Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 07.06.2011, Az.: 1 ME 62/11

Planerische Vorbelastung kann die Positionierung eines Carports in der am weitesten straßenabgewandten Ecke des Baugrundstücks rechtfertigen; Rechtmäßigkeit der Positionierung eines Carports in der am weitesten straßenabgewandten Ecke des Baugrundstücks im Falle einer planerischen Vorbelastung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
07.06.2011
Aktenzeichen
1 ME 62/11
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2011, 18908
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2011:0607.1ME62.11.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Hannover - 22.03.2011 - AZ: 12 B 902/11

Fundstellen

  • BauR 2011, 1699
  • FStNds 2011, 537-540

Amtlicher Leitsatz

Eine planerische Vorbelastung kann es rechtfertigen, einen Carport in der am weitesten straßenabgewandten Ecke des Baugrundstücks zu positionieren.

Gründe

1

Mit dem in erster Instanz erfolgreichen Eilantrag wehren sich die Antragsteller gegen die Aufstellung und den Betrieb eines Carports, welchen die Beigeladene in der am weitesten straßenabgewandten Nordostecke ihres Pfeifenstielgrundstücks positionieren will. Die Beteiligten streiten im Wesentlichen um die Frage, ob der den Carport auserkorene Ort tatsächlich oder rechtlich so vorbelastet ist, dass die Anlage dort ohne Verstoß gegen das Gebot, auf nachbarliche Belange Rücksicht zu nehmen, aufgestellt werden kann.

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Das Baugrundstück entstand durch Abtrennung der östlichen Drittel zweier südlich der Antragsteller gelegener, lang gestreckter Grundstücke, und zwar des Grundstücks F. -Straße ... (früher Flurstück ........, Rumpfgrundstück Flurstück ......) und F. -Straße ... (frühere Flurstücksnummer ...., jetzt ....). Die F. -Straße geht von der hier nach Nordwesten abknickenden G. straße nach Norden ab und verschwenkt an dem (aus dem Aktivrubrum ersichtlichen) Grundstück der Antragsteller nach Osten, um sich dann - schmaler - nach Norden fortzusetzen. Alle hier interessierenden Grundstücke liegen an der Ostseite der F. -Straße. Die 2,75 m breite Zufahrt des Pfeifenstielgrundstücks verläuft nördlich des Grundstücks Nr. .. entlang der Grenze zum Grundstück der Antragsteller.

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Alle genannten Grundstücke liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans der Antragsgegnerin Nr. ... "Am H.", der im August 1972 rechtsverbindlich geworden ist. Für das Grundstück der Antragsteller setzt er reines, für die mittlerweile drei südlich davon gelegenen Grundstücke allgemeines Wohngebiet als Nutzungsart fest. Daran schließt sich für das nach Art eines Viertelkreises geschnittenen Areals zwischen der G. straße und der F. -Straße ein Mischgebiet an. Für das reine und das allgemeine Wohngebiet gelten eine Grundflächenzahl von 0,3 und eine Geschossflächenzahl von 0,6 bei zweigeschossiger offener Bauweise. Die Baugrenzen der östlich der F. -Straße gelegenen Grundstücke reichen in diesem Bereich bis auf etwa 3 m an die östliche Grundstücksgrenze heran. Dieser Verlauf setzt sich nach Norden auf den Grundstücken F. -Straße .., .., .., .. und .. im Wesentlichen so fort; diese Grundstücke weisen - wegen des oben beschriebenen Versprungs der F. -Straße an der Nordwestecke des Antragsteller-Grundstücks - eine deutlich geringere Tiefe auf. Außerdem lässt der Bebauungsplan die überbaubare Fläche dort weiter von der Straße nach Osten zurückweichen.

