Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 23.09.2021, Az.: 13 LB 314/19

Auswahlentscheidung; Bedarfsanalyse; Berufung; Hochschulklinik; Krankenhausplan

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
23.09.2021
Aktenzeichen
13 LB 314/19
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2021, 70954
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 03.05.2018 - AZ: 4 A 325/15

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Kraft Gesetzes nach §§ 108 Nr. 1, 109 Abs. 1 Satz 2 SGB V zur Krankenhausbehandlung zugelassene Versorgungsangebote der Hochschulkliniken sind zwar nach § 4 Abs. 4 NKHG über die Bedarfsanalyse in den Krankenhausplan einzubeziehen, stehen gegenüber konkurrierenden Versorgungsangeboten von Plankrankenhäusern aber nicht zur Disposition und entziehen sich daher von Rechts wegen einer Auswahlentscheidung.

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Göttingen - 4. Kammer - vom 3. Mai 2018 geändert, soweit der Beklagte verpflichtet worden ist, bei der Neubescheidung des Antrags der Klägerin vom 5. Mai 2010 auf Aufnahme der Helios Albert-Schweitzer-Klinik A-Stadt im Umfang von 20 Planbetten (inklusive 4 Stroke-unit-Betten) für die Fachrichtung Neurologie in den Krankenhausplan des Landes Niedersachen im Wege der Umwidmung von Betten der Fachrichtung Innere Medizin in die vorzunehmende Auswahlentscheidung die Universitätsmedizin Göttingen als konkurrierendes Krankenhaus einzubeziehen. Insoweit wird der Beklagte zur Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats verpflichtet.

Der Beklagte trägt die Kosten des zweitinstanzlichen Verfahrens.

Der Beschluss ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann eine Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in der Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert des zweitinstanzlichen Verfahrens wird auf 10.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt die Aufnahme von 20 Planbetten (inklusive 4 Stroke-unit-Betten) für die Fachrichtung Neurologie im Wege der Umwidmung von Betten der Fachrichtung Innere Medizin in den Krankenhausplan des Landes Niedersachen.

Die Klägerin betreibt die Albert-Schweitzer-Klinik in A-Stadt mit den Abteilungen Innere Medizin, Augenheilkunde, Chirurgie, Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Hals-Nasen-Ohrenheilkunde und Urologie. Das Krankenhaus hat gegenwärtig 210 Planbetten, wovon 101 Planbetten der Fachrichtung Innere Medizin zugehörig sind.

Unter dem 5. Mai 2010 beantragte die Klägerin die Aufnahme einer Abteilung der Fachrichtung Neurologie mit insgesamt 20 Planbetten (einschließlich 4 stroke-unit-Betten) in den Krankenhausplan des Landes Niedersachen im Wege der Umwidmung von 20 Planbetten der Fachrichtung Innere Medizin. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, die Klinik verzeichne seit Jahren einen stetigen Zuwachs der Patientenfallzahlen. Einerseits durch den Zuspruch der Patienten zu der medizinischen Klinik und andererseits durch die demografische Entwicklung, komme es zu einer Zunahme der neurologischen Krankheitsbilder. Im Jahr 2009 seien 612 Patienten mit eigenständigen neurologischen Krankheitsbildern in der medizinischen Klinik des Hauses behandelt worden. Die Klinik habe schon im Jahr 2009 mit Zustimmung der Kostenträger die personellen, technischen und räumlichen Voraussetzungen zur neurologischen Komplexbehandlung für Schlaganfallpatienten als neue diagnostische und therapeutische Behandlungsform geschaffen. Alle technischen und apparativen Voraussetzungen zur Behandlung neurologischer Krankheitsbilder seien vorhanden.

