Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 13.06.2024, Az.: 5 ME 41/24
Antragsfrist als verfahrensrechtliche Ausschlussfrist i.R.e. Antrags eines Beamten auf Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestand
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 13.06.2024
- Aktenzeichen
- 5 ME 41/24
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2024, 16566
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2024:0613.5ME41.24.00
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Braunschweig - 27.05.2024 - AZ: 7 B 84/24
Rechtsgrundlage
Fundstellen
- DÖV 2024, 800
- NordÖR 2024, 468
Amtlicher Leitsatz
Bei der Antragsfrist des § 36 Abs. 1 Satz 3 NBG handelt es sich nicht um eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist, sondern um eine verfahrensrechtliche Ausschlussfrist.
Tenor:
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Braunschweig (7. Kammer) vom 27. Mai 2024 geändert.
Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, den Eintritt des Antragstellers in den Ruhestand bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Verwaltungsgerichts Braunschweig im Hauptsacheverfahren zum Aktenzeichen 7 A , längstens jedoch bis zum 30. November 2024, hinauszuschieben.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird unter Änderung der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung für beide Rechtszüge auf 15.404,04 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller verfolgt mit der vorliegenden Beschwerde sein Begehren auf Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestand bis zum Ablauf des 30. November 2024 weiter.
Der am ... 1958 geborene Antragsteller steht - in einem Amt der Besoldungsgruppe A 12 - im (vormals gehobenen) Landesdienst und ist beim Antragsgegner in dessen Dezernat F., Fachbereich G., eingesetzt. Mit Erreichen der für ihn geltenden Regelaltersgrenze wäre er mit Ablauf des ... 2024 in den Ruhestand getreten.
Mit E-Mail vom 22. Februar 2024 - gerichtet an die bei dem Antragsgegner beschäftigte Personalsachbearbeiterin H. - beantragte der Antragsteller (Bl. 661/Beiakte 004)
"unter Hinweis auf § 36 (1) NBG [...] hiermit fristgerecht das Hinausschieben meines Ruhestandes bis einschl. 30.11.2024."
Der Antragsgegner lehnte den Antrag mit Bescheid vom 29. Februar 2024 (Bl. 678 f./Beiakte 004) ab. Zur Begründung führte er aus, nach § 36 Abs. 1 Satz 3 des Niedersächsischen Beamtengesetzes (NBG) sei der Antrag auf Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestand spätestens sechs Monate vor Eintritt in den Ruhestand zu stellen. Der Antragsteller erreiche die Regelaltersgrenze am ... 2024. Demzufolge sei der am 22. Februar 2024 eingegangene Antrag nicht fristgerecht gestellt. Bei der in § 36 Abs. 1 Satz 3 NBG bezeichneten Frist handle es sich um eine Ausschlussfrist. Werde der Antrag nicht fristgerecht gestellt, sei ein Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestand ausgeschlossen.
Mit Schreiben vom 11. März 2024 (Anlage K 3) machte der Antragsteller gegenüber dem Antragsgegner geltend, bei einem Telefonat einige Tage vor Ende November 2023 habe die Personalsachbearbeiterin H. ihm gesagt, dass die Frist für den Antrag auf Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestand drei Monate betrage und dass ein Antrag per E-Mail ausreiche. Dies versichere er - der Antragsteller - an Eides statt. Er beantrage vorsorglich hinsichtlich der vom Antragsgegner als versäumt bezeichneten Antragsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Am 12. März 2024 hat der Antragsteller bei dem Verwaltungsgericht Braunschweig zum Aktenzeichen 7 A Klage mit dem Ziel erhoben, den Antragsgegner unter Aufhebung des Bescheides vom 29. Februar 2024 zu verpflichten, den Eintritt seines - des Antragstellers - Ruhestands über den ... 2024 hinaus bis zum 30. November 2024 hinauszuschieben. Zudem hat der Antragsteller unter demselben Datum bei dem Verwaltungsgericht Braunschweig um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes mit dem Begehren nachgesucht, dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung - notfalls in Form einer Zwischenverfügung - aufzugeben, den Eintritt des Antragstellers in den Ruhestand bis zum Ablauf einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Entscheidung über die Klage gegen die Ablehnung seines Antrags auf Hinausschieben des Ruhestandes, längstens jedoch bis zum 30. November 2024, hinauszuschieben. Zur Begründung seines Eilantrags hat er vorgetragen, es sei nicht erkennbar, dass dienstliche Gründen seinem Anspruch entgegenstünden. Wie der - als Anlage beigefügte - Bericht der Dezernatsleitung F. an die Behördenleitung vom 4. September 2023 belege, sei die Personalsituation im Dezernat F. stark angespannt. Es seien nicht alle Stellen besetzt; auch stehe ein Nachfolger für ihn noch nicht zur Verfügung. Er sei auch uneingeschränkt leistungsfähig.
