Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 14.05.2002, Az.: 7 KN 75/01
Altfall; Beiladung; Normenkontrollantrag; Normenkontrolle; Normenkontrollverfahren
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 14.05.2002
- Aktenzeichen
- 7 KN 75/01
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2002, 43894
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 47 Abs 2 S 4 VwGO
- § 194 VwGO
- § 65 VwGO
- Art 1 Nr 28 VwGRmBeschrG
Gründe
In § 47 Abs. 2 VwGO ist durch Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im Verwaltungsprozess (RmBereinVpG) vom 20. Dezember 2001 (BGBl. S. 3987) Satz 4 mit Wirkung vom 1. Januar 2002 (Art. 7 Abs. 1 RmBereinVpG) angefügt worden. Danach sind § 65 Abs. 1 und 4 und § 66 VwGO entsprechend anzuwenden. Damit kommt nunmehr auch im Normenkontrollverfahren eine einfache Beiladung in Betracht, während nach bislang herrschender Meinung eine Beiladung in Normenkontrollverfahren ausgeschlossen war (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.3.1982 - 4 N 1.80 -, BVerwGE 65, 131). Diese Auslegung des § 47 VwGO ist vom Bundesverfassungsgericht infrage gestellt worden (Beschl. v. 19.7.2000 - 1 BvR 1053/93 -, NVwZ 2000, 1283). Mit der Anfügung des Satzes 4 in § 47 Abs. 2 VwGO verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, die vom Bundesverfassungsgericht für richtig gehaltene Auslegung des § 47 VwGO gesetzlich zu konkretisieren (vgl. BT-Drucks. 14/6393, S. 9).
Der durch Art. 1 Nr. 28 RmBereinVpG neugefasste § 194 VwGO, der Überleitungsregelungen hinsichtlich anhängiger Verfahren enthält, äußert sich nicht dazu, ob § 47 Abs. 2 Satz 4 VwGO auch auf vor dem 1. Januar 2002 anhängig gewordene Verfahren Anwendung finden soll. Grundsätzliche Bedenken bestehen insoweit indes nicht. Nach den allgemeinen Grundsätzen des intertemporalen Rechts gilt, dass neues Verfahrensrecht im Zweifel, also wenn - wie hier - besondere Überleitungsvorschriften fehlen, auch auf bereits anhängige Verfahren anwendbar ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 12. Aufl., Rn. 1 zu § 195).
Gemäß § 65 Abs. 1 iVm § 47 Abs. 2 Satz 4 VwGO kann das Gericht von Amts wegen oder auf Antrag andere, deren rechtliche Interessen durch die Entscheidung berührt werden, beiladen. Die Beiladungsantragstellerin hält diese Voraussetzungen für gegeben, weil sie für den Fall, dass die streitbefangene Verordnung für nichtig erklärt werde, eine Verschlechterung ihrer Rechtsposition zu erwarten habe. Der Antragsgegner werde in einem neuen Festsetzungsverfahren ihr Betriebsgelände in das Wasserschutzgebiet einbeziehen. Schon mit der Nichtigerklärung entfalle die Grundlage des zwischen ihr und dem Antragsgegner geschlossenen Vertrages vom 10. Januar 1996, der als Kompromiss dafür anzusehen sei, dass sie nicht mit in den Geltungsbereich der Wasserschutzverordnung einbezogen worden sei. Deutlicher werde diese Absicht in dem neuen Vertragsentwurf aus dem Jahre 1999/2000, in dem als Kündigungsgrund bereits die gerichtliche Nichtigerklärung der Wasserschutzgebietsausweisung vorgesehen sei.
Entgegen der Auffassung der Beiladungsantragstellerin liegen die Voraussetzungen für ihre Beiladung nicht vor. Anlass für eine Beiladung besteht nur dann, wenn sich durch die gerichtliche Entscheidung die Rechtsposition des Dritten verbessern oder verschlechtern könnte (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19.11.1998 - 11 A 50.97 -, NVwZ-RR 1999, 276 m.w.N.). Das ist hier nicht der Fall. Die Nichtigkeitserklärung der Wasserschutzverordnung hätte keinen unmittelbaren Einfluss auf die Rechtsstellung der Beiladungsantragstellerin. Welche Schlussfolgerungen der Antragsgegner aus einer solchen Entscheidung ziehen würde, ist ungewiss. Da § 48 NWG, § 19 WHG nicht zur Ausweisung eines Wasserschutzgebiets verpflichten, ist nicht absehbar, ob der Antragsgegner in dem von der Beiladungsantragstellerin befürchteten Fall ein neues Festsetzungsverfahren einleiten und welches Ergebnis gegebenenfalls ein solches Verfahren haben würde. Unerheblich ist deshalb auch, ob in dem von der Beiladungsantragstellerin erwähnten Vertragsentwurf die gerichtliche Nichtigkeitserklärung der Wasserschutzverordnung einen Kündigungsgrund darstellen soll, zumal aus dem Entwurf insoweit ohnehin keine Rechte hergeleitet werden können.
Die Verweisung in § 47 Abs. 2 Satz 4 VwGO bietet keinen Anhalt für die Annahme, dass mit der entsprechenden Anwendung des § 65 Abs. 1 VwGO die Beiladung erleichtert werden soll. Vielmehr wollte der Gesetzgeber - wie dargelegt - lediglich die vom Bundesverfassungsgericht für richtig gehaltene Auslegung des § 47 VwGO konkretisieren. Die Bedenken des Bundesverfassungsgerichts gegen einen generellen und unbedingten Ausschluss der Beiladung im Normenkontrollverfahren waren indessen darin begründet, dass durch das normverwerfende Urteil in ihren Grundrechten unmittelbar Betroffene an der Verfahrensbeteiligung gehindert waren. Auf einen so gearteten Status kann sich die Beiladungsantragstellerin nicht mit Erfolg berufen.
Unter diesen Umständen wäre eine Beiladung hier auch nicht ermessensgerecht. Während etwa bei einem Bebauungsplan der Kreis der unmittelbar betroffenen Normadressaten noch individuell bestimmt oder jedenfalls bestimmbar ist, sind andere Rechtsnormen regelmäßig durch die Unbestimmtheit des Adressatenkreises gekennzeichnet. So verhält es sich auch mit der streitigen Wasserschutzverordnung. Würde dem Anliegen der Beiladungsantragstellerin entsprochen, würden deshalb Beiladungsmöglichkeiten begründet, durch die ein unüberschaubarer Kreis von potentiellen Verfahrensbeteiligten geschaffen würde. Angesichts dessen muss das Interesse der Beiladungsantragstellerin an einer Mitwirkung im Normenkontrollverfahren hinter dem öffentlichen Interesse an einer nicht unnötig erschwerten Verfahrensführung zurückstehen.