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Die östliche Parallelstraße der F. -Straße ist die Straße Am H., welche dem Bebauungsplan den Namen gibt. Diese ist breiter als die F. -Straße und verläuft ohne Versprung in etwa in nordsüdlicher Richtung. Für die an der Westseite dieser Straße gelegenen Grundstücke legt der Plan die straßenseitige Baugrenze unmittelbar an die Ostfront der dort durchweg paarweise angeordneten, im rückwärtigen Bereich mit aneinander gebauten Nebengebäuden versehenen Gebäudekomplexe an. Das hat für die Grundstücke Am H. .. bis .. (ungerade) zur Folge, dass der Bauteppich - um insgesamt gleich tiefe überbaubare Flächen zu erreichen - gegenüber den südlich und nördlich angrenzenden Grundstücken nach Westen verspringt. Dieser Bereich liegt jedoch ostnordöstlich der hier interessierenden Grundstücke. Die Rückseiten der Grundstücke F. -Straße .... (Beigeladene) und ... (Antragsteller) grenzen an die Reihe Am I... bis .. (ungerade) an. Der beschriebene Verlauf der überbaubaren Flächen hat zur Folge, dass die westlichen drei Fünftel dieser sehr tiefen und recht schmalen Grundstücke an der Westseite der Straße Am H. nicht überbaut werden können.

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Das Grundstück der Antragsteller war bei Aufstellung des Bebauungsplans Nr. .... "Am H." etwa mittig mit einem Gebäude L-förmigen Grundrisses bebaut. Dieses Gebäude ist danach nach Westen erweitert worden. Die südlichen Nachbargrundstücke Nr. .. und .. waren straßenseitig mit einer Art Doppelhauskomplex bebaut, an dessen Westwange die Baugrenze angelegt worden war.

6

Unter dem 22. April 2010 erhielt die Beigeladene die Genehmigung zur Errichtung eines Einfamilienhauses auf dem durch Abtrennung von den Grundstücken Nr. .. und .. entstandenen, aus dem Beigeladenen-Rubrum ersichtlichen, Grundstück (Flurstücke .... und ....). Das Gebäude steht größerenteils auf dem dem Grundstück der Antragsteller zugewandten Flurstück ...... Weil unter anderem die Antragsteller seinerzeit hiergegen Bedenken geäußert hatten, stellte die Beigeladene ihren Wunsch damals zurück, am jetzt gewählten Standort einen Carport zu errichten, und ordnete im straßenzugewandten Bereich der Zufahrt zwei Einstellplätze in Reihe an.

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Auf Antrag vom Juli 2010 erteilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen unter dem 12. Oktober 2010 die Baugenehmigung zur Aufstellung eines Carports in der Nordostecke des Pfeifenstielgrundstücks, um deren Ausnutzung die Beteiligten hier streiten. Nach den im vereinfachten Verfahren genehmigten Unterlagen soll das 3 m breite Gebäude mit einer Länge von 7,975 m auf der Grenze zum Grundstück der Antragsteller entstehen und (Nr. 10.2 des Bauantrags, Bl. 128 der BA B) zwei Einstellplätze enthalten.

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Die Antragsteller legten hiergegen Widerspruch ein und erhoben nach dessen Zurückweisung (Widerspruchsbescheid vom 10. Januar 2011) zum Aktenzeichen 12 A 500/11 Klage. Nachdem die Antragsgegnerin die Aussetzung der Vollziehung des Bauscheins wieder aufgehoben hatte, haben die Antragsteller im Februar 2011 den hier interessierenden Eilantrag gestellt, dem das Verwaltungsgericht mit hier angegriffenen Beschluss, auf dessen Einzelheiten Bezug genommen wird, und im Wesentlichen folgender Begründung stattgegeben hat:

