Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 12.05.2016, Az.: 5 A 4722/15
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 12.05.2016
- Aktenzeichen
- 5 A 4722/15
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2016, 43033
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen das vom Beklagten festgestellte Nichtbestehen der Abiturprüfung und begehrt die Wiederholung zweier mündlicher Prüfungen.
Im Frühjahr 2015 legte der im Juni 1996 geborene Kläger bei dem Beklagten die schriftlichen Abiturprüfungen als Wiederholungsprüfung ab.
In der mündlichen Prüfung in dem Fach Deutsch, die am 19. Mai 2015 stattfand, hatte der Kläger Inhalt, argumentativen Aufbau und sprachliche Form eines verschriftlichten Radiokommentars mit der Überschrift „Unwort des Jahres 2014 - ‚Lügenpresse‘ - Pegidas völkische Fratze entlarvt“ zu analysieren, auf dem Hintergrund der Analyseergebnisse kurz die Hauptthesen des Textes zu erörtern und das journalistische Selbstverständnis des Kommentators dem Gedankengut einer literarischen Epoche zuzuordnen. Die Prüfung wurde mit 02 Punkten bewertet. Wegen der Einzelheiten der Aufgabe und des Ablaufs des Prüfungsgesprächs wird auf den dem Verwaltungsvorgang beigefügten Prüfungstext und das gefertigte Protokoll verwiesen.
Am 29. Juni 2015 um 8.40 Uhr bzw. 13.20 Uhr fanden mündliche Nachprüfungen in den Fächern Biologie und Erdkunde statt, die mit 09 bzw. 02 Punkten bewertet wurden.
Unter dem 1. Juli 2015 teilte die Prüfungskommission dem Kläger die Ergebnisse der Abiturprüfung mit und stellte fest, dass er damit im Block II (Ergebnisse der 5 Prüfungsfächer) nur 96 der erforderlichen 100 Punkte erreicht und die Abiturprüfung daher nicht bestanden habe. Weil der Kläger bereits im Vorjahr die Abiturprüfung nicht bestanden hatte und eine weitere Wiederholung gem. § 19 der Verordnung über die Abschlüsse in der gymnasialen Oberstufe, im Beruflichen Gymnasium, im Abendgymnasium und im Kolleg (AVO-GOBAK) vom 19. Mai 2005 (Nds. GVBl. 2005, 169) nicht möglich ist, erhielt der Kläger von dem Beklagten eine Bescheinigung über den schulischen Teil der Fachhochschulreife mit einer Durchschnittsnote von 3,6.
Mit Schreiben vom 7. Juli 2015 legte der Kläger Widerspruch ein. Er sei zu den mündlichen Nachprüfungen nicht ordnungsgemäß geladen worden, weshalb die Abiturprüfung nicht als „nicht bestanden“ gewertet werden könne. Zwar seien die Prüfungstermine mittels Aushang veröffentlicht worden. Auch habe er eine entsprechende Benachrichtigung über sein IServ-Postfach erhalten. Allerdings genügten diese Mitteilungen nicht den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Ladung, da diese auch den Nachweis der Kenntnisnahme bei dem Adressaten voraussetze. Daran fehle es hier. Er habe sich zum Zeitpunkt des Aushangs nicht mehr regelmäßig in dem Schulgebäude des Beklagten befunden und auch nicht über die Zugangsdaten für das benannte Postfach verfügt. Gerade deshalb habe er sich im Sekretariat nach seinen persönlichen Prüfungsterminen erkundigt. In diesem Telefonat sei ihm als Termin für die Nachprüfung im Fach Erdkunde der 30. Juni 2015 genannt worden. Der Grund für den Irrtum könne darin bestehen, dass die Nachprüfungen in den letzten Jahren in der Regel an zwei Tagen stattgefunden hätten, wie es auch bei den Informationsveranstaltungen der Schule mitgeteilt worden sei. Auf diese Mitteilung habe er sich verlassen. Nachdem er im Anschluss an die Prüfung im Fach Biologie erfahren habe, dass die Prüfung im Fach Erdkunde am selben Tag stattfinden solle, sei er aufgrund der anderslautenden Mitteilung vom 26. Juni 2015 völlig überrascht gewesen und habe die Prüfung mit nur 02 Punkten absolviert. Zudem sei die Aufgabenstellung für die mündliche Prüfung im Fach Deutsch irreführend gewesen. Aus den beiden der Aufgabenstellung zu Grunde gelegten Quellenblättern sei für ihn aufgrund ihrer inhaltlichen und visuellen Ausgestaltung nicht eindeutig zu erkennen gewesen, welcher der beiden Begriffe „Lügenpresse“ und „Pegida“ als Unwort des Jahres prüfungsrelevant sein sollte. Dadurch sei er einem Irrtum unterlegen. Es sei nicht auszuschließen, dass sein Prüfungsergebnis bei klarer Erkennbarkeit des prüfungsrelevanten Begriffes besser ausgefallen wäre.