Die Versäumnis der Antragsfrist des § 36 Abs. 1 Satz 3 NBG rechtfertige die Ablehnung seines Antrags nicht. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht habe in seinem Beschluss vom 28. November 2023 (- 5 ME 109/23 -, juris) hinsichtlich der - ebenfalls sechs Monate betragenden - Antragsfrist des § 53 Abs. 1 Satz 2 BBG entschieden, dass es sich hierbei nicht um eine gesetzliche Ausschlussfrist im Sinne einer materiellen Ausschlussfrist handle. Die dortigen Erwägungen, insbesondere zum Gesetzeszweck, griffen auch für den Streitfall. Zweck des § 36 NBG sei - ebenso wie bei § 53 BBG - die Flexibilisierung der Altersgrenze und die Schaffung von Übergangsfristen wegen festgestellten bzw. vermuteten Mangels an Nachwuchskräften. Die Sechsmonatsfrist diene dazu, der Personalverwaltung ausreichend Zeit für die Planung und Entscheidung zu geben. Diesem Zweck laufe es zuwider, wenn der Dienstherr bei verspäteter Antragstellung stets und in jedem Fall ohne sachliche Entscheidung auf den Fristablauf verweise. Dies gelte umso mehr, als § 36 NBG dem Beamten - anders als das im Bundesrecht der Fall sei - einen gebundenen Anspruch auf Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestand zuerkenne. Dass das Bundes- bzw. Landesrecht den Anspruch auf Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestand in materiell-rechtlicher Hinsicht an unterschiedliche Voraussetzungen knüpfe - dass dienstliche Gründe ein Hinausschieben erforderten (Bundesrecht) bzw. das dienstliche Gründe einem Hinausschieben nicht entgegenstehen dürften (Landesrecht) - sei im vorliegenden Zusammenhang ohne Relevanz. Er habe in der zweiten Novemberhälfte 2023 zwei Telefonate mit der Personalsachbearbeiterin H. geführt. Beim ersten Gespräch habe er Frau H. angerufen und ihr von seinem Wunsch auf Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestand berichtet, ohne dabei schon ein konkretes Ausscheidungsdatum zu nennen. Frau H. habe ihm mitgeteilt, sie müsse sich erst informieren und würde ihn dann zurückrufen, was tags darauf auch geschehen sei. In diesem zweiten Gespräch habe Frau H. dann erklärt, dass ein formloser Antrag per E-Mail und eine Frist von (spätestens) drei Monaten vor Erreichen der Regelaltersgrenze ausreiche. Damit sei für ihn der 1. März 2023 als "Deadline" gesetzt gewesen. Als dann aber bereits Ende Februar 2024 die Ausschreibung seiner Stelle zum 1. Juni 2024 im Intranet veröffentlicht worden sei, habe er seinen Antrag auf Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestand bis einschließlich 30. November 2024 per E-Mail abgesandt. Aufgrund des Verhaltens der Personalsachbearbeiterin H. sei seinem Antrag stattzugeben.
Der Antragsgegner ist dem Eilantrag entgegengetreten. Da es sich bei der Antragsfrist um eine materielle Ausschlussfrist handle, komme eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in Betracht. Die vom Antragsteller in Bezug genommene Entscheidung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts sei zu einer bundesrechtlichen Norm ergangen, deren Inhalt sich von der streitgegenständlichen Norm des § 36 Abs. 1 NBG in wesentlicher Hinsicht unterscheide, so dass die diesbezüglichen Erwägungen nicht ohne Weiteres auf den Streitfall übertragen werden könnten. Jedenfalls aber scheiterte eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand daran, dass der Antragsteller die Antragsfrist des § 36 Abs. 1 Satz 3 NBG schuldhaft versäumte habe. Es werde bestritten, dass er die Personalsachbearbeiterin H. Ende November angerufen habe. Auch werde bestritten, dass Gegenstand eines solchen Gesprächs das Hinausschieben des Eintritts in seinen Ruhestand bis einschließlich 30. November 2024 gewesen sein solle. Vielmehr habe der Antragsteller die Personalsachbearbeiterin H. kurz nach den Weihnachtsferien Anfang Januar 2024 angerufen. In diesem Gespräch habe er sich erstmalig nach der Frist für die Einreichung des Antrags auf Hinausschieben des Ruhestandes bis einschließlich zum 30. November 2024 erkundigt. Dies könne Frau H. bezeugen. Außerdem habe der Antragsteller in seiner E-Mail vom 22. Februar 2024 selbst auf die streitgegenständliche Norm des § 36 Abs. 1 NBG hingewiesen. Dementsprechend sei davon auszugehen, dass ihm die richtige Frist bekannt gewesen sei. Ein Verschulden hinsichtlich der Fristversäumnis (in Form von Fahrlässigkeit) sei anzunehmen, wenn er hinsichtlich der Wahrung der Frist diejenige Sorgfalt außer Acht lasse, die für einen gewissenhaften Beteiligten geboten und zumutbar sei; dabei gelte ein subjektiver Maßstab, d. h. es seien insbesondere der Bildungsgrad und die Geschäftsgewandtheit des Betreffenden zu berücksichtigten. Der Antragsteller sei seit nunmehr über 30 Jahren bei dem Antragsgegner bzw. dessen Funktionsvorgängerin im Dezernat F., Fachbereich G., tätig, zu Beginn im Statusamt A 10 und nunmehr im Statusamt A 12. In seinem Amt und bei seiner Tätigkeit im Fachbereich G. sei er täglich mit der Anwendung von Rechtsvorschriften und Fristen befasst und daher mit diesen vertraut. Es könne daher von ihm erwartet werden, sich auch in eigenen Angelegenheiten mit den relevanten gesetzlichen Vorschriften entsprechend sorgsam und verständig auseinanderzusetzen. Mangels rechtzeitiger Antragstellung komme es daher nicht darauf an, ob dienstliche Interessen seiner Weiterbeschäftigung des Antragstellers entgegenstünden.
Die Vorsitzende der 7. Kammer des Verwaltungsgerichts Braunschweig hat sowohl in Bezug auf das Hauptsacheverfahren zum Aktenzeichen 7 A als auch in Bezug auf das streitgegenständliche Eilverfahren unter dem 20. März 2024 verfügt, sie wolle - "anstatt wechselseitig eidesstattliche Versicherungen 'auszutauschen'", einen gemeinsamen Erörterungsterm mit Beweisaufnahme durchführen, in dem die Personalsachbearbeiterin H. und der Antragsteller gehört werden könnten. Die Vorsitzende der 7. Kammer des Verwaltungsgerichts Braunschweig hat am 27. Mai 2024 in beiden Verfahren einen Erörterungstermin anberaumt und hierzu die Personalsachbearbeiterin H. als Zeugin zum Beweisthema "Zeitpunkt und Gegenstand eines Telefongesprächs mit dem Kläger/Antragsteller betreffend das Hinausschieben seines Ruhestandes" geladen.
