Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 24.09.2021, Az.: 13 OA 362/21

Bemühen, besonderes; Beschwerde; Besprechung; Eilrechtsstreit; Erinnerung; erledigt erklärt; Erledigung; Erledigungsgebühr; im eigenen Namen; Impftermin; Kausalität; Kostenfestsetzungsbeschluss; Mitwirkung; Prozessbevollmächtigter; Terminsgebühr

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
24.09.2021
Aktenzeichen
13 OA 362/21
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2021, 70947
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 05.08.2021 - AZ: 3 B 6/21

Tenor:

Auf die Beschwerde des Rechtsanwalts B. aus A-Stadt wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Osnabrück - Berichterstatterin der 3. Kammer - vom 5. August 2021 dahin geändert, dass nicht eine Erinnerung des Rechtsanwalts B., sondern die Erinnerung der Antragstellerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Verwaltungsgerichts Osnabrück - Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle der 3. Kammer - vom 21. Juli 2021 zurückgewiesen wird und dass nicht Rechtsanwalt B., sondern die Antragstellerin die Kosten des gerichtskostenfreien Erinnerungsverfahrens trägt.

Die Beschwerde der Antragstellerin wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin und der Antragsgegner tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens je zur Hälfte. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.

Gründe

I. Von den nach §§ 165, 151 VwGO in Verbindung mit §§ 146 Abs. 1 und 3, 147 VwGO zulässigen Beschwerden der Antragstellerin und ihres Prozessbevollmächtigten gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Osnabrück vom 5. August 2021, über die der Senat gemäß §§ 150, 9 Abs. 3 Satz 1 VwGO, § 76 Abs. 2 Satz 1 NJG durch Beschluss in der Besetzung mit drei Richtern entscheidet (vgl. Senatsbeschl. v. 10.2.2014 - 13 OA 27/14 -, S. 2 des Beschlussabdrucks; Nds. OVG, Beschl. v. 11.6.2007 - 2 OA 433/07 -, juris Rn. 3), hat nur eine in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

1. Der angefochtene Beschluss vom 5. August 2021 ist auf die im eigenen Namen geführte Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin in einem ersten Schritt dahin neu zu fassen, dass die Erinnerung der Antragstellerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 21. Juli 2021 auf deren Kosten zurückgewiesen wird.

Zu Unrecht hat das Verwaltungsgericht mit dem angegriffenen Beschluss vom 5. August 2021 nämlich dem Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin vom 29. Juli 2021 (Bl. 148 ff. der GA) einen Antrag des Prozessbevollmächtigten auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 165, 151 VwGO (eine Erinnerung) gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (§ 164 VwGO) vom 21. Juli 2021 in eigener Sache entnommen, das so verstandene Begehren zurückgewiesen und die außergerichtlichen Kosten des Erinnerungsverfahrens dem Prozessbevollmächtigten auferlegt. Hierfür ist bei verständiger Auslegung des betreffenden Schriftsatzes kein Raum. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Prozessbevollmächtigte auch die Kostenerinnerung im Namen der ihn bevollmächtigenden Antragstellerin erhoben hat, um deren vermeintliche über die bisherige Kostenfestsetzung hinausgehenden Kostenerstattungsansprüche aus § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO in Verbindung mit der Kostengrundentscheidung aus dem Einstellungsbeschluss des Senats vom 26. März 2021 - 13 ME 136/21 - gegen den Antragsgegner geltend zu machen. Hierauf deutet schon der erste Satz der Begründung (Bl. 148 der GA) hin, mit dem eine aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 21. Juli 2021 resultierende Rechtsverletzung der Antragstellerin gerügt wird. Die Verwendung der 1. Person Singular in der Formulierung des Antrags „beantrage ich hiermit die Entscheidung des Gerichts“ (Hervorhebung durch den Senat) trägt demgegenüber nichts aus. Sie ist unschädlich, wenn mitbedacht wird, dass der Prozessbevollmächtigte diesen Antrag im Namen der Antragstellerin stellt.