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Von dem Vorhaben gingen zu Lasten der Antragsteller unzumutbare Belästigungen aus. Die hierzu maßgeblichen Grundsätze (§ 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO/§ 46 Abs. 1 Satz 2 NBauO) habe der Senat in seinem Beschluss vom 27. März 2007 (- 1 ME 102/07 -, BRS 71 Nr. 137 = NdsVBl. 2007, 199) zusammengefasst. Danach dürften Vorhaben zur Unterbringung ruhenden Verkehrs nur dann und soweit in straßenabgewandte Bereiche vordringen, wenn diese tatsächlich (namentlich durch bereits vorhandene Gebäude gleicher oder ähnlicher Nutzungsart) oder planerisch vorbelastet seien. Tatsächlich vorbelastet sei dieser Bereich hier nicht. Rund 30 m südlich der Grundstücksgrenze der Antragsteller stehe zwar auf dem Flurstück .... im östlichen Bereich ein Nebengebäude. Das sei jedoch hier ohne Vorbildwirkung, weil dieser Bereich als Mischgebiet überplant sei und daher nicht mehr zur maßgeblichen näheren Umgebung zu zählen sei. Planerisch sei der Aufstellungsort ebenfalls nicht vorbelastet. Die von der Beigeladenen durch Grundstücksteilung herbeigeführte Situation, im straßenabgewandten Bereich eine zweite Reihe zu schaffen und dort auch Einstellplätze unterzubringen, habe der Plangeber seinerzeit nicht in seinen Willen aufgenommen. Insoweit unterscheide sich die Sachlage von derjenigen, welche der Senat in seinem Beschluss vom 18. Juli 2003 (- 1 ME 170/03 - NdsVBl. 2003, 325) für ein größeres Straßenkarree im Bereich der Landeshauptstadt J. beurteilt habe. Diese habe nachträglich über größere, straßenabgewandt gelegene Areale zwei Bauteppiche gelegt, ohne die Fragen der Zufahrt sowie der Lokalisierung des ruhenden Verkehrs näher zu regeln. Damit sei die hier zu beurteilende Sachlage nicht zu vergleichen. Es möchte zwar sein, dass durch das im April 2010 genehmigte Einfamilienhaus der Beigeladenen nur eine geringe Anzahl von Fahrzeugbewegungen hervorgerufen werde. Andererseits sei zu berücksichtigen, dass die Positionierung des Carports lärmintensive Rangiermanöver erforderlich mache und damit den straßenabgewandten Bereich des Grundstücks der Antragsteller über das Maß des Zumutbaren hinaus akustisch in Mitleidenschaft ziehen würde.

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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin, welcher die Antragsteller entgegentreten.

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Die Beschwerde hat Erfolg. Eine wegen § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO auf die geltend gemachten Beschwerdegründe zu beschränkende Prüfung führt zu dem Ergebnis, dass das Verwaltungsgericht dem Eilantrag zu Unrecht stattgegeben hat.

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Nach ständiger Senatsrechtsprechung kann ein Antrag auf Gewährung einstweiligen Dritt-Rechtsschutzes erst dann Erfolg haben, wenn nach derzeit absehbarem Stand der Dinge Überwiegendes für die Annahme spricht, die angegriffene Baugenehmigung verletze Drittrechte dieses Antragstellers (wegen der Einzelheiten vgl. Senatsbeschl. v. 25.1.2007 - 1 ME 177/06 -, BauR 2007, 1394 = BRS 71 Nr. 165). Das ist hier nicht der Fall.

