Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 12.02.2009, Az.: 4 OA 78/08

Voraussetzung für die Entstehung einer Erledigungsgebühr nach Nr. 1002 des Vergütungsverzeichnisses des Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG-VV)

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
12.02.2009
Aktenzeichen
4 OA 78/08
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2009, 11364
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2009:0212.4OA78.08.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Hannover - 18.01.2008 - AZ: 3 A 3279/07

Entstehung einer Erledigungsgebühr

Gründe

1

Die Beschwerde hat keinen Erfolg, weil das Verwaltungsgericht die Erinnerung der Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 18. Dezember 2007 zu Recht zurückgewiesen hat.

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Der Senat stimmt mit dem Verwaltungsgericht darin überein, dass bei der Festsetzung der von dem Beklagten zu erstattenden Kosten die von den Prozessbevollmächtigten des Klägers geltend gemachte Erledigungsgebühr nicht zu berücksichtigen gewesen ist. Denn diese Gebühr ist entgegen der Annahme der Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht zur Entstehung gelangt.

3

Die Entstehung einer Erledigungsgebühr nach Nr. 1002 des Vergütungsverzeichnisses (Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG) setzt voraus, dass sich ein Rechtsstreit durch anwaltliches Mitwirken, und zwar durch eine besondere, auf Beilegung der Sache ohne Entscheidung des Gerichts gerichtete und zur Erledigung nicht nur unwesentlich beitragende Tätigkeit des Rechtsanwalts, erledigt. Hierfür sind besondere Bemühungen mit dem Ziel der Erledigung der Rechtssache erforderlich, die über eine "normale", durch die Tätigkeitsgebühren abgegoltene Prozessführung hinausgehen. Grund hierfür ist, dass die Erledigungsgebühr eine Erfolgsgebühr ist, die die Entlastung des Gerichts und das erfolgreiche anwaltliche Bemühen um eine Herstellung des Rechtsfriedens ohne gerichtliche Sachentscheidung honoriert (Senatsbeschluss vom 20.12.2007 - 4 OA 175/06 - m.w.N.).

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Voraussetzung für die Entstehung der Erledigungsgebühr ist aber in jedem Fall, dass die anwaltliche Tätigkeit für die Erledigung der Rechtssache zumindest mitursächlich geworden ist. Es spricht zwar eine tatsächliche Vermutung für die Ursächlichkeit des Handelns des Rechtsanwalts, wenn er in der oben beschriebenen Weise tätig geworden ist und die Behörde daraufhin dem Rechtsschutzbegehren entsprochen hat (Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert/Müller-Rabe, RVG, 17. Aufl. 2006, VV 1002 Rn. 21; Hartmann, Kostengesetze, 37. Aufl. 2007, VV 1002 Rn. 11). Diese Vermutung greift hier jedoch nicht. Denn nach dem tatsächlichen Geschehensablauf hat auch der Senat keine Zweifel daran, dass allein die gerichtliche Verfügung vom 27. August 2007 für die Erledigung des Rechtsstreits ursächlich gewesen ist und der Anruf des den Fall des Klägers bearbeitenden Prozessbevollmächtigten des Klägers beim Beklagten am folgenden Tag hierauf keinen Einfluss mehr gehabt hat.

