind. Die berührten rechtlichen Interessen können sowohl öffentlich- als auch privatrechtlicher Natur sein (Hoppe, in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 65 Rn. 9). Auch muss es sich bei den rechtlichen Interessen des Dritten nicht notwendig um materielle Rechte handeln, vielmehr genügt auch eine Berührung in qualifizierten Verfahrensrechten, wie etwa den Beteiligungs- und Klagerechten von anerkannten Umwelt- und Naturschutzvereinigungen nach § 2 UmwRG und § 64 BNatSchG (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 18.12.2023 - 10 OB 125/23 -, juris Rn. 10; Hess. VGH, Beschl. v. 18.8.2022 - 9 A 2501/20 -, juris Rn. 16; OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 4.7.2018 - 8 E 10238/18 -, juris Rn. 12; Hamb. OVG, Beschl. v. 9.2.2009 - 5 E 4/08.P -, juris Rn. 4; Senatsbeschl. v. 19.2.2009 - 4 OB 215/08 -, juris Rn. 6; Bier/Steinbeiß-Winkelmann, in: Schoch/Schneider, VwGO, Stand 43. EL August 2022, § 65 Rn. 13). Nicht unter den Begriff der rechtlichen Interessen fallen dagegen rein ideelle, soziale, kulturelle oder wirtschaftliche Interessen (Bier/Steinbeiß-Winkelmann, in: Schoch/Schneider, VwGO, Stand 43. EL August 2022, § 65 Rn. 13). Auch eine zu erwartende Auswirkung der Entscheidung auf andere, gleichgelagerte Fälle begründet keine Berührung in rechtlichen Interessen (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 25.10.2023 - 14 OB 62/23 -, juris Rn. 8; OVG NRW, Beschl. v. 11.1.2017 - 13 E 810/16 -, juris Rn. 8).

Umweltverbände verfügen, soweit sie - wie hier der E. F. - altruistisch zur Förderung der Ziele des Umweltschutzes tätig werden, nicht über eigene materielle Rechte und können deshalb auch keine materiell-rechtlichen Interessen geltend machen. Zu prüfen ist bei einer Entscheidung über eine Beiladung gemäß § 65 Abs. 1 VwGO daher, ob eine Berührung in qualifizierten Verfahrensrechten in Betracht kommt.

Der seine Beiladung begehrende E. F., welcher vom Land Niedersachsen nach § 3 UmwRG als Naturschutzvereinigung anerkannt worden ist, kann durch eine Entscheidung im vorliegenden Normenkontrollverfahren zunächst nicht in seinem qualifizierten Verfahrensrecht nach § 63 Abs. 2 BNatSchG berührt werden. § 63 Abs. 2 Nr. 1 BNatSchG BNatSchG räumt den vom Land anerkannten Naturschutzvereinigungen ein Mitwirkungsrecht bei der Vorbereitung von Verordnungen und anderen im Rang unter dem Gesetz stehenden Rechtsvorschriften der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörden ein. Dieses Mitwirkungsrecht bezieht sich aber nur auf das dem Erlass einer Natur- oder Landschaftsschutzgebietsverordnung vorgelagerte Verwaltungsverfahren und ist dort (in Gestalt in Gestalt einer Beteiligung der E. H.) auch beachtet worden. Ein Obsiegen eines der Beteiligten im vorliegenden Normenkontrollverfahren gegen die bereits erlassene Naturschutzgebietsverordnung des Antragsgegners (in Form einer Unwirksamkeitserklärung einzelner Bestimmungen der Verordnung oder einer Ablehnung des Normenkontrollantrags) vermag die Rechtsposition des E. F.. aus § 63 Abs. 2 Nr. 1 BNatSchG daher weder zu verbessern noch zu verschlechtern (vgl. Senatsbeschl. v. 4.7.2016 - 4 KN 77/16 -, juris Rn. 4, 6).

