Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 09.09.2021, Az.: 13 MN 384/21
Grundschule; Maskenpflicht; Normenkontrolleilantrag
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 09.09.2021
- Aktenzeichen
- 13 MN 384/21
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2021, 70928
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 32 IfSG
- § 47 Abs 6 VwGO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Die Maskenpflicht in Grundschulen ist derzeit noch gerechtfertigt, um eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern.
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert des Verfahrens wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der sinngemäß gestellte Antrag,
§ 16 Abs. 1 Satz 4 der Niedersächsischen Verordnung über infektionspräventive Schutzmaßnahmen gegen das Corona-Virus SARS-CoV-2 und dessen Varianten vom 24. August 2021 (Niedersächsische Corona-Verordnung, eilverkündet unter https://www.niedersachsen.de/verkuendung, Nds. GVBl. S. 583) im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO vorläufig außer Vollzug zu setzen,
bleibt ohne Erfolg. Der zulässige Antrag ist unbegründet. Die Voraussetzung für eine vorläufige Außervollzugsetzung (vgl. hierzu: Senatsbeschl. v. 7.9.2021 - 13 MN 378/21 -, juris Rn. 17 m.w.N.) sind nicht erfüllt.
Diese Entscheidung, die nicht den prozessrechtlichen Vorgaben des § 47 Abs. 5 VwGO unterliegt (vgl. Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, Rn. 607; Hoppe, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 47 Rn. 110 ff.), trifft der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 12.6.2009 - 1 MN 172/08 -, juris Rn. 4 m.w.N.) und gemäß § 76 Abs. 2 Satz 1 NJG ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter.
Die in § 16 Abs. 1 Satz 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung festgelegte Verpflichtung, während des Schulbetriebs eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, stellt eine notwendige Schutzmaßnahme im Sinne des § 28 Abs. 1 IfSG dar, die in rechtmäßiger Weise durch Rechtsverordnung nach § 32 IfSG erlassen worden ist. Sie genügt derzeit noch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
Der Senat hat sich bereits in seinem Beschluss vom 30. November 2020 - 13 MN 519/20 - (juris) mit der Maskenpflicht an Schulen befasst und diese als notwendige Schutzmaßnahme im Sinne des § 28 Abs. 1 IfSG gebilligt. Daran hält der Senat im vorliegenden Fall fest. Das gilt selbst unter Berücksichtigung des Vorbringens des Antragstellers auch, soweit die Maskenpflicht auf die Schuljahrgänge 1 bis 4 ausgedehnt worden ist. Dabei verkennt der Senat nicht, dass Kinder möglicherweise sensibler auf das Tragen einer Maske reagieren als Erwachsene. Auch liegt es nahe, dass das längerfristige Tragen einer Maske insbesondere bei Kindern zu Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen und anderen kurzfristigen negativen Nebenwirkungen führen kann (vgl. die vom Antragsteller übersandte deutsche Übersetzung der Studienauswertung von Kisielinski/Giboni/ Prescher/ Klosterhalfen/Graessel/ Funken/Kempski/Hirsch, dort insb. S. 31 ff. und S. 43 f. = Bl. 14 ff. GA). Schwere gesundheitliche Schäden bei im Übrigen gesunden Kindern sind jedoch nicht hinreichend belegt (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 9.3.2021 - 13 B 266/21.NE -, juris Rn. 53 ff.; VG Weimar, Beschl. v. 20.4.2021 - 8 E 416/21 We -, juris Rn. 35 ff. unter Hinweis auf die Stellungnahmen der verschiedenen medizinischen Fachgesellschaften).
Die besondere Belastung der Kinder durch die Maskenpflicht hat der Antragsgegner in den ergänzenden Regelungen zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in der Rundverfügung Nr. 22/2021 der Regionalen Landesämter für Schule und Bildung vom 26. August 2021 auch berücksichtigt. Schülern zwischen dem vollendeten 6. und 14. Lebensjahr ist anstelle einer medizinischen Maske das Tragen jeder beliebigen anderen textilen oder textilähnlichen Bedeckung gestattet, die aufgrund ihrer Beschaffenheit eine Ausbreitung von übertragungsfähigen Tröpfchenpartikeln durch Husten, Niesen oder Aussprache verringert. Zudem sind Maskenpausen während des Unterrichts vorgesehen, und es besteht auf dem Schulgelände im Freien auch in den Unterrichtspausen keine Maskenpflicht. Auf diese Weise wird die Belastung durch die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung im Rahmen des Möglichen erheblich reduziert.
Im Übrigen gilt bei schulpflichtigen Kindern, denen aufgrund einer körperlichen, geistigen oder psychischen Beeinträchtigung oder einer Vorerkrankung das Tragen einer Mund-Nasen Bedeckung nicht zumutbar ist, bei Vorlage eines Attests oder einer vergleichbaren amtlichen Bescheinigung die Ausnahmeregelung des § 4 Abs. 5 der Niedersächsischen Corona-Verordnung.
Auf der anderen Seite wird durch die Maskenpflicht auch in Schulen der Überlastung des Gesundheitssystems entgegengewirkt. Allerdings dürfte die bloße Verhinderung einer Infektion der Mitschüler für sich genommen nicht verhältnismäßig sein, da Kinder im Grundschulalter sich zwar häufig infizieren, aber nur sehr selten schwer oder gar tödlich erkranken. Auch der Schutz der ungeimpften Erwachsenen, die durch infizierte Kinder selbst infiziert werden und schwer erkranken können, ist zur Rechtfertigung der Maskenpflicht allein nicht ausreichend, da für diese Erwachsenen regelmäßig die Möglichkeit besteht, sich durch eine Impfung selbst vor schweren Erkrankungen hinreichend zu schützen. Den Schülern, für die derzeit eine Impfmöglichkeit erst ab dem vollendeten 12 Lebensjahr besteht, dürfen keine Belastungen allein zum Schutz impfunwilliger Erwachsener auferlegt werden. Allerdings bewegt sich die Impfquote in Niedersachsen mit über 63,6% vollständig Geimpten derzeit noch in einem Bereich, in dem allein die Erkrankung Ungeimpfter und nicht vollständig Geimpfter zu einer Überlastung des Gesundheitssystems führen kann. Eine derartige Situation kann unabhängig davon, dass Schulen nicht als „Treiber der Pandemie“ bezeichnet werden, schon aufgrund der großen Zahl der schulpflichtigen Kinder entstehen, die über ihre Kontakte insbesondere im familiären Umfeld eine mögliche Infektion weitergeben können. Der Schutz des Gesundheitssystems vor einer Überlastungssituation ist aber nach wie vor ein legitimer Zweck, der die Ergreifung notwendiger Maßnahmen rechtfertigt, wozu eine Maskenpflicht in Schulen derzeit noch zu rechnen ist. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass alternativ denkbare und in der Vergangenheit auch praktizierte Schulschließungen sowie ausufernde Quarantäneanordnungen sich für die Betroffenen als deutlich belastender darstellen. Die Maskenpflicht auch in den Schuljahrgängen 1 bis 4 dient damit derzeit noch der Aufrechterhaltung des Präsenzunterrichts. Der Verordnungsgeber wird aber den weiteren Impffortschritt voranzutreiben und zu beobachten sowie die Maskenpflicht zumindest für jüngere Schüler aufzuheben haben, sobald die Gefahr einer Überlastung des Gesundheitssystems durch Weitergabe des Virus durch diese Schüler realistischerweise nicht mehr besteht.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.