Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 31.07.2018, Az.: 2 ME 405/18
Anspruch auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung für den Besuch einer Schule bei Unzumutbarkeit des Besuchs der zuständigen Schule; Wirksamwerden des Übertragungsbeschlusses auf den Einzelrichter mit Bekanntgabe; Folgen der fehlenden Bekanntgabe des Beschlusses über die Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter; Bestimmung der Schulbezirke und der danach zuständigen Pflichtschule; Bedeutung der Berufstätigkeit beider Elternteile für eine Ausnahmegenehmigung für den Besuch einer Schule
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 31.07.2018
- Aktenzeichen
- 2 ME 405/18
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2018, 63868
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2018:0731.2ME405.18.00
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Hannover - 28.05.2018 - AZ: 6 B 3364/18
Rechtsgrundlagen
- § 6 VwGO
- § 63 Abs. 3 S. 4 SchulG ND
- Art. 101 Abs. 1 GG
- § 173 VwGO
- § 329 Abs. 2 S. 1 ZPO
Fundstellen
- DVBl 2018, 1309-1312
- DÖV 2018, 915-916
- FA 2018, 351
- NdsVBl 2019, 96-99
- NordÖR 2018, 506
- SchuR 2021, 22-23
Amtlicher Leitsatz
Der Übertragungsbeschluss nach § 6 Abs. 1 VwGO wird erst mit der (formlosen) Bekanntgabe an die Prozessbeteiligten wirksam (§ 173 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 329 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
Ist die im Rechtsmittelverfahren angefochtene Sachentscheidung unter Verletzung der prozessualen Gewährleistung des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 GG) zustande gekommen, wird der ihr anhaftende Verstoß im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes durch eine umfassende Prüfung der erstinstanzlichen Sachentscheidung im Beschwerdeverfahren geheilt.
Für die Bestimmung der Schulbezirke und der danach zuständigen Pflichtschule ist die zum Zeitpunkt des Schuljahresbeginns gültige Schulbezirkssatzung maßgeblich.
Die Berufstätigkeit beider Elternteile begründet grundsätzlich für sich genommen nicht die Annahme einer unzumutbaren Härte i.S.d. § 63 Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 NSchG, weil ein derartiger Umstand heute nicht (mehr) als Ausnahmesituation und atypischer Sachverhalt anzusehen ist.
Tenor:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover - Einzelrichter der 6. Kammer - vom 28. Mai 2018 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500 Euro festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover vom 28. Mai 2018, mit dem es seinen sinngemäßen Antrag, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller vorläufig eine Ausnahmegenehmigung zum Besuch der Grundschule L. in M. anstelle der Grundschule N. in M. zu erteilen, abgelehnt hat, hat keinen Erfolg.