Mit weiterem Bescheid vom 3. April 2024 hat der Antragsgegner den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (in die Antragsfrist des § 36 Abs. 1 Satz 3 NBG) abgelehnt. Zur Begründung hat er ausgeführt, die Voraussetzungen des § 32 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) in Verbindung mit § 60 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) lägen nicht vor. Da es sich bei der Antragsfrist um eine gesetzliche Ausschlussfrist handle, sei eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht möglich. Jedenfalls aber sei die Fristversäumnis nicht unverschuldet gewesen, weil es dem Antragsteller aufgrund seiner individuellen Fähigkeiten, verbunden mit seiner langjährigen beruflichen Erfahrung im Fachbereich G. möglich und zumutbar gewesen sei, den Antrag fristgerecht zu stellen. Er habe die Frist fahrlässig - und damit schuldhaft - versäumt. Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 9. April 2024 hat der Antragsteller den Bescheid vom 3. April 2024 in das laufenden Klageverfahren zum Aktenzeichen 7 A einbezogen und seine Klage um den Antrag erweitert, ihm unter Aufhebung des Bescheides vom 3. März 2024 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entsprechend seinem Antrag vom 11. März 2024 zu gewähren.
Im Erörterungstermin vom 27. Mai 2024 hat die Vorsitzende der 7. Kammer des Verwaltungsgerichts Braunschweig den rechtlichen Hinweis erteilt, dass es sich bei der Frist des § 36 Abs. 1 Satz 3 NBG um eine Ausschlussfrist handle, in die eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht möglich sei. Dementsprechend komme es auf die Frage, ob der Antragsteller eine fehlerhafte Auskunft erhalten habe, nicht an.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes mit Beschluss vom 27. Mai 2024 - dem Bevollmächtigten des Antragstellers am Folgetag zugestellt - abgelehnt. Es liege zwar ein Anordnungsgrund für die begehrte einstweilige Anordnung vor; der Antragsteller habe jedoch einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Denn ein Antrag auf Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestand sei nach § 36 Abs. 1 Satz 3 NBG spätestens sechs Monate vor dem Eintritt in den Ruhestand zu stellen. Diese Frist habe der Antragsteller nicht gewahrt. Entgegen seiner Auffassung handle es sich bei der Frist des § 36 Abs. 1 Satz 3 NBG um eine Ausschlussfrist mit der Folge, dass der materiell-rechtliche Anspruch auf Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestand nach Ablauf der Frist nicht mehr geltend gemacht werden könne und auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausgeschlossen sei. Materiell-rechtliche Ausschlussfristen seien für Behörden und Beteiligte verbindlich und stünden nicht zur Disposition der Gerichte.
Soweit der Antragsteller auf eine Entscheidung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 28. November 2023 (- 5 ME 109/13 -) verweise, in welcher der beschließende Senat in Bezug auf die Fristbestimmung des § 53 Abs. 1 Satz 2 BBG festgestellt habe, dass es sich hierbei nicht um eine Ausschlussfrist handle, folge die Kammer dieser Ansicht für die landesrechtliche Vorschrift des § 36 NBG nicht. Dies ergebe sich aus der Entstehungsgeschichte der Norm, in der sich die Formulierung "Ausschlussfrist" finde, sowie der landesrechtlichen Kommentarliteratur und entspreche im Übrigen auch der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts des Landes Nordrhein-Westfalen zur gleichlautenden Norm des § 32 Abs. 1 Satz 2 LBG NRW (OVG NRW, Beschluss vom 26.5.2009 - 1 B 653/09 -, juris Rn. 12). Die Kammer verkenne zwar nicht, dass der niedersächsische Gesetzgeber die Rechtsposition der Beamten durch § 36 Abs. 1 NBG auch im Interesse einer wirksameren Flexibilisierung habe stärken wollen. Um jedoch weiterhin einen angemessenen Ausgleich zwischen den Individualinteressen der Beamten und der Personalverwaltung zu gewährleisten, komme "auch bei teleologischer Auslegung nur die Annahme einer materiell-rechtlichen Ausschlussfrist in Betracht", denn "nur sie [ermögliche] dem Dienstherrn bei aller Flexibilisierung noch eine rechtzeitige Personalplanung und -entscheidung und [trage] damit dem Sinn und Zweck des § 36 Abs. 1 Satz 3 NBG hinreichend Rechnung". Dies zugrunde gelegt, könne offenbleiben, ob der Antragsteller für den fristgerechten Zeitpunkt seines Antrags nach § 36 NBG auf die Auskunft einer Mitarbeiterin des Antragsgegners vertraut habe, weil eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen des Charakters der Frist des § 36 Abs. 1 Satz 3 NBG ausgeschlossen sei. Lediglich ergänzend sei angemerkt, dass der Antragsteller als Landesbeamter mit den damit einhergehenden besonderen Sorgfaltspflichten die Sechsmonatsfrist des § 36 Abs. 1 Satz 3 NBG nicht nur hätte kennen müssen, sondern ihm diese Frist "seinen eigenen Angaben zufolge sogar positiv bekannt" gewesen sei, denn er habe sie "in mehreren an den Antragsgegner gerichteten Schreiben zitiert, vgl. Anlage K 1 und K 3 zur Klageschrift im Verfahren 7 A [...], weshalb auch Zweifel an der Schutzwürdigkeit eines solchen Vertrauens bestehen dürften".