Mit Bescheid vom 24. November 2015 wies die Nds. Landesschulbehörde den Widerspruch nach vorangegangener Abhilfeprüfung durch den Beklagten zurück. Die AVO-GOBAK sehe für die Ladung keine Formvorschriften vor. Es sei bewährte Praxis, die Informationen über die Termine der mündlichen Nachprüfungen per Aushang bekannt zu geben. Die Ausgänge seien am Donnerstag, dem 25. Juni 2015 um 11.00 Uhr erfolgt und werktäglich von 7.00 Uhr bis mindestens 19.00 Uhr einsehbar gewesen. Eine Pflicht dazu, von den Schülern eine schriftliche Bestätigung über die Kenntnisnahme der Prüfungstermine einzuholen, wie dies an anderen Schulen gehandhabt werde, bestehe nicht. Aufgrund der knappen Terminsetzung seien andere Informationswege als der Aushang und die Mitteilung über die Plattform IServ nur schwer umsetzbar. Es sei von den Schülerinnen und Schülern eines 12. Jahrgangs zu erwarten, die ihnen bekannten Informationswege der Schule zu nutzen. Der Kläger könne sich auch nicht darauf berufen, das Passwort für den IServ-Zugang vergessen zu haben, da er dieses Passwort täglich beim zuständigen Koordinator hätte erfragen können. Die Sekretärin, mit der der Kläger gesprochen habe, sei sich sicher, die korrekten Prüfungstermine genannt zu haben. Eine Verwechslung oder ein Irrtum erscheine auch sehr unwahrscheinlich. Die Sekretärin habe den Plan für die Nachprüfungen selbst am PC verfasst und sei dementsprechend damit vertraut gewesen. In den offiziellen Informationsveranstaltungen der Schule sei zudem mehrfach darauf hingewiesen worden, dass die Nachprüfungen in der Regel am Montagvormittag und am Montagnachmittag stattfinden, es sei denn, dass sich Schüler für drei Nachprüfungen entscheiden, was im Abiturjahrgang 2015 aber nicht der Fall gewesen sei. Daher sei der Dienstag als Prüfungstag von vornherein überhaupt nicht vorgesehen gewesen. Die Aufgabenstellung der mündlichen Prüfung im Fach Deutsch sei schulfachlich geprüft und nicht beanstandet worden. Sowohl aus der Überschrift als auch aus dem gesamten Kommentar gehe hervor, dass es sich bei dem Unwort des Jahres um den Begriff „Lügenpresse“ handele.
