Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 27.06.2024, Az.: 2 LB 280/20

Klage gegen das endgültige Nichtbestehen einer leistungsnachweispflichtigen Lehrveranstaltung im Rahmen des Medizinstudiums; Universitätsinterne Nachprüfungen im Antwort-Wahl-Verfahren (Multiple oder Single Choice)

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
27.06.2024
Aktenzeichen
2 LB 280/20
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2024, 18953
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2024:0627.2LB280.20.00

Verfahrensgang

vorgehend
VG Göttingen - 17.12.2019 - AZ: 4 A 452/18

Amtlicher Leitsatz

Bei universitätsinternen Nachprüfungen im Antwort-Wahl-Verfahren (Multiple oder Single Choice) kann aus sachlichen Gründen auf eine relative Bestehensgrenze verzichtet werden, sofern es den Studierenden freisteht, ob sie an der Nachprüfung oder an der regulären Abschlussklausur im Folgesemester teilnehmen, bei der wiederum eine relative Bestehensgrenze gilt.

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Göttingen - 4. Kammer (Einzelrichterin) - vom 17. Dezember 2019 geändert.

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen das endgültige Nichtbestehen der leistungsnachweispflichtigen Lehrveranstaltung "Praktikum der Biochemie", die er im Rahmen des vorklinischen Studienabschnitts seines Medizinstudiums bei der Beklagten zu absolvieren hat.

Nachdem der Kläger die Erstklausur zur Lehrveranstaltung "Praktikum der Biochemie" am 19. Januar 2018 (Wintersemester 2017/2018) nicht bestanden hatte, nahm er am 1. Februar 2018 an der Nachprüfungsklausur teil. Die Klausur bestand ursprünglich aus 40 Fragen, wobei nachträglich die Frage 2 der Klausurversion B, die der Kläger zu bearbeiten hatte, herausgenommen wurde. Auf dieser Grundlage ermittelte die Beklagte in Anwendung des § 11 Abs. 1 Satz 1 der Anlage 1 (Richtlinien für die Durchführung von leistungsnachweispflichtigen Lehrveranstaltungen und die Bewertung von Leistungsnachweisen nach §§ 2 und 27 ÄAppO) zur Studienordnung der Beklagten für den Studiengang Medizin vom 15. September 2017 (Georg-August-Universität B-Stadt, Amtliche Mitteilungen I 2017, Nr. 44, Seite 1094; im Folgenden: Anlage 1 zur Studienordnung 2017) eine absolute Bestehensgrenze von mindestens 24 zutreffend beantworteten Fragen (60 Prozent von 39 Fragen = 23,4). Der Kläger beantwortete nur 23 Fragen richtig - u.a. auch die später aus der Klausurbewertung eliminierte Frage 2 der Klausurversion B - und bestand die Klausur dementsprechend nicht. Eine sogenannte Gleitklausel, nach der neben der absoluten Bestehensgrenze eine weitere relative Bestehensgrenze in Abhängigkeit von den durchschnittlichen Prüfungsergebnissen der Teilnehmenden festgesetzt wird, kam bei der Ermittlung der Bestehensgrenze im Nachprüfungstermin - anders als bei der Erstklausur - nicht zur Anwendung. Dies entsprach den Vorgaben der Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 4 der Anlage 1 zur Studienordnung 2017.

§ 11 der Anlage 1 zur Studienordnung 2017 hat den folgenden Wortlaut:

(1) 1Im vorklinischen Studienabschnitt sind schriftliche Erfolgskontrollen oder Teilerfolgskontrollen, die ausschließlich im Single- oder Multiple-Choice-Verfahren durchgeführt werden, beim Erstprüfungstermin bestanden, wenn die Studierende oder der Studierende insgesamt mindestens 60 % der gestellten Prüfungsfragen zutreffend beantwortet hat oder wenn die Zahl der von der oder dem Studierenden zutreffend beantworteten Fragen um nicht mehr als 22 % die durchschnittlichen Prüfungsleistungen der Erstteilnehmerinnen und Erstteilnehmer in der Regelstudienzeit unterschreitet (Gleitklausel). 2Auch bei Anwendung der Gleitklausel darf die Bestehensgrenze nicht unter 50% liegen. 3Nehmen an einem Erstprüfungstermin Studierende der Medizin und Zahnmedizin gemeinsam teil, wird die Gleitklausel für beide Studierendengruppen gemeinsam berechnet. 4Am jeweils im Semester stattfindenden Nachprüfungstermin wird die Gleitklausel nicht angewendet.

(2) 1Im klinischen Studienabschnitt findet die Gleitklausel gemäß Abs. 1 Satz 1 nur in denjenigen Leistungskontrollen Anwendung, in denen alle Leistungspunkte für ein Fach bzw. einen Querschnittsbereich nach § 27 ÄAppO vollständig aus dieser Erfolgskontrolle erworben werden. 2Bei Wiederholungsprüfungen wird eine Gleitklausel nicht angewendet.

(3) 1Für Erfolgs- oder Teilerfolgskontrollen, die schriftlich oder als E-Prüfungen und die nicht ausschließlich im Single- und/oder Multiple-Choice-Verfahren durchgeführt werden oder die aus unterschiedlichen Prüfungsformen (z.B. schriftlich, mündlich und/oder praktisch) bestehen, sowie für fachbezogene Teilerfolgskontrollen bei den Modulprüfungen wird die Gleitklausel nicht angewendet; hier liegt die Bestehensgrenze bei 60 %. 2Bei Wiederholungsprüfungen im klinischen Studienabschnitt wird die Gleitklausel nicht angewendet.

Am 29. Juni 2018 nahm der Kläger an der Abschlussklausur der Lehrveranstaltung "Praktikum der Biochemie" des Sommersemesters 2018 teil. Auch bei dieser Klausur wurde nachträglich eine Frage aus der Wertung gestrichen, sodass die absolute Bestehensgrenze bei 24 Fragen lag (60 Prozent von 39 Fragen = 23,4). Unter Anwendung der Gleitklausel reduzierte sich die Bestehensgrenze auf 22 Fragen. Der Kläger verfehlte auch diese Grenze mit 21 zutreffend beantworteten Fragen.

Am 1. Juli 2018 - noch vor der Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses für die Klausur vom 29. Juni 2018 - wandte sich der Kläger per E-Mail an Prof. Dr. I. (Leiter des Fachbereichs Biochemie) und erklärte, er gehe davon aus, auch die letzte Wiederholungsprüfung nicht bestanden zu haben. Er habe bei der Klausurbearbeitung eklatante Fehler gemacht und - ebenso wie bei der vorherigen Klausur - drei bis vier Fragen negativ korrigiert. Dies hänge wohl mit mangelndem Selbstvertrauen und mangelnder Selbstwertschätzung zusammen. Er habe in den letzten beiden Semestern eine Depression entwickelt und müsse sich jetzt eingestehen, dass er Hilfe brauche. Er bat um Mitteilung, ob es möglich sei, die anstehenden Folgen seines Versagens abzuwenden. Prof. Dr. I. teilte dem Kläger mit E-Mail vom 3. Juli 2018 mit, dass er nach Rücksprache mit dem für Klausurfragen verantwortlichen Prof. Dr. J. (Leiter des Praktikums Biochemie) keine Möglichkeit für eine Ausnahmeregelung sehe. Die weitere Korrespondenz zwischen Prof. Dr. I. und dem Kläger endete zusammengefasst mit dem Hinweis von Prof. Dr. I., dass die drei Fehlversuche nach den Regeln der Studienordnung nicht rückgängig gemacht werden könnten, aus Sicht des Zentrums für Biochemie keine Möglichkeit einer Härtefallregelung bestehe und der Kläger schriftlich über den Stand der Dinge informiert werde.

Mit Schreiben vom 24. Juli 2018 erklärte der Kläger seinen Rücktritt von der Klausur vom 29. Juni 2018 aufgrund einer verdeckten Prüfungsunfähigkeit. Zum Nachweis fügte er eine Stellungnahme der Psychosozialen Beratungsstelle des Studentenwerks B-Stadt vom 11. Juli 2018 (Frau Dr. K.) bei. Dort hieß es unter anderem:

"Herr L. stellte sich erstmalig am 05.07.2018 in der Psychosozialen Beratungsstelle vor. [Er] (...) litt ab Ende Dezember 2017 bis zum 11.07.2018 aufgrund einer schweren familiären Krisensituation an einer depressiven Störung (ICD-10: F43.21) und ist seit Anfang Januar nicht prüfungsfähig. Aufgrund seines psychischen Ausnahmezustandes und der Bewältigungsstrategie der Verleugnung, wodurch logische Denkprozesse, Realitätsprüfung und Lernfähigkeit gestört waren, konnte Herr L. seine Prüfungsunfähigkeit selbst nicht richtig einschätzen. So meldete er sich trotz massiven Konzentrations-, Lern- und Schlafstörungen immer wieder zu Prüfungen an."

Mit E-Mail vom 25. Juli 2018 bestätigte Prof. Dr. J. den Erhalt des Schreibens und führte aus, dass Entschuldigungen zur Nichtteilnahme an Klausuren vor Klausurantritt vorgelegt werden müssten. Er erkenne keinen Handlungsspielraum, das Ergebnis der Abschlussklausur nicht zu werten.

Mit Schreiben vom 26. Juli 2018 erhob der Kläger Widerspruch gegen die Bewertung der Nachprüfungsklausur vom 1. Februar 2018. Zur Begründung trug er vor, die Frage 18 der Klausurversion B sei fehlerhaft, weshalb sie aus der Wertung zu streichen sei. Unter dem 6. August 2018 stellte der Kläger außerdem einen "Härtefallantrag", zu dessen Begründung er im Wesentlichen erklärte, dass er seit Ende Dezember 2017 aufgrund einer familiären Krisensituation psychisch erkrankt sei. Auf die ausführliche Darstellung der Hintergründe seiner Erkrankung und der familiären Krisensituation in diesem Schreiben wird Bezug genommen (Beiakte Heft 2, Anlage 3). Der Kläger legte zum Nachweis verschiedene Bescheinigungen vor, so auch erneut die Stellungnahme der Psychosozialen Beratungsstelle des Studentenwerks B-Stadt vom 11. Juli 2018 (Frau Dr. K.), eine amtsärztliche Stellungnahme des Herrn Dr. M. vom 24. Juli 2018, nach der eine rückwirkende Beurteilung der Prüfungsfähigkeit nicht möglich sei, sowie eine ärztliche Stellungnahme des Dr. N. (Facharzt für Psychotherapie) vom 3. August 2018. Dr. N. diagnostiziert darin eine schwere depressive Episode sowie einen Verdacht auf posttraumatische Belastungsstörung. In der Stellungnahme heißt es u.a.:

"Es besteht bei der oben beschriebenen Symptomatik ein zwingender Zusammenhang zwischen der Erkrankung und dem Nicht-Bestehen der Klausuren, besonders da der Patient bis Dezember 2017 sehr erfolgreich in seinem Medizinstudium war und es danach zu einem deutlichen Leistungsknick kam. Dem Patienten war es des Weiteren aufgrund der depressiven Symptomatik, aber auch aufgrund seines selbstgesteckten hohen Leistungsdruckes und der Scham über die psychischen Symptome (Selbststigmatisierung) nicht möglich, zu erkennen, dass er nicht in der Lage ist, erfolgreich eine Klausur zu bestehen."