Gegen diese Entscheidung wendet sich der Antragsteller mit seiner am 29. Mai 2024 erhobenen Beschwerde, in der er einen Antrag auf Erlass einer Zwischenentscheidung ("Hängebeschluss") gestellt und zur Begründung dieses Begehrens sowie des Begehrens auf Änderung der vorinstanzlichen Entscheidung geltend gemacht hat, die die Entscheidung des Verwaltungsgerichts allein tragende Erwägung, bei § 36 Abs. 1 Satz 3 NBG handle es sich um eine materielle Ausschlussfrist, begegne rechtlichen Bedenken. Jedenfalls aber könne sich der Antragsgegner aufgrund des Verbots widersprüchlichen Verhaltens nicht auf die Fristversäumnis berufen, weil sich der Antragsteller auf die ihm gegenüber seitens der Personalsachbearbeiterin H. geäußerte Rechtsauffassung habe verlassen dürfen.
Der Senat hat dem Antragsgegner mit Beschluss vom 30. Mai 2023 im Wege der Zwischenentscheidung gemäß § 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 570 Abs. 3, 1. Halbsatz der Zivilprozessordnung (ZPO) aufgegeben, den Ruhestand des Antragstellers bis zu dem Zeitpunkt, in dem eine abschließende Entscheidung des Senats über die Beschwerde ergeht, längstens indes bis zum Ablauf des 30. November 2024, hinauszuschieben, um dem Senat Gelegenheit zu geben, im Beschwerdeverfahren unter sorgfältiger Berücksichtigung der Gerichtsakten und des Vorbringens der Beteiligten im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes eine Beschwerdeentscheidung zu treffen; dies sei - da die Beschwerde zulässig und nicht offensichtlich unbegründet sei -, zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 des Grundgesetzes - GG - ) geboten.
Der Antragsgegner ist der Beschwerde entgegengetreten.
II.
Die Beschwerde des Antragstellers hat Erfolg.
1. Dies ergibt sich allerdings nicht bereits aus seiner Rüge, er sei seiner gesetzlichen Richterin - der Vors. Ri'inVG J. als Einzelrichterin - entzogen worden. Denn der gerügte Verfahrensfehler liegt nicht vor.
Eine Verletzung des durch Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG geschützten Rechts auf den gesetzlichen Richter ist im Übrigen auch nicht erkennbar. Richtig ist zwar, dass die Vorsitzende der 7. Kammer des Verwaltungsgerichts Braunschweig bereits in der Eingangsverfügung vom 13. März 2024 sowohl im Hauptsache- als auch Eilverfahren darum gebeten hat, es möge mitgeteilt werden, ob Bedenken gegen die Übertragung auf den Einzelrichter bestünden. Hierauf hat der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 20. März 2024, übersandt im Verfahren zum Aktenzeichen , erklärt, gegen eine Einzelrichterübertragung keine Bedenken zu haben, während sich der Antragsteller im Verfahren zum Aktenzeichen insoweit nicht geäußert hat. Ein Beschluss, mit dem der Rechtsstreit einem der Mitglieder der 7. Kammer des Verwaltungsgerichts Braunschweig - hier: der Berichterstatterin, Vors. Ri'in VG J. - als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen worden ist (§ 6 Abs. 1, Abs. 2 VwGO), ist in der (elektronischen) Gerichtsakte jedoch nicht enthalten. Der Antragsteller hat auch nicht vorgetragen, einen solchen Beschluss erhalten zu haben, sondern lediglich erklärt, davon ausgegangen zu sein, dass ein solcher vorliege (so Schriftsatz vom 3.6.2024, S. 1 f. [Bl. 176 f./eGA]). Sofern er diese Schlussfolgerung aus dem Umstand ableitet, dass Vors. Ri'inVG J. den Erörterungstermin am 27. Mai 2024 allein durchgeführt hat, übersieht er, dass es sich dabei um eine vorbereitende Verfahrenshandlung gehandelt hat, die gemäß § 87 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VwGO durch den Vorsitzenden oder den Berichterstatter wahrgenommen werden kann. Die Vorschrift des § 87 VwGO, die - soweit nicht durch die Eilbedürftigkeit der Sache Einschränkungen bestehen - auch in Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gilt (Schübel-Pfister, in: Eyermann, VwGO, 16. Auflage 2022, § 87 Rn. 1), dient der Verfahrenskonzentration. Die Bestimmung des § 87 Abs. 1 VwGO gibt dem Vorsitzenden oder dem Berichterstatter die Befugnis, in Bezug auf die aufgezählten Maßnahmen ohne seinen Spruchkörper tätig zu werden. Der Erörterungstermin nach § 87 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 dient der Klärung von Sach- oder Rechtsfragen und ermöglicht die Erteilung richterlicher Hinweise nach § 86 Abs. 3 VwGO (Schübel-Pfister, a. a. O., Rn. 7). In dieser Weise ist vorliegend verfahren worden, denn Vors. Ri'inVG J. hat ausweislich der Sitzungsniederschrift mit den Beteiligten die Sach- und Rechtslage erörtert sowie einen richterlichen Hinweis erteilt.