Der E. F. (der auch vom Bund nach § 3 UmwRG als Umweltvereinigung anerkannt worden ist) hat des Weiteren ein qualifiziertes Verfahrensrecht dahingehend inne, dass er rechtlich dazu legitimiert ist, die Vereinbarkeit einer untergesetzlichen Schutzgebietsverordnung mit höherrangigem (Unions-)umweltrecht in einem gerichtlichen Verfahren zur Überprüfung zu stellen. Einer anerkannten Umweltvereinigung steht in einem Normenkontrollverfahren gemäß § 47 VwGO gegen eine untergesetzliche Naturschutz- oder Landschaftsschutzgebietsverordnung eine Antragsbefugnis in Form eines Verbandsklagerechts nach § 2 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UmwRG zu. Bei dem Erlass einer solchen Verordnung handelt es sich um eine Entscheidung über die Annahme von Plänen und Programmen i.S.d. § 2 Abs. 7 UVPG, wie dies in § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UmwRG vorausgesetzt wird (vgl. Senatsbeschl. v. 4.7.2023 - 4 KN 204/20 -, juris Rn. 191). Das weitere in § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UmwRG für die Eröffnung des Anwendungsbereichs dieses Gesetzes aufgeführte Erfordernis, dass nach dem UVPG oder nach landesrechtlichen Vorschriften eine Pflicht zur Durchführung einer Strategischen Umweltprüfung bestehen kann (die Frage, ob ein solches Erfordernis wegen bestimmter Bestandteile von Natur- und Landschaftsschutzgebietsverordnungen, die der nationalen Unterschutzstellung von Natura-2000-Gebieten dienen, besteht, ist Gegenstand des mit Senatsbeschl. v. 4.7.2023 - 4 KN 204/20 - anhängig gemachten Vorabentscheidungsverfahrens C-461/23 vor dem EuGH) ist nach der jüngsten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, welcher sich der Senat angeschlossen hat, wegen des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts unangewendet zu lassen, wenn eine anerkannte Umweltvereinigung die Verletzung umweltbezogener Vorschriften des nationalen Rechts geltend macht, die der Durchführung des Unionsrechts dienen (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.1.2023 - 10 CN 1.23 u.a. -, juris Rn. 21 ff.; Senatsbeschl. v. 4.7.2023 - 4 KN 204/20 -, juris Rn. 191). Dies folgt aus Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus i.V.m. Art. 47 Abs. 1 der EU-Grundrechtecharta (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.1.2023 - 10 CN 1.23 u.a. -, juris Rn. 25 f.; EuGH, Urt. v. 20.12.2017 - C-664/15 - "Protect", Rn. 55 ff.; EuGH, Urt. v. 8.11.2022 - C-873/19 - "Deutsche Umwelthilfe", Rn. 63 f.). Im Übrigen setzt auch § 2 Abs. 1 Satz 2 UmwRG bei einem Rechtsbehelf gegen eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a bis 6 UmwRG voraus, dass die Vereinigung die Verletzung umweltbezogener Rechtsvorschriften geltend macht.

Ist eine anerkannte Umweltvereinigung demnach befugt, die Vereinbarkeit einer untergesetzlichen naturschutzrechtlichen Verordnung mit höherrangigen, unionsrechtlich determinierten umweltbezogenen Vorschriften mittels eines eigenen Normenkontrollantrags i.S.d. § 47 VwGO zur gerichtlichen Überprüfung zu stellen, ist hieraus auch zu folgern, dass die Entscheidung in anderen Normenkontrollverfahren gegen eine Natur- oder Landschaftsschutzgebietsverordnung, in welchen die anerkannte Umweltvereinigung nicht Antragstellerin ist und in welchem die Vereinbarkeit der Verordnung mit höherrangigen, unionsrechtlich determinierten umweltbezogenen Vorschriften zu prüfen ist, die rechtlich geschützten Interessen der Umweltvereinigung berühren kann. Denn ihnen ist insofern durch die Verbandsklagebefugnis eine Wahrnehmungszuständigkeit zuerkannt worden, die ebenfalls eine Beiladung zu rechtfertigen vermag (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 4.7.2018 - 8 E 10238/18 -, juris Rn. 12; Senatsbeschl. v. 4.7.2016 - 4 KN 77/16 -, juris Rn. 6; Hamb. OVG, Beschl. v. 9.2.2009 - 5 E 4/08.P -, juris Rn. 4). An der früheren Einschätzung des Senats, dass sich aus Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus keine derartige Befugnis ergibt (Senatsbeschl. v. 4.7.2016 - 4 KN 77/16 -, juris Rn. 6), hält der Berichterstatter insofern in Anbetracht der neueren europäischen und höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht mehr fest.