Mit Widerspruchsbescheid vom 6. November 2018 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Einwände gegen die Frage 18 der Klausurversion B seien nicht durchgreifend. Dem Kläger könne auch im Zuge seines Härtefallantrags kein weiterer Prüfungsversuch eingeräumt werden. Die aktuelle Studienordnung sehe einen solchen Antrag nur für Fälle vor, in denen Studierende aus von ihnen nicht zu vertretenden Gründen die in § 3 Abs. 6 Satz 1 der Anlage 1 zur Studienordnung 2017 vorgesehene 18-Monatefrist zur Ablegung der Erfolgskontrolle und deren zwei Wiederholungsmöglichkeiten nicht wahrnehmen könnten. Der Kläger habe alle drei Prüfungstermine innerhalb dieser Frist wahrgenommen, sodass die Voraussetzungen eines Härtefalls nicht vorlägen. Dementsprechend habe der Härtefallausschuss den Antrag auch nicht behandelt. Ungeachtet dessen könne sich der Kläger im Hinblick auf die Klausuren vom 1. Februar 2018 und vom 29. Juni 2018 auch nicht auf eine unerkannte Prüfungsunfähigkeit berufen, sodass ihm auch mit Blick darauf kein weiterer Prüfungsversuch einzuräumen sei. Ein Rücktritt nach Beendigung einer Prüfung sei zwar ausnahmsweise möglich, wenn der Prüfling die erhebliche Beeinträchtigung seiner Prüfungsfähigkeit während der Prüfung nicht in ausreichendem Maße habe erkennen können. Aus seinen Schilderungen ergebe sich aber, dass er sich seines gesundheitlichen Zustands bewusst gewesen sei. Denn die Beschwerden hätten ihn nach seinen eigenen Angaben vor der Klausur im Februar dazu veranlasst, sich in ärztliche Behandlung zu begeben und sich entsprechende Medikamente (Schlafmittel und Antidepressiva) verordnen zu lassen. Aufgrund seiner Ausbildung und seiner beruflichen Tätigkeit als Physiotherapeut sei er in der Lage gewesen, diese Symptome zutreffend einzuordnen. Abgesehen davon bestünden Zweifel, ob er sich nicht lediglich wegen seiner Studien- und Prüfungssituation in einer Ausnahmesituation befunden habe. Eine solche psychische Anspannung, die für Prüfungssituationen und den damit verbundenen Prüfungsstress typisch sei, sei aber kein krankhafter Zustand und reiche nicht aus, um eine Prüfungsunfähigkeit zu begründen. Darüber hinaus habe er bereits kein anerkennenswertes Attest vorgelegt, das geeignet sei, eine unerkannte Prüfungsunfähigkeit gem. § 12 Abs. 1 Satz 5 der Anlage 1 zur Studienordnung 2017 zu bescheinigen. Der konsultierte Amtsarzt Dr. M. vom Gesundheitsamt B-Stadt habe in seinem am 24. Juli 2018 ausgestellten Zeugnis zu Recht für einen zurückliegenden Zeitraum eine nachträgliche Prüfungsunfähigkeit nicht attestiert. Er sei nicht bereit gewesen, (allein) aus den subjektiven Schilderungen des Klägers den Schluss zu ziehen, dass für die Vergangenheit eine unerkannte Prüfungsunfähigkeit bestanden habe. Es sei bedenklich, wenn Ärzte bzw. Psychologen nach einem einmaligen Kontakt, der zudem erst fünf Monate nach der Klausur vom 1. Februar 2018 stattgefunden habe, auf der Grundlage der Beschreibungen eines Prüflings nachträglich Diagnosen erstellten. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass es sehr leicht sei, über Internetrecherchen Informationen über die Symptome einer Depression zu erhalten und diese darzustellen. Ebenso wenig sei die Stellungnahme der Psychologischen Beratungsstelle für Studierende (PSB) vom 11. Juli 2018 geeignet, eine Prüfungsunfähigkeit zu belegen. Dieser komme die erforderliche Beweiskraft zum einen deshalb nicht zu, weil sie ebenfalls (nur) auf den subjektiven Schilderungen des Klägers beruhe. Zum anderen handele es sich um kein ärztliches Zeugnis im Sinne der Studienordnung, denn Frau Dr. K. sei Psychologin. Die Studienordnung verlange aber die Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses. Schließlich würden die eingereichten Bescheinigungen auch den Anforderungen der Unverzüglichkeit der Geltendmachung einer Prüfungsunfähigkeit nicht gerecht.

Der Kläger hat am 7. Dezember 2018 Klage erhoben. Zur Begründung hat er seinen Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren ergänzt und vertieft. Zudem hat er geltend gemacht, bei der Abschlussklausur vom 29. Juni 2018 sei es zu einem Verfahrensfehler gekommen. Etwa dreißig Sekunden vor Beginn der Prüfung sei verkündet worden, dass Toilettengänge nicht zulässig seien. Das habe ihn unzumutbar beeinträchtigt. Er habe, wie in seinem Härtefallantrag beschrieben, sofort nach der Klausur vom 29. Juni 2018 den Kontakt zu Angehörigen der Beklagten gesucht und am 6. Juli 2018 mit Frau O. gesprochen, die ihrerseits den Kontakt zu Prof. Dr. P. gesucht habe. Als Ergebnis sei ihm mitgeteilt worden, dass ein Rücktritt nicht mehr möglich sei.

Der Kläger hat außerdem eine weitere Stellungnahme der Psychosozialen Beratungsstelle des Studentenwerks B-Stadt vom 17. Dezember 2018 vorgelegt, wonach er an zwölf Einzelberatungsgesprächen mit dem Zweck der Krisenintervention teilgenommen habe. Eine weitere Psychotherapie zur Stabilisierung sei erforderlich. Der Kläger hat darüber hinaus eine weitere ausführliche Stellungnahme des Dr. N. vom 14. Januar 2019 vorgelegt. Der Arzt prüft in dieser Stellungnahme im Einzelnen die Kriterien, die die Diagnose einer Posttraumatischen Belastungsstörung rechtfertigen und bejaht das Vorliegen einer solchen beim Kläger im Prüfungszeitraum. Der Kläger sei nicht in der Lage gewesen, seine Prüfungsfähigkeit selbst zu beurteilen. Eine Simulation schließt Dr. N. aus.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Änderung ihrer Klausurbewertung für die 1. Wiederholungsklausur im "Praktikum der Biochemie" vom 1. Februar 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. November 2018 zu verpflichten, die vorstehende Wiederholungsklausur mit "bestanden" zu werten,

hilfsweise, die Beklagte unter Aufhebung ihrer Klausurbewertung für die 1. Wiederholungsklausur im "Praktikum der Biochemie" am 1. Februar 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. November 2018 zu verpflichten, über die Bewertung der vorstehend benannten Wiederholungsklausur unter Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden,

weiter hilfsweise, die Beklagte unter Aufhebung ihrer Klausurbewertung für die 1. Wiederholungsklausur im Fach "Praktikum der Biochemie" vom 1. Februar 2018 oder für die 2. Wiederholungsprüfung im Fach "Praktikum der Biochemie" vom 29. Juni 2018 - jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. November 2018 - zu verpflichten, ihn zu einer weiteren Wiederholungsprüfung im Fach "Praktikum der Biochemie" zuzulassen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat sie vorgetragen, spätestens als der Kläger durch den von ihm geschilderten Anruf seines Großvaters zwei Tage vor der am 29. Juni 2018 anstehenden Klausur derart "aus der Bahn geworfen" worden sei, habe sich ihm die Frage aufdrängen müssen, ob er prüfungsfähig sei. Auch seine eigene Beschreibung seines Zustandes während und unmittelbar nach der Klausur zeige, dass sich ihm spätestens zu diesem Zeitpunkt die Erkenntnis habe aufdrängen müssen, nicht prüfungsfähig gewesen zu sein. Noch vor Bekanntgabe des Klausurergebnisses hätte er daher seinen Rücktritt von der Prüfung erklären müssen. Stattdessen habe er erst am 5. Juli 2018 die Psychosoziale Beratungsstelle des Studentenwerks B-Stadt aufgesucht und sich erst am 24. Juli 2018 dem Amtsarzt vorgestellt. Am 3. August 2018 schließlich - und damit mehr als einen Monat nach der Klausur - habe der Kläger Dr. N. aufgesucht. Gemäß § 12 Abs. 1 Satz 7 der Anlage 1 zur Studienordnung 2017 müsse beim Rücktritt von einer zu erbringenden Prüfungsleistung, bei der es sich um den letzten Prüfungsversuch handele, ein ärztliches Attest vorgelegt werden. Das vom Kläger vorgelegte ärztliche Attest datiere vom 3. August 2018 und entspreche damit ebenso wenig dem Unverzüglichkeitserfordernis wie der Härtefallantrag vom 6. August 2018.