Soweit der Antragsteller in seiner weiteren Beschwerdebegründung vom 4. Juni 2024 geltend macht,
"[w]enn es keinen Beschluss der Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter gibt, ergibt sich weiterhin ein Verstoß gegen die Entscheidung durch den gesetzlichen Richter und ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör. Wenn die Kammer entscheidet, jedoch die zugrunde liegende mündliche Verhandlung allein durch die Vorsitzende durchgeführt wird, haben nicht alle entscheidenden Richter an der mündlichen Verhandlung teilgenommen. Ihnen ist damit nicht der gesamte Sach- und Streitstand bekannt. Der Fall der Übertragung der Beweisaufnahme auf ein Kammermitglied liegt hier nicht vor",
lässt dieses Vorbringen unberücksichtigt, dass am 27. Mai 2024 keine mündliche Verhandlung, sondern - als vorbereitende Verfahrenshandlung, s. o. - ein Erörterungstermin stattgefunden hat. Der Antragsteller ist unter dem 25. Mai 2024 auch ausdrücklich zu einem Erörterungs- sowie Beweisaufnahmetermin geladen worden. Eine Beweisaufnahme hat dann unstreitig nicht stattgefunden.
2. Die Beschwerde hat jedoch aus materiell-rechtlichen Gründen Erfolg. Die vom Antragsteller dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen eine Änderung des angegriffenen Beschlusses im tenorierten Sinne.
Das Verwaltungsgericht hat das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs zu Unrecht mit der Begründung verneint, der Antragsteller habe die Antragsfrist des § 36 Abs. 1 Satz 3 NBG nicht eingehalten.
Der Antragsteller hat Anspruch auf eine sachliche Bescheidung seines Begehrens auf Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestand bis zum Ablauf des 30. November 2024. Es ist dem Antragsgegner im Rahmen der im vorliegenden Eilverfahren gegebenen Aufklärungsmöglichkeiten und mit Blick auf den Inhalt der Gerichtsakte verwehrt, den Antragsteller darauf zu verweisen, er habe die Sechsmonatsfrist des § 36 Abs. 1 Satz 3 NBG versäumt und sich damit einer sachlichen Bescheidung des Antrags auf Hinausschieben des Ruhestandes zu entziehen.
Der Antragsteller hat unstreitig die Frist des § 36 Abs. 1 Satz 3 NBG nicht gewahrt. Danach ist der Antrag spätestens sechs Monate vor dem Eintritt in den Ruhestand zu stellen, hätte hier also - ausgehend vom Eintritt des Antragstellers in den Ruhestand mit Ablauf des ... 2024 - spätestens bis zum Ablauf des 30. November 2023 erfolgen müssen und nicht - wie geschehen - erst im Februar 2024. Dieser Umstand vermag indes aufgrund der besonderen Umstände des vorliegenden Einzelfalls die Ablehnung des Antrags auf Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestand nicht zu rechtfertigen.
Die Antragsfrist des § 36 Abs. 1 Satz 3 NBG dient - ebenso wie die bundesrechtliche Parallelbestimmung des § 53 Abs. 1 Satz 2 BBG (vgl. insoweit Nds. OVG, Beschluss vom 28.11.2023 - 5 ME 109/23 -, juris Rn. 26) - dazu, der Personalverwaltung die erforderliche Zeit zu verschaffen, den Antrag zu prüfen. Im Bundesrecht hat diese Prüfung insbesondere den Zweck, zu klären, ob ein Hinausschieben des Ruhestandes im dienstlichen Interesse liegt (so Nds. OVG, Beschluss vom 28.11.2023 - 5 ME 109/23 -, juris Rn. 26). Aufgrund der von § 53 Abs. 1 Satz 1 BBG abweichenden Tatbestandsvoraussetzungen in § 36 Abs. 1 Satz 1 NBG bezweckt die landesrechtliche Antragsfrist des § 36 Abs. 1 Satz 3 NBG die Klärung, ob dienstliche Interessen einem Hinausschieben des Ruhestandes entgegenstehen. Wie der Senat in seiner Entscheidung zur bundesrechtlichen Vorschrift des § 53 Abs. 1 Satz 2 BBG entschieden hat, begegnet es vor dem Hintergrund des Ziels der Antragsfrist - nämlich Planungssicherheit für den Dienstherrn zu erreichen bzw. ihm einen hinreichend langen Entscheidungsspielraum mit Blick auf Neubesetzungen zu eröffnen -, regelmäßig keinen rechtlichen Bedenken, wenn die Ablehnung des Hinausschiebens des Eintritts in den Ruhestand auf den Umstand der Fristversäumnis gestützt wird (Nds. OVG, Beschluss vom 28.11.2023 - 5 ME 109/23 -, juris Rn. 28 m. w. Nw.). Der Senat hat jedoch auch hervorgehoben, dass die Fristversäumnis die Ablehnung des Antrags nicht zwingend gebiete, weil Konstellationen denkbar seien, in denen der Dienstherr gerade die Weiterbeschäftigung wünscht, etwa, wenn sich kurzfristig herausstellt, dass ein bestimmter Beamter noch für einen weiteren Zeitraum nach Erreichen seiner Regelaltersgrenze benötigt wird, beispielsweise, um ein Projekt noch abzuschließen oder einen Nachfolger einzuarbeiten (Nds. OVG, Beschluss vom 28.11.2023 - 5 ME 109/23 -, juris Rn. 27 m. w. Nw.). Da die Antragsfrist des § 53 Abs. 1 Satz 2 NBG zuvörderst im Interesse der Personalverwaltung steht, muss der Dienstherr auch auf den entsprechenden Schutz bzw. Planungsfreiraum verzichten können, wenn ihm dies aus Gründen der effizienten Personalverwaltung geboten erscheint. Dementsprechend liefe es der mit § 53 Abs. 1 BBG erstrebten Zielsetzung - der Flexibilisierung der Altersgrenze mit Blick auf die Erhaltung einer funktions- und leistungsfähigen Verwaltung - zuwider, wenn die Antragsfrist als materiell-rechtliche Ausschlussfrist angesehen würde (Nds. OVG, Beschluss vom 28.11.2023 - 5 ME 109/23 -, juris Rn. 27) und dementsprechend auch zu Lasten eines Dienstherrn eingriffe, der den betreffenden Beamten gerade weiterbeschäftigen will.
