Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 07.01.2008, Az.: 10 OA 250/07

Erstattungsfähigkeit von beantragten Kosten für eine Erledigungsgebühr; Abänderung eines Kostenfestsetzungsbeschlusses auf eine begründete Erinnerung; Voraussetzungen für das Anfallen einer Erledigungsgebühr nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG)

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
07.01.2008
Aktenzeichen
10 OA 250/07
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2008, 11786
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2008:0107.10OA250.07.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Lüneburg - 01.11.2007 - AZ: 5 A 40/07

Fundstellen

  • DÖV 2008, 341 (red. Leitsatz)
  • NVwZ-RR 2008, 500 (Volltext mit amtl. LS)
  • RENOpraxis 2008, 72 (amtl. Leitsatz)
  • RVGreport 2008, 103-104 (Volltext mit red. LS u. Anm.)
  • ZAP EN-Nr. 286/2008

Amtlicher Leitsatz

Zu den Anforderungen, unter denen eine Erledigungsgebühr nach Nr. 1002 Vergütungsverzeichnis-RVG entsteht:

Allein der Hinweis an den Beklagten, unter welchen Voraussetzungen die Klägerin das Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt, stellt keine über die allgemeine Prozessführung hinausgehenden besonderen Bemühungen des Prozessbevollmächtigten dar, um eine streitige Entscheidung des Gerichts in der Sache zu vermeiden.

Gründe

1

Die Prozessbevollmächtigten wenden sich mit ihrer Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts, mit dem es unter Abänderung des Beschlusses der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 16. Oktober 2007 den Betrag der zu erstattenden Kosten des Verfahrens auf 67,35 EUR reduziert und hierbei die beantragten Kosten für eine Erledigungsgebühr für nicht erstattungsfähig angesehen hat.

2

Die Klägerin hat am 12. Mai 2005 Klage gegen die kommunalaufsichtsrechtliche Verfügung des Beklagten vom 7. Oktober 2004 erhoben, mit der er den Beschluss des Rates der Klägerin vom 22. März 2004 über den Verzicht von Regressansprüchen gegen den damaligen Stadtdirektor und andere Beschäftigte der Klägerin beanstandete. Im Hinblick auf ein in diesem Zusammenhang gegen den damaligen Stadtdirektor der Klägerin eingeleitetes Disziplinarverfahren setzte das Verwaltungsgericht das Klageverfahren aus. Nachdem das Disziplinarverfahren mit Verfügung vom 8. Dezember 2006 eingestellt worden war, beantragte die Klägerin am 13. Februar 2007 die Aufnahme des Verfahrens. Der Beklagte erklärte unter dem 9. März 2007 den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt und führte zur Begründung an, nach Beendigung des Disziplinarverfahrens sei eine weitere Verfolgung des Rechtsstreits nunmehr sinnlos geworden; auch die Verfolgung weiterer Regressansprüche dürfte kaum noch Aussicht auf Erfolg haben.

3

Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin teilten unter dem 24. Mai 2007 mit, dass die Klägerin sich einer Erledigungserklärung des Beklagten nicht anschließe, weil durch die Einstellung des Disziplinarverfahrens weder in rechtlicher oder in tatsächlicher Hinsicht eine Erledigung eingetreten sei. Die Klägerin werde erst dann eine Erledigungserklärung abgeben, wenn der Beklagte die angefochtene Verfügung, die Gegenstand des Klageverfahrens sei, förmlich aufgehoben habe. Auf einen entsprechenden Hinweis des Verwaltungsgerichts hob der Beklagte unter dem 17. Juli 2007 die kommunalaufsichtsrechtliche Verfügung gegen die Klägerin auf und erklärte den Rechtsstreit für erledigt. Die Klägerin erklärte unter dem 6. August 2007 den Rechtsstreit in der Hauptsache ebenfalls für erledigt. Daraufhin stellte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 9. August 2007 das Verfahren ein und legte dem Beklagten die Kosten des Verfahrens auf.