Es sei rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Studienordnung für Nachprüfungstermine eine Gleitklausel nicht mehr vorsehe. Die Studienordnung ermögliche eine Abmeldung von Klausuren ohne die Angabe von Gründen. Damit könnten die Studierenden nunmehr selbst entscheiden, an welcher Prüfung sie teilnehmen wollten. Bei der Nachprüfungsklausur, die vom Prinzip her für die Wiederholer der jeweiligen nicht bestandenen Abschlussklausur gedacht sei, entfalle die Gleitklausel, da die Klausur nur eine "Ausweichklausur" sei und von Studierenden ausgelassen werden könne. Zwar könnten auch Erstteilnehmer an einer Nachprüfungsklausur teilnehmen; sie müssten dann allerdings akzeptieren, dass keine Gleitklausel angewendet werde, weil dieser Klausurtermin für die Wiederholer vorgesehen sei. Mit dieser Regelung hätten sich auch die Studierenden und die Studienkommission einverstanden erklärt. Auch sei die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschl. v. 14.3.1989 - 1 BvR 1033/82 u.a. -, juris) zur Notwendigkeit einer relativen Bestehensregelung auf die Konstellation der Nachprüfungsklausuren in der Vorklinik nicht übertragbar. Der Stand der Erfahrung sowie der Testtheorie sei in den letzten 30 Jahren derart fortgeschritten, dass eine relative Bestehensgrenze nicht mehr erforderlich sei. Zudem hätten der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ausschließlich Fälle einer Abschlussprüfung zugrunde gelegen. Die hier maßgebliche vorklinische Prüfung beschränke sich indes auf ein einzelnes Fach und bedürfe daher eines solchen Korrektivs nicht. Abgesehen davon würden bei den Prüfungen für den Ersten und Zweiten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung als Referenzgruppe die Prüflinge aus dem gesamten Bundesgebiet herangezogen. Im Gegensatz hierzu könnten bei Nachprüfungsklausuren lediglich die an dieser Klausur teilnehmenden Studierenden als Vergleichsgruppe berücksichtigt werden. Je kleiner aber die Referenzgruppe sei, desto weniger Aussagekraft habe deren Durchschnittsergebnis für die sachgerechte Bewertung einer Klausur und desto größeren Schwankungen seien die aus diesem Personenkreis ermittelten Durchschnittsergebnisse ausgesetzt. Eine kleine Referenzgruppe bei Nachprüfungen könne daher nicht repräsentativ für die mögliche Höchstleistung oder für eine Normalleistung der Prüflinge sein. Auch sei zu fragen, ob die Gesundheit der Bevölkerung durch die relative Bestehensgrenze zu sehr vernachlässigt werde. Es dürfte nämlich nicht übersehen werden, dass mit einer relativen Bestehensgrenze gleichsam automatisch das für den Arztberuf notwendige Qualitätsniveau an das aktuelle Leistungsniveau der Studierenden gekoppelt werde. Schließlich habe der Kläger die Klausur vom 1. Februar 2018 auch unter Anwendung der relativen Bestehensregelung des § 11 Abs. 1 Satz 1 der Anlage 1 zur Studienordnung 2013 nicht bestanden.

Mit Urteil vom 17. Dezember 2019 hat das Verwaltungsgericht die Beklagte unter Aufhebung der Klausurbewertung in der ersten Wiederholungsprüfung im Fach "Praktikum der Biochemie" vom 1. Februar 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. November 2018 verpflichtet, den Kläger zu einem weiteren Wiederholungsversuch im Fach "Praktikum der Biochemie" zuzulassen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten, die am 1. Februar 2018 absolvierte Klausur im Fach "Praktikum der Biochemie" als bestanden zu bewerten. Die maßgebliche Bestehensgrenze habe bei 24 Punkten gelegen, die er nicht erreicht habe. Selbst wenn das Gericht zugunsten des Klägers unterstelle, dass auch die (vom Kläger unrichtig beantwortete und zudem beanstandete) Frage 18 zu eliminieren sei, ändere sich das gefundene Ergebnis nicht. Denn auch in diesem Fall läge die Bestehensgrenze bei (aufgerundet) 24 Punkten (60 Prozent von 39 Fragen = 23,4). Jedoch sei die Bewertung der Klausur vom 1. Februar 2018 fehlerhaft erfolgt, was (allerdings nur) zu einem Anspruch auf Einräumung einer weiteren Wiederholungsmöglichkeit führe, da der Bewertungsfehler nicht durch eine Neubewertung ausgeglichen werde könne. Bei der Klausur vom 1. Februar 2018 handele es sich um eine jeweils im Semester stattfindende Nachprüfung im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 4 der Anlage 1 zur Studienordnung 2017, bei der die Gleitklausel nicht angewendet werde. Damit sei für diese Klausur die absolute Bestehensgrenze von 60 Prozent der alleinige Bewertungsmaßstab gewesen. Zwar entspreche eine Bestehensgrenze von 60 Prozent den Maßstäben für die Bewertung von Leistungen im Rahmen der Ärztlichen Prüfung (vgl. § 14 Abs. 6 ÄAppO). Als alleiniger Bewertungsmaßstab sei eine absolute Bestehensgrenze im Hinblick auf Multiple-Choice-Prüfungen indes grundsätzlich nicht zulässig. Das gelte auch hier, weil für den Kläger nach Nichtbestehen der zweiten Wiederholungsprüfung die Erteilung des Leistungsnachweises und damit eine Zulassung zur Ärztlichen Prüfung endgültig ausgeschlossen sei. Insbesondere teile das Gericht nicht die Auffassung der Beklagten, eine andere Beurteilung sei gerechtfertigt, weil es sich bei der im jeweiligen Semester angebotenen Nachklausur lediglich um eine "Ausweichklausur" handele, die von Studierenden (nach Belieben) ausgelassen werden könne. Da der Beklagten bei der Gestaltung einer relativen Bestehensgrenze im Rahmen ihrer Satzungsautonomie ein Ermessensspielraum zur Verfügung stehe, könne das Gericht nicht von sich aus eine Neubewertung der Klausur unter Heranziehung einer von dem Gericht bestimmten Gleitklausel vornehmen bzw. die Beklagte zu einer entsprechenden Neubewertung verpflichten. Insbesondere könne insoweit nicht auf die frühere Regelung zur Gleitklausel in der Studienordnung 2013 zurückgegriffen werden.

Mit der von der Beklagten gegen das stattgebende Urteil beantragte und vom Senat zugelassenen Berufung trägt die Beklagte vor, eine Gleitklausel sei bei der streitgegenständlichen Nachklausur vom 1. Februar 2018 entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts entbehrlich. Das sei schon deshalb der Fall, weil bei jeder der 40 Fragen fünf Antwortmöglichkeiten vorgegeben worden seien, von denen jeweils nur eine Antwort zutreffend gewesen sei. Für jede richtige Antwort sei ein Punkt vergeben worden, ein Punktabzug für falsche Antworten oder nicht beantwortete Fragen sei nicht erfolgt. Damit habe es sich tatsächlich um eine Klausur gehandelt, deren Fragetechnik zutreffender mit Single-Choice (Einfachauswahl) zu beschreiben sei. In der Natur der Sache sei es begründet, dass sich der Schwierigkeitsgrad solcher Klausuren ungleich präziser steuern lasse als bei der Verwendung anderer Fragetechniken wie insbesondere solchen mit Multiple-Choice (Mehrfachauswahl). Der Wegfall der Gleitklausel bei Wiederholungsprüfungen sei zeitgleich mit einer Änderung der Studienordnung erfolgt, durch die die Studierenden die Möglichkeit erhalten hätten, Prüfungstermine weitgehend selbst zu bestimmen. Sie könnten jetzt selbst entscheiden, ob sie an einer Erstprüfung - mit der Möglichkeit, die Gleitklausel in Anspruch zu nehmen - oder an einem Nachprüfungstermin teilnähmen. Auch unter Geltung der 18-Monate-Frist hätten die Studierenden die in ihre Entscheidung gestellte Möglichkeit, an insgesamt drei Erstprüfungen sowie an drei Nachprüfungen teilzunehmen. Da bei ihr in der Fachrichtung Humanmedizin ein Studienbeginn sowohl im Sommer- als auch im Wintersemester möglich sei, würden die nachweispflichtigen Lehrveranstaltungen in jedem Semester angeboten. Die vom Verwaltungsgericht offen gelassene Frage, ob der Kläger einen Anspruch auf Einräumung einer weiteren Wiederholungsmöglichkeit habe, weil er bei seiner Teilnahme an der ersten oder zweiten Wiederholungsklausur unerkannt prüfungsunfähig gewesen sei, sei zu verneinen. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 19. Februar 2021 auf Bitte der damaligen Berichterstatterin eine Übersicht über die durchschnittlichen Ergebnisse der im vorklinischen Studienabschnitt gefertigten Klausuren in den Fächern Biochemie, Histologie II und Physiologie übersandt. Die Tabelle erfasst den Zeitraum vom Wintersemester 2015/2016 bis zum Wintersemester 2020/2021 und differenziert zwischen den Ergebnissen der Erstklausur und den Ergebnissen der jeweiligen Nachklausur. Wegen der Einzelheiten wird auf die Tabelle Bezug genommen (Gerichtsakte, Bl. 232).

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Göttingen - Einzelrichterin der 4. Kammer -vom 17. Dezember 2019 zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er vertieft sein Vorbringen aus dem Klageverfahren und hebt hervor, es stelle eine Ungleichbehandlung dar, wenn in einem Prüfungsdurchgang mit einer Gleitklausel und in einem anderen Prüfungsdurchgang ohne Gleitklausel gearbeitet werde. Das gelte umso mehr, als die Beklagte die Anmeldungen zu den Prüfungen nunmehr in das Belieben der Prüflinge stelle. Eine Ungleichbehandlung liege auch zu den Studierenden anderer Studiengänge vor, die dieselben Klausuren schrieben, bei denen aber die Gleitklausel auch in Nachprüfungsterminen zur Anwendung komme. Im Übrigen gehe er nach wie vor davon aus, dass die Bestehensgrenze für die Klausur vom 1. Februar 2018 unzutreffend ermittelt sei, weil die Frage 18 in der Klausurversion B zu eliminieren sei. Der Kläger rügt außerdem, dass die Ergebnisse dieser Klausur entgegen der Prüfungsordnung innerhalb von 24 Stunden veröffentlicht worden seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Beklagten gegen das stattgebende Urteil des Verwaltungsgerichts hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hätte die Klage insgesamt abweisen müssen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf einen weiteren Wiederholungsversuch der Klausur im Fach "Praktikum der Biochemie" (vgl. § 113 Abs. 5 VwGO).