Mit Bescheid vom 29. September 2015 lehnte der Beklagte den Antrag der Klägerin auf Aufnahme in den Niedersächsischen Krankenhausplan mit einer neu einzurichtenden Krankenhausfachabteilung für Neurologie mit 20 vollstationären Planbetten (inklusive 4 Stroke-unit-Betten) ab. Im Versorgungsgebiet 1, in dem die Klinik liege, seien die in den Niedersächsischen Krankenhausplan aufgenommen Planbetten der Fachrichtung Neurologie im Jahr 2013 zu 84,1% ausgelastet gewesen und erreichten damit nicht den Zielwert des niedersächsischen Krankenhausplans von 85 %. Es bestehe daher ein nicht bedarfsgerechter Bettenüberhang im Umfang von 3 Planbetten. Im Versorgungsgebiet 1 seien gegenwärtig das Städtische Klinikum in C., die Universitätsmedizin in D. und die Asklepios Kliniken E. in F. mit Kapazitäten der Fachrichtung Neurologie in den Niedersächsischen Krankenhausplan aufgenommen. Das Städtische Klinikum G. habe im Lauf des Jahres 2014 ebenfalls eine Abteilung für Neurologie neu eröffnet. Zurzeit erfolge die Versorgung der Patienten im Landkreis A-Stadt durch die Universitätsmedizin Göttingen und die Asklepios Kliniken E.. Die Universitätsmedizin Göttingen entziehe sich aufgrund § 108 Nr. 1 SGB V einem Auswahlverfahren, da aufgrund des gesetzlich bestehenden Zulassungsanspruchs kein Raum für eine Entscheidung im Rahmen der Krankenhausplanung bleibe. Dementsprechend seien die Kapazitäten der Universitätsmedizin Göttingen im Niedersächsischen Krankenhausplan zwar zu berücksichtigen, die Zulassung zur Krankenhausversorgung stehe jedoch nicht zur Disposition. Im Ergebnis werde das Versorgungsangebot der Asklepios Kliniken E. und der Universitätsmedizin Göttingen den Zielen der Krankenhausplanung am besten gerecht. Für die Patienten in Südniedersachsen bestehe damit im stationären Bereich für den Fachbereich Neurologie eine gute Versorgung mit kurzen Transportwegen. Eine kleine neurologische Einheit mit nur minimaler fachärztlicher Besetzung könne die Abdeckung des hochdifferenzierten Fallspektrums in der modernen Neurologie nicht in dem Maße erbringen, wie es die großen neurologischen Zentren könnten.

Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin am 30. Oktober 2015 vor dem Verwaltungsgericht Göttingen Klage erhoben. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen geltend gemacht, es werde kein konkreter Versorgungsbedarf ermittelt bzw. festgestellt. Berücksichtigt werden müsse ferner, dass sie – die Klägerin – über eine besondere Ausstattung, nämlich ein sogenanntes Schlaflabor verfüge. Die neurologischen Fallzahlen hätten sich erheblich gesteigert. Die Bedarfsanalyse für das gesamte Versorgungsgebiet 1 könne für die Verwaltungsentscheidung im Hinblick auf den konkreten Bedarf im Einzugsbereich der Klägerin nicht relevant sein. Es bestehe der dringende Bedarf einer wohnortnahen Versorgung. Aus den Einzugsbereichen H., I. und J. könnten neurologische Notfälle innerhalb eines angemessenen Zeitfensters nicht nach F. oder gar in einen anderen Landkreis (Göttingen) einer medizinischen Krankenhausversorgung zugeführt werden.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 29. September 2015 zu verpflichten festzustellen, dass die Helios Albert-Schweitzer-Klinik A-Stadt im Umfang von 20 Krankenhausbetten (inklusive 4 Stroke-unit-Betten) für die Fachrichtung Neurologie im Wege der Umwidmung von Betten der Klägerin der Fachrichtung Innere Medizin in den Krankenhausplan des Landes Niedersachsen aufgenommen ist,

hilfsweise, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 29. September 2015 zu verpflichten, den Antrag der Klägerin auf Aufnahme der Klinik Helios Albert-Schweitzer-Krankenhaus A-Stadt im Umfang von 20 Krankenhausbetten (inklusive 4 Stroke-Unit-Betten) für die Fachrichtung Neurologie in den Krankenhausplan des Landes Niedersachsen unter der Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt, es gebe zwar eine steigende Tendenz der Inanspruchnahme neurologischer Abteilungen, bei insgesamt 360 in den Niedersächsischen Krankenhausplan aufgenommenen Betten sei allerdings durchaus erkennbar, dass zumindest gegenwärtig nicht von einem zusätzlichen Bedarf an Betten in der Fachrichtung Neurologie auszugehen sei. Der Versorgungsbereich des klägerischen Krankenhauses entspreche dem eines Krankenhauses der sogenannten Grund- und Regelversorgung, zu dessen Versorgungsspektrum nicht ein Angebot der Fachrichtung Neurologie zähle. Der Bedarf in der Fachrichtung Neurologie werde durch die umliegenden bestehenden Krankenhäuser gedeckt. Die Tendenz der Bevölkerung, auch Krankenhäuser der angrenzenden Bundesländer in Anspruch zu nehmen, sei bedarfsmindernd zu berücksichtigen. Die von der Klägerin aufgeführten Diagnoseschlüssel seien nicht hinreichend eindeutig der Neurologie zuzuordnen, da sie ebenfalls und teils häufiger in der Inneren Medizin und anderen Fachrichtungen Anwendung fänden. Soweit die Klägerin auf Rettungsfahrten abstelle, verkenne sie, dass das Universitätsklinikum Göttingen Standort eines Rettungshubschraubers sei.