2. In der Sache vermag in einem zweiten Schritt die Beschwerde der Antragstellerin gegen den die Kostenerinnerung zurückweisenden Beschluss vom 5. August 2021 - nunmehr in der gemäß I.1. geänderten Fassung - nichts mehr zu ändern, denn diese Beschwerde bleibt ohne Erfolg und unterliegt daher der Zurückweisung.

Der mit der Erinnerung angegriffene Kostenfestsetzungsbeschluss vom 21. Juli 2021 ist, soweit er im Wege der Kostenausgleichung zugunsten der Antragstellerin nur einen Erstattungsbetrag in Höhe von 620,37 EUR nebst Zinsen festsetzt und hierin den am 30. März 2021 (Bl. 128 der GA) beantragten Ansatz auch einer Terminsgebühr im Sinne der Nrn. 3202, 3104 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG (Vergütungsverzeichnis - VV -) in Höhe von 1,2 (400,80 EUR) sowie einer Erledigungsgebühr nach Nrn. 1003, 1002 VV in Höhe von 1,0 (334,00 EUR) ablehnt, nicht zu beanstanden.

Der Antragstellerin steht nach § 162 Abs. 2 Satz 1, Abs. 1 VwGO entgegen ihrer Auffassung der geltend gemachte höhere Kostenausgleichungsanspruch gegen den Antragsgegner unter Ansatz einer Termins- und der Erledigungsgebühr nicht zu, denn diese zusätzlichen Rechtsanwaltsgebühren sind für das gesamte Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes 3 B 6/21 // 13 ME 136/21 neben den in Höhe von 1,3 (434,20 EUR) bzw. 1,6 (534,40 EUR) bereits angesetzten Verfahrensgebühren für beide Rechtszüge (Nrn. 3100, 3200 VV) nicht entstanden.

Zur Vermeidung von Wiederholungen kann auf die Ausführungen im angefochtenen Beschluss vom 5. August 2021 (S. 3 bis 6 des Beschlussabdrucks) Bezug genommen werden, die sich der Senat entsprechend § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO zu Eigen macht. Das Beschwerdevorbringen der Antragstellerin im Schriftsatz vom 9. August 2021 (Bl. 158 f. der GA) rechtfertigt keine andere Entscheidung.

a) Soweit die Entstehung einer „Terminsgebühr ohne Termin“ im zweiten Rechtszug (Nrn. 3202, 3104 VV) neben der Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV unter Verweis auf die Judikatur des Thüringer OVG (Beschl. v. 26.8.2020 - 4 VO 390/20 -, juris Rn. 19) mit der Begründung geltend gemacht wird, eine hierfür von der Vorbemerkung 3 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 VV geforderte „Mitwirkung an Besprechungen, die auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtet sind (ohne Besprechungen mit dem Auftraggeber)“ liege auch dann vor, wenn das Gericht mit den (Vertretern der) Beteiligten außerhalb eines Termins jeweils in getrennten Telefonaten die Sach- und Rechtslage erörtert und auf der Basis dieser Gespräche ein Vergleich geschlossen wird, trägt dies nichts aus. Es kann offenbleiben, ob diesem kostenrechtlichen Ansatz zu folgen wäre, denn die beschriebene Konstellation hat hier vom tatsächlichen Geschehensablauf her nicht vorgelegen. Zwar hat der Berichterstatter des Senats im Eilbeschwerdeverfahren 13 ME 136/21 im Zeitraum vom 24. bis zum 26. März 2021 mit den Beteiligtenvertretern mehrere getrennte Telefonate geführt (vgl. die Vermerke v. 26.3.2021 auf Bl. 116 der GA). Schon diejenigen mit dem Antragsgegner haben letztlich zu einer Abhilfe in der Sache durch diesen in Gestalt der Zuweisung eines zeitnahen Impftermins (29.3.2021) an die Antragstellerin geführt. Anschließend haben die Beteiligten den Eilrechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt (vgl. die Schriftsätze vom 26.3.2021, Bl. 117, 119 der GA). Ein Vergleich in der Sache (§ 106 VwGO) ist hingegen zwischen den Beteiligten nicht geschlossen worden; diese haben vielmehr lediglich eine Einigung über die Kostentragung (hier: gerichtet auf hälftige Kostenteilung) erzielt und dem Senat sodann mitgeteilt (a.a.O.). Anhaltspunkte dafür, dass eine vom Gericht lediglich vermittelte Besprechung ihres Prozessbevollmächtigten mit der Gegenseite über den sachlichen Gegenstand des Eilrechtsstreits stattgefunden hätte, trägt selbst die Antragstellerin nicht vor.