Diese Erwägungen sind auf die - im Wesentlichen mit § 53 Abs. 1 Satz 2 BBG inhaltsgleiche - Antragsfrist des § 36 Abs. 1 Satz 3 NBG übertragbar. Anders als die Vorinstanz (Beschlussabdruck - BA -, S. 3 f.) und die von dieser zitierte Kommentarliteratur (Weichbrodt, in: Brinktrine/Neuhäuser, BeckOK Beamtenrecht Niedersachsen, Stand: 1. April 2024, § 36 NBG Rn. 12) folgt aus der in der maßgeblichen Gesetzesbegründung verwendeten Formulierung "Ausschlussfrist" (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Überleitung und Änderung des Beamtenversorgungsrechts sowie zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften der Landesregierung vom 5. Januar 2011, LT-Drs. 16/3207, S. 138) nicht, dass es sich um eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist (und nicht um eine verfahrensrechtliche Ausschlussfrist) handelt (zur Unterscheidung vgl. Kallerhoff/Stamm, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Auflage 2023, § 31 Rn. 7 f.), zumal der Gesetzgeber gerade betont hat, die "Ausschlussfrist" sei vorgesehen, "um der Personalverwaltung ausreichend Zeit für die Planung und Entscheidung zu geben" (LT-Drs. 16/3207, S. 138), und weiter erläutert, den im Gesetzgebungsverfahren vom DGB geäußerten arbeitsmarktpolitischen Bedenken in Bezug auf den vorgesehenen Rechtsanspruch auf Hinausschieben des Ruhestandes werde nicht gefolgt, weil sich die Zahl jüngerer Menschen, die dem Arbeitsmarkt in Zukunft zur Verfügung stünden, aufgrund der gegenwärtigen demografischen Entwicklung bereits kurz- bis mittelfristig verringern werde, so dass es auch für die öffentliche Verwaltung - gerade im Wettbewerb mit der privaten Wirtschaft - zunehmend schwerer werde, in ausreichem Maße qualifizierte Nachwuchskräfte zu gewinnen; vor diesem Hintergrund erscheine es sachgerecht; zusätzliche Möglichkeiten zu eröffnen, um auf das Potential lebensälterer Mitarbeiter zurückzugreifen und die vorhandenen Personalressourcen zu nutzen (LT-Drs. 16/3207, S. 138). Diese Zielsetzung erfordert indes gerade - wie dargestellt - eine flexible Handhabbarkeit der Antragsfrist auf Wunsch des Dienstherrn. Soweit der Antragsgegner meint, nur die dogmatische Einordnung der Antragsfrist des § 36 Abs. 1 Satz 3 NBG als materiell-rechtliche Ausschlussfrist könne verhindern, dass der Beamte "bis quasi zum letzten Tag des aktiven Dienstverhältnisses" einen Antrag auf Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestand stellen könne, der aufgrund der hohen Anforderungen an das Vorliegen eines entgegenstehenden dienstlichen Interesses schwer abzulehnen sei (Beschwerdeerwiderung - BE - vom 7.6.2024, S. 2), übersieht er, dass es - wie ausgeführt - regelmäßig keinen rechtlichen Bedenken begegnet, wenn der Dienstherr zeitlich nach Ablauf der Antragsfrist des § 36 Abs. 1 Satz 3 NBG unter Verweis auf die Verfristung einen Antrag auf Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestand ablehnt.
Nach alledem handelt es sich bei der Frist des § 36 Abs. 1 Satz 3 NBG - ebenso wie bei der Frist des § 53 Abs. 1 Satz 2 BBG - nicht um eine gesetzliche Frist im Sinne einer materiell-rechtlichen Ausschlussfrist (mit der grundsätzlichen Folge der Rechtsvernichtung bei Fristablauf), sondern um eine gesetzliche Frist im Sinne einer verfahrensrechtlichen Ausschlussfrist (mit der Folge, dass die Vorschrift des § 32 des Verwaltungsverfahrensgesetzes - VwVfG - [in Verbindung mit § 1 des Niedersächsischen Verwaltungsverfahrensgesetzes - NVwVfG -] zur Anwendung gelangen kann). Darüber hinaus ergibt sich aus Sinn und Zweck des § 36 Abs. 1 Satz 3 NBG - wie vorstehend dargelegt - die Befugnis für den Dienstherrn, im öffentlichen Interesse von der verfahrensrechtlichen Frist abzuweichen. Der Dienstherr kann mithin auch im Falle des Nichtvorliegens der Voraussetzungen der §§ 32 VwVfG, 1 NVwVfG im öffentlichen Interesse eine Weiterbeschäftigung eines Beamten ermöglichen, sich also etwa trotz fehlenden Verschuldens des Beamten hinsichtlich der Fristversäumnis nicht auf diese berufen, sondern eine Sachentscheidung treffen.
Im Streitfall hat der Antragsteller mit Schreiben vom 11. März 2024 (Anlage K 3) fristgerecht einen Wiedereinsetzungsantrag gestellt. Selbst wenn er dies jedoch nicht getan hätte, wäre nach derzeitigem Sachstand ein Anordnungsanspruch gleichwohl glaubhaft gemacht, weil es dem Antragsgegner jedenfalls aller Voraussicht nach unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben verwehrt wäre, sich auf die (verfahrensrechtliche) Ausschlussfrist des § 36 Abs. 1 Satz 3 NBG zu berufen.