I. Der Senat hat im Berufungsverfahren nur noch die Frage zu entscheiden, ob dem Kläger hinsichtlich der Klausur im Fach "Praktikum der Biochemie" ein weiterer Wiederholungsversuch zusteht. Dieses Begehren entspricht dem erstinstanzlich gestellten zweiten Hilfsantrag, dem das Verwaltungsgericht stattgegeben hat. Soweit der Kläger mit dem Hauptantrag und dem ersten Hilfsantrag erreichen wollte, dass die Klausur vom 1. Februar 2018 für bestanden erklärt bzw. neu bewertet werden sollte, hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Dagegen hat der Kläger kein Rechtsmittel eingelegt. Allein in seinem Vortrag im Berufungsverfahren wendet er sich weiterhin gegen die Zulässigkeit der Frage 18 in der Klausur vom 1. Februar 2018 und macht damit der Sache nach einen Anspruch auf Neubewertung der Prüfung geltend. Selbst wenn davon ausgegangen wird, dass der Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits - der allgemeine Prüfungsanspruch des Klägers - nicht teilbar ist und mithin umfänglich beim Senat anhängig geworden ist (vgl. HambOVG, Urt. v. 27.7.2017 - 3 Bf 128/15 -, juris Rn. 42 ff.; VGH BW, Beschl. v. 19.9.2000 - 9 S 1607/00 -, juris Rn. 5), kann der Senat dem Begehren auf Neubewertung der Klausur im Berufungsverfahren nicht entsprechen. Dem steht das in § 129 VwGO zum Ausdruck kommende Verbot der reformatio in peius entgegen. Nach dieser Regelung darf das Urteil des Verwaltungsgerichts nur soweit geändert werden, als eine Änderung beantragt ist (ebenso HambOVG, Urt. v. 27.7.2017 - 3 Bf 128/15 -, juris Rn. 45).

Unabhängig davon teilt der Senat die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass der Kläger selbst bei einer - zu seinen Gunsten vorgenommenen - Eliminierung der von ihm beanstandeten und unrichtig beantworteten Frage 18 die Bestehensgrenze weiterhin nicht erreicht hätte.

II. Der geltend gemachte Anspruch auf Zulassung zu einer Wiederholungsprüfung im Fach "Praktikum der Biochemie" besteht nicht. Der Kläger hat die nach § 5 Abs. 5 Sätze 1 und 2 der Anlage 1 zur Studienordnung 2017 vorgesehenen beiden Wiederholungsprüfungen nicht bestanden und muss diese Prüfungsentscheidungen auch gegen sich gelten lassen. Das Verwaltungsgericht geht zwar zutreffend davon aus, dass es sich bei der Klausur im Fach "Praktikum der Biochemie" vom 1. Februar 2018 um eine Nachprüfung im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 4 der Anlage 1 zur Studienordnung 2017 handelte, bei der die Gleitklausel nicht angewendet wurde. Dies führt jedoch - anders als das Verwaltungsgericht meint - nicht zu einem Bewertungsfehler, der ausnahmsweise nur durch die Gewährung einer Wiederholungsmöglichkeit kompensiert werden kann (hierzu unter 1.). Der Kläger ist zudem nicht wirksam von den Prüfungen vom 1. Februar 2018 und vom 29. Juni 2018 zurückgetreten (hierzu unter 2.). Auch ein vom Kläger gerügter Verfahrensfehler liegt bezogen auf die Prüfung vom 29. Juni 2018 nicht vor (hierzu unter 3.).

1. Die Regelung in § 11 Abs. 1 Satz 4 der Anlage 1 zur Studienordnung 2017, auf deren Grundlage die Beklagte die Bewertung der Klausur vom 1. Februar 2018 ohne Anwendung der Gleitklausel allein nach Maßgabe einer absoluten Bestehensgrenze vorgenommen hat, unterliegt keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

a) Der Senat teilt allerdings nicht die Auffassung der Beklagten, dass es zwischenzeitlich jedenfalls bei hochschulinternen Prüfungen nicht mehr erforderlich sei, eine relative Bestehensgrenze bei Prüfungen nach dem Antwort-Wahl-Verfahren vorzusehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschl. v. 14.3.1989 - 1 BvR 1033/82 u.a. -, juris Rn. 75) ist grundsätzlich bei Prüfungen mit Antwort-Wahl-Verfahren die Bestehensgrenze im Zusammenhang mit dem Schwierigkeitsgrad der Prüfung zu bestimmen. Die Eigenheiten des Antwort-Wahl-Verfahrens zeigten, dass die Bestehensgrenze sich nicht allein aus einem Vomhundertsatz der geforderten Antworten ergeben dürfe, sondern in einem Verhältnis zu einer möglichen Höchstleistung oder zu einer Normalleistung stehen müsse. Da die Prüfungsleistung lediglich in einem Ankreuzen der für richtig gehaltenen Antwort(en) bestehe, komme nach Abschluss der Prüfungen nur noch eine rein rechnerische Auswertung in Betracht, die keinen Raum für eine wertende Beurteilung lasse. Für das Antwort-Wahl-Verfahren sei daher von besonderer Bedeutung, wie die Voraussetzungen geregelt seien, die über Erfolg oder Misserfolg der Prüfung entschieden. Es müsse generell und abstrakt geregelt werden, wie viele richtige Antworten mindestens zu fordern seien. Welcher Anteil der Fragen richtig beantwortet werden könne, hänge aber nicht nur von den Kenntnissen eines Kandidaten, sondern auch von der Zahl der Aufgaben und der dafür zugestandenen Zeit ab. Maßgebend sei ferner die Art der Fragestellung. Der Zeitaufwand für jede einzelne Frage sei im Antwort-Wahl-Verfahren nicht konstant; auch ein Kandidat, der das erforderliche Wissen vollkommen beherrsche, benötige je nach dem Typ der Aufgabe verhältnismäßig viel oder wenig Zeit, um die richtigen Antworten ankreuzen zu können. Ein Vergleich der verschiedenen denkbaren Aufgabentypen zeige, dass sie sich in der Schwierigkeit ihres formalen Verständnisses und der Zahl der erforderlichen Gedankenschritte erheblich unterschieden, sodass es auch von ihrem Anteil am Gesamtbestand der Aufgaben abhänge, welcher Prozentsatz der Fragen eines Prüfungstermins bestenfalls beantwortet werden könne. Weitere Faktoren, von denen der Schwierigkeitsgrad und damit die erreichbare Höchstleistung abhänge, seien beispielsweise der Anteil an sogenannten "Altfragen" und die Ausgestaltung der Aufgabenhefte. Die Festlegung einer Bestehensgrenze sei angesichts dessen nicht ohne Rücksicht auf einen vorgestellten Schwierigkeitsgrad möglich. Gleichgültig, ob ein großzügiger oder ein strenger Maßstab gewählt werden solle, stets sei ein Bezugspunkt erforderlich, der sich aus den erwarteten Leistungen ergebe und damit von der Schwierigkeit der jeweiligen Prüfung abhänge. Da es um eine generelle Regelung gehe, müsse auch der maßgebende Schwierigkeitsgrad generalisierend konzipiert sein. Das Bundesverfassungsgericht geht, vereinfacht ausgedrückt, mithin davon aus, dass sich ein einheitlicher Schwierigkeitsgrad für alle Prüfungen dieser Art nicht unterstellen lässt, weshalb die Festlegung einer allein maßgeblichen generalisierenden Bestehensquote nicht in Betracht kommt.

Diese Maßgaben beanspruchen entgegen der Auffassung der Beklagten im Grundsatz weiterhin Geltung. Sie sind insbesondere nicht aufgrund der inzwischen gewonnenen Erfahrungen mit dem Antwort-Wahl-Verfahren gegenstandslos geworden. Bei Prüfungen ohne Antwort-Wahl-Verfahren kann Schwankungen im Schwierigkeitsgrad durch ein nachträgliches Festlegen von Bestehensquoten oder durch eine Anpassung des bei der Korrektur anzulegenden Maßstabes Rechnung getragen werden. Das ist bei Prüfungen mit Antwort-Wahl-Verfahren nicht möglich, weil hier - wie auch bei der Beklagten - die Bestehensquoten vorab abstrakt rechtlich geregelt werden. Eine abstrakte Regelung, die lediglich eine im Vorhinein festgelegte absolute Bestehensquote ausweist, stellt die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Verbindung zum Schwierigkeitsgrad der Prüfung aber (nach wie vor) nicht her, da die Regelung für eine Vielzahl unterschiedlicher Prüfungen Geltung entfaltet, bei denen eine Ausgleichsmöglichkeit in Bezug auf den Schwierigkeitsgrad nachträglich nicht besteht. Dieses Defizit lässt sich auch nicht durch inzwischen gewonnene Erfahrungen mit den Eigenarten des Antwort-Wahl-Verfahrens ausgleichen. Denn auch in Anbetracht dieser Erfahrungen wird es nicht gelingen, den Schwierigkeitsgrad sämtlicher Klausuren zuverlässig einzuschätzen, Fehler zu vermeiden und ein gleichmäßiges Anforderungsniveau sicherzustellen. Das gilt umso mehr, wenn für die Erstellung der Fragebögen nicht - wie in dem vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Verfahren - das Institut für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen (IMPP) verantwortlich ist, das inzwischen zweifellos über einen großen Erfahrungsschatz auf diesem Gebiet verfügt, sondern - wie bei der Beklagten - einzelne Hochschullehrer. Dabei folgt der Senat dem Verwaltungsgericht in seiner Auffassung, dass die Hochschulen bei Erfolgskontrollen, bei denen Studierende - wie bei dem "Praktikum der Biochemie" - im Fall des endgültigen Misserfolges von der Zulassung zu anderen Prüfungen und damit von der Fortsetzung ihres Studiums ausgeschlossen werden, an die vom Bundesverfassungsgericht formulierten verfassungsrechtlichen Vorgaben gebunden sind (vgl. auch OVG RP, Beschl. v. 19.1.2009 - 10 B 11244/08 -, juris Rn. 10 m.w.N.).

b) Anders als die Beklagte meint, gelten auch nicht etwa deshalb andere Anforderungen, weil es sich bei der Klausur vom 1. Februar 2018 um eine sogenannte Single-Choice-Klausur handelt. Unabhängig davon, dass die hier zu prüfende Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 4 der Anlage 1 zur Studienordnung 2017 eine Beschränkung auf Single-Choice Klausuren gerade nicht enthält, bleibt es auch bei der Single-Choice-Klausur dabei, dass es sich um ein Antwort-Wahl-Verfahren mit einer vorher abstrakt festgelegten Bestehensquote handelt. Dementsprechend hat auch das Bundesverfassungsgericht derartige Fallgestaltungen in seiner oben zitierten Entscheidung ausdrücklich in den Blick genommen, sie aber lediglich als eine besondere Ausgestaltung des Antwort-Wahl-Verfahrens benannt (vgl. Beschl. v. 14.3.1989 - 1 BvR 1033/82 u.a. -, juris Rn. 74).

c) Der Senat geht allerdings davon aus, dass § 11 Abs. 1 Satz 4 der Anlage 1 zur Studienordnung 2017 ungeachtet dessen vorsehen durfte, dass am jeweils im Semester stattfindenden Nachprüfungstermin die Gleitklausel nicht anzuwenden ist. Die damit getroffene Regelung einer lediglich absoluten Bestehensgrenze für eine Erfolgskontrolle, welche zum einen der Feststellung der im "Praktikum der Biochemie" erworbenen Kenntnisse und zum anderen der Vorbereitung der schriftlichen Prüfung im Ersten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung dient, bewegt sich im Rahmen der der Beklagten nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG aufgrund ihrer Autonomie zustehenden Gestaltungsfreiheit, ist nicht willkürlich im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG und auch nicht unverhältnismäßig im Sinne des Art. 12 Abs. 1 GG.