4

Auf den Kostenfestsetzungsantrag der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 19. September 2007 hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle mit Beschluss vom 16. Oktober 2007 die an die Klägerin zu erstattenden Kosten des Verfahrens unter Berücksichtigung einer Erledigungsgebühr in Höhe von 566,- EUR nebst Umsatzsteuer auf 740,89 EUR festgesetzt.

5

Auf die Erinnerung des Beklagten vom 23. Oktober 2007 hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 1. November 2007 den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 16. Oktober 2007 abgeändert und die an die Klägerin zu erstattenden Kosten auf 67,35 EUR festgesetzt. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt: Die Erinnerung des Beklagten sei begründet, weil zu den von ihm an die Klägerin zu erstattenden Kosten nicht auch die Kosten einer Erledigungsgebühr nach § 2 Abs. 2 RVG in Verbindung mit dem Nr. 1002 des als Anlage 1 zum RVG ergangenen Vergütungsverzeichnisses (VV-RVG) gehörten. Das Anfallen der Erledigungsgebühr erfordere eine besondere, auf die gütliche Beilegung der Rechtssache gerichtete Tätigkeit, die über die allgemeine Prozessführung hinausgehe und zur Erledigung nicht nur unwesentlich beigetragen habe. Die in Rede stehende Tätigkeit des Rechtsanwalts müsse über diejenige hinausgehen, die bereits durch die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV-RVG abgegolten sei. Eine solche nicht bereits durch die Verfahrensgebühr abgegoltene anwaltliche Tätigkeit liege auf Seiten der Klägerin nicht vor. Mit dem Schreiben vom 24. Mai 2007 habe die Klägerin auf die rechtlich nicht erhebliche Erledigungserklärung des Beklagten reagiert und ihre zutreffende Rechtsansicht erläutert, dass eine Erledigung des Rechtsstreits durch die vom Beklagten aufgeführten und von den Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht beeinflussten Umstände nicht eingetreten sei. Insoweit bewege sich diese Tätigkeit im Rahmen der allgemeinen weiteren Rechtsverfolgung. Weitere besondere Bemühungen des Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit dem Ziel, eine Erledigung des verwaltungsgerichtlichen Klageverfahrens ohne streitige Entscheidung herbeizuführen, die zu dieser Art der Erledigung nicht nur unwesentlich beigetragen hätten, seien weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Auf die Anregung der Berichterstatterin habe die Beklagte die Klägerin klaglos gestellt.

6

Mit ihrer Beschwerde vom 13. November 2007 begehren die Prozessbevollmächtigten der Klägerin im eigenen Namen die Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 1. November 2007. Sie tragen zur Begründung vor: Mit ihrem Schriftsatz vom 24. Mai 2007 sei eine Erledigungsgebühr entstanden, die nicht bereits mit der Verfahrensgebühr abgegolten sei. Sie hätten sich darauf beschränken können, die Abgabe einer Erledigungserklärung zu verweigern. Stattdessen hätten sie darüber hinausgehend dem Beklagten den Weg zu einer tatsächlichen materiell-rechtlichen Erledigung des Rechtsstreits aufgezeigt. Nur auf Grund ihres Hinweises darauf, dass eine materiell-rechtliche Erledigung erst dann einträte, wenn die dem Verfahren zugrunde liegende Verfügung förmlich aufgehoben werde mit der Folge, dass auch erst nach einer solchen Aufhebung eine prozessuale Erledigungserklärung abgegeben werde, habe der Beklagte Entsprechendes veranlasst. Sie hätten daher gezielt und zweckgerichtet darauf hingewirkt, dass der Beklagte ein erledigendes Ereignis in Form der Aufhebung der angefochtenen Verfügung herbeiführe. Diese Tätigkeit sei über das hinaus gegangen, was mit der Verfahrensgebühr abgegolten werde. Ohne seinen Hinweis wäre der Prozess fortzuführen gewesen.

7

II.

Die nach § 146 Abs. 1 und 3, § 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO zulässige Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Lüneburg vom 1. November 2007 hat keinen Erfolg.