Fraglich ist aber, ob die Berührung des rechtlichen Interesses einer anerkannten Umweltvereinigung analog zu ihrer Verbandsklagebefugnis nur dann in Betracht kommt, wenn das (vermutete) Interesse der anerkannten Umweltvereinigung dahingeht, eine Unvereinbarkeit der Schutzgebietsverordnung oder Teile derselben mit höherrangigen, unionsrechtlich determinierten umweltbezogenen Vorschriften zu rügen, oder ob die Berührung der Wahrnehmungszuständigkeit einer anerkannten Umweltvereinigung auch in der umgekehrten Konstellation angenommen werden kann, wenn die Umweltvereinigung der Sache nach das Ziel einer Verteidigung des Normbestands verfolgt.

Dem Beiladungsantrag des E. F. vom 25. August 2023 lässt sich vorliegend nicht entnehmen, welches konkrete Ziel er mit der Beiladung verfolgt. Da es als Voraussetzung einer Beiladung gemäß § 65 Abs. 1 VwGO aber ausreicht, dass die bloße Möglichkeit einer Einwirkung der gerichtlichen Entscheidung auf rechtliche Interessen des Beizuladenden besteht, kann eine Darlegung des mit der Beiladung verfolgten Interesses im Einzelnen von dem Beizuladenden auch nicht verlangt werden. Die Stellungnahme der E. H. im Aufstellungsverfahren vom 30. Juni 2018 enthält jedoch unter anderem die Forderung nach einer Erweiterung der Gebietsabgrenzung, einer Aufnahme der in Anhang II der Richtlinie 92/43/EWG (FFH-Richtlinie) aufgeführten Art "Dunkler Wiesenknopf-Ameisenbläuling" in den Schutzzweck bzw. die Erhaltungsziele der Verordnung, einer Verschärfung der Maßgaben zum Schutz des FFH-Lebensraumtyps 6510 "Magere Flachland-Mähwiesen", einer Verschärfung der Beschränkungen für die Forstwirtschaft sowie generell der Einhaltung der Vorgaben des europäischen Rechts bei der Unterschutzstellung. Ausweislich der im Verwaltungsvorgang des Antragstellers enthaltenen Abwägungsübersicht ist den Anregungen und Bedenken der E. H. ganz überwiegend nicht gefolgt worden. Vor diesem Hintergrund liegt die Vermutung nahe, dass auch der E. F. mit seinem Beiladungsbegehren das Interesse verfolgt, eine Überprüfung der erlassenen Naturschutzgebietsverordnung im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit höherrangigen, unionsrechtlich determinierten umweltbezogenen Vorschriften herbeizuführen. Im vorliegenden Normenkontrollverfahren besteht allerdings die Besonderheit, dass der Antragsteller seinen zunächst auf die Unwirksamkeitserklärung der gesamten Naturschutzgebietsverordnung "Bockmerholz, Gaim" vom 19. Dezember 2018 gerichteten Antrag nachträglich dahingehend beschränkt hat, dass er nunmehr nur noch begehrt, einzelne Vorschriften der Verordnung für unwirksam zu erklären. Die betrifft im Einzelnen die waldbezogene Schutzzweckbestimmung in § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c) der Verordnung (hoher Anteil an Habitatbäumen und Totholz) sowie Einzelbestimmungen in § 5 Abs. 5 der Verordnung, welche die dort vorgesehene Freistellung der ordnungsgemäßen Forstwirtschaft von den Verboten nach § 4 der Verordnung jeweils wieder einschränken (§ 5 Abs. 5 Satz 1 VO, soweit es um die Abgrenzung der Flächen von natürlicher Waldentwicklung geht, § 5 Abs. 5 Ziffer I. Nr. 2 VO, § 5 Abs. 5 Ziffer I. Nr. 13 VO, § 5 Abs. 5 Ziffer I. Nr. 14 Buchst. b) und d) VO, § 5 Abs. 5 Ziffer I. Nr. 15 VO, § 5 Abs. 5 Ziffer II. VO sowie § 5 Abs. 5 Ziffer III. VO). Angesichts dieses beschränkten Antragsumfangs kommt eine generelle Überprüfung der Verordnung im Hinblick auf ihre Vereinbarkeit mit höherrangigen, unionsrechtlich determinierten umweltbezogenen Vorschriften im Normenkontrollverfahren, wofür den anerkannten Umweltvereinigungen mit der Zuerkennung des Verbandsklagerechts eine Wahrnehmungszuständigkeit eingeräumt worden ist, nicht mehr in Betracht. In Bezug auf die allein noch zur Überprüfung gestellten Einzelvorschriften ist ein Interesse des E. F. an einer Unwirksamerklärung wegen Verstoßes gegen höherrangige umweltbezogene Bestimmungen fernliegend, da eine Unwirksamerklärung insoweit lediglich zu einem - unionsumweltrechtlich nach Art. 6 Abs. 1 und 2 FFH-Richtlinie durchaus gewünschten - strengeren Schutzregime führen würde.