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Die maßgeblichen Grundsätze hat das Verwaltungsgericht in der angegriffenen Entscheidung im Wesentlichen zutreffend wiedergegeben. Sie sind unter anderem in den Senatsbeschlüssen vom 12. Juli 2005 (- 1 ME 115/05 -, V.n.b.) sowie vom 18. Juli 2003 (- 1 ME 170/03 -, NdsVBl. 2003, 325, veröffentlicht auch in [...] sowie OVG-Datenbank) niedergelegt. Danach sollen Einstellplätze bzw. Garagen grundsätzlich möglichst nah an öffentliche Verkehrsflächen herangebaut werden, um kein Störpotential in Ruhezonen hineinzutragen, in denen bislang keine Fahrzeugbewegungen stattfanden. Dementsprechend sollen selbst nach § 47 NBauO erforderliche Garagen und Einstellplätze in der Regel nicht im Hintergarten liegen oder in das Blockinnere eines Straßenkarrees vordringen. Das gilt jedoch nur, wenn dieses Karree durch Grünflächen/relative Wohnruhe gekennzeichnet ist. Was danach bei Abwägung der konkurrierenden Nutzungsinteressen dem Bauherrn gestattet bzw. seinem Nachbarn zugemutet werden kann, richtet sich zum einen nach der Vorbelastung des geplanten Aufstellungsortes durch vergleichbare Anlagen, daneben und vor allem aber nach den Festsetzungen eines für diesen Bereich geltenden Bebauungsplans (vgl. hierzu insbesondere BVerwG, Urt. v. 7.12.2000 - 4 C 3.00 -, DVBl. 2001, 645 = NVwZ 2001, 813 = BRS 63 Nr. 160). Dabei muss die vom Bebauungsplan eingeräumte überbaubare Fläche nicht stets die Annahme rechtfertigen, bis dahin dürften Anlagen für den ruhenden Verkehr vordringen. So hatte das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 29. August 1997 (- 6 M 3892/97 -, NdsRpfl. 1998, 13 = NdsVBl. 1998, 47) einem Nachbarrechtsbehelf gegen eine "Anlage" stattgegeben, welche hakenförmig hinter die straßenseitig als Riegel aufgestellte Wohnbebauung greifen und an deren Rand je zwei Einstellplätze pro Wohneinheit aufgereiht werden sollten. Maßgebliche Erwägung war seinerzeit, die Festsetzung des "Bauteppichs" sei nicht gleichbedeutend mit dem Willen des Plangebers, eine Erschließungsanlage in den Binnenbereich eines Straßenkarrees vordringen zu lassen. Den damaligen Festsetzungen des Bebauungsplanes entnahm der 6. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vielmehr, dem Willen des Plangebers entspreche es, Erschließungsanlagen dieses Karree nur umschließen, nicht aber zuzulassen, dass solche die überbaubaren Flächen regelrecht durchtrennten.

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Eine daraufhin sowie unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens vorgenommene Überprüfung ergibt, dass der Beschwerde stattzugeben und der Eilantrag abzulehnen ist.

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Bereits die Annahme, der fragliche Bereich sei in tatsächlicher Hinsicht bislang nicht vorbelastet, unterliegt Zweifeln. Die bis zum Grundstücksostrand reichende gewerbliche Nutzung auf dem Flurstück .... wird eher nicht mit der Begründung außer Acht gelassen werden können, dieses befinde sich mit dem Misch- in einem ganz anderen Baugebiet. Eher wird die Argumentation angebracht sein, reiche unweit des geplanten Aufstellungsortes eine deutlich massivere Nutzung mit gewerblichem Einschlag bis an den Ostrand des Grundstücks heran, sei dies sozusagen erst recht Anlass für die Annahme, der rückwärtige Grundstücksbereich sei nicht mehr unangetastet.

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Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Bebauung auf dem Grundstück F. -Straße ... (Flurstück .....) nach Abschluss des Aufstellungsverfahrens zum Bebauungsplan Nr. .. "Am H." die Möglichkeiten der überbaubaren Fläche vollständig ausgenutzt hat. Das Gebäude reicht nunmehr bis an die östliche, straßenabgewandte Baugrenze heran. Es handelt sich zwar um ein Wohn- und nicht um ein Nebengebäude. Auch/gerade Wohnnutzung ist jedoch - wie die umfangreiche Rechtsprechung zur Zulässigkeit/Nachbarverträglichkeit so genannter Hinterlandbebauung im unverplanten Innenbereich zeigt - in besonderem Maße geeignet, Unruhe in von solcher Nutzung bislang freigehaltene Bereiche hineinzutragen.

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Dies kann unentschieden bleiben. Denn jedenfalls die planerische Vorbelastung durch den Bebauungsplan der Antragsgegnerin Nr. ... "Am H." führt zu einem den Antragstellern nachteiligen Ergebnis. Diese sprechen so sehr für die Annahme, Bebauung solle sehr tief in das Karree-Innere vordringen dürfen, dass der Beigeladenen die Ausnutzung des Bauscheins vom 12. Oktober 2010 jedenfalls derzeit nicht versagt werden kann. Folgendes ist danach vor allem zu beachten:

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Der Bebauungsplan Nr. ... ordnet dem reinen und dem allgemeinen Wohngebiet eine Grundflächenzahl von 0,3 zu. Bei seiner Aufstellung waren die hier in ihrer Nutzung miteinander konkurrierenden Grundstücke bereits bebaut. Das war allerdings in einem Umfang der Fall, der weit hinter der Grundflächenzahl von 0,3 zurückblieb. Wenn der Bebauungsplan Nr. ... daher die straßenseitige Baugrenze sowohl an der Ostseite der F. -Straße als auch an der Westseite der Straße Am H. unmittelbar an die straßenseitigen Fassaden der dort schon stehenden Gebäude anlegte, zugleich aber in dem Bereich östlich der F. -Straße den überbaubaren Bereich bis fast an die Ostgrenze dieser recht tiefen Handtuchgrundstücke führte, dann kann das nur den Sinn gehabt haben, die Antragsgegnerin habe schon im Jahre 1972 (und nicht erst wie im Fall 1 ME 170/03 aufgrund nachträglichen Sinneswandels durch die Landeshauptstadt J. geschehen nachträglich) beabsichtigt, eine Bebauung in zweiter Reihe zu ermöglichen. Denn die Grundstücke an der Ostseite der F. -Straße sind so schmal, dass die Grundflächenzahl von 0,3 angesichts der festgesetzten offenen Bauweise im vorderen Grundstücksbereich nicht annähernd würde ausgenutzt werden können.

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Die Richtigkeit der Annahme, schon im Jahre 1972 habe die Antragsgegnerin die - von der Beigeladenen nunmehr genutzte - Möglichkeit eröffnen wollen, bis hart an die östliche Grundstücksgrenze heran sogar Wohnhauptnutzung zu führen, zeigt sich bei einem Vergleich mit den Festsetzungen, welche die Antragsgegnerin für die Grundstücke an der Westseite der Straße Am H. getroffen hat. Hierfür wird eine Grundflächenzahl von nur 0,2 bestimmt, außerdem ein Bauteppich festgesetzt, der trotz beträchtlicher Grundstückstiefen von der Straße Am H. aus betrachtet nur bis zu einer Tiefe von etwa zwei Fünftel der Flächen reicht. Der Plan erlegt damit die Pflicht, für einen durchgrünten, ruhigen Binnenbereich zu sorgen, einseitig den Grundstücken an der Westseite der Straße Am H., hingegen nicht den Grundstückseigentümern an der Westseite der F. -Straße auf. Dass dies so ist, zeigt auch ein Vergleich im Verlauf der überbaubaren Flächen. Diese sind im Grundstücksstreifen westlich der Straße Am H. einheitlich tief geschnitten. Weil die Antragsgegnerin seinerzeit die überbaubaren Flächen erst mit der straßenseitigen Fassade der dort bereits stehenden Doppelhäuser beginnen lassen wollte, hat sie - wie oben beschrieben - für die Grundstücke Nr. ... bis ... (ungerade) den Bauteppich nach Westen versetzt, das heißt im Vergleich zu den Grundstücken ... bis ... sowie ... bis ... usw. (ungerade) ungleich verlaufen lassen. Im Bereich des allgemeinen und des reinen Wohngebiets östlich der F. -Straße hat die Antragsgegnerin dies im Jahre 1972 hingegen nicht getan. Hätte es in der Absicht der Antragsgegnerin als planende Gemeinde gelegen, jenes Konzept auf diese Straßenseite zu übertragen, hätte sie (wenn schon nicht für den Mischgebietsbereich, hier also insbesondere das jetzige Flurstück ....., so doch immerhin) für die Grundstücke ..., ... und ..., das heißt auch das Grundstück der Antragsteller die östliche Baugrenze deutlich nach Westen versetzt positioniert. Das hat sie indes nicht getan. Dass dies eine bewusste Entscheidung ist, zeigt der Verlauf der rückwärtigen Baugrenze weiter nördlich im Bereich der Grundstücke F. -Straße ..., ... ... ... und ... (ungerade). Ab dem Grundstück F. -Straße ... nämlich rückt die östliche Baugrenze zunehmend von der östlichen Grundstücksgrenze ab, obwohl dort bei Aufstellung des Bebauungsplans im Jahre 1972 sogar schon Nebengebäude standen. Auf den Grundstücken Fritz-Heller-Straße 7 und 5 führt das dann sogar dazu, dass Nebengebäude vollständig außerhalb der überbaubaren Grundstücksfläche zwischen der östlichen Baugrenze und der Grundstücksgrenze zu stehen kamen.