b) Auch die Erledigungsgebühr (Nr. 1003, 1002 VV) ist nicht neben der Verfahrensgebühr für die zweite Instanz (Nr. 3200 VV) entstanden. In seinem Beschluss vom 31. Oktober 2016 - 13 OA 169/16 - (V.n.b., S. 3 bis 5 des Beschlussabdrucks) hat der Senat hierzu Folgendes ausgeführt:

„Gemäß Nrn. 1002, 1003 VV entsteht die Erledigungsgebühr u.a., wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt. ...

Die objektiven Voraussetzungen des Gebührentatbestandes sind erfüllt. … [Die Beklagte] … hat … dem Klagebegehren von sich aus entsprochen, was eine streitige gerichtliche Entscheidung entbehrlich gemacht und zur materiellen Erledigung der Rechtssache geführt hat.

… [Die] besondere[…] Voraussetzung aus Nr. 1002 Satz 1 VV, dass sich die Rechtssache nach Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt haben muss[:] Dem Charakter der Einigungsgebühr als Erfolgsgebühr entsprechend, setzt dieses Merkmal besondere, auf die Beilegung der Sache ohne gerichtliche Entscheidung gerichtete, nicht ganz unwesentliche Bemühungen des Rechtsanwalts voraus, die zumindest mitursächlich für die materielle Erledigung des Rechtsstreits gewesen sind und die über eine „normale“, durch Tätigkeitsgebühren - wie die Termins- und die Verfahrensgebühr - abgegoltene Prozessführung hinausgehen (vgl. Nds. OVG, 1. Senat, Beschl. v. 21. September 2000 - 1 O 3119/00 -, JurBüro 2001, 249 f., juris Rdnr. 12; 4. Senat, Beschl. v. 12. Februar 2009 - 4 OA 78/08 -, JurBüro 2009, 307, juris Rdnr. 3).

An der Kausalität anwaltlichen Tuns fehlt es bereits, wenn die materielle Erledigung (z.B. Abhilfe in der Sache) allein aufgrund eines gerichtlichen Hinweises eintritt, ohne dass sich anwaltliche Bemühungen noch auswirken (vgl. Senatsbeschl. v. 17. August 2007 - 13 OA 149/07 -, S. 2 f. des Beschlussabdrucks; 4. Senat des Nds. OVG, Beschl. v. 12. Februar 2009, a.a.O., S. 308 bzw. Rdnr. 4).