Am 28. Dezember 2015 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt und vertieft er die bisherigen Ausführungen und ergänzt: Die Nachprüfung im Fach Erdkunde wäre besser ausgefallen und hätte zum Bestehen der Abiturprüfung geführt, wenn er den tatsächlichen Prüfungstermin gekannt hätte, weil er sich dann umfassend darauf hätte vorbereiten können. Dass der Dienstag überhaupt nicht zu Prüfungszwecken anberaumt gewesen sei, habe er nicht wissen müssen. Wenn sich ein Schüler an die Schule wende, weil er sich nicht in das iServ-System einloggen kann, bestehe eine besondere Fürsorgepflicht der Schule, eine Kenntnisnahmemöglichkeit auf anderem Wege sicherzustellen. Zudem spreche für einen Beurteilungsfehler, dass die Prüfer in keiner Weise die schriftliche Vorleistung und den Umstand der Verunsicherung aufgrund der fehlenden Vorbereitung und der falschen Auskunft berücksichtigt hätten. Dies könne für eine Voreingenommenheit der Prüfer sprechen. In der Prüfungssituation sei erkennbar gewesen, dass das schriftliche Ergebnis nur wegen der Nervosität und der fehlenden Schlussvorbereitung nicht bestätigt worden sei. Hinsichtlich des Prüfungsfachs Deutsch habe das Missverständnis ebenso wie die erfolgte Aufklärung zu einer Verunsicherung und damit letztlich zu einer deutlich benachteiligten Prüfungssituation geführt, die sich nachteilig auf das Ergebnis der Prüfung ausgewirkt habe. Es erfordere erst eine größere Lebenserfahrung, um zu erkennen, dass in der Regel solche Begriffe als Unwort des Jahres festgelegt würden, die Wertungsbestandteile enthielten. Dies allerdings könne auch auf „Pegida“ zutreffen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 1. Juli 2015 über das Nichtbestehen der Abiturprüfung sowie den Widerspruchsbescheid vom 24. November 2015 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, eine erneute mündliche Prüfung im Fach Deutsch und eine erneute mündliche Nachprüfung im Fach Erdkunde durchzuführen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er wiederholt und vertieft die Ausführungen aus dem Verwaltungsverfahren und ergänzt: Bei der Bekanntgabe der Prüfungstermine müssten den Schülerinnen und Schülern des Abiturjahrgangs gewisse Mitwirkungspflichten abverlangt werden können. Der Kläger habe an den offiziellen Informationsveranstaltungen zum Abitur teilgenommen, in denen auf die mit dem Abitur zusammenhängenden Pflichten hingewiesen worden sei. Hierzu gehörten unter anderem die Beachtung der Terminpläne in den Aushangkästen sowie die Informationen, die über die Plattform IServ versendet werden. Zu Beginn des Schuljahres hätten alle Schülerinnen und Schüler den Zugangscode über ihre Tutoren erhalten. Seitdem seien mehrere für den Jahrgang wichtige E-Mails verschickt worden. Der Kläger habe nachweislich am 25. März 2015 um 00.25 Uhr ein eigenes Passwort gesetzt, damit grundsätzlich Zugang gehabt und hätte demnach auch die Nachricht über seinen Prüfungstermin über die IServ-Plattform zur Kenntnis nehmen können. War er hierzu nicht in der Lage, liege das Verschulden allein bei ihm. Die AVO-GOBAK sehe enge Fristen für die mündlichen Nachprüfungen vor. Laut Nr. 13.2 der Ergänzenden Bestimmungen zur AVO-GOBAK (EB-AVO-GOBAK) vom 19. Mai 2005 (SVBl. 2005, 361), zuletzt geändert durch Verwaltungsvorschrift vom 4. Februar 2014 (SVBl. 2014 Nr. 3, S. 116), soll die Mitteilung der Abiturnoten spätestens vier Tage vor den mündlichen Nachprüfungen erfolgen. Der Termin für die Meldung zu den mündlichen Nachprüfungen soll mindestens zwei Werktage nach der Mitteilung der Abiturnoten erfolgen. Am Freitag, den 19. Juni 2015, erhielten alle Schüler ihre Abiturnoten. Bis zum darauffolgenden Mittwoch, den 24. Juni 2015, mussten die Meldungen zu den mündlichen Nachprüfungen erfolgen. Der Prüfungsplan sei am 25. Juni 2015 ausgehängt worden. Aufgrund dieser engen Terminvorgaben seien andere als die gewählten Informationswege nicht sinnvoll. Der Beklagte sei nicht verpflichtet, sicherzustellen, dass jeder einzelne Schüler seine Abiturtermine zur Kenntnis genommen habe. Hinsichtlich des Prüfungsfachs Deutsch ergebe sich nicht zuletzt durch den zweiten Satz des Kommentars eindeutig, dass „Pegida“ nicht das Unwort des Jahres gewesen sein könne. Dass der Kläger zu Beginn der Prüfung über sein Missverständnis über das Unwort des Jahres aufgeklärt worden sei, entspreche den Vorgaben von Nr. 10.5 EB-AVO-GOBAK.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten und der Nds. Landesschulbehörde Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid vom 1. Juli 2015 und der Widerspruchsbescheid vom 24. November 2015 sind rechtmäßig. Die Prüfungskommission hat die Abiturprüfung zu Recht für nicht bestanden erklärt. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Durchführung einer erneuten mündlichen Prüfung im Fach Deutsch und eine erneute mündliche Nachprüfung im Fach Erdkunde.