8

Zu Recht hat das Verwaltungsgericht mit diesem Beschluss die von den Prozessbevollmächtigten der Klägerin geltend gemachte Erledigungsgebühr nebst hierauf entfallender Umsatzsteuer bei der Festsetzung der an die Klägerin zu erstattenden Kosten nicht angesetzt.

9

Nach Nr. 1002 VV-RVG entsteht eine Erledigungsgebühr, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt. Als Erfolgsgebühr stellt sie ein Honorar für Prozessbevollmächtigte dar, die durch ihre Mitwirkung erreicht haben, dass eine streitige Entscheidung des Gerichts in der Sache nicht mehr ergehen muss. Mithin soll mit der Erledigungsgebühr die Entlastung der Gerichte und das erfolgreiche anwaltliche Bemühen um eine möglichst weitgehende Herstellung des Rechtsfriedens zwischen den Beteiligten ohne gerichtliche Sachentscheidung honoriert werden. Es ist deshalb erforderlich, dass durch besondere anwaltliche Bemühungen - d.h. vor allem durch Verhandlungen mit der Verwaltungsbehörde - erreicht wird, dass ein angefochtener belastender Verwaltungsakt aufgehoben oder zugunsten des Mandanten geändert wird. Dabei kommt es maßgeblich darauf an, dass der Prozessbevollmächtigte an der materiell-rechtlichen Erledigung des im Falle einer Anfechtungsklage dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Verwaltungsakts mitgewirkt hat. Allein eine Mitwirkung daran, den Rechtsstreit nach einer Erledigung in der Sache nunmehr auch in prozessualer Hinsicht zu beenden, genügt diesen Anforderungen nicht, da dies nicht eine über die allgemeine Prozessführung hinausgehende Tätigkeit des Rechtsanwalts ist und deshalb bereits durch die Verfahrensgebühr abgegolten ist (vgl. Nds. OVG, Beschlüsse vom 6. September 2006 - 4 OA 209/05 -, vom 21. März 2007 - 4 OA 416/06 -, vom 11. Juni 2007 - 2 OA 433/07 -; vom 7. September 2007 - 12 OA 135/07 -, mit weiteren Nachweisen).

10

Nach Maßgabe dessen liegen die Voraussetzungen für das Entstehen einer Erledigungsgebühr hier nicht vor. Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin haben mit ihrem Schriftsatz vom 24. Mai 2007 allein darauf hingewiesen, dass vor förmlicher Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsakts eine Erledigung des Klageverfahren in der Hauptsache nicht vorliege und deshalb eine Beendigung des Verfahrens auf Grund der Erklärung des Beklagten vom 9. März 2007 nicht möglich sei. Hierin kann ein wesentlicher Beitrag zur unstreitigen Beendigung des Verfahrens durch besondere Bemühungen der Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht gesehen werden. Dass das gerichtliche Verfahren ohne eine streitige Sachentscheidung beendet werden konnte, lag maßgeblich im Ausgang des Disziplinarverfahrens gegen den früheren Stadtdirektor der Klägerin begründet. Auf Grund des Ergebnisses der Ermittlungen im Disziplinarverfahren stellte der Beklagte gerade ohne Mitwirkung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin im verwaltungsgerichtlichen Klageverfahren fest, dass die Verfolgung möglicher Regressforderungen gegen den früheren Stadtdirektor und einen weiteren Beschäftigten der Klägerin nicht mehr Erfolg versprechend war. Damit war zugleich die sachliche Rechtfertigung für die angefochtene Verfügung des Beklagten entfallen, ohne dass die Prozessbevollmächtigten der Klägerin hieran mitgewirkt haben. Hiernach stellt der Hinweis der Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 24. Mai 2007 zu den Voraussetzungen, unter denen in prozessualer Hinsicht das Verfahren unstreitig beendet werden kann, keinen wesentlichen Beitrag mehr zur Erledigung in der Sache dar, der das Entstehen einer Erledigungsgebühr rechtfertigt.