Das Verwaltungsgericht hat zur Begründung der Entscheidung, die durch den Berichterstatter als Einzelrichter ergangen ist, ausgeführt, die mit dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO erstrebte Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zum Besuch der L. komme nicht in Betracht, denn der Antragsteller habe nicht dargelegt, dass ihm mit dem erforderlichen hohen Grad an Wahrscheinlichkeit ein Anspruch auf die begehrte Ausnahmegenehmigung nach § 63 Abs. 3 Satz 4 NSchG zustehe und deshalb ein Obsiegen im Hauptsacheverfahren hinreichend sicher zu erwarten sei. Nach § 3 der Satzung zur Feststellung der Schulbezirke für die Grundschulen L., O. und N. (zukünftig abgekürzt: Schulbezirkssatzung) sei die Grundschule N. die zuständige Grundschule des Antragstellers. Der Besuch der zuständigen Grundschule, die ab dem Schuljahresbeginn 2018/2019 ebenfalls als Ganztagsschule betrieben werde, stelle für den Antragsteller keine unzumutbare Härte dar. Die Betreuungs- und Schulwegsituation gebiete nicht zwingend den Besuch der L.. Zwar habe der Antragsteller glaubhaft gemacht, dass seine Eltern bis 16:00 Uhr berufstätig seien, er habe jedoch nicht substantiiert dargelegt und glaubhaft gemacht, dass seine unmittelbare Inobhutnahme nach dem Ende der Schule notwendig und nur bei einem Besuch der L. gewährleistet sei. Die Angaben zu seiner Betreuung durch die Großmutter, die ebenfalls bis 16:00 Uhr berufstätig sei, seien vage und unpräzise; es erschließe sich nicht, wie sie den Antragsteller schon ab 16:00 Uhr betreuen könnte. Der Antragsteller habe auch nicht glaubhaft gemacht, dass er auf dem Weg von der zuständigen Schule nach Hause von einer erwachsenen Vertrauensperson begleitet werden müsse und auch nicht auf einen Elternteil, der ihn abhole, warten könne. Grundsätzlich sei davon auszugehen, dass es einem Schulanfänger - nach einer gewissen Einübung - zuzumuten sei, die durchschnittlichen Anforderungen an einen Schulweg ohne Begleitung zu bewältigen. Auch die Trennung von seinen Kindergartenfreunden und das Einleben in ein neues Umfeld begründeten keine unzumutbare Härte. Pädagogische Gründe, die den Besuch der L. gebieten könnten, seien nicht vorgetragen. Unabhängig davon bleibe der Antrag auch deshalb ohne Erfolg, weil die Schülerkapazität der ersten Klassen der L. erschöpft sei.
Dagegen richtet sich die am 12. Juni 2018 eingelegte Beschwerde.
Die zulässige Beschwerde (vgl. §§ 146 Abs. 4 Sätze 1 - 3,147 Abs. 1 VwGO) hat keinen Erfolg.
Die mit der Beschwerde erhobene Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) greift nicht durch (vgl. dazu 1.) und auch die mit der Beschwerde geltend gemachte Verletzung des Gebots des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 GG) führt im Ergebnis nicht zum Erfolg der Beschwerde (vgl. dazu 2.). Zudem bleibt die Beschwerde auch in der Sache ohne Erfolg, weil der Antragsteller einen Anspruch auf die Erteilung der Ausnahmegenehmigung nach § 63 Abs. 3 Satz 4 NSchG (Anordnungsanspruch) nicht nach § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft gemacht hat (vgl. dazu 3.).
1. Ob die verspätete Übermittlung des E-Mail-Verkehrs zwischen der Antragsgegnerin und der Stadt M. im erstinstanzlichen Verfahren eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) begründen könnte, ist für den Erfolg der Beschwerde unerheblich, denn der Senat prüft die Zulässigkeit und Begründetheit der Beschwerde eigenständig. Jedenfalls im Beschwerdeverfahren lagen dem Antragsteller der genannte E-Mail-Verkehr und die Stellungnahme der Antragsgegnerin vom 24.5.2018 vor und er hatte hinreichend Gelegenheit, sich zu den maßgeblichen Sach- und Rechtsfragen zu äußern.
2. Soweit der Antragsteller die Unwirksamkeit des Übertragungsbeschlusses gemäß § 6 Abs. 1 VwGO und damit einen Verstoß gegen das Gebot des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) rügt, bleibt die Beschwerde im Ergebnis ohne Erfolg.
Der Beschluss über die Übertragung des Rechtsstreits auf den Berichterstatter als Einzelrichter ist nach § 6 Abs. 4 VwGO unanfechtbar. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen mithin allein Verstöße gegen § 6 VwGO nicht zum Erfolg eines Rechtsmittels führen. Das wird durch die Gesetzesmaterialien ausdrücklich bestätigt (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.11.1999 - 6 C 30/98 -, juris Rn. 16, BVerwGE 110, 40-61; BTDrucks. 12/1217 S. 54; BTDrucks. 13/1433 S. 14). Grundsätzlich ist danach auch das Rechtsmittelgericht an den Beschluss nach § 6 VwGO gebunden und ihm die Überprüfung hierauf bezogener Verfahrensrügen nach § 173 VwGO i.V.m. § 512 ZPO entzogen (vgl. auch BVerwG st. Rspr., z.B. Beschl. v. 5.7. 2011 - 8 B 9.11 -, juris Rn. 5, Beschl. v. 15.10.2001 - 8 B 104.01 -, juris Rn. 4, OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 4.12.1998 - 8 B 187/98 -, juris Rn. 12).