Nach der Verordnung über die Abschlüsse in der gymnasialen Oberstufe, im Beruflichen Gymnasium, im Abendgymnasium und im Kolleg (AVO-GOBAK) vom 19. Mai 2005 (Nds. GVBl. S. 169), in der für die Abiturprüfung 2015 maßgeblichen Fassung, zuletzt geändert durch Verordnung vom 4. Februar 2014 (Nds. GVBl. S. 53), bestimmt sich die im Abitur erreichte Durchschnittsnote nach der Punktzahl der Gesamtqualifikation (§ 14 Abs. 2 i.V.m. Anlage 2). Die Punktzahl der Gesamtqualifikation ergibt sich aus der Punktsumme bestimmter Schulhalbjahresergebnisse (Block I) und der Punktsumme der in den fünf Prüfungsfächern in vierfacher Wertung erzielten Leistungen (Block II; s. § 15 Abs. 1 und Abs. 3 AVO-GOBAK). Nach § 15 Abs. 4 Satz 2 AVO-GOBAK müssen im Block II mindestens 100 Punkte erreicht werden.
Danach hat die Prüfungskommission die Abiturprüfung des Klägers zu Recht für nicht bestanden erklärt. Der Kläger hat im Fach Deutsch nur eine mündliche Prüfung abgelegt, die gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 2 AVO-GOBAK bei vierfacher Wertung eine Punktzahl von 08 eingebracht hat (4 x 02 Punkte). In den Prüfungsfächern Biologie und Erdkunde hat er gemäß § 13 Abs. 1 AVO-GOBAK zusätzliche mündliche Prüfungen abgelegt, deren Ergebnisse bei der Berechnung der in diesem Fach erzielten Punktzahl nach der in Anlage 1 zur AVO-GOBAK geregelten Berechnungsformel und der dort vorgeschriebenen Rundungsregel zu berücksichtigen sind. Danach ergab sich hier für das streitgegenständliche Fach Erdkunde eine in Block II einzubringende Punktzahl von 16 (8 x 05 Punkte schriftlich + 4 x 02 Punkte mündlich), dividiert durch 3 = 16 Punkte). Mit den Punktzahlen für die anderen Prüfungsfächer hat der Kläger im Block II lediglich 96 Punkte erreicht und damit die erforderliche Mindestpunktzahl von 100 verfehlt.
Soweit der Kläger geltend gemacht, er sei zu der mündlichen Nachprüfung im Fach Erdkunde nicht ordnungsgemäß geladen worden, greift dieser Einwand nicht durch.
Zunächst einmal trifft die Rechtsauffassung des Klägers, eine ordnungsgemäße Ladung erfordere den Nachweis der Kenntnisnahme bei dem Adressaten, ersichtlich nicht zu. Vielmehr genügt die Möglichkeit zur Kenntnisnahme, die hier auch bestand.
Die Nds. Landesschulbehörde weist in ihrem Widerspruchsbescheid vom 24. November 2015 zu Recht darauf hin, dass die AVO-GOBAK keine Formvorschriften für die Ladung zur mündlichen Nachprüfung vorsieht. Dementsprechend ist eine Bekanntgabe bzw. Veröffentlichung der Prüfungstermine anstatt etwa einer schriftlichen Ladung - insbesondere vor dem Hintergrund des von dem Beklagten dargestellten engen Zeitrahmens für die Durchführung der mündlichen Nachprüfungen - grundsätzlich nicht zu beanstanden, sofern dadurch gewährleistet ist, dass dem Prüfling zumutbar, zuverlässig und zweifelsfrei die Kenntnisnahme davon ermöglicht wird, dass und wann ein für ihn relevanter Prüfungstermin ansteht, an dem er teilnehmen oder sich entschuldigen muss.
Dem genügen sowohl die von dem Beklagten praktizierte Verwendung von Aushangkästen als auch die individualisierte Bereitstellung der Informationen für den Kläger über die Plattform IServ.
