Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 11.06.2007, Az.: 2 OA 433/07
Zuständigkeit des Berichterstatters beziehungsweise Einzelrichters für die Entscheidung über die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss; Anwendung von § 66 Gerichtskostengesetz (GKG) bei Erinnerungen gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss; Entstehen einer Erledigungsgebühr
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 11.06.2007
- Aktenzeichen
- 2 OA 433/07
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2007, 35232
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2007:0611.2OA433.07.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Oldenburg - 23.04.2007 - AZ: 5 A 71/07
Rechtsgrundlagen
- § 9 Abs. 3 S. 1 Hs. 1 VwGO
- § 87a Abs. 1 Nr. 3 u. 5 VwGO
- § 87a Abs. 3 VwGO
- § 66 Abs. 6 S. 1 Hs. 2 GKG
- § 33 Abs. 8 S. 1 Hs. 2 RVG
- § 55 RVG
- § 56 Abs. 2 RVG
Fundstelle
- NVwZ-RR 2007, 816-817 (Volltext mit amtl. LS)
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Das Oberverwaltungsgericht entscheidet über die Beschwerde gegen die erstinstanzliche Entscheidung über die Erinnerung gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss in der Senatsbesetzung mit drei Richtern (wie Sächs. OVG, Beschl. v. 20.6.2006 - 5 E 49/06 -, NVwZ 2007, 116 und Bayr. VGH, Beschl. v. 19.1.2007 - 24 C 06.2426 -, juris).
- 2.
Eine Mitwirkung des Rechtsanwalts i. S. d. Nr. 1002 VV der Anlage 1 zum RVG liegt nicht vor, wenn dieser im Hinblick auf ein Musterklageverfahren lediglich einen Ruhensantrag stellt und sich das Verfahren aufgrund des Musterklageverfahrens erledigt.
Gründe
Die nach §§ 165, 151 VwGO statthafte und gemäß §§ 146 Abs. 1 und 3 VwGO zulässige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Einzelrichters der 5. Kammer des Verwaltungsgerichts Oldenburg vom 23. April 2007, mit dem die Erinnerung der Klägerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 2. Februar 2007 zurückgewiesen worden ist, hat keinen Erfolg (dazu 2.). Über die Beschwerde hat der Senat in der Besetzung mit drei Richtern zu entscheiden (dazu 1.).
1.
Der Senat entscheidet über die Beschwerde in der Besetzung mit drei Richtern (§ 9 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 VwGO).
Es liegt kein Fall einer allein durch den Berichterstatter zu treffenden Entscheidung über Kosten im vorbereitenden Verfahren vor (vgl. § 87 a Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 3 VwGO ). Zwar ist der Berichterstatter/Einzelrichter nach jener Vorschrift für die Entscheidung über die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss im erstinstanzlichen Verfahren zuständig, wenn die diesem zugrunde liegende Kostenlastentscheidung ebenfalls - hier nach § 87 a Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 3 VwGO bei Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache - durch den Berichterstatter/Einzelrichter erlassen wurde (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.2.1996 - 11 VR 40/95 -, NVwZ 1996, 786 ; OVG Hamburg, Beschl. v. 2.5.1997 - Bs IV 223/96 , NVwZ-RR 1998, 462 f.; BayVGH, Beschl. v. 3.12.2003 - 1 N 01.1845 -, NVwZ-RR 2004, 309 ). Die Entscheidung des Senats über die Beschwerde gegen die Ausgangsentscheidung des Verwaltungsgerichts über die Erinnerung ist jedoch nicht ihrerseits eine Kostenentscheidung im Sinne des § 87 a Abs. 1 Nr. 5 VwGO, sondern eine Sachentscheidung im Rechtsmittelverfahren (vgl. SächsOVG, Beschl. v. 29.5.2006, - 5 E 369/05 -, juris; Beschl. v. 20.6.2006 - 5 E 49/06 -, NVwZ 2007, 116; Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2006, § 165 Rdnr. 34). Die für die Erinnerung gegen den gerichtlichen Kostenansatz geltende Bestimmung des § 66 Abs. 6 Satz 1 Hs. 2 GKG, die für eine Entscheidung über die Beschwerde gegen die erstinstanzliche Erinnerungsentscheidung des Einzelrichters (bzw. Berichterstatters) grundsätzlich wiederum den Einzelrichter (bzw. Berichterstatter) für zuständig erklärt, findet somit hinsichtlich der Erinnerung gegen den Beschluss über die Festsetzung der im Verhältnis zwischen den Beteiligten zu erstattenden Kosten (§§ 151 und 165 VwGO) keine Parallele.