Mit Urteil vom 3. Mai 2018 hat das Verwaltungsgericht Göttingen dem Hilfsantrag der Klägerin stattgegeben und den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 29. September 2015 verpflichtet, über den Antrag der Klägerin vom 5. Mai 2010 erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das von der Klägerin betriebene Krankhaus erfülle die Voraussetzungen für eine Planaufnahme, weil es – soweit ersichtlich – bedarfsgerecht, leistungsfähig und kostengünstig sei. Da die Klägerin eine Abteilung der Fachrichtung Neurologie plane, sei es sachgerecht, den Einzugsbereich über den Landkreis A-Stadt hinaus auf Teile des Landkreises Göttingen, einschließlich des ehemaligen Landkreises Osterode am Harz und des Landkreises Goslar auszuweiten. Dies entspreche den Einzugsbereichen der Kliniken Seesen und Göttingen. Der Beklagte habe bei der Berechnung der Bedarfsdeckung jedoch einen Teil der Betten, die er aufgrund der Herkunftsortstatistik als Bedarf der Fachrichtung Neurologie für den Landkreis A-Stadt errechnete, nicht berücksichtigt. Der Bedarf von 68 Betten im Jahr 2014 und 60 Betten in 2016 sei zwar, soweit er durch das Universitätsklinikum Göttingen und die Kliniken E. gedeckt wurde, in der Berechnung der im Krankenhausplan eingegangenen Planbetten berücksichtigt worden, der Bedarf sei jedoch im Umfang von 7 Betten (2014) bzw. 13 Betten (2016) auch von dem Krankenhaus der Klägerin gedeckt worden. Da dieses keinen Versorgungsauftrag in der Fachrichtung Neurologie gehabt habe, sei diese Bedarfsdeckung nicht in die Berechnung der für die Fachrichtung Neurologie erforderlichen Planbetten eingegangen. Gleichwohl handele es sich um einen für die Fachrichtung Neurologie festgestellten Bedarf, den die Klägerin tatsächlich und nicht aufgrund einer Ausweisung im Krankenhausplan gedeckt habe. Da nicht ausgeschlossen werden könne, dass die Klägerin mit ihrem Begehren aufgrund einer Bedarfsanalyse, die den bisher schon von ihr gedeckten Bedarf berücksichtige, zumindest zum Teil durchdringe, sei der Beklagte zur Neubescheidung verpflichtet. Nach einer entsprechenden Bedarfsanalyse habe der Beklagte eine Auswahlentscheidung zwischen dem Krankenhaus der Klägerin, der Universitätsmedizin Göttingen, den Kliniken E. und gegebenenfalls weiteren Mitbewerbern zu treffen. Neben der unzureichend erstellten Bedarfsanalyse habe der Beklagte sein Auswahlermessen unzureichend ausgeübt. Die Größe der jeweiligen Fachabteilungen allein sei kein Argument für eine bessere Eignung der Mitbewerber. Zudem sei die Wirtschaftlichkeit der jeweiligen Angebote zu vergleichen, die der Beklagte bislang nicht geprüft habe.

Auf Antrag des Beklagten hat der Senat mit Beschluss vom 23. September 2019 (13 LA 210/18) die Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung zugelassen, soweit der Beklagte verpflichtet worden ist, bei der Neubescheidung des Antrags der Klägerin vom 5. Mai 2010 auf Aufnahme der Helios Albert-Schweitzer-Klinik A-Stadt im Umfang von 20 Planbetten (inklusive 4 Stroke-unit-Betten) für die Fachrichtung Neurologie in den Krankenhausplan des Landes Niedersachsen im Wege der Umwidmung von Betten der Fachrichtung Innere Medizin in die vorzunehmende Auswahlentscheidung die Universitätsmedizin Göttingen als konkurrierendes Krankenhaus einzubeziehen. Im Übrigen hat der Senat den Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung abgelehnt.

