Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 28.06.2024, Az.: 5 LA 125/22

Versetzung einer zu 50 % behinderten Psychologierätin in den Ruhestand aus gesundheitlichen Gründen

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
28.06.2024
Aktenzeichen
5 LA 125/22
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2024, 17937
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2024:0628.5LA125.22.00

Verfahrensgang

vorgehend
VG Oldenburg - 19.10.2022 - AZ: 6 A 1821/21

Redaktioneller Leitsatz

Die Pflicht des Dienstherrn nach § 26 Abs. 1 S. 3, Abs. 2 BeamtStG beschränkt sich auf die Suche nach gegebenen anderweitigen Verwendungsmöglichkeiten, nicht jedoch auf die (Wieder-)Einrichtung eines entsprechenden Arbeitsplatzes an einem bestimmten Arbeitsort.

Tenor:

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg - 6. Kammer (Einzelrichter) - vom 19. Oktober 2022 wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Zulassungsverfahren auf 65.723,28 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin stand zuletzt als Psychologierätin mit der ausgeübten Funktion einer schulpsychologischen Dezernentin (Besoldungsgruppe A 13) im Dienst des Beklagten und wehrt sich gegen ihre Versetzung in den Ruhestand aufgrund von Dienstunfähigkeit.

Die Klägerin ist seit dem Jahr 2001 (unbefristet seit dem Jahr 2009) mit einem Grad der Behinderung von 50 aufgrund einer Hautschriftnesselsucht (Urticaria factitia) als schwerbehindert anerkannt (Bl. 241, 331 BA 006). Wegen ihrer Krankheit kommt es durch Druck- und Scherkräfte (z.B. Scheuern oder Reiben von Stoff) sowie durch bestimmte Nahrungsmittel zur Ausbildung von Hautquaddeln und Juckreiz (Bl. 381 BA 006).

Im Zuge der Auflösung der "Außenstelle A-Stadt" der früheren F. Abteilung C-Stadt (Funktionsvorgängerin des Beklagten) zum 31. Dezember 2011 unter Umsetzung der Beschäftigten nach D-Stadt (Bl. 338 BA 006) wurde für die Klägerin angesichts ihrer gesundheitlichen Situation ein dislozierter Arbeitsplatz (besondere Form der Telearbeit) in A-Stadt eingerichtet (Bl. 335 BA 006). Die Notwendigkeit wurde gesehen, da eine Umsetzung nach D-Stadt zur dortigen Außenstelle aufgrund der Erkrankung der Klägerin nicht in Betracht gekommen sei (Bl. 1 BA 003). Infolgedessen arbeitete die Klägerin bis zum Jahr 2019 weiterhin in A-Stadt, wo sie neben ihrem Hauptwohnsitz in G. -Stadt (H. Straße, G. -Stadt) einen Zweitwohnsitz unterhält (vgl. dazu Bl. 13 BA 003, Bl. 63 BA 007 [Gerichtsakte - GA - 6 B 3542/19]).

Den Renteneintritt der am Arbeitsort A-Stadt der Klägerin zur Verfügung gestellten Assistenzkraft zum Anlass nehmend ordnete die Funktionsvorgängerin des Beklagten nach einer im August 2019 durchgeführten Anhörung der Klägerin aufgrund einer innerbehördlichen Organisationsmaßnahme am 13. November 2019 die Umsetzung der Klägerin in die Außenstelle in D-Stadt zum 11. Dezember 2019 an (Bl. 34, 36 BA 003).