Ein Verstoß gegen § 6 VwGO ist im Rechtsmittelverfahren nur beachtlich, wenn er zugleich eine Verletzung prozessualer Gewährleistungen der Verfassung wie etwa eine Verletzung der Rechte aus Art. 103 Abs. 1 oder Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG darstellt und der Mangel der Entscheidung in der Sache anhaftet bzw. sich darin fortsetzt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 27.10.2004 - 7 B 110.04 -, juris Rn. 7, Beschl. v. 4.12.1998 - 8 B 187.98 -, juris Rn. 12, OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 2.11.2017 - 4 B 891/17 -, juris). Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gewährt den Rechtsuchenden einen subjektiven Anspruch darauf, dass der Rechtsstreit durch die gesetzliche Richterin bzw. den gesetzlichen Richter entschieden wird. Rechtssuchende können die Beachtung der gesetzlichen wie der verfassungsrechtlichen Zuständigkeitsordnung fordern und deren Missachtung als Verletzung des grundrechtsgleichen Rechts rügen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 28.9.2017 - 1 BvR 1510/17 -, juris Rn. 14, BVerfG, Beschl. v. 16.12.2014 - 1 BvR 2142/11 -, juris Rn. 69). Ein Verstoß kann sich im Einzelfall auch aus der Entscheidung durch den Einzelrichter an Stelle der Kammer ergeben (vgl. BVerfG, Beschl. v. 28.9. 2017 - 1 BvR 1510/17 -, juris Rn. 15, BGH, Urt. v. 19.10.1992 - II ZR 171/91 -, juris, BGH, Beschl. v. 20.10.2003 - II ZB 27/02 -, juris und Beschl. v. 13.3.2003 - IX ZB 134/02 -, juris).
Es begründet aber nicht schon jede irrtümliche Überschreitung der dem Gericht gezogenen Grenzen einen Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Eine Verletzung der Garantie des gesetzlichen Richters kommt jedoch dann in Betracht, wenn das Fachgericht die Bedeutung und Tragweite der Gewährleistung aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkannt oder maßgebliche Verfahrensnormen in objektiv willkürlicher Weise fehlerhaft angewendet hat (vgl. BVerfG, Beschl. v. 28.9.2017 - 1 BvR 1510/17 -, juris Rn. 14; BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 6.12.2017 - 1 BvR 2160/16 -, juris Rn. 5, BVerfG, Beschl. v. 16.12.2014 - 1 BvR 2142/11 -, juris Rn. 71 mwN). Willkürlich ist eine Entscheidung dann, wenn sie sachlich schlechthin unhaltbar ist (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschl v. 6.12.2017 - 1 BvR 2160/16 -, juris Rn. 6). Es genügt nicht, wenn die Rechtsanwendung oder das eingeschlagene Verfahren Fehler enthalten; hinzukommen muss vielmehr, dass diese unter keinem denkbaren Aspekt mehr rechtlich vertretbar sind und sich daher der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruhen, es sich also um eine krasse Fehlentscheidung handelt (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 6.12.2017 - 1 BvR 2160/16 -, juris Rn. 6 mwN.).