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All das lässt nur den Schluss zu, es handele sich um eine bewusste Planungsentscheidung, sozusagen als Ausgleich dafür, dass im Knie zwischen der G. straße und der F. -Straße ein (kleines) Mischgebiet liegt, den nördlich davon gelegenen Grundstücken - weil ohnedies Immissionen dieses Mischgebiets ausgesetzt - auf den rückwärtigen, straßenabgewandten Grundstücksbereichen uneingeschränkt Baurechte einzuräumen.

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Diese Konzeption ist nicht obsolet geworden. Nicht nur die Antragsteller haben auf ihrem Grundstück die Möglichkeiten, welche dieser Plan unter anderem durch die festgesetzten Grundflächenzahlen bot, zumindest weitgehend ausgenutzt. Auch und vor allem auf den Grundstücken F. -Straße .., .., .. und .. ist dieses Angebot, sich nach Osten auszuweiten, recht weitgehend angenommen worden.

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Anders als im vom 6. Senat dieses Gerichts am 19. August 1997 (- 6 M 3892/97 -, NdsRpfl. 1998, 13 = NdsVBl. 1998, 47) entschiedenen Fall lässt sich den sonstigen Festsetzungen dieses Bebauungsplans nicht mit der erforderlichen Verlässlichkeit entnehmen, die Antragsgegnerin als planerlassende Gemeinde habe zumindest Einstellplätze nicht so tief wie nunmehr genehmigt in den Binnenbereich vordringen lassen wollen. Der entscheidende Gesichtspunkt der Entscheidung vom 29. August 1997 bestand darin, dass die Einstellplätze an einer Art Erschließungsanlage aufgereiht werden sollten, welche haken-/L-förmig in den Binnenbereich hineinführen und an ihrem Rand die 2 x 8 Einstellplätze erschließen sollten. Erschließungsanlagen in das Straßenkarree hinein hatte der damalige Bebauungsplan nach der Würdigung des 6. Senats dieses Gerichts ausschließen wollen. Vergleichbares wird man hier nach Lage der Dinge nicht annehmen können. Das von der Antragsgegnerin zur Begutachtung der Nachbar-Rechtslage eingeschaltete Anwaltsbüro KSB aus Hannover zitiert auf Seite 2 seines gutachterlichen Vermerks vom 24. September 2010 (Bl. 160 der BA B) die Begründung zu dem Bebauungsplan Nr. ... wie folgt:

"An der K. Straße, der L. straße und Am H. werden zur Aufnahme des ruhenden Verkehrs öffentliche Parkstreifen ausgewiesen. Das Abstellen von Kraftfahrzeugen auf den Privatgrundstücken ist bei der vorhandenen offenen Bebauung möglich. Da die öffentlichen Straßen nur dem Ziel- und Quellverkehr dienen, erscheint es nicht vertretbar, die Zahl der öffentlichen Parkplätze durch Inanspruchnahme weiterer privater Flächen zu erhöhen."

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Das zeigt: Der hier interessierende Bereich wurde in diesen Passagen der Planbegründung nicht ausdrücklich erwähnt. Für ihn sind dementsprechend bewusst keine öffentlichen Parkstreifen ausgewiesen worden. Daher sollten dort Anlagen für den ruhenden Verkehr derjenigen Gebäude, welche nach den Verheißungen der Grundflächenzahl (wie vorstehend dargelegt) nur im rückwärtigen Grundstücksbereich würden verwirklicht werden können, ebenfalls dort, d.h. straßenabgewandt positioniert werden.