Gegen die Umsetzung wandte sich die Klägerin mit einem Antrag auf die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes vor dem Verwaltungsgericht Oldenburg (Bl. 1, 90 BA 007). Sie führte aus, aufgrund ihrer Erkrankung auf den dislozierten Arbeitsplatz angewiesen zu sein. Der als Antrag auf eine vorläufige Rückumsetzung nach A-Stadt ausgelegte Eilrechtsschutzantrag wurde mit Beschluss vom 9. Januar 2020 abgelehnt (Bl. 102 f. BA 007). Das Verwaltungsgericht erläuterte in seinem Beschluss unter anderem, es sei nicht ersichtlich, dass die Klägerin nur in A-Stadt arbeiten könne. Hierfür sei ein Hinweis auf das soziale Netz nicht ausreichend. Weshalb eine Verlegung des Zweitwohnsitzes nach D-Stadt nicht in Betracht komme, sei nicht auszumachen.

Nachdem sich die Klägerin seit dem 3. September 2019 durchgehend krankheitsbedingt dienstunfähig gemeldet hatte (vgl. die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen BA 002 [unpaginiert]), ordnete die Funktionsvorgängerin des Beklagten im März 2020 eine amtsärztliche Untersuchung der Klägerin an, ob diese dienstfähig sei (Bl. 9 - 12 BA 001).

Der Amtsarzt kam in seinem Gutachten vom 28. Mai 2020 (Bl. 18 f. BA 001) zu dem Ergebnis, dass die Klägerin wegen ihrer Grunderkrankung sowie einer Erkrankung aus dem seelischen Formenkreis, die sich im Zuge der Umsetzung entwickelt habe, nicht dienstfähig sei, die volle Dienstfähigkeit nach einer gewissen Wiedereingliederungszeit am Standort A-Stadt aber nicht ausgeschlossen sei. Hierzu machte der Amtsarzt Vorschläge zur Einrichtung des Arbeitsplatzes, Beschäftigung einer Assistenzkraft für die Klägerin, einer möglichen Befreiung von Dienstbesprechungen an nur zeitintensiv mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichenden Orten und zur stufenweisen Wiedereingliederung ab dem 27. August 2020. Ab Februar 2021 werde die Klägerin die volle Dienstfähigkeit wieder erreicht haben.

Im Juni 2020 wandte sich die Funktionsvorgängerin des Beklagten schriftlich an den Amtsarzt (Bl. 27 BA 001) und wies darauf hin, dass eine Rückkehr der Klägerin an den Arbeitsplatz in A-Stadt weder vorgesehen noch möglich sei. Es werde um erneute Stellungnahme gebeten.

In einer weiteren Stellungnahme vom 6. Juli 2020 (Bl. 29 BA 001) führte der Amtsarzt daraufhin ergänzend aus, es sei zwar aus medizinischer Sicht eine volle Dienstfähigkeit der Klägerin wieder zu erreichen, jedoch werde die in A-Stadt lebende Klägerin krankheitsbedingt nicht in der Lage sein, den Weg zum vorgesehenen Einsatzort zu bewerkstelligen.

Mit Schreiben vom 31. August 2020 (Bl. 32 BA 001) hörte die Funktionsvorgängerin des Beklagten die Klägerin zur einer beabsichtigten Versetzung in den Ruhestand an, da sie im Sinne des § 26 des Beamtenstatusgesetzes (BeamtStG) und § 43 des Niedersächsischen Beamtengesetzes (NBG) als dienstunfähig anzusehen sei. Unter den in § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG und § 43 Abs. 2 NBG genannten Voraussetzungen könne eine Beamtin als dienstunfähig angesehen werden, wenn keine Aussicht bestehe, dass innerhalb einer Frist von sechs Monaten die Dienstfähigkeit wieder voll hergestellt sei. Das sei hier der Fall. Nach dem amtsärztlichen Gutachten könne eine volle Dienstfähigkeit erst zum Februar 2021 eintreten, sofern eine stufenweise Wiedereingliederung ab Ende August 2020 erfolge, die nicht begonnen worden sei.