Ist eine mit der Beschwerde angefochtene Sachentscheidung unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG zustande gekommen, kann der ihr anhaftende Verstoß im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes durch eine umfassende Prüfung der angefochtenen erstinstanzlichen Entscheidung im Beschwerdeverfahren geheilt werden (vgl. ebenso VGH-Baden-Württemberg, Beschl. v. 11.4.2016 - 11 S 393/16 - juris Rn. 9, OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 2.11.2017 - 4 B 891/17 - juris Rn. 33)
Der Antragsteller beanstandet zu Recht, dass eine wirksame Übertragung der Zuständigkeit für die Entscheidung des Rechtsstreits von der Kammer auf den Einzelrichter fehlt, weil der Übertragungsbeschluss nach § 6 Abs. 1 VwGO den Beteiligten weder förmlich zugestellt noch ihnen sonst bekannt gegeben worden ist. Nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 329 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind nicht verkündete Beschlüsse des Gerichts, die - wie der Übertragungsbeschluss nach § 6 Abs. 1 VwGO - keine Frist in Lauf setzen, den Parteien jedenfalls formlos mitzuteilen (vgl. auch BVerwG, Beschl. v. 15.10.2001 - 8 B 104.01 -, juris Rn. 8, Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 10.7.1996 - 13 L 5910/85 -, juris Rn. 2., OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 2.11.2017 - 4 B 891/17 - juris Rn. 22, VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 11.4.2016 - 11 S 393/16 -, juris Rn. 11). Eine entsprechende formlose Mitteilung der Einzelrichterübertragung ist hier unstreitig nicht erfolgt.
Ob eine Zuständigkeit des Einzelrichters bereits mit der Herausgabe des Übertragungsbeschlusses durch die Geschäftsstelle zur Post begründet werden kann (vgl. dazu auch VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 11.4.2016 - 11 S 393/16 -, juris Rn. 11, Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 10.7.1996 -13 L 5910/95 - juris Rn. 2.), kann hier offenbleiben, denn auch diese Voraussetzung liegt hier nicht vor. Der Gerichtsakte des Verwaltungsgerichts lässt sich nicht entnehmen, dass der Übertragungsbeschluss der Kammer zur Geschäftsstelle gelangt ist und es ist darin auch nicht dokumentiert, dass und ggf. wann der Beschluss durch die Geschäftsstelle auf dem Postweg oder im elektronischen Rechtsverkehr abgesandt wurde.
Beanstandet der Antragsteller mithin zu Recht, dass eine wirksame Übertragung der Zuständigkeit für die Entscheidung des Rechtsstreits von der Kammer auf den Einzelrichter fehlt, so ist gleichwohl fraglich, ob dieser Verstoß der Sachentscheidung des Verwaltungsgerichts dergestalt anhaftet, dass er unter den Gesichtspunkten der objektiven Willkür und Manipulationsabsicht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 25.1.2016 - 2 B 34.14 -, juris Rn. 14, BVerwG, Beschl. v. 15.10.2001 - 8 B 104.01 -, juris Rn. 7) zur Annahme der Verletzung des grundrechtlichen Anspruchs auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) führt.
Der Senat lässt diese Frage offen. Denn selbst wenn eine solche Verletzung unterstellt würde, führt die zur Heilung dieser Verletzung gebotene umfassende Prüfung im Rechtsmittelverfahren aus den nachstehenden Gründen nicht zum Erfolg der Beschwerde.
3. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Der Rechtssuchende hat das Vorliegen eines Anordnungsgrundes - Eilbedürftigkeit - und eines Anordnungsanspruchs, der aus dem streitigen Rechtsverhältnis erwächst, glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO).
Danach hat das Verwaltungsgericht den Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO zu Recht mit der Begründung abgelehnt, der Antragsteller habe einen Anordnungsanspruch für die von ihm begehrte Ausnahmegenehmigung nicht glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO, i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO).