Im Übrigen ist ein besonderes Maß an anwaltlicher Mitwirkung zu verlangen, welches nicht bereits z.B. durch die Verfahrensgebühr abgegolten wird. Deshalb reicht es nicht aus, dass nach bereits eingetretener materieller Erledigung nur noch an der formellen Beendigung des gerichtlichen Verfahrens mitgewirkt wird, etwa durch die Abgabe einer Erledigungserklärung für den von dem Rechtsanwalt vertretenen Beteiligten (vgl. Nds. OVG, 2. Senat, Beschl. v. 4. Juli 2008 - 2 OA 338/08 -, NJW 2009, 460, juris Rdnr. 6; 10. Senat, Beschl. v. 7. Januar 2008 - 10 OA 250/07 -, NVwZ-RR 2008, 500, juris Rdnr. 9; 4. Senat, Beschl. v. 21. März 2007 - 4 OA 416/06 -, juris Rdnr. 8); abgesehen davon, dass es in diesen Fällen auch an der Kausalität fehlen wird. Desgleichen stellt es keinen auf besonderem Bemühen beruhenden Erfolg dar, wenn die beklagte Behörde sogleich aufgrund einer überzeugenden Klage- oder Antragsbegründung, die alle für den Kläger bzw. Antragsteller streitenden tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen aufführt, dem Begehren abhilft (vgl. Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt [Hrsg.], RVG, 22. Aufl. 2015, VV Nr. 1002 Rdnr. 47, im Anschluss an BVerwG, Urt. v. 21. August 1981 - 4 C 60.79 -, NVwZ 1982, 36; Thiel, in: Schneider/Volpert/Fölsch [Hrsg.], Gesamtes Kostenrecht, 2. Aufl. 2017, RVG VV Nr. 1002 Rdnr. 7). Denn die Abgabe prozessbeendender Erklärungen und die Fertigung einer ordnungsgemäßen Antrags- bzw. Klagebegründung verlassen den Rahmen einer „normalen“ Prozessführung und Verfahrensförderung nicht und sind bereits von der Verfahrensgebühr umfasst (vgl. Curcovic/Klipstein, in: Bischof/Jungbauer u.a., RVG, 6. Aufl. 2014, VV Nr. 1002 Rdnr. 12).“

Die Anwendung dieser Grundsätze, an denen der Senat festhält, führt im vorliegenden Einzelfall zur Verneinung einer „Erledigung der Rechtssache durch die anwaltliche Mitwirkung“ im Sinne der Nr. 1002 Satz 1 in Verbindung mit Satz 2 VV, bei welcher es sich entgegen dem Beschwerdevorbringen nicht lediglich um ein von der Rechtsprechung entwickeltes ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal handelt.

aa) Es fehlt zum einen an der Kausalität anwaltlichen Tuns, weil der Antragsgegner bereits aufgrund der mit ihm im Zeitraum 24. bis 26. März 2021geführten Telefonate des Berichterstatters des Senats und der darin gegebenen gerichtlichen Hinweise dem Eilrechtsschutzbegehren der Antragstellerin in der Sache abgeholfen und damit die materielle Erledigung des gesamten Eilrechtsstreits bewirkt hat (vgl. erneut den Vermerk v. 26.3.2021 auf Bl. 116 der GA).

bb) Zum anderen liegt in der Abgabe einer auf jenen Rechtsstreit bezogenen Erledigungserklärung durch Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin vom 26. März 2021 (Bl. 119 der GA) nach bereits eingetretener materieller Erledigung eine bloße Mitwirkung an der formellen Beendigung des gerichtlichen Verfahrens, so dass es auch an einem besonderen Maß an anwaltlicher Mitwirkung, das über das bereits mit der Verfahrensgebühr abgegoltene Bemühen hinausginge, mangelt. Dass der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin aufgrund seiner am 25. und 26. März 2021 mit dem Berichterstatter des Senats geführten Telefonate, in denen er lediglich darüber informiert worden ist, dass das Gericht dem Antragsgegner Hinweise erteilt und dieser schlussendlich abgeholfen habe, auf eine weitere Stellungnahme verzichtet hat, lässt sich nicht als ein besonderes (aktives) anwaltliches Bemühen ansehen.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 und Abs. 2, 159 Satz 1 VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO. Die Antragstellerin und der Antragsgegner haben als unterlegene Beteiligte danach die Kosten des gesamten Beschwerdeverfahrens je zur Hälfte zu tragen. Der Antragsgegner unterlag bezogen auf die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin. Die Antragstellerin unterlag hingegen mit ihrer eigenen Beschwerde, soweit es um die von ihr mit der Erinnerung angegriffene Kostenfestsetzung als solche ging.

Weil zumindest eine der im vorliegenden Beschwerdeverfahren geführten Kostenbeschwerden - diejenige des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin - erfolgreich gewesen ist, werden für dieses Verfahren in Anwendung von Nr. 5502 letzter Satz der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG (Kostenverzeichnis - KV -) insgesamt keine Gerichtsgebühren erhoben.

III. Eine Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren ist nicht veranlasst.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).