§ 66 Abs. 6 Satz 1 Halbsatz 2 GKG findet auf dieses Verfahren ebenfalls keine Anwendung, weil § 66 GKG nur Erinnerungen gegen den Kostenansatz, nicht solche gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss betrifft. Gleiches gilt für § 56 Abs. 2 RVG i. V. m. § 33 Abs. 8 Satz 1 Halbsatz 2 RVG, weil es hier nicht um Ansprüche des beigeordneten oder bestellten Rechtsanwalts geht und auch nicht um dessen aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung (§ 55 RVG) gestritten wird. Die Regelung des § 33 RVG betrifft im Übrigen nur Fälle, in denen das Gericht den Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit auf Antrag durch Beschluss selbständig festsetzt, weil sich die Gebühr nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert richtet. Nach § 32 Abs. 1 RVG ist dann, wenn der für die Gerichtsgebühren maßgebende Wert gerichtlich festgesetzt wird, dieser Wert auch für die Gebühren des Rechtsanwalts maßgeblich. Eine solche Festsetzung des maßgebenden Wertes erfolgt im verwaltungsgerichtlichen Verfahren durch die Streitwertfestsetzung gemäß § 52 GKG(BayVGH, Beschl. v. 19.1.2007 - 24 C 06.2426 -, juris).
2.
Die Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend entschieden, dass dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin die geltend gemachte Erledigungsgebühr sowie die hierauf entfallende Umsatzsteuer nicht zusteht.
Nach dem rechtskräftigen Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 8. Januar 2007 hat die Beklagte die Kosten des (Klage-)Verfahrens zu tragen. Zu diesen Kosten gehören gemäß § 162 Abs. 1 VwGO die zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Klägerin. Stets erstattungsfähig sind gemäß § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO die Gebühren und Auslagen des klägerischen Rechtsanwalts. Ihre Höhe bemisst sich nach dem Vergütungsverzeichnis - VV - der Anlage 1 zum RVG.
Nach Nr. 1002 VV entsteht die Erledigungsgebühr dann, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt. Das Gleiche gilt, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise durch Erlass eines bisher abgelehnten Verwaltungsakts erledigt. Letzteres ist hier zwar der Fall, da die Beklagte die Klägerin klaglos gestellt hat, nachdem ein Parallelverfahren als Musterklageverfahren zu Gunsten der Klägerin ausgegangen war und die Beteiligten daraufhin das der vorliegenden Beschwerde zugrunde liegende Klageverfahren übereinstimmend für erledigt erklärt hatten. Eine Erledigungsgebühr entsteht aber nur dann, wenn der Rechtsanwalt bei der Erledigung der Rechtssache "mitgewirkt" hat. Hierfür sind besondere Bemühungen mit dem Ziel einer Erledigung der Rechtssache ohne Sachentscheidung des Gerichts erforderlich, die über eine "normale", durch die Tätigkeitsgebühren abgegoltene Prozessführung hinausgehen. Grund hierfür ist, dass die Erledigungsgebühr eine Erfolgsgebühr ist und mithin die Entlastung des Gerichts und das erfolgreiche anwaltliche Bemühen um eine möglichst weitgehende Herstellung des Rechtsfriedens ohne gerichtliche Sachentscheidung honoriert. Die bloße Vornahme von Verfahrenshandlungen