5

Die Berichterstatterin des Verwaltungsgerichts hat die Sachbearbeiterin des Beklagten am 27. August 2007 angerufen und ihr die Sach- und Rechtslage ausführlich dargelegt. Daraufhin hat letztere den Mitarbeitern im Jugendamt am selben Tag um 13.55 Uhr eine E-Mail gesandt, in der sie den Inhalt des Telefongesprächs im Einzelnen wieder gegeben und darauf hingewiesen hat, dass man sich nach Erhalt des von der Berichterstatterin des Verwaltungsgerichts angekündigten schriftlichen Hinweises kurzfristig zusammensetzen müsse zur Beratung der Frage, ob der Kläger klaglos gestellt werde. Die schriftliche Verfügung des Verwaltungsgerichts vom 27. August 2007, in der die Sach- und Rechtslage nochmals ausführlich dargestellt und festgestellt worden ist, dass der Kläger einen Anspruch auf Gewährung von Hilfe für junge Volljährige in Form von Vollzeitpflege nach § 41 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII haben dürfte, ist dem Beklagten am 28. August 2007 um 7.26 Uhr und den Prozessbevollmächtigten des Klägers am selben Tag um 7.32 Uhr per Telefax übersandt worden. Daraufhin hat die Sachbearbeiterin des Beklagten am 28. August 2007 um 9.05 Uhr eine weitere E-Mail an die Mitarbeiter im Jugendamt gesandt, in der sie auf die gerichtliche Verfügung mit "der klaren Anregung klaglos zu stellen" hingewiesen und diesbezüglich um einen kurzfristig anzuberaumenden Gesprächstermin gebeten hat. Am 30. August 2007 hat der Beklagte dem Verwaltungsgericht "auf die richterliche Verfügung vom 27.08.2007" mitgeteilt, dass der Kläger mit dem in der Anlage übersandten Bewilligungsbescheid klaglos gestellt werde. In diesem Bescheid vom 30. August 2007 ist dem Kläger für die Zeit vom 1. August 2007 bis zum 29. Februar 2008 Hilfe für junge Volljährige in Form von Vollzeitpflege nach § 41 i.V.m. § 33 SGB VIII gewährt worden.

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Dieser zeitlich und inhaltlich unmittelbar zusammenhängende Geschehensablauf zeigt deutlich, dass der Beklagte direkt auf die gerichtliche Verfügung vom 27. August 2007 reagiert und den Kläger klaglos gestellt hat.

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Es bestehen dagegen keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass auch der Anruf des den Fall des Klägers bearbeitenden Prozessbevollmächtigten des Klägers beim Beklagten am 28. August 2007 um 10.30 Uhr dazu beigetragen hat. Denn zu diesem Zeitpunkt hat sowohl der Beklagte als auch der Prozessbevollmächtigte des Klägers die gerichtliche Verfügung vom 27. August 2007 bereits erhalten gehabt. Dass der Beklagte dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zu diesem Zeitpunkt noch keine Leistungszusage geben konnte, hat nach den glaubhaften und anhand des oben dargestellten Geschehensablaufs nachvollziehbaren Angaben des Beklagten daran gelegen, dass die Besprechung mit dem Jugendamt noch ausstand. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat in diesem Telefongespräch nach dem von der Sachbearbeiterin des Beklagten hierüber aufgenommenen Vermerk vom 28. August 2007 keine neuen Gesichtspunkte vorgebracht, die den Beklagten über den Inhalt der gerichtlichen Verfügung hinausgehend dazu bewogen haben könnten, den Kläger klaglos zu stellen. Er ist vielmehr nach diesem Gesprächsvermerk über den Sachverhalt (Alter und Gesundheitszustand der Pflegeeltern) nicht vollständig informiert gewesen und sein Vorschlag einer gerichtsnahen Mediation ist für den Fall der Klaglosstellung als nicht sinnvoll angesehen worden. Soweit der Prozessbevollmächtigte des Klägers zur Begründung der Beschwerde darauf hinweist, dass der Beklagte dem in diesem Gespräch von ihm geäußerten (mit dem Hilfs-Klageantrag übereinstimmenden) Vorschlag, zunächst die Hilfe für junge Volljährige nach § 41 SGB VIII weiter laufen zu lassen, bis die Voraussetzungen für die Gewährung von Eingliederungshilfe nach § 35 a SGB VIII geklärt seien, gefolgt sei, ist dies unzutreffend. Denn der Beklagte hat in seinem Bewilligungsbescheid vom 30. August 2007 nicht etwa die Prüfung der Voraussetzungen für die Gewährung von Eingliederungshilfe im Rahmen der Jugendhilfe nach § 35 a SGB VIII angekündigt, sondern mitgeteilt, dass geklärt werden solle, ob der Kläger statt der bislang gewährten Jugendhilfe einen "Anspruch auf Eingliederungshilfe nach dem SGB XII (Sozialhilfe)" habe.