Zur Begründung seiner Berufung trägt der Beklagte vor, mit der Vorgabe, die Universitätsmedizin Göttingen in eine Auswahlentscheidung einzubeziehen, verpflichte das Verwaltungsgericht ihn – den Beklagten – zu einem Verwaltungshandeln, das sich als rechtlich nicht zulässig erweise. Aus § 4 Abs. 4 NKHG und der zugehörigen Gesetzesbegründung (LT-Drucks. 16/3649, S. 16) erschließe sich, dass die Universitätsmedizin Göttingen als Hochschulklinik nicht der Krankenhausplanung – für die nach § 4 Abs. 6 NKHG das Fachministerium (der Beklagte) die Zuständigkeit habe – unterliege. Eine Hochschulklinik bestimme über den Umfang ihrer Bettenkapazität selbst. Lediglich bei der Prüfung inwieweit der Bedarf gedeckt sei, zähle das Versorgungsangebot der Hochschulkliniken mit. Deshalb werde an die Universitätsmedizin Göttingen und ebenso an die Medizinische Hochschule Hannover auch kein Feststellungsbescheid nach § 8 Abs. 1 Satz 3 KHG erteilt. Ihm fehle eine Befugnis, die Bettenkapazität bei der Universitätsmedizin Göttingen zu verringern, hierauf aber könne eine Auswahl nach den Vorgaben des Verwaltungsgerichts gegebenenfalls hinauslaufen.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Göttingen – 4. Kammer – vom 3. Mai 2018 (Az. 4 A 325/15) zu ändern, soweit der Beklagte verpflichtet worden ist, bei der Neubescheidung des Antrags der Klägerin vom 5. Mai 2010 auf Aufnahme der Helios Albert-Schweitzer-Klinik A-Stadt im Umfang von 20 Planbetten (inklusive 4 Stroke-unit-Betten) für die Fachrichtung Neurologie in den Krankenhausplan des Landes Niedersachen im Wege der Umwidmung von Betten der Fachrichtung Innere Medizin in die vorzunehmende Auswahlentscheidung die Universitätsmedizin Göttingen als konkurrierendes Krankenhaus einzubeziehen, und eben diese Vorgabe aufzuheben.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Ansicht der Beklagten verkenne, dass die Universitätskliniken einerseits Einrichtungen von Forschung und Lehre seien, andererseits als Krankenhäuser der Maximalversorgung staatliche Versorgungsaufgaben wahrnähmen. In dieser Funktion wirkten sie bei der allgemeinen stationären Versorgung der Bevölkerung mit. Die Wertung, dass die Universitätskliniken nur nachrichtlich im Krankenhausplan aufgeführt seien, verdeutliche vor diesem Hintergrund lediglich, dass – was im Übrigen dem Bundesrecht widersprechen würde – Universitätsklinken keinen Anspruch auf Mittel der Krankenhausförderung hätten. Die bindende Wirkung für die Krankenhausplanung sei davon jedoch unbenommen. Dementsprechend komme den Universitätskliniken kein autonomes Bestimmungsrecht im Rahmen der Krankenhausplanung zu. Die Auffassung des Beklagten führe zu dem unvertretbaren Ergebnis, dass eine Hochschulklinik ihre Bettenkapazität im Bereich der allgemeinen Versorgung der Bevölkerung selbst ohne jegliche Überprüfung von Wirtschaftlichkeit, Bedarfsgerechtigkeit und Leistungsfähigkeit unkontrolliert ausweiten könne und das von ihr selbst festgelegte Versorgungsangebot bei der Prüfung, inwieweit der Bedarf allgemein gedeckt werde, zu berücksichtigen sei. Dieses Ergebnis könne auch vor dem Hintergrund der vom Bundesverfassungsgericht herbeigeführten Klärung, dass Hochschulkliniken als Träger einer gesellschaftlichen Aufgabe staatlicher Kontrolle unterliegen müssen, soweit sie nicht nur Aufgaben medizinischer Forschung und Lehre übernehmen (BVerfG, Beschl. v. 8.4.1981 - 1 BvR 608/79 -, BVerfGE 57, 70-107), nicht richtig sein.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen.