Nach dem auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -) ist der Dienstherr gehindert, sich in treuwidriger Weise zu früherem eigenen Verhalten in Widerspruch zu setzen (Verbot widersprüchlichen Verhaltens, venire contra factum proprium; vgl. BVerwG, Urteil vom 12.3.1987 - BVerwG 2 C 55.84 -, juris Rn. 26 f.; Nds. OVG, Urteil vom 11.1.2007 - 5 LB 105/05 -, juris rn. 35; Urteil vom 25.9.2018 - 5 LB 98/16 -, juris Rn. 108). Es kann im Einzelfall dem Grundsatz von Treu und Glauben zuwiderlaufen, wenn eine Behörde eine Bestimmung anwendet, obwohl sie den Betreffenden zuvor durch ihr eigenes Verhalten in den Glauben versetzt hat, dass er damit nicht mehr zu rechnen brauche (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.11.1966 - BVerwG II C 119.64 -, juris Rn. 27; Urteil vom 29.5.1980 - BVerwG 6 C 43.78 -, juris Rn. 34; Nds. OVG, Urteil vom 11.1.2007 - 5 LB 105/05 -, juris Rn. 35 [beide zur nachträglichen Anwendung von versorgungsrechtlichen Ruhensvorschriften]; BVerwG, Urteil vom 25.2.1993 - BVerwG 2 C 27.90 -, juris Rn. 15 [zur Berufung auf die Nichteignung des Beamten nach Ablauf der Probezeit]; Nds. OVG, Urteil vom 25.9.2018 - 5 LB 98/16 -, juris Rn. 108 [zur Festsetzung einer Rückforderung]).
So liegt es nach derzeitigem Sachstand hier. Der Antragsteller hat für den beschließenden Senat glaubhaft gemacht, dass die Fristversäumnis maßgeblich auf das Verhalten der Personalsachbearbeiterin H. zurückgeht, deren Verhalten sich der Antragsgegner zurechnen lassen muss. Der Antragsteller hat bereits frühzeitig - nämlich mit Schreiben vom 11. März 2024 - gegenüber dem Antragsgegner geltend gemacht und dies auch "an Eides statt versichert", er habe sich in der letzten Novemberwoche des Jahres 2023 - und damit rechtzeitig vor Ablauf der Antragsfrist des § 36 Abs. 1 Satz 3 NBG - telefonisch erkundigt, in welcher Form der Antrag zu stellen sei. Darauf habe Frau H. zunächst erklärt, diesbezüglich Informationen einholen zu wollen, und ihm sodann in einem zweiten Telefongespräch mitgeteilt, der Antrag sei zum einen formlos und zum anderen bis zu drei Monaten vor Erreichen der Altersgrenze möglich.
Diesem Vortrag ist der Antragsgegner bislang nicht hinreichend substantiiert und damit nicht glaubhaft entgegengetreten. Er hat die Sachverhaltsschilderung des Antragstellers zwar in seiner Antragserwiderung vom 20. März 2024 bestritten und vorgetragen, der Antragsteller habe sich erstmals im Januar 2024 - und damit zeitlich nach Ablauf der Sechsmonatsfrist des § 36 Abs. 1 Satz 3 NBG - bei Frau H. nach der Frist für die Einreichung eines Antrags auf Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestand erkundigt. Näheres zum Inhalt dieses vorgeblichen Telefonats, insbesondere auch dazu, was Frau H. ihm auf den vorgeblichen Anruf im Januar 2024 mitgeteilt haben will, hat der Antragsgegner indes nicht ausgeführt. Während der Antragsteller die Richtigkeit seiner Angaben in seinem Schreiben vom 20. März 2023 "an Eides statt versichert" hat, hat der Antragsgegner noch nicht einmal eine dienstliche Erklärung der Frau H. zu den Akten gereicht, obwohl er hierzu im Laufe des Eilverfahrens hinreichend Gelegenheit gehabt hätte und dies hier geboten gewesen wäre. Zwar hat eine Zeugenvernehmung der Frau H. im Erörterungstermin am 27. Mai 2024 letztlich nicht stattgefunden, weil das Verwaltungsgericht eine etwaige Aussage der Frau H. für nicht entscheidungserheblich erachtet hat. Der beschließende Senat hat indes in seiner Zwischenverfügung vom 30. Mai 2024 betont, dass einer Aussage der Frau H. mit Blick auf die Prüfung des Verbots widersprüchlichen Verhaltens durchaus von Relevanz sein könne und dem Antragsgegner mit Verfügung vom 30. Mai 2024 Gelegenheit zur abschließenden Äußerung im Beschwerdeverfahren bis zum 5. Juni 2024 gegeben. Die weitere Stellungnahme des Antragsgegners vom 7. Juni 2024 enthält indes lediglich Ausführungen zur dogmatischen Einordnung der Antragsfrist des § 36 Abs. 1 Satz 3 NBG, äußert sich aber zu dem vom Antragsteller substantiiert geltend gemachten Geschehensablauf nicht. Auch in der erstmals im Beschwerdeverfahren vom Antragsgegner vorgelegten Personalakte des Antragstellers findet sich kein Hinweis - etwa in Form eines Vermerks der Frau H. - darauf, dass diese im Januar 2024 mit ihm telefoniert habe.