Die Klägerin nahm am 21. September 2020 und 28. Dezember 2020 schriftlich Stellung (Bl. 36 f., Bl. 46 f. BA 001), und erklärte, dass sie mit einer Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit nicht einverstanden sei. Zur Begründung führte sie unter anderem an, die Funktionsvorgängerin des Beklagten habe in eklatanter Art und Weise gegen die Vorgaben aus den amtsärztlichen Gutachten verstoßen. Die Behörde müsse die Voraussetzungen erfüllen, um ihre Dienstfähigkeit wieder herzustellen und auch den Wiedereingliederungsplan aus dem Gutachten des Amtsarztes umsetzen.

Mit am 22. März 2021 zugegangenem Bescheid versetzte der Beklagte die Klägerin wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand (Bl. 55 f. BA 001). Er erklärte, die Einlassungen im Anhörungsverfahren führten zu keinem anderen Ergebnis. Die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG in Verbindung mit § 43 Abs. 2 NBG lägen vor. Aufgrund der akuten Erkrankung der Klägerin sei nicht absehbar, wann eine sechsmonatige Wiedereingliederung erfolgen könne. Zudem gelte die positive Prognose für die Wiederherstellung der Dienstfähigkeit nur für eine Tätigkeit in A-Stadt. Die Klägerin sei jedoch nach D-Stadt umgesetzt worden. Ein Rückumsetzungsantrag sei gerichtlich abgelehnt worden. Es bestehe kein Anspruch auf die Einrichtung eines Arbeitsplatzes in A-Stadt. Zudem liege auch eine Dienstunfähigkeit nach § 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG vor. Da die Klägerin aus amtsärztlicher Sicht nicht in der Lage sei, täglich den Weg an den Dienstort anzutreten, sei sie als dauernd dienstunfähig anzusehen.

Gegen den Bescheid hat die Klägerin am 19. April 2021 Klage vor dem Verwaltungsgericht Oldenburg erhoben und beantragt, "den Bescheid des Beklagten vom 17. März 2021 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die entstandenen Nachzahlungsbeträge nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an sie auszukehren". Zur Begründung hat sie angeführt, eine dauerhafte Dienstunfähigkeit sei bei ihr nicht gegeben. Es sei immer klar gewesen, dass eine Umsetzung ihrer Person nach D-Stadt zur Dienstunfähigkeit führe. Die Ausführungen des Beklagten in seinem Bescheid seien widersprüchlich zu den Gründen, die zur Einrichtung des dislozierten Arbeitsplatzes geführt hätten.

Mit Urteil vom 19. Oktober 2022 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Klägerin mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung, dem der Beklagte entgegentritt.

II.

Dem Zulassungsantrag bleibt der Erfolg versagt, weil der von der Klägerin allein geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -) nicht den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend dargelegt worden ist.

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des vorinstanzlichen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind zu bejahen, wenn bei der Überprüfung im Zulassungsverfahren, also aufgrund der Begründung des Zulassungsantrags und der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts, gewichtige, gegen die Richtigkeit der Entscheidung sprechende Gründe zutage treten, aus denen sich ergibt, dass ein Erfolg der erstrebten Berufung mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie ein Misserfolg. Das ist der Fall, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden. Die Richtigkeitszweifel müssen sich auch auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen. Es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zur Änderung der angefochtenen Entscheidung führt. Um ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils darzulegen, muss sich der Zulassungsantragsteller substantiiert mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Welche Anforderungen an Umfang und Dichte seiner Darlegung zu stellen sind, hängt deshalb auch von der Intensität ab, mit der die Entscheidung des Verwaltungsgerichts begründet worden ist (Nds. OVG, Beschluss vom 7.4.2011 - 5 LA 28/10 -). Ist das angegriffene Urteil auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, müssen hinsichtlich aller dieser Begründungen Zulassungsgründe dargelegt werden (Nds. OVG, Beschluss vom 24.3.2011 - 5 LA 300/09 -, juris Rn. 6; Beschluss vom 30.8.2011 - 5 LA 214/10 -, juris Rn. 3).