Im Einzelnen:

Der Beklagten steht im Rahmen der nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geschützten Hochschulautonomie hinsichtlich der Voraussetzungen und der Ausgestaltung von Prüfungen ein weiter Gestaltungsspielraum zu (vgl. dazu BVerfG, Kammerbeschl. v. 26.6.2015 - 1 BvR 2218/13 -, juris Rn. 25, sowie Senatsbeschl. v. 24.5.2019 - 2 ME 360/19 -, juris Rn. 18). Dieser Gestaltungsspielraum berechtigt die Beklagte, bei Nachprüfungen im Wahl-Antwort-Verfahren aus sachlichen Gründen ausschließlich eine absolute Bestehensgrenze vorzusehen, sofern die jeweilige Bestimmung dadurch nicht zu einem unzumutbaren Hindernis auf dem Weg zur Erlangung des ärztlichen Berufes wird. Diesen Anforderungen hat die Beklagte genügt.

Der Senat teilt die Auffassung der Beklagten, dass es sachliche Gründe dafür gibt, bei universitätsinternen Nachprüfungen auf eine relative Bestehensgrenze zu verzichten. Dabei verkennt der Senat nicht, dass die Frage nach der Erforderlichkeit einer relativen Bestehensgrenze nach den obigen rechtlichen Maßgaben im Ansatz unabhängig davon zu beantworten ist, ob es sich um eine Erstprüfung oder um eine Wiederholungsprüfung handelt. Denn die Prüfungsaufgaben des Antwort-Wahl-Verfahrens unterscheiden sich in einer Erstprüfung und in einer Nachprüfung als solche nicht. Die Beklagte weist allerdings zu Recht darauf hin, dass die Nachprüfungstermine im Vergleich zu den Semesterabschlussklausuren im Hinblick auf das Teilnehmerfeld deutliche Unterschiede aufweisen. Sie macht geltend, an den Nachprüfungsterminen nähmen vorrangig die Prüflinge teil, die die Klausur bereits (mindestens) einmal nicht bestanden hätten. Die Referenzgruppe für die Bildung einer relativen Bestehensgrenze sei deshalb zum einen deutlich kleiner und zum anderen seien die Ergebnisse der Prüflinge im Mittel deutlich schlechter als bei einer Erstklausur. Je kleiner eine Referenzgruppe sei, desto weniger Aussagekraft habe deren Durchschnittsergebnis für die sachgerechte Bewertung einer Klausur und desto größeren Schwankungen seien die aus diesem Personenkreis ermittelten Durchschnittsergebnisse ausgesetzt. Eine dergestalt kleine Referenzgruppe, wie sie in den hier in Rede stehenden Nachprüfungen vorzufinden sei, könne nicht repräsentativ für die mögliche Höchstleistung oder für eine Normalleistung der Prüflinge sein. Bei den Prüfungen für den Ersten und Zweiten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung - allein hierzu verhalte sich die grundlegende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1989 - würden als Referenzgruppe die Prüflinge aus dem gesamten Bundesgebiet herangezogen. Insofern erreiche diese Referenzgruppe auch bei Wiederholungsprüfungen immer noch eine beachtliche Größe. Bei den universitären Nachprüfungsklausuren könnten dagegen lediglich die wenigen an dieser Klausur teilnehmenden Studierenden als Vergleichsgruppe berücksichtigt werden. Durch die Anwendung einer Gleitklausel bei Nachprüfungsklausuren werde das Leistungsniveau mithin deutlich abgesenkt und die Teilnehmer dieser Klausuren könnten damit mit deutlich geringerem Durchschnitt noch eine Prüfung bestehen als die Teilnehmer an den Erstprüfungen. Zudem unterliege die Bestehensgrenze bei den Nachprüfungen erheblichen Schwankungen. Dies begegne Bedenken im Hinblick auf die Prüfungsgerechtigkeit. Überdies sei im Blick zu behalten, dass die Gesundheit der Bevölkerung als ein besonders wichtiges Gemeinschaftsgut nach den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts bei Ärzten strenge fachliche Maßstäbe und sogar einen gewissen "Überschuss" an Ausbildungs- und Prüfungsanforderungen rechtfertige (vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.3.1989 - 1 BvR 1033/82 -, juris Rn. 36). Durch die relative Bestehensgrenze bei Nachprüfungen werde diesem Anliegen möglicherweise nicht mehr hinreichend Rechnung getragen (vgl. hierzu Fischer, in: Fischer/Jeremias/Dieterich, Prüfungsrecht, 8. Aufl. 2022, Rn. 602).

Die Beklagte hat auf Aufforderung des Senats mit Schriftsatz vom 19. Februar 2021 eine Übersicht vorgelegt, die für den Zeitraum Wintersemester 2015/16 bis einschließlich Wintersemester 2020/21 für drei Fächer die Bestehensquoten vor und nach Anwendung der Gleitklausel der Erst- und der Wiederholungsklausuren aufschlüsselt. Hieraus ist zum einen ersichtlich, dass die Teilnehmerzahl der Wiederholungsklausuren immer deutlich geringer ist als bei den Erstklausuren. Zudem fallen die Wiederholungsklausuren stets schlechter aus, teilweise sogar deutlich schlechter, sodass es zu einer gegenüber den Erstklausuren vergleichsweise häufigen Anwendung der sogenannten Ankerklausel (vgl. hierzu Senatsurt. v. 14.11.2018 - 2 LB 50/17 -, juris) kam. Wegen der Einzelheiten wird auf die Übersicht Bezug genommen (Gerichtsakte, Bl. 232).

Angesichts dessen ist es nachvollziehbar, dass sich die Anwendung der Gleitklausel aufgrund der geringen Teilnehmerzahl und des teilweise deutlich niedrigeren Leistungsniveaus in Wiederholungsklausuren als schwierig und wenig praktikabel erweist. Es ist aufgrund des Teilnehmerfeldes sehr wahrscheinlich, dass der Durchschnitt der Prüfungsleistungen der Nachprüflinge die "mögliche Höchstleistung/Normalleistung" nicht richtig wiederspiegelt. Da die Referenzgruppe bei Nachklausuren schon als solche sehr klein ist, ist es auch plausibel, dass die Beklagte es für untauglich hält, bei der Ermittlung einer relativen Bestehensgrenze korrigierend ausschließlich auf das Teilnehmerfeld der Erstteilnehmer abzustellen (vgl. hierzu etwa die Regelung in § 14 Abs. 6 der Approbationsordnung für Ärzte), denn dadurch würde die ohnehin wenig repräsentative Größe der Referenzgruppe noch weiter verringert. Ebenso zeigt sich, dass eine Wiederholungsklausur bei Anwendung der Gleitklausel wegen des deutlich geringeren Leistungsniveaus leichter bestanden werden kann als eine Erstklausur, was mit Blick auf das prüfungsrechtliche Gebot der Chancengleichheit bedenklich sein könnte.

Allerdings hatte die Beklagte in der Vorgängerregelung zu § 11 Abs. 1 der Anlage 1 zur Studienordnung 2017, nämlich in § 10 der Anlage 1 zur Studienordnung 2013 (Amtliche Mitteilungen 2013, Bl. 1738) noch eine je nach den Umständen modifizierte relative Bestehensgrenze bei Nachprüfungen vorgesehen. Danach galt eine Kombination aus einer angepassten Bestehensgrenze - Absenkung des maßgeblichen Prozentsatzes, nach dem die relative Bestehensgrenze ermittelt wird - und einer Ankerklausel, soweit an der Wiederholungsklausur nicht mehr als 15 Prozent Erstteilnehmerinnen und Erstteilnehmer teilnahmen. Dieses Modell hat der Senat ausdrücklich gebilligt (vgl. Senatsbeschl. v. 20.7.2016 - 2 ME 90/16 -, juris Rn. 23; Senatsurt. v. 14.11.2018 - 2 LB 50/17 -, juris Rn. 49). Derartige Regelungen, bei denen die Ermittlung der relativen Bestehensgrenze modifiziert wird, um dem Umstand der kleineren Referenzgruppe und des niedrigeren Leistungsniveaus Rechnung zu tragen, sind in den Prüfungsordnungen vieler Hochschulen enthalten; eine einheitliche Linie, wie mit den sich in diesem Zusammenhang stellenden Fragen umzugehen ist, hat sich jedoch bei den Hochschulen bislang soweit ersichtlich nicht herausgebildet (so bereits HessVGH, Urt. v. 20.12.2016 - 10 C 1620/15.N -, juris Rn. 43 ff.; vgl. auch im Einzelnen OVG LSA, Urt. v. 23.7.2014 - 3 L 243/13 -, juris Rn. 36 ff.).

Der Beklagten ist indessen zuzugestehen, dass angesichts der dargestellten Besonderheiten der Referenzgruppe bei Nachprüfungen Zweifel angebracht sind, ob eine solche relative Bestehensregel - sei sie auch modifiziert - noch den Zweck erreichen kann, durch den Vergleich mit einer zahlenmäßig relevanten Gruppe potentiell besonders motivierter und leistungsstarker Kommilitonen diejenigen Studierenden zu identifizieren, die für die Ausübung des Arztberufes nicht geeignet sind (vgl. zu diesem Gesichtspunkt VG Magdeburg, Beschl. v. 14.12.2023 - 7 A 350/21 MD -, juris Rn. 100). Diese Erwägung sowie die dargestellten praktischen Schwierigkeiten bei der Ermittlung der relativen Bestehensgrenze stellen aus Sicht des Senats sachliche Gründe dar, in Nachprüfungsterminen in Gänze von einer solchen abzusehen. Rn. Rn. Erhöht die Beklagte damit die Risiken für Studierende, ein Studium nicht erfolgreich abschließen zu können, ist dies grundsätzlich Teil ihrer Entscheidung in wissenschaftsrelevanten Angelegenheiten, wenn diese - wie hier - sachlich nachvollziehbar auf den Zweck ausgerichtet sind, die für Arztberuf ungeeigneten Kandidatinnen und Kandidaten zu ermitteln (vgl. BVerfG, Kammerbeschl. v. 26.6.2015 - 1 BvR 2218/13 -, juris Rn. 26, BVerwG, Beschl. v. 27.8.1987 - 7 B 31.87 -, juris Rn. 11 f.). Aufgrund dieser Erwägungen liegt auch kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor, wenn die Beklagte für die Semesterabschlussprüfung und die Nachprüfung unterschiedliche Bestehensgrenzen vorsieht. Hinsichtlich der von dem Kläger außerdem thematisierten Ungleichbehandlung zu Studierenden anderer Studiengänge ist schon nicht ersichtlich, warum es sich insoweit um vergleichbare Sachverhalte handeln soll.