II.

Der Senat trifft diese Entscheidung nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss (§ 130a Satz 1 VwGO), weil er die Berufung einstimmig für begründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Beklagten führt zur teilweisen Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Göttingen - 4. Kammer - vom 3. Mai 2018, insoweit als das bei der Neubescheidung des Antrags der Klägerin vom 5. Mai 2010 auf Aufnahme der Helios Albert-Schweitzer-Klinik A-Stadt im Umfang von 20 Planbetten (inklusive 4 Stroke-unit-Betten) für die Fachrichtung Neurologie in den Krankenhausplan des Landes Niedersachen im Wege der Umwidmung von Betten der Fachrichtung Innere Medizin in die vorzunehmende Auswahlentscheidung die Universitätsmedizin Göttingen als konkurrierendes Krankenhaus nicht mit einzubeziehen ist. Die übrigen Vorgaben des Verwaltungsgerichts Göttingen in dem Urteil vom 3. Mai 2018 in Bezug auf die Verpflichtung des Beklagten zur Neubescheidung des Antrags der Klägerin vom 5. Mai 2010 und die hierfür vom Verwaltungsgericht gegebene Begründung sind nach der insoweit erfolgten Ablehnung des Zulassungsantrags rechtskräftig und von dem Beklagten im Rahmen der Neubescheidung zu berücksichtigen.

Das konkurrierende Versorgungsangebot der Universitätsmedizin Göttingen entzieht sich hingegen von Rechts wegen einer Auswahlentscheidung. Die Universitätsmedizin Göttingen ist (auch mit dem hier streitrelevanten Versorgungsangebot) bereits kraft Gesetzes nach §§ 108 Nr. 1, 109 Abs. 1 Satz 2 SGB V zur Krankenhausbehandlung zugelassen (vgl. Niedersächsischer Krankenhausplan, Stand: Januar 2021 (36. Fortschreibung), S. 8 f.).

Universitätskliniken sind nach Maßgabe von § 5 Abs. 1 Nr. 1 KHG keine förderungsfähigen Einrichtungen im Sinne des Krankenhausfinanzierungsgesetzes. Ihr Status als zugelassene Krankenhäuser im Sinne von § 108 SGB V ergibt sich aus der landesrechtlichen Anerkennung als Hochschulklinik (§ 108 Nr. 1 SGB V). Sie sind damit kraft Gesetzes zur Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V zugelassen und nicht wie die Plankrankenhäuser gemäß § 108 Nr. 2 SGB V, § 8 Abs. 1 Satz 3 KHG aufgrund der Feststellung der Aufnahme in den Krankenhausplan eines Landes durch Bescheid. Ob bzw. wie Universitäts- bzw. Hochschulkliniken im Krankenhausplan berücksichtigt werden, ist danach Sache des Landesgesetzgebers (§ 6 Abs. 4 KHG) (BVerwG,Beschl. v. 11.6.2021 - BVerwG 3 B 44.19 -, juris Rn. 27). § 4 Abs. 4 NKHG bestimmt, dass Hochschulkliniken in den Krankenhausplan einzubeziehen sind, soweit sie der allgemeinen Versorgung der Bevölkerung dienen.

Danach ist das Versorgungsangebot der Hochschulkliniken, da es der allgemeinen Versorgung der Bevölkerung dient, zwar nach § 4 Abs. 4 NKHG über die Bedarfsanalyse in den Krankenhausplan einzubeziehen, steht gegenüber konkurrierenden Versorgungsangeboten von Plankrankenhäusern aber nicht zur Disposition (vgl. Niedersächsische Landesregierung, Entwurf eines Niedersächsischen Krankenhausgesetzes, LT-Drs. 16/3649, S. 16; VG Köln, Urt. v. 15.4.2008 7 K 3870/06, juris Rn. 22; Quaas, Die Einbeziehung der Hochschulklinik in die staatliche Krankenhausplanung, in: MedR 2010, 149, 153 f.). Die Berücksichtigung im Rahmen der Bedarfsdeckung bei der Versorgung von Patienten ist demgegenüber zur Verhinderung einer etwaigen Überversorgung sachgerecht (BVerwG, Beschl. v. 11.6.2021 - BVerwG 3 B 44.19 -, juris Rn. 27).