2. Ausgehend von diesen Grundsätzen führt das Vorbringen der Klägerin nicht zur Zulassung der Berufung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

a. Nach § 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG sind Beamte auf Lebenszeit in den Ruhestand zu versetzen, wenn sie wegen ihres körperlichen Zustands oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung ihrer Dienstpflichten dauernd unfähig (dienstunfähig) sind. Maßstab für die Beurteilung der Dienstunfähigkeit ist das dem Beamten zuletzt übertragene Amt im abstrakt-funktionellen Sinne, d. h. die Gesamtheit der bei seiner Beschäftigungsbehörde eingerichteten Dienstposten, auf denen er amtsangemessen eingesetzt werden kann (BVerwG, Beschluss vom 6.11.2014 - BVerwG 2 B 97.13 -, juris Rn. 7 m. w. N.; Nds. OVG, Urteil vom 30.10.2018 - 5 LB 26/17 -; Urteil vom 9.3.2021 - 5 LC 174/18 -, juris Rn. 12). Dienstunfähig ist der Beamte also nur dann, wenn seine amtsangemessene Beschäftigung auf jedem dieser Dienstposten wegen seines körperlichen Zustands oder aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr möglich ist; er ist demgegenüber nicht dienstunfähig, wenn seine amtsangemessene Beschäftigung auf irgendeinem dieser Dienstposten noch möglich ist (Nds. OVG, Urteil vom 9.3.2021 - 5 LC 174/18 -, juris Rn. 12). Gemäß § 26 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG wird in den Ruhestand nicht versetzt, wer anderweitig verwendbar ist (Grundsatz der Weiterverwendung vor Versorgung). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Zurruhesetzungsverfügung ist dabei nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (BVerwG, Beschluss vom 21.2.2014 - BVerwG 2 B 24.12 -, juris Rn. 12; Urteil vom 30.5.2013 - BVerwG 2 C 68.11 -, juris Rn. 11; Nds. OVG, Urteil vom 9. März 2021 - 5 LC 174/18 -, juris Rn. 4 m. w. N.).

Auf diese Grundsätze hat auch das Verwaltungsgericht tragend abgestellt (Urteilsabdruck - UA -, S. 4 und 5) und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass der Beklagte zu Recht eine Dienstunfähigkeit der Klägerin festgestellt habe. Es hat sich dabei auf die amtsärztlichen Stellungnahmen vom 28. Mai 2020 und vom 6. Juli 2020 gestützt und darauf abgestellt, dass die Klägerin ihre Unfähigkeit, den täglich erforderlichen Weg zum Dienstort in D-Stadt bewältigen zu können, nicht in Abrede gestellt habe.

Mit ihrem Zulassungsvorbringen zieht die Klägerin diese tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts nicht in Zweifel. Sie selbst geht von einer Dienstunfähigkeit aus, sofern ihr nicht ein Arbeitsplatz in A-Stadt zur Verfügung gestellt wird. So führt sie aus, (allein) durch Erhalt bzw. Wiedereinrichtung eines dislozierten Arbeitsplatzes könne ihre Dienstfähigkeit bestehen bleiben. Der Amtsarzt habe darauf hingewiesen, dass die Klägerin nur in A-Stadt dienstfähig sei. Das weitere Vorbringen der Klägerin bezieht sich nicht auf die Frage des Bestehens einer Dienstunfähigkeit (§ 26 Abs. 1 Satz 1, 2 BeamtStG), sondern darauf, ob sie anderweitig verwendbar ist (§ 26 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG) und damit einer Versetzung in den Ruhestand ausgeschlossen ist.