Es ist daher allein denkbar, dass der E. F. ein Interesse an einer Verteidigung des Normbestands in Gestalt der genannten einzelnen, die Freistellung der ordnungsgemäßen Forstwirtschaft beschränkenden Bestimmungen hat. Dagegen, dass in einer solchen Konstellation ein rechtliches Interesse einer anerkannten Umweltvereinigung berührt werden kann, spricht, dass die ihr eingeräumte Wahrnehmungszuständigkeit für die Einhaltung von unionsrechtlich determinierten umweltbezogenen Vorschriften in Form ihrer Verbandsklagebefugnis im hier relevanten Kontext einer untergesetzlichen naturschutzrechtlichen Schutzgebietsverordnung nur Rechtsbehelfe gegen eine Entscheidung über die Annahme von Plänen und Programmen i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UmwRG sowie gegen deren behördliches Unterlassen umfasst, wenn das Unterlassen der gebotenen Entscheidung rechtswidrig ist (§ 1 Abs. 1 Satz 2 und § 2 Abs. 1 UmwRG; vgl. i.Ü. auch Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus, der auch den Zugang zu einem gerichtlichen Verfahren eröffnet, um eine begangene Unterlassung anzufechten). Zwar besteht im Falle eines unionsrechtlich in die Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung (Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 3 FFH-Richtlinie) aufgenommenen Gebiets nach Art. 4 Abs. 4 FFH-Richtlinie eine Unterschutzstellungverpflichtung als besonderes Schutzgebiet nach nationalem Recht. Dieser Unterschutzstellungsverpflichtung ist der Antragsgegner In Bezug auf das FFH-Gebiet 108 "Bockmerholz, Gaim" mit dem Erlass der im Normenkontrollverfahren streitgegenständlichen Naturschutzgebietsverordnung nachgekommen, so dass ein behördliches Unterlassen nicht mehr angenommen werden kann. Dementsprechend ließe sich argumentieren, dass die einer anerkannten Umweltvereinigung zuerkannte Wahrnehmungszuständigkeit nicht die Verfolgung eines Normerhaltungsinteresses in einem Rechtsbehelfsverfahren umfasst. In diesem Fall wäre ein Interesse des E. F., dass die im Normenkontrollverfahren zur rechtlichen Überprüfung gestellten Einzelvorschriften der Naturschutzgebietsverordnung des Antragsgegners Bestand haben, lediglich als ideelles, nicht aber als rechtlich geschütztes Interesse anzusehen (vgl. Senatsbeschl. v. 4.7.2016 - 4 KN 77/16 -, juris Rn. 6). Andererseits ließe sich argumentieren, dass aus dem Umstand, dass nach Art. 1 Abs. 1 Satz 2 und § 2 Abs. 1 UmwRG sowie Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus auch das Interesse einer anerkannten Umweltvereinigung an der Vornahme einer rechtlich gebotenen Entscheidung rechtlich geschützt ist, weitergehend zu folgern wäre, dass auch das Interesse an dem Erhalt einer solchen Norm als rechtliches und nicht nur ideelles Interesse angesehen werden könnte.

Die Frage der Berührung rechtlicher Interessen bedarf hier im Ergebnis aber keiner Entscheidung, da das Gericht sein ihm hinsichtlich einer Beiladung des E. F. eingeräumtes Ermessen jedenfalls dahingehend ausübt, von einer Beiladung abzusehen.