Das Vorbringen des Antragstellers, die Personalsachbearbeiterin H. habe ihm im November 2023 auf Nachfrage sowohl die Auskunft erteilt, der Antrag könne formlos per E-Mail als auch bis zum Ablauf von 3 Monaten vor Beginn des Eintritts in den Ruhestand gestellt werden, erscheint derzeit durchaus glaubhaft, weil der Antragsteller seinen Hinausschiebensantrag tatsächlich per E-Mail gestellt hat. Angesichts der statusrechtlichen Bedeutung eines solchen Antrags läge grundsätzlich die Schriftform nahe, zumal der Kläger einen ersten Antrag auf Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestand am 4. November 2011 (Bl. 659/Beiakte 004) schriftlich gestellt hatte. Dass er seinen zweiten Antrag nunmehr lediglich per E-Mail übermittelt hat, lässt auf die Richtigkeit seines Vorbringens, eine entsprechende Auskunft der Frau H. erhalten zu haben, schließen. Dann aber erscheint auch glaubhaft, dass Frau H. die weitere Aussage, eine Beantragung bis zum Ablauf von drei Monaten vor Eintritt in den Ruhestand sei ausreichend, getätigt hat und der Antragsteller deshalb im November 2023 noch nicht tätig geworden ist. Zudem erscheint angesichts des Streitstandes zur Rechtnatur der Antragsfrist durchaus plausibel, dass der Antragsteller in der Personalabteilung nachgefragt hat, binnen welcher Frist er seinen Antrag spätestens stellen müsse. Soweit das Verwaltungsgericht damit argumentiert hat, dem Antragsteller sei die Sechsmonatsfrist "seinen eigenen Angaben zufolge sogar positiv bekannt" gewesen und hierzu auf die Anlage K 1 und K 3 verwiesen hat, übersieht es, dass er gerade geltend gemacht hat, zeitlich vor Übersendung der als Anlage K 1 und K 3 übermittelten Schreiben bei Frau H. nachgefragt zu haben, bis wann er einen Antrag auf Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestand stellen müsse. Sein Vorbringen als wahr unterstellt, bezieht sich die Formulierung "fristgerecht" in seiner E-Mai vom 22. Februar 2024 auf die erhaltene Auskunft; ungeachtet dessen wird in der E-Mail vom 22. Februar 2024 schon die Norm des § 36 Abs. 1 Satz 3 NBG nicht ausdrücklich bezeichnet, sondern es ist unspezifisch von "§ 36 (1) NBG" die Rede. Das als Anlage K 3 übermittelte Schreiben des Antragstellers vom 11. März 2024 zitiert zwar die Vorschrift des § 36 Abs. 1 Satz 3 NBG, allerdings erkennbar vor dem Hintergrund, dass sich der Antragsgegner zuvor in seinem Bescheid vom 29. Februar 2024 unter Verweise auf diese Bestimmung auf Verfristung berufen hatte.
Nach alledem hat der Antragsteller zum hier maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt glaubhaft gemacht, dass er durch eine Beschäftigte des Antragsgegners eine falsche Auskunft erhalten hat und aufgrund dieser Falschauskunft davon abgehalten worden ist, seinen Antrag zu einem Zeitpunkt zu stellen, als ihm dies noch fristgerecht möglich gewesen wäre. Vor diesem Hintergrund ist es treuwidrig, den Hinausschiebensantrag des Antragstellers nicht inhaltlich zu bescheiden.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus §§ 40, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 6 Satz 4 in Verbindung mit Satz 1 Nr. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) in der zum Zeitpunkt der Einleitung des zweiten Rechtszuges (28. Mai 2024) geltenden Fassung in Verbindung mit Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ-Beilage 2013, 57). In einem Hauptsacheverfahren, welches das Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestand zum Gegenstand hat, bemisst sich der Streitwert nach der Hälfte der Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltfähiger Zulagen. Auszugehen ist insoweit von dem im Zeitpunkt der Einleitung des zweiten Rechtszugs (28. Mai 2024) maßgeblichen Endgrundgehalt (hierzu: Nds. OVG, Beschluss vom 11.11.2014 - 5 ME 157/14 - m. w. Nw. -) der Besoldungsgruppe A 12 in Höhe von 5.063,29 EUR (§ 2 Abs. 2 Nr. 1, § 7 Abs. 1 und Abs. 2 des Niedersächsischen Besoldungsgesetzes - NBesG - in Verbindung mit der dortigen Anlage 5). Hinzu tritt die nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 des Niedersächsischen Beamtenversorgungsgesetzes (NBeamtVG) ruhegehaltfähige allgemeine Stellenzulage gemäß § 38 NBesG in Verbindung mit den Anlagen 9 (Nr. 2 lit. a) und 10 in Höhe von 101,39 EUR. Hieraus errechnet sich ein Hauptsachestreitwert in Höhe von 30.9888,08 EUR (5.063,29 EUR + 101,39 EUR = 5.164,68 EUR; 5.164,68 EUR x 6 = 30.988,08 EUR, welcher nach der Rechtsprechung des Senats im Hinblick auf das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren ist (= 15.494,04 EUR), auch wenn der Antragsteller mit seinem Antrag teilweise eine Vorwegnahme der Hauptsache begehrt (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 26.9.2013 - 5 ME 198/13 -; Beschluss vom 27.10.2017 - 5 ME 170/17 -; Beschluss vom 17.9.2019 - 5 ME 155/19 -, juris Rn. 34).
Die Streitwertfestsetzung für das erstinstanzliche Verfahren ergibt sich ebenfalls aus §§ 40, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 6 Satz 4 in Verbindung mit Satz 1 Nr. 1 GKG. Da das maßgebliche Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 12 auch bei Einleitung des ersten Rechtszugs (12. März 2024) 5.063,29 EUR betrug, das Verwaltungsgericht seiner Streitwertberechnung allerdings zu Unrecht die allgemeine Stellenzulage nach Anlage 9, Nr. 1 lit. a), Anlage 10 in Höhe von 23,29 EUR statt nach Anlage 9, Nr. 2. lit. a), Anlage 10 in Höhe von 101,39 EUR zugrunde gelegt hat, war der Streitwert von Amts wegen (§ 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG) auf 15.404,04 EUR zu ändern.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).