Das Verwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang seine Entscheidung weiter damit begründet, der dislozierte Arbeitsplatz der Klägerin in A-Stadt sei aufgelöst worden. Die daraufhin verfügte Umsetzung der Klägerin in die Außenstelle D-Stadt sei in dem Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nicht beanstanden worden. Ein Anspruch der Klägerin auf Einrichtung eines Arbeitsplatzes in A-Stadt bestehe auch unter Fürsorgegesichtspunkten nicht. Nach § 54 Abs. 1 NBG habe der Beamte seine Wohnung so zu wählen, dass die ordnungsgemäße Wahrnehmung der Dienstgeschäfte nicht beeinträchtigt werde. Gründe für eine Unzumutbarkeit des somit erforderlichen Umzuges der Klägerin an den neuen Dienstort seien nicht ersichtlich. Soweit die Klägerin auf ein in A-Stadt bestehendes medizinisch-therapeutisches und sie persönlich unterstützendes Umfeld verweise, könne dieses ggf. durch professionelle Unterstützung auch in D-Stadt aufgebaut und sichergestellt werden. Nachvollziehbar habe der Beklagte darauf verwiesen, dass die Umsetzung gerade aus Fürsorgegründen erfolgt sei, um die Klägerin besser in die Dienststelle einzubinden.

Dagegen wendet die Klägerin ein: Nach dem Grundsatz "Weiterverwendung vor Versorgung" sei der Beklagte gehalten gewesen, ihr den dislozierten Arbeitsplatz in A-Stadt zu erhalten bzw. einzurichten. Zum Erhalt der Dienstfähigkeit sei dieser Arbeitsplatz im Jahre 2011 eingerichtet worden. Im Übrigen seien die organisatorischen Anforderungen äußerst gering, was sich unter anderem daran zeige, dass der Arbeitsplatz im I. in A-Stadt und nicht in einem Gebäude der F. eingerichtet gewesen sei. Ihr aufgelöster Arbeitsplatz könne ohne großen Aufwand wiederhergestellt werden. Die Konstellation sei vergleichbar mit einem Telearbeitsplatz. Die Verweigerung von Telearbeit sei rechtswidrig, wenn der zuständige Arzt Dienstfähigkeit unter Gewährung von Telearbeit attestiere.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Klägerin aber ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils nicht auf. Zwar geht die Klägerin zutreffend davon aus, dass auch bei gegebener Dienstunfähigkeit eines Beamten dieser nicht umgehend in den Ruhestand zu versetzen ist. Denn die Dienstunfähigkeit ist nur eine notwendige, aber keine hinreichende Voraussetzung für die Versetzung in den Ruhestand (BVerwG, Urteil vom 5.6.2014 - BVerwG 2 C 22.13 -, juris Rn. 12; Nds. OVG, Urteil vom 9.3.2021 - 5 LC 174/18 -, juris Rn. 18). Nach § 26 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 BeamtStG kann der Beamte nicht in den Ruhestand versetzt werden, wenn eine anderweitige Verwendung des Beamten möglich ist (Grundsatz "Weiterverwendung vor Versorgung"). Diese Regelung begründet die Pflicht des Dienstherrn, nach einer anderweitigen Verwendung zu suchen. Nur dieses Verständnis entspricht dem Ziel der Vorschrift, dienstunfähige Beamte nach Möglichkeit im aktiven Dienst zu halten. Ohne gesetzliche Suchpflicht könnte die Verwaltung über die Geltung des Grundsatzes "Weiterverwendung vor Versorgung" nach Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit entscheiden und autonom festlegen, unter welchen Voraussetzungen und nach welchen Kriterien sie sich um eine anderweitige Verwendung bemüht. Das wäre mit § 26 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 BeamtStG nicht vereinbar (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.3.2009 - BVerwG 2 C 73.08 -, juris Rn 25; Urteil vom 19.3.2015 - BVerwG 2 C 37.13 -, juris Rn 15; Nds. OVG, Beschluss vom 19.6.2015 - 5 LA 26/15 -; Nds. OVG, Urteil vom 9.3.2021 - 5 LC 174/18 -, juris Rn. 19).