Die Verwendung von Aushangkästen entspricht einer seit vielen Jahren geübten Praxis des Beklagten. Diese Praxis und die Obliegenheit, sich auf diese Weise über die Termine für die anstehenden Nachprüfungen Kenntnis zu verschaffen, waren dem Kläger nach seinen eigenen Angaben aufgrund der durchgeführten offiziellen Informationsveranstaltungen zum Abitur mit Teilnahmeverpflichtung auch bekannt. Auch wenn er sich zum Zeitpunkt des Aushangs nicht mehr regelmäßig in der Schule aufgehalten hat, ist es dem Kläger ohne weiteres zuzumuten, die Schule auch außerhalb des Unterrichts aufzusuchen, um sich über seine Nachprüfungstermine zu informieren, zumal ihm offensichtlich bekannt war, jedenfalls aber bekannt sein musste, dass die Prüfungstermine am 25. Juni 2015 bekanntgegeben werden, da er sich nur einen Tag später telefonisch nach seinen Prüfungstermin erkundigt hat. Im Falle des Klägers befindet sich die Schule auch nur 3 km, also knapp 10 Minuten mit dem Fahrrad, vom Wohnort des Klägers entfernt.
Dem Kläger war nach eigenen Angaben aufgrund der durchgeführten Informationsveranstaltungen auch bekannt, dass der Beklagte die Ladung zur mündlichen Nachprüfung darüber hinaus elektronisch über die im Schuljahr 2014/15 neu eingeführte Plattform IServ verschickt. Dem Kläger wurde seitens des Beklagten ein entsprechender Zugang eröffnet. Nach den unwidersprochenen Angaben des Beklagten hat sich der Kläger am 25. März 2015 um 00.25 Uhr auch angemeldet und ein eigenes Passwort gesetzt, so dass für ihn grundsätzlich die zusätzliche Möglichkeit bestand, die Nachricht über seine Prüfungstermine über die IServ-Plattform zur Kenntnis zu nehmen. Daran, dass der Kläger sein Passwort für den Zugang vergessen hat, scheitert die grundsätzliche Möglichkeit der Kenntnisnahme ebenso wenig wie dies bei dem Verlieren des eigenen Briefkastenschlüssels im Falle einer schriftlich übersandten Ladung der Fall gewesen wäre. Ein Prüfling ist im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht gehalten, Vorkehrungen für den Empfang einer Ladung zu treffen, wenn er mit dem Zugang einer solchen für einen bereits in Auge gefassten oder absehbaren Prüfungstermin rechnen musste (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24. April 1996 - 2 A 11716/95 -, NVwZ 1997, 593; Bayerischer VGH, Urteil vom 31. Mai 2001 - 7 B 00.2774 -, juris Rn. 19; Zimmerling/Brehm, Prüfungsrecht, 3. Aufl. 2007, Rn. 198). Dem entsprechend hätte sich der Kläger rechtzeitig mit der Plattform IServ vertraut machen und ein neues Passwort anfordern müssen, was nach Angaben des Beklagten bei dem zuständigen Koordinator auch jederzeit möglich gewesen wäre.
Soweit der Kläger geltend macht, ihm sei im Rahmen eines mit der Sekretärin des Beklagten geführten Telefonats fälschlich mitgeteilt worden, der Termin für die mündliche Nachprüfung im Fach Erdkunde sei der 30. Juni 2015 statt richtigerweise der 29. Juni 2015, dem selben Tag der mündlichen Nachprüfung im Fach Biologie, kommt es hierauf nicht an. Selbst wenn es - was der Beklagte mit beachtlichen Argumenten bestreitet - zu einer falschen Auskunft durch die zuständige Sekretärin gekommen sein sollte, hat dies für die Ordnungsgemäßheit der Ladung keine Auswirkungen. Einer am Telefon erfolgten Auskunft über die Termine der mündlichen Nachprüfung kommt nicht dieselbe Verbindlichkeit und Verlässlichkeit zu, wie dies bei den von dem Beklagten gewählten offiziellen Wegen der Bekanntmachung, hier über Aushangkästen und die Plattform IServ, der Fall ist. Wäre der Kläger im Vorfeld seinen Mitwirkungspflichten ordnungsgemäß nachgekommen, hätte sich die behauptete Fehlauskunft auch nicht ausgewirkt.