Dass diese Bestehensregelung für Nachprüfungen kein unzumutbares Hindernis auf dem Weg zur Erlangung des ärztlichen Berufes darstellt und mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar ist, folgt aus Sicht des Senats bereits daraus, dass es Studierenden freisteht, ob sie an der Nachprüfung oder an der regulären Abschlussklausur im Folgesemester teilnehmen, bei der wiederum eine relative Bestehensgrenze gilt (vgl. OVG LSA, Urt. v. 23.7.2014 - 3 L 243/13 -, juris Rn. 32; VG München, § § Urt. v. 9.12.2012 - M 3 K 11.1305 -, juris Rn. 21; VG Hamburg, Urt. v. 7.6.2022 - 2 K 2970/19 -, juris Rn. 83; offen gelassen von VG Magdeburg, Beschl. v. 14.12.2023 - 7 A 350/21 MD -, juris Rn. 104). Die Studierenden haben an der Beklagten damit innerhalb einer 18-Monats-Frist (§ 3 Abs. 6 Satz 1 der Anlage 1 zur Studienordnung 2017) die Möglichkeit, an drei Klausuren teilzunehmen, bei denen eine relative Bestehensgrenze gilt. Damit etwaig verbundene zeitliche Verzögerungen, die ohnehin in den wenigsten Fällen zugleich zu einer Verzögerung des Studienabschlusses führen dürften, stellen angesichts der dargestellten, von der Beklagten mit der Regelung verfolgten legitimen Interessen keine unverhältnismäßige Beeinträchtigung dar.

2. Einen Anspruch auf einen weiteren Prüfungsversuch kann der Kläger auch nicht aus den für die Klausuren vom 1. Februar 2018 und vom 29. Juni 2018 nachträglich abgegebenen Rücktrittserklärungen herleiten. Der Kläger ist nicht wirksam von den Klausuren zurückgetreten. Er kann sich bei beiden Klausurterminen nicht auf eine verdeckte Prüfungsunfähigkeit berufen, denn ihm war sein gesundheitlicher Zustand bewusst und er hatte dessen Auswirkungen auf seine Leistungsfähigkeit im Sinne einer "Parallelwertung in der Laiensphäre" erfasst (hierzu unter a.). Unabhängig davon sind die überreichten Atteste und Bescheinigungen nicht geeignet, um eine (verdeckte) Prüfungsunfähigkeit nachzuweisen (hierzu unter b.).

a. Gemäß § 12 Abs. 1 Sätze 2 bis 7 der Anlage 1 zur Studienordnung 2017 hat die Studierende oder der Studierende bei begründetem Fernbleiben von einem Prüfungstermin die Gründe für das Fernbleiben nachzuweisen und den Rücktritt von der Prüfung unverzüglich anzuzeigen. Der Nachweis zwingender Gründe ist über ein offizielles Dokument zu führen und unverzüglich im Studiendekanat vorzulegen. Bei Erkrankung ist der vorgenannte Nachweis durch eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung unter Angabe der voraussichtlichen Dauer der Erkrankung zu belegen. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist unverzüglich zunächst in Textform (z.B. Scan) zu übermitteln; das Original ist unaufgefordert innerhalb von 5 Werktagen nachzureichen, ansonsten gilt der Nachweis als nicht erbracht. Bei wiederholtem Rücktritt aufgrund einer Erkrankung oder beim Rücktritt von einer zu erbringenden Prüfungsleistung, bei der es sich um den letzten Prüfungsversuch handelt oder bei lang andauernder Erkrankung ist ein ärztliches Attest vorzulegen, das den auf der Homepage des Studiendekanats veröffentlichten Vorgaben entsprechen muss. Diesen Anforderungen an den Nachweis der Prüfungsunfähigkeit sowie an die Unverzüglichkeit der Geltendmachung muss - in entsprechender Anwendung - auch derjenige genügen, der wegen verdeckter Prüfungsunfähigkeit nachträglich den Rücktritt von einer Prüfung erklärt, obgleich es in einem solchen Fall nicht um das Fernbleiben von der Prüfung geht. Denn mit dem Begehren der Zulassung zur erneuten Wiederholungsprüfung strebt der Prüfling in der Sache letztlich an, so behandelt zu werden, als wäre er zu der Wiederholungsprüfung wegen Prüfungsunfähigkeit nicht erschienen (vgl. Senatsbeschl. v. 13.9.2018 - 2 LA 1087/17 -, juris Rn. 23).

Ein nachträglicher Rücktritt von den Klausuren vom 1. Februar 2018 und vom 29. Juni 2018 war bereits deshalb ausgeschlossen, weil sich der Kläger - ausgehend von seinem eigenen Vorbringen - den Prüfungen unterzogen hat, obgleich ihm eine erhebliche krankheitsbedingte Einschränkung seiner Leistungsfähigkeit bewusst war.

Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. BVerwG, Urt. v. 7.10.1988 - 7 C 8.88 -, juris Rn. 11) berührt der auf eine Prüfungsunfähigkeit gestützte Rücktritt von einer Prüfung den das gesamte Prüfungsrecht beherrschenden, verfassungsrechtlich gewährleisteten Grundsatz der Chancengleichheit in zwei Richtungen. Wird die Rücktrittsmöglichkeit ausgeschlossen, kann das zur Folge haben, dass dem Prüfling gleichheitswidrig die Chance genommen wird, seine Leistungsfähigkeit, die in der Prüfung festgestellt werden soll, unter Beweis zu stellen. Denn wenn der Prüfling während der Prüfung einer außergewöhnlichen, erheblichen Beeinträchtigung seines Leistungsvermögens ausgesetzt war, zeichnet das Prüfungsergebnis kein zutreffendes Bild von seiner tatsächlichen Leistungsfähigkeit. Wird die Möglichkeit des Rücktritts hingegen zu weit eröffnet, besteht die Gefahr, dass der Prüfling seine Chancen gegenüber seinen Mitprüflingen gleichheitswidrig verbessert, indem er sich eine ihm nicht zustehende weitere Prüfungschance verschafft. Eine den Grundsatz der Chancengleichheit zu Lasten der Mitbewerber verletzende zusätzliche Prüfungschance verschafft sich dabei nicht nur der Prüfling, dem es gelingt, durch eine nachträglich vorgetäuschte Prüfungsunfähigkeit die Genehmigung des Rücktritts zu erreichen, sondern auch der Prüfling, der tatsächlich prüfungsunfähig ist, sich aber in Kenntnis seines Zustandes der Prüfung unterzieht, um sich im Falle des Misserfolgs durch einen nachträglichen Rücktritt den Rechtswirkungen einer fehlgeschlagenen Prüfung zu entziehen. Den genannten Gefahren für die Chancengleichheit wird entgegengewirkt, indem eine nachträglich geltend gemachte Prüfungsunfähigkeit zwar als Rücktrittsgrund nicht von vornherein ausgeschlossen, an die Geltendmachung des Rücktritts aber insbesondere die Anforderung der Unverzüglichkeit gestellt wird. Der nachträgliche Rücktritt von einer berufsbezogenen Prüfung wegen krankheitsbedingter Prüfungsunfähigkeit setzt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts voraus, dass der Prüfling aufgrund einer vorübergehenden krankheitsbedingten Beeinträchtigung seines physischen oder psychischen Zustandes nicht in der Lage gewesen ist, in der Prüfung seine individuelle Leistungsfähigkeit zu zeigen und er diese Beeinträchtigung während der Prüfung nicht erkennen konnte (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.02.2021 - 6 C 1.20 - juris, Rn. 18 m.w.N.). Nicht erfasst sind Beeinträchtigungen der individuellen Leistungsfähigkeit aufgrund von Prüfungsstress und Examenspsychosen, da sie ihre Ursache in der Persönlichkeit des Prüflings haben, dem allgemeinen Lebensrisiko bzw. dem Risikobereich des Prüflings zugerechnet werden und die Folgen derartiger Beeinträchtigungen für die Prüfungsleistungen nicht quantifizierbar sind (vgl. z.B. BVerwG, Beschl. v. 28.11.1980 - 7 C 54.78 -, juris Rn.17; Beschl. v. 3.7.1995 - 6 B 34.95 -, juris Rn. 7 und Urt. v. 24.2.2021 - 6 C 1.20 -, juris Rn. 18).

Ist der nachträgliche Rücktritt wegen Prüfungsunfähigkeit "unverzüglich" geltend zu machen, bedeutet dies - wie auch sonst nach § 121 BGB -, dass der Rücktritt durch den Prüfling ohne schuldhaftes Zögern vorzubringen ist. Eine entsprechende Geltendmachung kann von dem Prüfling indes nur im Rahmen des ihm Zumutbaren verlangt werden; er verletzt seine Pflicht zur unverzüglichen Geltendmachung nur, wenn er ihr hätte nachkommen können und müssen. Die Verletzung muss ihm also - im Sinne eines "Verschuldens gegen sich selbst" - vorwerfbar sein (vgl. BVerwG, Urt. v. 7.10.1988 - 7 C 8.88 -, juris Rn. 13). Die Mitwirkungslast endet an der Grenze der Zumutbarkeit; eine Rücktrittserklärung ist hiernach nur dann nicht mehr unverzüglich, wenn sie nicht zu dem frühestmöglichen Zeitpunkt erfolgt, zu dem sie vom Prüfling in zumutbarer Weise hätte erwartet werden können.