Entgegen der Ansicht der Klägerin beschränkt sich die Pflicht des Beklagten nach § 26 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 BeamtStG auf die Suche nach gegebenen anderweitigen Verwendungsmöglichkeiten, nicht jedoch auf die (Wieder-)Einrichtung eines entsprechenden Arbeitsplatzes an einem bestimmten Arbeitsort. Gerade in der von der Klägerin für ihre Auffassung herangezogenen Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshof wird hierzu ausgeführt, dass sich die Suche des Dienstherrn auch auf Dienstposten erstrecken muss, die in absehbarer Zeit voraussichtlich frei werden. Der Dienstherr muss indes keine organisatorischen oder personellen Änderungen vornehmen, um die Weiterverwendung des Beamten zu ermöglichen (Hess VGH, Urteil vom 15.8.2018 - 1 A 2477/16 -, juris Rn. 39).

Aus diesem Grunde kann die Klägerin auch nicht mit der Begründung durchdringen, die Verweigerung von Telearbeit sei rechtswidrig, wenn der zuständige Arzt Dienstfähigkeit unter Gewährung von Telearbeit attestiere. Hierzu hat die Klägerin zur Begründung ihres Zulassungsantrages vorgetragen, bei ihrem früheren Arbeitsplatz habe es sich um "eine besondere Form der Telearbeit gehandelt" und die "Konstellation sei vergleichbar mit einem Telearbeitsplatz" (ZB vom 22.12.2022 S. 3 f. [Bl. 108 f. GA]). Dieser Arbeitsplatz existierte im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung aber nicht mehr. Wie dargelegt, umfasst die Verpflichtung des Dienstherrn aus § 26 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 BeamtStG nicht, organisatorische oder personelle Veränderungen vorzunehmen, um die Weiterverwendung des Beamten zu ermöglichen. Er ist deshalb insbesondere nicht dazu verpflichtet, einen neuen Arbeitsplatz für einen dienstunfähigen Beamten zu schaffen.

Hinsichtlich einer möglichen Weiterverwendung macht die Klägerin ferner geltend: Im Übrigen habe sie das 1. Staatsexamen für das Lehramt. Es sei vom Beklagten nicht geprüft worden, ob sie damit anderweitig verwendet werden könne (ZB S. 4 [Bl. 109 GA]). Ferner macht sie geltend: Der Beklagte betreibe zusammen mit der Stadt A-Stadt die Beratungsstelle "Systemische Unterstützung schulische Integration", für die er Förderschullehrkräfte stellen müsse, die händeringend gesucht würden. Unter anderem für diese Tätigkeit sei sie passender und insofern "besser qualifiziert" als Förderschullehrkräfte (ZB vom 11.5.2023, S. 2 [Bl. 118 GA]).

Auch mit diesem Vorbringen hat die Klägerin ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils nicht aufgezeigt. Es folgt aus ihren Darlegungen nicht, dass sie die laufbahnrechtliche Befähigung für ein anderes Amt - beispielsweise das Amt einer Förderschullehrerin - hätte, und insoweit auch eine Stelle im Bereich ihres Dienstherrn - im relevanten Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung - frei oder in absehbarer Zeit (sechs Monate) besetzbar gewesen wäre.

3. Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 40, 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG), ergibt sich also aus der Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltfähiger Zulagen. Auszugehen ist insoweit von dem im Zeitpunkt der Einleitung des zweiten Rechtszugs (24.11.2022) maßgeblichen Endgrundgehalt (hierzu: Nds. OVG, Beschluss vom 11.11.2014 - 5 ME 157/14 -, juris Rn. 30 m. w. N.) der Besoldungsgruppe A 13 in Höhe von 5.476,94 EUR (Anlage 5 zu § 7 Abs. 2, § 25 Abs. 1 des Niedersächsischen Besoldungsgesetzes - NBesG - sowie den §§ 28 und 33 NBesG). Dementsprechend ergibt sich ein Streitwert in Höhe von 65.723,28 EUR (5.476,94 EUR x 12 = 65.723,28 EUR).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).