Daher musste das Gericht auch nicht dem vom Kläger in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Beweisantrag nachgehen, als Beweis dafür, dass dem Kläger vom Sekretariat des Beklagten telefonisch am 26. Juni 2015 vormittags als Prüfungstermine in dem Fach Biologie der 29. Juni 2015, 8.40 Uhr, und in dem Fach Erdkunde, der 30. Juni 2015, 13.20 Uhr, mitgeteilt wurde, seinen Stiefvater, Herrn C. L., und die Sekretärin des Beklagten, Frau E., als Zeugen zu vernehmen. Abgesehen davon wäre der Antrag auf Vernehmung der Zeugin E. auch deshalb zurückzuweisen, weil die Zeugin erst nach Ablauf der in der gerichtlichen Verfügung vom 25. April 2016 genannten Frist und damit verspätet benannt worden ist.
Letztlich kommt es aber auch aus einem weiteren Grund auf die vom Kläger zum Schwerpunkt seiner Klagebegründung erhobene Fragestellung der ordnungsgemäßen Ladung zur mündlichen Nachprüfung im Fach Erdkunde und damit auch auf die beantragte Zeugenvernehmung nicht an:
Aufgrund der dem Prüfling obliegenden Mitwirkungspflichten, die dem Schutz der Chancengleichheit im Prüfungsverfahren dienen, sind Verfahrensmängel - zu denen auch die nicht ordnungsgemäße Ladung zum Prüfungstermin gehört, - unverzüglich zu rügen. Der Anspruch des Prüflings auf Beseitigung des Mangels und dessen Folgen erlischt, wenn der Prüfling trotz Kenntnis des Fehlers die ihm zumutbare Rüge unterlässt und sich auf das fehlerhafte Prüfungsverfahren einlässt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Januar 1991 - 7 B 5/91 -, juris, Rn. 5; Nds. OVG, Urteil vom 8. Juni 2011 - 8 LB 199/09 -, juris, Rn. 36; OVG Saarlouis, Urteil vom 12. Januar 2010 - 3 A 450/08 -, juris, Rn. 97; Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 6. Auflage 2014, Rn. 214; Birnbaum, NVwZ 2006, 286, 287). Dieser Ausschluss dient dem legitimen Zweck, der Prüfungsbehörde eine eigene, möglichst zeitnahe Überprüfung des gerügten Mangels mit dem Ziel einer schnellstmöglichen Aufklärung und unter Umständen sogar einer noch rechtzeitigen Korrektur oder zumindest Kompensation eines festgestellten Mangels zu ermöglichen (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Juni 1994 - 6 C 37/92 -, juris, Rn. 18 m.w.N.). Für die Entscheidung darüber, ob eine Rüge unverzüglich erhoben worden ist, kommt es auch darauf an, ob und ab welchem Zeitpunkt es dem Prüfling in der Prüfungssituation zugemutet werden kann, auf den ihm bekannten Verfahrensfehler hinzuweisen. Dies hängt von den Umständen des Einzelfalles ab (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 8. Juni 2011 - 8 LB 199/09 -, juris, Rn. 36; VG Lüneburg, Urteil vom 14. April 2016 - 6 A 449/14 -, juris, Rn. 109; Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 6. Auflage 2014, Rn. 218 m.w.N.).
Die erstmals vom Kläger im Widerspruchsverfahren erhobene Rüge einer nach seiner Auffassung fehlerhaften Ladung ist hier verspätet erfolgt. Nachdem ihm am 29. Juni 2015 im Anschluss an die Biologie-Prüfung mitgeteilt worden ist, dass die mündliche Nachprüfung - anders als von ihm erwartet - noch am selben Tag stattfinde, hätte er ausdrücklich auf die nach seiner Ansicht fehlerhafte Ladung hinweisen müssen, anstatt zur Prüfung anzutreten. Zwar hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung angegeben, er sei, nachdem er von dem tatsächlichen Prüfungstermin erfahren und dies Freunden und Mitschülern erzählt habe, von Frau C., der Prüferin im Fach Erdkunde, auf diese Thematik angesprochen worden und habe auf ihre Nachfrage bestätigt, dass er von dem Termin erst unmittelbar zuvor erfahren habe. Gleichwohl hat er der von Frau C. geäußerten Absicht, die Prüfung wie vorgesehen durchzuführen, zugestimmt. Auch unmittelbar vor Beginn der mündlichen Nachprüfung hat der Kläger auf entsprechende Nachfrage hin mitgeteilt, dass er sich zur Durchführung der mündlichen Prüfung in der Lage fühle. Lässt er sich hiernach vorbehaltslos auf die Prüfung ein, kann sich der Kläger anschließend nicht auf den behaupteten Verfahrensfehler berufen, wenn er mit dem erzielten Ergebnis der Prüfung nicht zufrieden ist.