Die Frist für eine unverzügliche Geltendmachung läuft dabei nicht erst mit der positiven Kenntnis des Prüflings von seiner Prüfungsunfähigkeit, sondern bereits dann, wenn ihm sein gesundheitlicher Zustand, speziell seine gesundheitlichen Beschwerden in den wesentlichen Merkmalen bewusst sind und er die Auswirkungen seines gesundheitlichen Zustandes auf seine Leistungsfähigkeit im Sinne einer "Parallelwertung in der Laiensphäre" erfasst (vgl. Jeremias, in: Fischer/Jeremias/Dietrich, Prüfungsrecht, 8. Aufl. 2022, Rn. 288 m.w.N.; BVerwG, Beschl. v. 22.9.1993 - 6 B 36.93 -, juris Rn. 4 und Urt. v. 7.10.1988 - 7 C 8.88 -, juris Rn. 12). Zwischen dem Erkennen der eigenen krankheitsbedingten Einschränkung der Leistungsfähigkeit, das die Erklärungs- und Nachweispflicht des Prüflings auslöst und dem Bestehen einer wirklichen "Prüfungsunfähigkeit" sind innere Zusammenhänge gegeben. Wer keine erhebliche Verminderung seines Leistungsvermögens bemerkt, ist in der Regel auch nicht prüfungsunfähig. Selbst Krankheiten, seien sie offen oder latent, führen keine Prüfungsunfähigkeit herbei, solange sie das Leistungsvermögen nicht oder nur unerheblich beeinträchtigen (BVerwG, Beschl. v. 14.6.1983 - 7 B 107.82 -, juris Rn. 7).

Bemerkt der Prüfling eine erhebliche Verminderung seines Leistungsvermögens, so kann er sich zudem nicht auf eine "unerkannte" Prüfungsunfähigkeit berufen. Ob er seinen Zustand begrifflich als Prüfungsunfähigkeit erfasst, ist dabei unerheblich. Er handelt auf eigenes Risiko, wenn er sich trotz seines Zustandes der Prüfung unterzieht (st. Rspr., vgl. BVerwG, Beschl. v. 17.1.1984 - 7 B 29.83 -, juris Rn. 6 und Beschl. v. 22.9.1993 - 6 B 36.93 -, juris Rn. 4).

So liegt der Fall hier. Ausweislich der Ausführungen in seinem Härtefallantrag vom 6. August 2018 war dem Kläger sein Gesundheitszustand bereits vor der Klausur am 1. Februar 2018 bewusst. Hier beschreibt der Kläger eingehend die Folgen, die die Eröffnung seiner Mutter am 22. Dezember 2017, dass sein Großvater diese sexuell missbraucht habe, auf ihn hatte. Er führt aus:

"Mich persönlich überforderte diese Info und Situation komplett. Der nächste Tag und der damit verbundene Geburtstag wurden zelebriert wie gewöhnlich. Als sei nichts passiert oder erwähnt worden. Den Rest des Jahres beschäftigte ich mich mit dem Strafrecht und was man in solchen Fällen unternehmen kann bzw. wie man dieser Situation begegnen könnte. Ich musste aber meine Mutter erstmal so zurücklassen und bin am 02.01.2018 nach B-Stadt zurückgekehrt. In der Folgezeit bin ich immer weiter in das Grübeln verfallen und habe mich persönlich immer weiter sozial zurückgezogen und hatte Konzentrations- sowie Schlafschwierigkeiten. Meine erste Biochemie-Klausur am 19.01.18 habe ich daraufhin nicht gepackt, um aber mein Physikum nicht zu gefährden und weiterhin in der Regelstudienzeit zu bleiben, habe ich mich zur Nachklausur am 01.02.2018 angemeldet. Die dazwischen liegenden Tage habe ich mich mehr oder weniger zu Hause verkrochen und habe versucht zu lernen. Bis dahin habe und konnte ich mich niemanden anvertrauen und meine damalige Beziehung ging in die Brüche. Mit diesem Scheitern im ersten Versuch der Biochemie, der gescheiterten und verlorenen Beziehung und dem Wissen um die Casa der Mutter versuchte ich den 2. Versuch so gut es ging zu packen, scheiterte aber mit einem Punkt an der Bestehensgrenze. Zwar gab es Unregelmäßigkeiten in dieser Klausur bei Fragen und der Form, aber ich war zu müde um Schritte dagegen prüfen zu lassen."

Hieraus wird deutlich, dass der Kläger durch die Situation massiv überfordert war und sie ihn stark beeinträchtigte. Er litt an Konzentrations- sowie Schlafschwierigkeiten und zog sich zurück. Es hätte dringender Anlass bestanden, sich ärztlich untersuchen zu lassen und an der Klausur am 1. Februar 2018 nicht teilzunehmen. Dass dem Kläger die medizinische Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung seinerzeit noch nicht bekannt war, ändert daran nichts. Es ist nicht erforderlich, dass ein Prüfling die zutreffenden medizinischen Diagnosen stellt; dazu wird er in der Regel nicht in der Lage sein. Entscheidend ist, ob der Prüfling seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die ihn prüfungsunfähig machen, erkennt, nicht aber, ob er seinen gesundheitlichen Zustand begrifflich als einen solchen der Prüfungsunfähigkeit erfasst (BVerwG, Beschl. v. 2.8.1984 - 7 B 129.84 -, juris Rn. 2).

Selbst wenn zugunsten des Klägers unterstellt wird, dass er vor diesem Prüfungstermin die erhebliche Verminderung seiner Leistungsfähigkeit noch nicht erkennen konnte, wäre er gleichwohl nicht unverzüglich von dieser Prüfung zurückgetreten. Der Kläger hat den Rücktritt von der Klausur vom 1. Februar 2018 erst (und das auch allenfalls konkludent) im Rahmen seines Härtefallantrags vom 6. August 2018 erklärt. Das war nicht mehr unverzüglich. Es spricht bereits vieles dafür, dass der Kläger den Prüfungsrücktritt bereits unmittelbar nach dem Besuch bei seiner Hausärztin im Februar 2018 hätte erklären müssen. Er hat diese wegen seiner Beschwerden aufgesucht, denen er in diesem Zeitpunkt folglich selbst einen Krankheitswert beigemessen hat. Die Beschwerden hatten ihre Ursache aber gerade in den Ereignissen vom Dezember 2017 und bestanden in dieser Gestalt auch schon am Tag der Prüfung am 1. Februar 2018. Wenngleich die Beschwerden durch ein neuerliches häusliches Ereignis aktualisiert worden waren - seine Schwester hatte ihm im Februar 2018 geschildert, sie sei ebenfalls als Kind von ihrem Großvater missbraucht worden - handelte es sich doch um ein und dasselbe Beschwerdebild, das erkennbar eine erhebliche Verminderung der Leistungsfähigkeit zur Folge hatte.

Unabhängig davon gilt Folgendes: Wäre dem Kläger bezüglich dieser Klausur die Prüfungsunfähigkeit tatsächlich erst am 11. Juli 2018 bewusst geworden - an diesem Tag hat Frau Dr. K. das Attest ausgestellt, wonach bei ihm eine depressive Störung vorliege, weshalb er seit Anfang Januar 2018 prüfungsunfähig gewesen sei und er seine Prüfungsfähigkeit nicht richtig habe einschätzen können - hätte er daraus nicht unverzüglich die Konsequenzen gezogen und den Rücktritt erklärt. Denn der Kläger hat mit Schreiben vom 24. Juli 2018 unter Berufung auf dieses Attest lediglich den Rücktritt von der Klausur vom 29. Juni 2018 erklärt und mit weiterem Schreiben vom 26. Juli 2018 Widerspruch gegen die Klausur vom 1. Februar 2018 eingelegt, mit dem er die Eliminierung einer Frage begehrte. Damit hat er aber gerade dokumentiert, von dieser Klausur nicht zurücktreten zu wollen. Sein Schreiben vom 6. August 2018, das die Beklagte im Übrigen lediglich aufgrund der inhaltlichen Angaben im Interesse des Klägers als Rücktritt ausgelegt hat, konnte damit unter keinem Gesichtspunkt eine unverzügliche Rücktrittserklärung darstellen.

Erst recht hätte der Kläger aufgrund der weiteren Entwicklung seiner Gesundheit nicht an der Klausur vom 29. Juni 2018 teilnehmen dürfen, weil ihm die krankheitsbedingte Verminderung seiner Leistungsfähigkeit bewusst war. Der Kläger schildert in seinem Härtefallantrag vom 6. August 2018:

"Das Einschlafen funktionierte, das Durchschlafen allerdings nicht. Den Rest der vorlesungsfreien Zeit verbrachte ich mit Arbeiten im erlernten Beruf, um zukünftige Studienkosten, wie Krankenkassenbeiträge und Lebensunterhalt absichern zu können und um auf andere Gedanken zu kommen. Mein bester Freund bemerkte, dass ich mich im Verhalten irgendwie geändert habe und sehr traurig wirkte. Aber ich konnte mich mit den gescheiterten Klausuren der Biochemie rausreden, weil ich nicht wusste wie ich ihm den wahren Grund sagen kann und ich mich so sehr schämte. Der Freund ist von Beruf Kindererzieher in einer katholischen Einrichtung und wie soll man dann dieses Thema, welches mich bewegt, ansprechen.

Ich bin zum Vorlesungsbeginn der Biochemie nach B-Stadt zurückgekehrt und habe jede einzelne ein 2. Mal besucht. Sowie angebotene Tutorien der Fachschaft wöchentlich wahrgenommen. In dieser Zeit habe ich auch immer weiter gesellschaftlich und sozial zurückgezogen. Außer das ich zwei mal die Woche seit diesem Jahr Mai zum Boxtraining gegangen bin um mich körperlich auszulassen und einen gewissen Ausgleich zum lernen zu kreieren, um mental wieder stärker zu werden und das Gefühl der Kontrolle wiederzuerlangen, habe ich alles schleifen lassen, außer die Biochemie. Habe nur Zeit in meiner Wohnung oder dem Vorlesungssaal verbracht. Ich selbst sah mich auf einen guten Weg. Das ich die Gedanken erfolgreich in den Hinterkopf legen konnte. Ich hatte bei Probeklausuren und Kreuzprogrammen einen Schnitt von über 80% und nie darunter. Alles in Allem war ich gut gewaffnet für den Drittversuch Biochemie. Dachte ich. An dem Mittwoch, zwei Tage vor der Klausur rief aber mein Großvater bei mir an, "Ob ich gut vorbereitet bin? Das ich mich mal zusammenreißen soll und ich hoffentlich vernünftig gelernt habe und nicht nur den Mädchen hinterher jage." Ich hatte bis zu diesem Zeitpunkt, seit Februar und dem Geburtstag meiner Schwester, keinen Kontakt zum Großvater und dieses Gespräch ließ mich versteinert zurück. Es holte Gedanken, Ängste, Wut und Schuldgefühle wieder hoch. Die darauffolgenden zwei Nächte habe ich kaum bis gar nicht geschlafen. Meine Gedanken kreisten um dieses Thema."