Sind die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 65 Abs. 1 VwGO erfüllt, entscheidet das Gericht nach seinem eigenen, pflichtgemäßen Ermessen über die Beiladung. Bei der Abwägung der für und gegen eine Beiladung sprechenden Gesichtspunkte sind insbesondere die Beiladungszwecke zu berücksichtigen (vgl. Hoppe, in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 65 Rn. 27; Bier/Steinbeiß-Winkelmann, in: Schoch/Schneider, VwGO, Stand 43. EL August 2022, § 65 Rn. 31). Diese umfassen erstens die Wahrung der Interessen des Dritten, dem durch Einbeziehung in das Verfahren Gelegenheit gegeben werden soll, das Verfahren in seinem Sinne zu beeinflussen, um zu verhindern, dass das Verfahren seine Rechtsstellung beeinträchtigt, zweitens die Ermöglichung einer umfassenden Sachverhaltsaufklärung durch das Gericht auch durch die Verfahrensbeteiligung des Beizuladenden sowie drittens die Förderung der Prozessökonomie durch Vermeidung weiterer Prozesse mit möglicherweise widersprechenden Entscheidungen, durch Verfahrenskonzentration sowie durch die Erstreckung der Rechtskraft des zwischen dem Kläger und dem Beklagten ergehenden Urteils auf den Dritten gemäß § 121 Nrn. 1 und 2 VwGO (vgl. BT-Drs. 5/55, S. 37; Bier/Steinbeiß-Winkelmann, in: Schoch/Schneider, VwGO, Stand 43. EL August 2022, § 65 Rn. 3 ff.). Bei einer Normenkontrolle gemäß § 47 VwGO spielt der Zweck der Prozessökonomie durch eine Rechtskrafterstreckung auf den Dritten allerdings keine Rolle, weil eine normverwerfende Entscheidung gemäß § 47 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO ohnehin allgemeinverbindlich ist, während umgekehrt eine ablehnende Entscheidung nicht die Gültigkeit einer Norm positiv feststellt (BVerwG, Beschl. v. 12.3.1982 - 4 N 1.80 -, juris Rn. 13). Im Hinblick auf den Zweck einer umfassenden Sachverhaltsaufklärung ist im Normenkontrollverfahren zu berücksichtigen, dass in der Regel bereits die vorliegenden Verwaltungsakten hinreichenden Aufschluss geben (vgl. Panzer, in: Schoch/Schneider, VwGO, Stand 43. EL August 2022, § 47 Rn. 84c). Bezüglich des Beiladungszwecks der Interessenswahrung des Dritten können als Kriterien für die gerichtliche Ermessensausübung unter anderem die Anzahl der in ihren Interessen betroffenen Dritten (Nds. OVG, Beschl. v. 14.5.2002 - 7 KN 75/01 -, juris Rn. 6) sowie die Unmittelbarkeit und Schwere ihrer Beeinträchtigung herangezogen werden. Demnach kann eine Beiladung umso näher liegen, je kleiner und überschaubarer der Kreis der Interessenten und umso erkennbarer ihre Rechtbetroffenheit ist (vgl. Panzer, in: Schoch/Schneider, VwGO, Stand 43. EL August 2022, § 47 Rn. 84c). Demgegenüber können auch Gründe der Verfahrensbeschleunigung im Rahmen der Ermessensausübung gegen eine Beiladung sprechen (BVerwG, Beschl. v. 29.10.1997 - 11 A 17.97 u.a. -, juris Rn. 3; VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 6.2.1997 - 8 S 29/97 -, juris Rn. 2). Schließlich kann eine Beiladung regelmäßig dann ermessensfehlerfrei abgelehnt werden, wenn der Dritte selbst gegen die nunmehr angegriffene Entscheidung mittels eines eigenen Rechtsbehelfs hätte vorgehen können (BVerwG, Beschl. v. 29.10.1997 - 11 A 17.97 u.a. -, juris Rn. 3; Nds. OVG, Beschl. v. 18.12.2023 - 10 OB 125/23 -, juris Rn. 10; VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 12.10.2020 - 1 S 2679/19 -, juris Rn. 61; Hoppe, in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 65 Rn. 27; Bier/Steinbeiß-Winkelmann, in: Schoch/Schneider, VwGO, Stand 43. EL August 2022, § 65 Rn. 31). Das prozessuale Instrument der Beiladung soll einem Antragsteller keine Handhabe dafür bieten, sich die Stellung eines Beteiligten in einem Prozess zu sichern, wenn es ihm nach Maßgabe der hierfür gesetzlich vorgesehenen Prozessvoraussetzungen freigestanden hätte, den Prozess selbst als Hauptbeteiligter zu führen (BVerwG, Beschl. v. 17.5.2005 - 4 A 1001.04 -, juris Rn. 2).