Nach § 63 Abs. 3 Satz 1 NSchG haben Schülerinnen und Schüler grundsätzlich diejenige Schule zu besuchen, in deren Schulbezirk sie ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben. Abweichend von diesem Grundsatz kann nach § 63 Abs. 3 Satz 4 Nrn. 1 u. 2 NSchG der Besuch einer anderen Schule gestattet werden, wenn der Besuch der zuständigen Schule für die betroffene Schülerin bzw. den betroffenen Schüler oder deren Familien eine unzumutbare Härte darstellen würde (Nr. 1) oder der Besuch einer anderen Schule aus pädagogischen Gründen geboten erscheint (Nr. 2).
a) Der Einwand des Antragstellers gegen die Zuständigkeit der Grundschule N. greift nicht durch.
Die Grundschule N. ist die für den Antragsteller nach § 63 Abs. 3 Satz 1 NSchG zuständige Grundschule, denn die Stadt M. ihre Schulbezirkssatzung am 22. Juli 2018 geändert, und nach § 3 der geänderten Schulbezirkssatzung, die zum 1. August 2018 in Kraft tritt, gehört der Wohnsitz des Antragstellers zu dem Schulbezirk der Grundschule N.. Unerheblich ist, dass der Wohnsitz des Antragstellers zum Zeitpunkt der Antragstellung und Bescheidung (noch) nicht in der Schulbezirkssatzung und in dem Schulbezirk der Grundschule N. enthalten war. Maßgeblich ist die zum Zeitpunkt des Beginns des Schuljahres 2018/2019 gültige Schulbezirkssatzung, wobei der Schuljahresbeginn gemäß § 28 Abs. 1 NSchG grundsätzlich der 1. August eines jeden Jahres ist und die Einschulung der Erstklässlerinnen und Erstklässler im Schuljahr 2018/2019 nach Nummer 4. des RdErl. MK vom 15. Juni 2015 - 36.3-82011 (SVBl. 2015, 312; VORIS GliederungsNr. 22410) erst am Samstag, 11. August 2018 erfolgt.
Die Schulbezirkssatzung hat der Schulträger zwischenzeitlich auch wirksam bekanntgemacht. Die Festlegung der Schulbezirke obliegt den Schulträgern im Rahmen ihres eigenen Wirkungskreises (vgl. §§ 101 Abs. 2, 63 Abs. 2 Satz 1 NSchG). Die Festlegung der Schulbezirke unterliegt mithin der Satzungsermächtigung des § 10 Abs. 1 und 3 NKomVG (vgl. auch Galas, NSchG, Kommentar, 9. Aufl., § 63 S. 358). In Übereinstimmung damit hat die Stadt M. als Schulträgerin die Festlegung der Schulbezirke durch Satzung vom 22. Juli 2018 geregelt und in den Schlussvorschriften der Satzung bestimmt, dass diese am 1. August 2018 in Kraft tritt (§ 10 Abs. 3 NKomVG). Diese Satzung hat die Stadt M. in Übereinstimmung mit § 12 Abs. 1 u. 2 ihrer hier noch maßgeblichen Hauptsatzung vom 31. Januar 2017. die auch der Regelung der am 1.8.2018 in Kraft tretenden neuen Hauptsatzung vom 19. Juni 2018 entspricht, durch eine Bereitstellung auf ihrer Internetseite www.M..deverkündet und auf diese Bereitstellung in der Tageszeitung "P." vom 27.7.2018 hingewiesen.
Dessen ungeachtet war dem Antragsteller auch zum Zeitpunkt seiner Antragstellung im Januar 2018 bereits bekannt, dass beabsichtigt war, die Q., in der er wohnhaft ist und die seinerzeit noch nicht dem öffentlichen Verkehr gewidmet war, in den Schulbezirk der Grundschule N. aufzunehmen, so dass nicht ersichtlich ist, dass er durch die kurzfristige Bekanntgabe der Satzung in eigenen Rechten, namentlich in seinem Recht auf Inanspruchnahme effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) beeinträchtigt sein könnte (vgl. auch Senatsbeschl. v. 4.9.2015 - 2 ME 252/15 -, juris Rn. 8 ff.)
b) Entgegen dem Beschwerdevorbringen liegen die Voraussetzungen für die Annahme einer unzumutbaren Härte im Sinne des § 63 Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 NSchG nicht vor.