reicht mithin nicht aus (vgl. hierzu nur Hartmann, Kostengesetze, 36. Aufl. 2006, 1002 VV Rdnr. 11 ff.; von Eicken, in: Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert/ Müller-Rabe, RVG, Kommentar, 17. Aufl. 2006, 1002 VV Rdnr. 17 ff., jeweils m. w. N.; vgl. auch VG Frankfurt, Beschl. v. 19.6.2006 - 6 J 1919/06 -, Leitsatz 1 in juris; VG Minden, Beschl. v. 3.4.2007 - 9 L 328/06 -, juris). Insbesondere gilt dies für sich betrachtet für die Erledigungserklärung eines Prozessbevollmächtigten (Hess.VGH, Beschl. v. 3.4.2007 - 5 THJ 563/97 -, juris). Des weiteren müssen in jedem einzelnen Auftragsverhältnis zwischen dem Rechtsanwalt und seinem Mandanten die erforderlichen Voraussetzungen erfüllt sein, in welchem der Rechtsanwalt sich des Anspruchs auf die Erledigungsgebühr gegen seinen Mandanten berühmt (Hess. VGH, Beschl. v. 30.8.1993 - 5 TJ 1097/93 -, NVwZ-RR 1994, 300).
Im vorliegenden Fall fehlt es an diesen "besonderen Bemühungen" des Prozessbevollmächtigten der Klägerin. Dieser hat in der Klageschrift vom 4. Oktober 2005 und in weiteren Schriftsätzen der Beklagten sowie dem Gericht den Vorschlag unterbreitet, das Klageverfahren bis zu einer Entscheidung in einem Parallelverfahren zum Ruhen zu bringen. Durch Beschluss vom 30. Januar 2006 ordnete der Einzelrichter des Verwaltungsgerichts auf übereinstimmenden Antrag der Beteiligten das Ruhen des Verfahrens an. Mit Beschluss vom 8. Januar 2007 wurde das Verfahren nach rechtskräftigem Abschluss des Parallelverfahrens wieder aufgenommen und nach übereinstimmenden Hauptsacheerledigungserklärungen der Beteiligten eingestellt. Die bloße Klageerhebung und das etwaige Erstreiten der für die Erledigung maßgeblichen Entscheidung oder sonstiges Tätigwerden in einem anderen Verfahren wie dem hier genannten Parallelverfahren genügt nach dem Gesagten nicht, um die Erledigungsgebühr entstehen zu lassen. Dies stellt die Klägerin auch nicht in Abrede. Entgegen ihrer Ansicht hat ihr Prozessbevollmächtigter aber allein dadurch, dass er sich mit dem Ruhen des Verfahrens bis zum Abschluss des Parallelverfahrens einverstanden erklärt hat und die Initiative für das Ruhen des Verfahrens sogar von ihm selbst ausgegangen ist, keine zusätzlichen besonderen Bemühungen in dem beschriebenen Sinn entfaltet. Er hat vielmehr im Gegenteil die Voraussetzung dafür geschaffen, dass er im vorliegenden Klageverfahren von allen weiteren zur Erfüllung des Auftrages erforderlichen und durch die Tätigkeitsgebühren abgegoltenen weiteren Bemühungen, insbesondere der Abfassung der Klagebegründung, absehen konnte. Der Senat tritt deshalb der Auffassung des Verwaltungsgerichts bei, dass allein die Stellung eines Ruhensantrages - hierauf stellt die Beschwerdebegründung ab - im Hinblick auf ein anhängiges Musterklageverfahren nicht zum Entstehen der Erledigungsgebühr führt (so auch Hartmann, a. a. O., § 17 Rdnr. 16; SG Hamburg, Beschl. v. 28.1.2002 - S 3 SF 101/01 K -, juris; FG Düsseldorf, Beschl. v. 29.1.2001 - 14 Ko 472/01 F -, juris; Hess.VGH, Beschl. v. 30.8.1993 - 5 TJ 1097/93 -, a. a. O., jeweils m. w. N.).