In Anwendung dieser ermessensleitenden Grundsätze ist von einer Beiladung hier nicht bereits deshalb abzusehen, weil der E. F. aufgrund der ihm - wie oben ausgeführt - zur Seite stehenden Antragsbefugnis selbst berechtigt gewesen wäre, einen Normenkontrollantrag i.S.d. § 47 VwGO gegen die streitgegenständliche Naturschutzgebietsverordnung des Antragsgegners zu stellen, dies aber unterlassen hat. Denn aufgrund der beschränkten Antragstellung durch den Antragsteller im vorliegenden Verfahren ist hier wie ausgeführt allein noch die Verfolgung eines Normerhaltungsinteresses durch die anerkannte Umweltvereinigung denkbar. Dieses Interesse hätte durch die Stellung eines eigenen Normenkontrollantrages aber nicht verfolgt werden können.

Für eine Beiladung des E. F. spricht vorliegend auch nicht ausnahmsweise der Umstand, dass zu erwarten wäre, dass durch eine Beiladung die vom Gericht vorzunehmende Sachverhaltsaufklärung maßgeblich gefördert werden könnte. Besondere Umstände, die erwarten lassen würden, dass die anerkannte Umweltvereinigung aufgrund ihrer Sachkunde gerade in Bezug auf das im Streit stehende Schutzgebiet wesentliche Erkenntnisse beitragen könnte (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 9.2.2009 - 5 E 4/08.P -, juris Rn. 10), die vom Gericht nicht bereits aus den Verwaltungsvorgängen entnommen werden können, sind hier nicht ersichtlich und von dem E. F. in seinem Beiladungsantrag auch nicht vorgetragen worden.

Dem Interesse des E. E. , auch im vorliegenden Verfahren seine Wahrnehmungszuständigkeit für die Einhaltung der höherrangigen unionsrechtlich determinierten umweltbezogenen Vorschriften auszuüben, stehen vor allem die potentiell hohe Zahl von nach § 3 UmwRG anerkannten Umweltvereinigungen entgegen, die ebenfalls eine Beiladung im vorliegenden Verfahren bzw. in anderen gegen Naturschutz- und Landschaftsschutzgebietsverordnungen vor dem Senat anhängigen Normenkontrollverfahren geltend machen könnten. Allein das Land Niedersachsen hat derzeit zwölf Vereinigungen, die nur innerhalb Niedersachsens tätig sind, als Umweltvereinigungen nach § 3 UmwRG anerkannt (vgl. www.umwelt.niedersachsen.de/startseite/themen/natur&landschaft/natur- und-landschaft-8499.html). Vom Umweltbundesamt sind darüber hinaus eine Vielzahl von Anerkennungen nach § 3 UmwRG für solche Umweltvereinigungen ausgesprochen worden, deren Tätigkeitsbereich sich über ein Bundesland hinaus erstreckt (vgl. www.umweltbundesamt.de/themen/nachhaltigkeit-strategien-internationales/anerkennung-von-umwelt-naturschutzvereinigungen). In diesem Zusammenhang sprechen auch Gründe der Verfahrensbeschleunigung gegen eine Beiladung, da durch die Beteiligung von anerkannten Umweltvereinigungen in gegen untergesetzliche Schutzgebietsnormen beim Senat anhängige Normenkontrollverfahren und dabei u.a. einzuräumenden Stellungnahmefristen eine erhebliche Verzögerung der ohnehin bereits äußerst zeitaufwendigen Bearbeitung der Normenkontrollverfahren zu erwarten wäre.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).