Wann der Besuch der zuständigen Schule eine unzumutbare Härte darstellt, wird in § 63 Abs. 3 Satz 4 Nr 1 NSchG nicht näher bestimmt. Der unbestimmte Rechtsbegriff der unzumutbaren Härte, der gerichtlich vollständig überprüfbar ist, unterliegt damit den allgemeinen Auslegungsregeln. Die Annahme einer eine Ausnahme rechtfertigenden "Härte" setzt regelmäßig voraus, dass ein atypischer Sachverhalt vorliegt, bei dem die Anwendung der für den Regelfall geschaffenen Rechtsvorschrift, den Leitvorstellungen des Gesetzgebers nicht mehr entspricht. Mit der Härtefallregelung des § 63 Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 NSchG sollen regelmäßig die schwerwiegenden Umstände erfasst werden, denen sich eine Schülerin und ein Schüler bzw. ihre/seine Familie nicht entziehen kann (vgl. zur Auslegung des Tatbestandsmerkmals "Härte" in anderen Rechtsgebieten auch BVerwG, Urt. v. 12.4. 2017 - 2 C 16.16 -, juris Rn. 36, BVerwGE 158, 364 - 387, Urt. v. 5.10.1972 - 5 C 71.71 - BVerwGE 41, 26 ff, zur Härteklausel des § 88 Abs. 3 BSHG; Beschl. v. 30.9.1998 - 1 B 92.98 -, Buchholz 402.240 Nr. 5 zu § 19 AuslG 1990; B. v. 13.5.1991 - 3 B 36.91 -, Buchholz 427.3 Nr. 4 zu § 301 b LAG).
Für die Annahme einer "unzumutbaren Härte" müssen atypische Umstände gegeben sein, die deutlich über diejenigen Belastungen hinausgehen, die für andere Schülerinnen und Schüler regelmäßig mit dem Besuch der Pflichtschule verbunden sind und bei deren Vorliegen es den auf den Normalfall bezogenen Leitvorstellungen des Gesetzgebers nicht mehr entspräche, die betroffene Schülerin bzw. den betroffenen Schüler der nach § 63 Abs. 3 Satz 1 NSchG zuständigen Pflichtschule zuzuweisen. Die Darlegung einer unzumutbaren Härte im Sinne des § 63 Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 NSchG verlangt dabei mehr als das Anführen sachlicher Gründe oder den Hinweis auf reine Unbequemlichkeiten, die mit dem Besuch zuständigen Schule verbunden sind. Eine "unzumutbare" Härte ist erst dann anzunehmen, wenn die Nachteile, die eine Schülerin und ein Schüler bzw. ihre und seine Familie bei dem Besuch der zuständigen Pflichtschule zu erleiden hätte, ungleich schwerer wiegen als das öffentliche Interesse an einer Beibehaltung der Schulbezirkseinteilung und der damit verbundenen sinnvollen Verteilung der Schülerinnen und Schüler auf die Schulen. Die Annahme einer unzumutbaren Härte muss sich aus der besonderen Situation des Einzelfalls ergeben, die es schließlich rechtfertigt, der betroffenen Schülerin und dem Schüler bzw. der Familie im Verhältnis zu dem öffentlichen Interesse an der Beachtung der Schulbezirkseinteilung ausnahmsweise eine Sonderstellung einzuräumen (vgl. hierzu Senatsbeschl. v. 4.9.2015 - 2 ME 252/15 - juris Rn 36 und v. 20.8.2012 - 2 ME 343/12 - juris).