Anhand dieser Ausführungen wird deutlich, dass sich der Gesundheitszustand des Klägers vor dem dritten Prüfungsversuch - jedenfalls durch den Anruf seines Großvaters - rapide verschlechtert hatte und ihm das bewusst war. Es bestand dringender Anlass, sich vor der Prüfung medizinisch untersuchen zu lassen bzw. sich von der Prüfung abzumelden. Dass sein Leistungsvermögen - schon angesichts des akuten Schlafmangels und der Unfähigkeit, sich auf etwas anderes zu konzentrieren als die familiären Probleme - erheblich vermindert war, lag auf der Hand.

b. Unabhängig davon hat der Kläger eine Prüfungsunfähigkeit schon nicht ordnungsgemäß nachgewiesen. Gemäß § 12 Abs. 1 Sätze 3 bis 7 der Anlage 1 zur Studienordnung 2017 ist der Nachweis zwingender Gründe über ein offizielles Dokument zu führen und unverzüglich im Studiendekanat vorzulegen. Bei Erkrankung ist der vorgenannte Nachweis durch eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung unter Angabe der voraussichtlichen Dauer der Erkrankung zu belegen. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist unverzüglich zunächst in Textform (z.B. Scan) zu übermitteln; das Original ist unaufgefordert innerhalb von 5 Werktagen nachzureichen, ansonsten gilt der Nachweis als nicht erbracht. Bei wiederholtem Rücktritt aufgrund einer Erkrankung oder beim Rücktritt von einer zu erbringenden Prüfungsleistung, bei der es sich um den letzten Prüfungsversuch handelt oder bei lang andauernder Erkrankung ist ein ärztliches Attest vorzulegen, das den auf der Homepage des Studiendekanats veröffentlichten Vorgaben entsprechen muss.

Der Senat lässt offen, ob die von dem Kläger für seine (verdeckte) Prüfungsunfähigkeit vorgelegten Nachweise die Anforderungen nach § 12 Abs. 1 Satz 7 der Anlage 1 zur Studienordnung 2017 erfüllen. Denn jedenfalls handelt es sich bei den Bescheinigungen teilweise schon nicht um ärztliche Bescheinigungen im Sinne des Satzes 4 dieser Regelung und sie genügen im Übrigen inhaltlich nicht den zu stellenden Anforderungen an den nachträglichen Nachweis einer verdeckten Prüfungsunfähigkeit.

Bei dem Attest der Frau Dr. K. vom 11. Juli 2018 handelt es sich bereits nicht um ein ärztliches Attest. Frau Dr. K. ist Psychologische Psychotherapeutin. Aber auch im Übrigen lässt sich mit diesem Attest keine verdeckte Prüfungsunfähigkeit an den beiden Klausurterminen belegen. Bei der Bescheinigung handelt es sich nicht um eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung im Sinne des - hier, wie bereits erörtert, entsprechend heranzuziehenden - § 12 Abs. 1 Satz 4 der Anlage 1 zur Studienordnung 2017. Unabhängig davon macht es das Gebot, die Chancengleichheit bei berufsbezogenen Prüfungen (Art. 12 Abs. 1 GG) zu sichern, erforderlich, den (nachträglichen) Rücktritt von einer solchen Prüfung mit der Folge einer zusätzlichen Wiederholungsmöglichkeit nur dann zu gestatten, wenn die Gründe hierfür der Prüfungsbehörde nachvollziehbar offenbart worden sind und auf diese Weise einem Missbrauch wirksam vorgebeugt wird. Dabei ist die Rechtsfrage, ob eine gesundheitliche Beeinträchtigung den nachträglichen Rücktritt von der Prüfung rechtfertigen kann, von der zuständigen Prüfungsbehörde in eigener Verantwortung zu entscheiden. In der ihr vorzulegenden ärztlichen Bescheinigung sind deshalb die gesundheitlichen Beeinträchtigungen und die sich aus ihnen ergebenden Auswirkungen auf die Prüfung so zu beschreiben, dass die Prüfungsbehörde in die Lage versetzt wird, selbstständig über die Prüfungsfähigkeit zu befinden. Das gilt gerade auch für den Umstand, warum eine verdeckte Prüfungsunfähigkeit vorliegen soll. Eine nähere Beschreibung der Beeinträchtigungen und deren Auswirkungen kann ausnahmsweise entbehrlich sein, wenn bereits aufgrund einer mitgeteilten Diagnose einer akuten Krankheit die Prüfungsunfähigkeit offensichtlich ist. Der pauschale Hinweis des Arztes, der Prüfling sei prüfungsunfähig, genügt nicht. Die Notwendigkeit der Angabe von Befundtatsachen folgt bereits aus der Nachweisfunktion des ärztlichen Attests, ohne dass es einer entsprechenden Regelung in der Prüfungsordnung bedarf (vgl. Senatsurt. v. 16.5.2019 - 2 LB 369/19 -, juris Rn. 45). Vermag der Prüfling den Nachweis der Prüfungsunfähigkeit nicht zu erbringen, geht dies zu seinen Lasten, da er insoweit die Beweislast trägt (OVG Berl.-Bbg., Beschl. v. 21.7.2014 - OVG 10 S 5.14 -, juris Rn. 14 m.w.N.).

Diesen Anforderungen genügt die Bescheinigung von Frau Dr. K. vom 11. Juli 2018 nicht. Sie hat den Kläger erstmalig am 5. Juli 2018 und damit nach den streitgegenständlichen Klausuren untersucht. Hier hätte es einer näheren Begründung bedurft, weshalb sie von einer seit Ende Dezember andauernden Prüfungsunfähigkeit ausgeht. Aus diesem Grund kommt der Amtsarzt Herr Dr. M. in seiner Stellungnahme vom 24. Juli 2018 nachvollziehbar zu dem Ergebnis, dass eine "rückwirkende Beurteilung der Prüfungsunfähigkeit (...) von hier nicht möglich" sei.

Auch das Attest des Herrn Dr. N. vom 3. August 2018 ist nicht aussagekräftig oder nachvollziehbar. Bei ihm hat sich der Kläger erst nach den beiden Klausuren - nämlich am 3. August 2018 - vorgestellt. Herr Dr. N. schildert sodann ausschließlich den vom Kläger vorgetragenen Sachverhalt, ohne sich mit der Glaubhaftigkeit oder Plausibilität auseinanderzusetzen. Allein aufgrund der Schilderungen des Klägers attestiert er eine schwere depressive Episode und eine posttraumatische Belastungsstörung und geht von einer Prüfungsunfähigkeit seit Ende Dezember 2017 aus. Er äußert sich nur unkonkret zur Ursache der Prüfungsunfähigkeit und deren Dauer, indem er einen Zusammenhang zwischen dem Nichtbestehen der Klausuren und dem auslösenden Ereignis im Dezember 2018 annimmt, weil der Kläger "bis Dezember 2017 sehr erfolgreich in seinem Medizinstudium war und es danach zu einem deutlichen Leistungsknick kam".

Unabhängig davon, inwieweit eine Plausibilisierung durch nachträglich eingereichte Bescheinigungen noch möglich wäre, hilft auch das weitere - nichtärztliche - Attest von Frau Dr. K. vom 17. Dezember 2018 nicht weiter, zumal sich auch hieraus nicht nachvollziehbar ergibt, weshalb sie bei erstmaliger Vorstellung des Klägers am 5. Juli 2018 eine Prüfungsunfähigkeit ab Dezember 2017 bescheinigen konnte. Die ergänzende Stellungnahme von Herrn Dr. N. vom 14. Januar 2019 kann ebenfalls nicht nachvollziehbar eine Prüfungsunfähigkeit ab Dezember 2017 erklären. Zwar setzt sich Herr Dr. N. hier mit der Glaubhaftigkeit der Angaben des Klägers auseinander, doch ergibt sich daraus ebenso wenig, dass der Kläger nicht in der Lage gewesen ist, seine Prüfungsunfähigkeit zu erkennen. Am Ende heißt es pauschal, dass der Kläger nicht in der Lage gewesen sei, selbst zu beurteilen, ob er prüfungsfähig sei oder nicht. Zugleich wird ausgeführt, dass er ein starkes Schamgefühl verspürt habe, an einer psychiatrischen Erkrankung mit depressiven Symptomen zu leiden. Letzteres deutet wiederum darauf hin, dass ihm sein gesundheitlicher Zustand, speziell seine gesundheitlichen Beschwerden in den wesentlichen Merkmalen bewusst waren und er die Auswirkungen seines gesundheitlichen Zustandes auf seine Leistungsfähigkeit im Sinne einer "Parallelwertung in der Laiensphäre" erfasst hat. Weshalb in dem Attest sodann von einem fehlenden Bewusstsein, trotz vorhandener Fachexpertise zu erkennen, dass er nicht prüfungsfähig sei, die Rede ist, erschließt sich nicht.

3. Soweit der Kläger geltend macht, bei der Klausur vom 29. Juni 2018 sei es zu einem Verfahrensfehler gekommen, weil vor Beginn der Prüfung verkündet worden sei, dass Toilettengänge nicht zulässig seien, ist er mit dieser Rüge jedenfalls ausgeschlossen.

Gemäß § 10 Abs. 5 Satz 1 der Anlage 1 zur Studienordnung 2017 sind Einwendungen gegen die Anzahl, Auswahl und Antwortoptionen der Aufgaben der Erfolgskontrolle und/oder Teilerfolgskontrolle und gegen den Prüfungsverlauf innerhalb von zwei Werktagen noch vor Bekanntgabe des Ergebnisses der Erfolgskontrolle und/oder Teilerfolgskontrolle bei der oder dem Prüfungsverantwortlichen schriftlich geltend zu machen. Unabhängig davon, ob die Beklagte - wie der Kläger vorträgt - die Prüfungsergebnisse zu früh (vgl. § § 10 Abs. 5 Satz 2 der Anlage 1 zur Studienordnung 2017) bekannt gegeben hat, hat er den Einwand erstmals im Klageverfahren - und damit auch nach allgemeinen prüfungsrechtlichen Maßgaben (vgl. dazu Jeremias, in: Fischer/Jeremias/Dieterich, Prüfungsrecht, 8. Aufl. 2022, Rn. 485) nicht mehr unverzüglich - und mithin verspätet vorgebracht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Es bedarf angesichts uneinheitlicher Rechtsprechung der Instanzgerichte der rechtsgrundsätzlichen Klärung der Frage, ob - und ggf. unter welchen Voraussetzungen - eine Hochschule im Rahmen der ihr nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG bei dem Erlass von Prüfungsordnungen zustehenden Gestaltungsfreiheit einerseits und nach den Maßgaben von Art. 12 Abs. 1 GG andererseits berechtigt ist, bei im Antwort-Wahl-Verfahren durchgeführten universitätsinternen Erfolgskontrollen von der Anwendung einer relativen Bestehensgrenze gänzlich abzusehen.