Für eine vom Kläger in Erwägung gezogene Voreingenommenheit der Prüfer im Hinblick darauf, dass sie seine schriftliche Vorleistung und den Umstand der Verunsicherung aufgrund der fehlenden Vorbereitung und der - behaupteten - falschen Auskunft nicht berücksichtigt hätten, gibt es keinerlei Grundlage. Weil der Kläger vorbehaltslos bestätigt hat, dass er sich zur Durchführung der Prüfung in der Lage fühle, war für eine Berücksichtigung derartiger Umstände kein Raum. Die schriftliche Prüfungsleistung des Klägers war bereits deshalb nicht in die Bewertung einzubeziehen, weil es sich bei der mündlichen Nachprüfung um eine eigenständige, von der schriftlichen Prüfung unabhängige Prüfungsleistung handelt.
Auch die vom Kläger beanstandete Bewertung der mündlichen Prüfung im Fach Deutsch lässt Rechtsmängel nicht erkennen.
Der Einzelrichter teilt die Auffassung des Beklagten, dass sich aus dem Prüfungsmaterial, einem Kommentar des Deutschlandfunks vom 13. Januar 2015, eindeutig ergibt. dass nicht, wie es der Kläger verstanden hat, „Pegida“, sondern „Lügenpresse“ zum Unwort des Jahres 2014 gewählt worden ist. Bereits die Überschrift des Kommentars („ ‚Lügenpresse‘ - Pegidas völkische Fratze entlarvt“), die - wie auch im gesamten übrigen Text - nur das Wort „Lügenpresse“, nicht dagegen den Begriff „Pegida“ in Anführungszeichen setzt, lässt den vom Kläger gezogenen Schluss nicht zu. Auch die im zweiten Satz des Textes erfolgte Bezugnahme auf das in der Überschrift genannte Unwort („Mit diesem Unwort des Jahres 2014, das von Pegida (…) hervorgekramt worden ist (…)“ [Unterstreichungen durch das Gericht] lässt das Textverständnis des Klägers als fernliegend erscheinen. Keinesfalls wird suggeriert, Unwort des Jahres könnte Pegida sein. Auch der weitere Kommentar befasst sich ausschließlich mit der Herkunft, Entwicklung und ideologischen Vorbelastung des Begriffs „Lügenpresse“, während „Pegida“ allein im bereits zitierten zweiten Satz als die Organisation bezeichnet wird, die den problematischen Begriff „Lügenpresse“ wiederbelebt hat.
Die Aufgabenstellung und die dieser beigefügten Begriffserklärungen zu „Unwort des Jahres“ und zu „Pegida“ geben ebenfalls keinen Anlass zu Zweifeln darüber, welcher Begriff als Unwort des Jahres prüfungsrelevant sein sollte.
Dass die Prüferin den Kläger gleich zu Beginn seiner Ausführungen über das bei ihm bestehende Missverständnis aufgeklärt hat, begegnet keinen rechtlichen Bedenken, zumal ein solcher Hinweis nach den Vorgaben von Nr. 10.5 EB-AVO-GOBAK auch geboten war. Danach hält sich die Prüferin oder der Prüfer im ersten Teil der mündlichen Prüfung, in der der Prüfling Gelegenheit hat, sich zu der in der Vorbereitungszeit bearbeiteten Prüfungsaufgabe in zusammenhängendem Vortrag zu äußern, weitgehend zurück und greift nur dann ein, wenn es aus pädagogischen oder prüfungspsychologischen Gründen oder zur Klärung des Verständnisses notwendig erscheint. Dies war hier im Hinblick auf das bei dem Kläger bestehende Missverständnis offenkundig der Fall.