Soweit die Klägerin geltend macht, diese Ansicht verkenne, dass die Universitätskliniken einerseits Einrichtungen von Forschung und Lehre seien, andererseits als Krankenhäuser der Maximalversorgung staatliche Versorgungsaufgaben wahrnehmen würden, ist dem entgegenzuhalten, dass sich die Aufgaben aus Forschung und Lehre praktisch nicht von der an Forschung und Lehre ausgerichteten Krankenbehandlung trennen lassen. Die Krankenversorgung ist der Universität gerade deshalb als zusätzliche Aufgabe übertragen, weil sie in engem Zusammenhang mit der Entwicklung der medizinischen Wissenschaft steht. Die in der Krankenversorgung gewonnenen Erkenntnisse bilden eine wichtige Grundlage für die Forschung und Lehre im medizinischen Bereich, sowohl auf diagnostischem wie auf therapeutischem Gebiet; akademische Lehre in der Medizin lässt sich ohne Demonstration am Krankenbett kaum durchführen (BVerfG, Beschl. v. 8.4.1981 - 1 BvR 608/79 -, BVerfGE 57, 70 -juris Rn. 91).

Soweit die Klägerin weiter geltend macht, die Auffassung des Beklagten führe zu dem unvertretbaren Ergebnis, dass eine Hochschulklinik ihre Bettenkapazität im Bereich der allgemeinen Versorgung der Bevölkerung selbst unkontrolliert ausweiten könne und das von ihr selbst festgelegte Versorgungsangebot bei der Prüfung, inwieweit der Bedarf allgemein gedeckt werde, zu berücksichtigen sei, ist dem zu entgegnen, dass es zwar theoretisch aufgrund der Selbstbestimmung der Universitätskliniken über den Bedarf an Bettenkapazitäten, die auch der Versorgung der Bevölkerung dienen, zu einer missbräuchlichen Ausweitung der Bettenkapazität kommen kann. Dies ist vorliegend für das Flächenland Niedersachen jedoch weder zu erwarten noch im konkreten Fall ersichtlich.

Der von der Klägerin angeführte Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 8. April 1981 (- 1 BvR 608/79 -, BVerfGE 57, 70 ff.) verhält sich nicht zur Einbeziehung der Universitätskliniken in die Krankenhausplanung. Gegenstand der Verfassungsbeschwerden waren Vorschriften des Hessischen Hochschulgesetzes über die innerbetriebliche Organisation von Universitätsklinken in Hessen und die rechtlichen Folgen für die Stellung der Hochschullehrer, die im Rahmen der Krankenversorgung an der Universität tätig werden. Soweit darin ausgeführt wird, dass die Universität im Rahmen der Krankenversorgung nicht nur der Raum für die sich in wissenschaftlicher Eigengesetzlichkeit vollziehende medizinische Forschung und Lehre, sondern zugleich auch Trägerin einer gesellschaftlichen Aufgabe ist, die aus diesem Grunde staatlicher Kontrolle unterliegen muss, ist auch nicht in Abrede zu stellen, dass die Universitätsmedizin im Rahmen der Krankenversorgung nicht frei von jeglicher staatlichen Kontrolle ist. Daraus folgt für die Einbeziehung des Versorgungsangebots der Universitätsmedizin Göttingen im Rahmen der zu treffenden Auswahlentscheidung betreffend die Krankenhausplanung aufgrund der Privilegierung der Universitätskliniken jedoch nichts Anderes. Denn wie die staatliche Kontrolle im Rahmen der Krankenhausplanung ausgestaltet wird, ergibt sich vorliegend nicht aus dem angeführten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, sondern aus den entsprechenden gesetzlichen Regelungen (§§ 108 f. SGB V, KHG, NKHG). Auch das Bundesverfassungsgericht betont in seiner Entscheidung insoweit, dass sich Forschung, Lehre, Ausbildung und Krankenversorgung überschneiden. In der täglichen Praxis lasse sich kein scharfer Trennungsstrich zwischen der wissenschaftlichen Tätigkeit in Forschung und Lehre einerseits und die Krankenbehandlung andererseits ziehen.

Die Kostenentscheidung umfasst die Kosten des Berufungszulassungs- und des Berufungsverfahrens und folgt aus § 155 Abs. 1 S. 3 VwGO.