Nach diesen Maßstäben folgt eine rechtlich schutzwürdige Position für einen Schulanfänger noch nicht allein aus der Berufstätigkeit beider Elternteile, weil ein derartiger Umstand heute nicht (mehr) als Ausnahmesituation und atypischer Sachverhalt anzusehen ist, sondern typischerweise eine größere Anzahl von Schülerinnen und Schülern und deren Familien betrifft. Etwas Anderes kann im Einzelfall aber dann gelten, wenn mit der berufsbedingten Belastung der Erziehungsberechtigten weitere Umstände einhergehen, die sich erheblich auf die Betreuungssituation des schulpflichtigen Kindes auswirken und von den Sorgeberechtigten nicht in zumutbarer Weise abgewendet werden können.
Ausgehend von diesem Prüfungsmaßstab hat das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt, dass der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht hat, dass der Besuch der Grundschule N. für ihn oder seine Familie eine unzumutbare Härte darstellt. Auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Beschluss nimmt der Senat Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).
Zu Recht hat das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Beschluss festgestellt, dass der Antragsteller zwar dargelegt und glaubhaft gemacht hat, dass seine Eltern in der Regel bis 16:00 Uhr berufstätig sind, er aber darüber hinaus nicht substantiiert dargelegt und glaubhaft gemacht hat, dass seine unmittelbare Inobhutnahme nach dem Ende der Schule notwendig und diese allein bei einem Besuch der L. gewährleistet ist.
Zu dem Beschwerdevorbringen des Antragstellers ist in diesem Zusammenhang Folgendes zu ergänzen:
Der Annahme eines atypischen Sachverhalts und einer damit begründeten "unzumutbaren" Härte steht auch entgegen, dass es sich bei der Pflichtschule ebenfalls um eine (offene) Ganztagsschule handelt, deren Betreuungszeit nach dem vorgelegten Konzept der Schule vom 18. September 2017 und der Stellungnahme der Schulleiterin vom 28. Juni 2018 nachmittags bis 15:30 Uhr reicht und mithin von der Betreuungszeit der L., die bis 16:00 Uhr reicht, lediglich um 30 Minuten abweicht. Diese Zeitdifferenz und die sich daraus ergebende kurzzeitige Betreuungslücke stellen keine von der Regelvorschrift des § 63 Abs. 3 Satz 1 NSchG nicht mehr erfasste, schwere und unzumutbare Belastung dar. Vielmehr handelt es sich (noch) um eine Belastung, die heutzutage eine Vielzahl von Schülern und deren Familien betrifft, in denen beide Elternteile berufstätig sind.
Besondere hinzutretende Umstände, die im vorliegenden Einzelfall gleichwohl die Annahme einer vom Regelfall abweichenden "unzumutbaren Härte" rechtfertigen könnten, hat der Antragsteller auch im Beschwerdeverfahren nicht glaubhaft gemacht. Er hat insbesondere nicht dargelegt, dass die bestehende Betreuungslücke zu einer erheblichen Belastung führt, die nicht in zumutbarer Weise, z.B. durch eine insoweit noch zumutbare flexible Arbeitszeitgestaltung beider Elternteile, eine Inobhutnahme des Antragstellers durch seine Großeltern und/oder andere Angehörige eigenständig reduziert werden kann. Auch hat er in diesem Zusammenhang nicht glaubhaft gemacht, dass er auf eine Betreuung durch seine Eltern und/oder eine dritte Person bereits ab 15:30 Uhr und auf dem Schulweg/Heimweg angewiesen ist. Nach der Stellungnahme der Schulleiterin der Pflichtschule erfolgt die Beförderung der Kinder zur Schule zudem über den Landkreis M. und nach Aussage des Schulträgers werden die Kinder nachmittags mit dem Taxi befördert, sodass die Inanspruchnahme eines öffentlichen Linienbusses - wie von dem Antragsteller vorgetragen - tatsächlich nicht notwendig ist.
c) Auch die Beanstandungen hinsichtlich des Schulweges bzw. den Belastungen im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme des öffentlichen Linienverkehrs greifen damit nicht durch.