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Dem lässt sich aller Voraussicht nach nicht mit Erfolg entgegenhalten, dann müsse der streitige Carport wenigstens noch weiter straßenseitig positioniert werden. Gerade dies wäre im hier zu entscheidenden Fall zum Nachteil der Antragsteller "kontraproduktiv". Diese haben den mit Genehmigungsvermerk vom 27. Januar 1995 versehenen Unterlagen zufolge (vgl. Unterlagen BA A, Tasche) im straßenabgewandten Teil des Erdgeschosses ihres Gebäudes die Bereiche Wohnen und Essen, über dem Bereich "Essen" im Obergeschoss das Elternzimmer untergebracht. Würde der Carport - was hier nach Lage der Dinge allenfalls in Betracht käme, näher an den Bereich herangerückt, an dem sich das Pfeifenstielgrundstück von der Zufahrt zur Baufläche weitet, würde diese Lärmquelle, in der Türenöffnen und -zuschlagen, Starten des Motors usw. stattfinden, näher an diese schutzwürdigeren Bereiche der Antragsteller-Nutzung herangerückt. Die von ihnen befürchteten Rangierbewegungen würden näher an diese Bereiche herangerückt stattfinden. Mit dem genehmigten Aufstellungsort werden diese Vorgänge jedenfalls ihnen gegenüber in nachbarverträglicherer Weise bewerkstelligt. Mit der Wahl eines Carports statt einer mit Garagentor versehenen Anlage hat die Beigeladene eine besonders nachbarverträgliche Ausführung gewählt. Zudem sind zwischen dem im April 2010 genehmigten Wohnhaus und der hier streitigen Carportanlage ausreichend Flächen gelegen, das jedenfalls so umständliche Rangiervorgänge, wie sie bei der Positionierung zweier Einstellplätze im Zufahrtsbereich erforderlich gewesen sein sollen, nicht zu erwarten sind.

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Bei der Abwägung der konkurrierenden Interessen kommt schließlich hinzu: Obwohl (unter anderem) ihnen die Baugenehmigung für die Errichtung des Einfamilienhauses auf dem Grundstück F. -Straße .... förmlich zugestellt worden war (PZU), haben die Antragsteller diese - soweit ersichtlich - unanfechtbar werden lassen. Richtigerweise wird sich daher aller Voraussicht nach nicht die Frage stellen, ob diese Baugenehmigung vom 22. April 2010 ihre Nachbarrechte verletzt. Vielmehr stellt sich die voraussichtlich zum Vorteil der Beigeladenen zu beantwortende Frage, ob mit der jedenfalls den Antragstellern gegenüber unanfechtbar gewordenen Baugenehmigung für das Einfamilienhaus ein Zwangspunkt gesetzt worden ist, der die Schutzwürdigkeit ihres östlichen Grundstücksteils - über die planbedingten Nachteile hinaus - zusätzlich herabsetzt. Schon eine Wohnnutzung bringt, wie im Rahmen so genannter Hinterlandbebauung bei der Beurteilung nach § 34 Abs. 1 BauGB zu berücksichtigen ist, beträchtliche Unruhe in diesen Grundstücksbereich hinein. Unter diesen Umständen spricht einiges für die Annahme, bei der Abwägung der konkurrierenden Interessen werde das der Beigeladenen an der Verwirklichung des hier streitigen Vorhabens durch die Bestandskraft der Baugenehmigung vom 22. April 2010 gestärkt.

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Die in der Beschwerdeerwiderung akzentuierten Nutzungen des Beigeladenen-Grundstücks durch Kinder und Besuch sind nicht Gegenstand der hier allein interessierenden Baugenehmigung. Die Antragsteller können diese Auswirkungen daher nicht gegen das hier streitige Vorhaben in Stellung bringen. Das wäre allenfalls (wenn überhaupt) bei einer Attacke auf den Bauschein vom 22. April 2010 in Betracht gekommen. Zudem dürfte die Verwirklichung des hier streitigen Vorhabens die Neigung der Beigeladenen befördern, zum Vorteil des streitigen Carports die Zufahrtsstrecke zur F. -Straße durch Angehörige und Dritte nicht zuparken zu lassen.

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Weitere Ausführungen zu der Beschwerde sind nicht veranlasst.