Hinsichtlich der Glaubhaftmachung fällt hier zusätzlich ins Gewicht, dass die Mutter des Antragstellers ihre Arbeit in R. morgens erst um 9:00 Uhr beginnt. Danach erscheint es ihr nicht unzumutbar, den Antragsteller vorher zur Grundschule zu bringen; zumal eine Betreuung der Kinder nach der Stellungnahme der Schulleitung der Grundschule N. vom 28. Juni 2018 schon ab 7:50 Uhr und eine Frühaufsicht der Schule bereits um 7:35 Uhr gewährleistet sind.
Dessen ungeachtet, ist die Antragsgegnerin nicht Trägerin der Schülerbeförderung. Nach § 114 Abs. 1 NSchG sind die Landkreise und kreisfreien Städte Träger der Schülerbeförderung und haben (auch) die Schülerinnen und Schüler der 1 bis 10. Schuljahrgänge der allgemeinbildenden Schulen unter zumutbaren Bedingungen zur Schule zu befördern. Etwaige Ansprüche wären daher gegenüber dem Träger der Schülerbeförderung geltend zu machen und soweit notwendig gerichtlich durchzusetzen.
d) Zutreffend hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass sich der Antragsteller nicht darauf berufen kann, dass seine Kindergartenfreunde die L. besuchen. Die Einstellung auf eine neue Umgebung und neue Kinder gehört zu denjenigen Anforderungen, denen eine Vielzahl von Schulanfängerinnen und Schulanfänger ausgesetzt sind und stellt mithin keine atypische Fallkonstellation dar. Besonderheiten, die im vorliegenden Einzelfall ausnahmsweise eine andere Bewertung gebieten könnten, hat der Antragsteller weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht.
e) Soweit der Antragsteller das Gesamtkonzept der zuständigen Grundschule beanstandet und im Ganzen als "unklar" bezeichnet, hat er weder dargelegt noch glaubhaft gemacht, aus welchen Gründen das Gesamtkonzept der Schule "im Ganzen unklar" ist und weshalb die angegriffene Entscheidung des Verwaltungsgerichts in diesem Zusammenhang abzuändern ist. Dies gilt auch für das Betreuungskonzept der Schule, das nach der Stellungnahme der Schulleiterin der Pflichtschule eine Betreuung von Montag bis Donnerstag im zeitlichen Rahmen von 7:50 Uhr (Frühaufsicht ab 7:35 Uhr) bis 15:15 Uhr und Angebote im musischen, kreativen und auch sportlichen Bereich umfasst. Mittagessen gibt es an den Tagen, an denen auch der Ganztagsbetrieb stattfindet und es wird mit 3,55 Euro pro Mahlzeit veranschlagt.
Hat der Antragsteller mithin bezogen auf die L. keinen Aufnahmeanspruch, ist auch für das von dem Antragsteller hilfsweise beantragte Losverfahren nach § 59a Abs. 1 NSchG kein Raum, so dass er auch mit seinem Hilfsantrag ohne Erfolg bleibt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG i.V. Nr. 38.4. und 1.5. des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 31.5./1.6.2012 und am 18.7.2013 beschlossenen Änderungen Nord ÖR 2014, S. 11). Der Senat reduziert den Streitwert in Verfahren wie dem vorliegenden in inzwischen ständiger Rechtsprechung entsprechend dieser Vorgabe um die Hälfte (vgl. Senatsbeschl. v. 4.9.2015 - 2 ME 252/15 -, juris und v. 6.9.2012 - 2 ME 351/12 -, juris, jeweils mwN), dies hält er mit Blick darauf weiterhin für angemessen, dass die Hauptsache nur teilweise vorweggenommen wird und ein Schulwechsel nach Ergehen der Hauptsachenentscheidung möglich bleibt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).