Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 10.06.2011, Az.: 9 LA 122/10
Tagesgäste sind nach niedersächsischem Landesrecht kurbeitragspflichtig; Kurbeitragspflicht von Tagesgästen nach dem niedersächsischem Landesrecht
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 10.06.2011
- Aktenzeichen
- 9 LA 122/10
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2011, 19308
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2011:0610.9LA122.10.0A
Rechtsgrundlagen
- § 10 Abs. 2 NKAG
- § 3 KBS
Fundstellen
- DÖV 2011, 738
- FStBW 2011, 946
- FStNds 2011, 574-575
- NVwZ-RR 2011, 784-785
- NdsVBl 2011, 285-286
- NordÖR 2011, 398
- ZKF 2011, 188-189
Amtlicher Leitsatz
Nach niedersächsischem Landesrecht sind neben den Übernachtungsgästen auch die Tagesgäste kurbeitragspflichtig, soweit sie - wie z.B. beim Besuch abgrenzender Fremdenverkehrseinrichtungen oder bei der Teilnahme an Fremdenverkehrsveranstaltungen - mit vertretbarem Verwaltungsaufwand erfasst werden können.
Gründe
Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zu einem Jahreskurbeitrag für das Jahr 2009 in Höhe von 33,- Euro. Das Verwaltungsgericht hat seiner Klage stattgegeben, weil die Kurbeitragssatzung der Beklagten vom 13. Dezember 2007 - KBS - in der Fassung der 1. Nachtragssatzung vom 19. März 2009 in mehrfacher Hinsicht unwirksam sei und außerdem die vorgelegte Nachtragskalkulation nicht geeignet sei, die festgelegten Beitragssätze zu rechtfertigen. Ihren dagegen gerichteten Antrag auf Zulassung der Berufung begründet die Beklagte mit ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sowie einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
Der Antrag der Beklagten hat keinen Erfolg.
Wird die angefochtene Entscheidung - wie hier - auf mehrere, jeweils selbstständig tragende Gründe gestützt, kann die Berufung nur zugelassen werden, wenn für jedes die angefochtene Entscheidung selbstständig tragende Begründungselement ein Zulassungsgrund dargelegt wird und vorliegt (st. Rspr., vgl. BVerwG, Beschluss vom 1.2.1990 - 7 B 19.90 - Buchholz 310 § 153 VwGO Nr. 22; Beschlüsse des Senats vom 27.6.2008 - 9 LA 154/07 -, 15.12.2006 - 9 LA 248/05 -; 8.5.2003 - 9 LA 93/03 -; 1.11.2000 - 9 L 2511/00 - und 22.9.2000 - 9 L 2734/00 -). Dieser Anforderung wird der Vortrag der Beklagten im Zulassungsverfahren jedenfalls insoweit nicht gerecht, als er sich gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts richtet, die Beklagte habe bei ihrer Nachtragskalkulation zu Unrecht die "nicht-übernachtenden tatsächlichen Nutzer von Erholungseinrichtungen" unberücksichtigt gelassen. Gegen diese Auffassung wendet die Beklagte ein, nicht übernachtende Tagesgäste könnten nicht in die Kalkulation eingestellt werden, weil ihre Berücksichtigung aus tatsächlichen Gründen unmöglich sei. Dieser Einwand ist aus folgenden Gründen nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils hervorzurufen:
Bei einer Kalkulation des höchstens zulässigen Kurbeitragssatzes wird der veranschlagte Aufwand auf die nach Maßgabe des § 10 Abs. 2 NKAG und der gemeindlichen Kurbeitragssatzung Kurbeitragspflichtigen verteilt, und zwar entsprechend der Zahl der Beitragsfälle (vgl. Rosenzweig/Freese, NKAG, Stand: August 2010, § 10 Rdn. 48). Es kommt bei der Aufwandsverteilung im Rahmen der Kalkulation also nicht auf die subjektive Bewertung der Zahl der Beitragsfälle durch den Kalkulierenden, sondern ausschließlich darauf an, wer nach § 10 Abs. 2 NKAG und der Kurbeitragssatzung beitragspflichtig ist. § 10 Abs. 2 Satz 1 NKAG erstreckt die Kurbeitragspflicht auf alle Personen, die sich in dem anerkannten Gebiet aufhalten, ohne dort eine Hauptwohnung zu haben, und denen die Möglichkeit zur Benutzung der Fremdenverkehrseinrichtungen und zur Teilnahme an den zu Zwecken des Fremdenverkehrs durchgeführten Veranstaltungen geboten wird. § 3 KBS legt den Kreis der Beitragspflichtigen in derselben Weise fest. Beide Vorschriften erfassen nicht nur Gäste, die im Gemeindegebiet eine Wohnung nehmen, dort also übernachten. Sie erstrecken sich in zulässiger Weise (vgl. Lichtenfeld, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: März 2011, § 11 Rdn. 27; Rosenzweig/Freese, a.a.O. § 10 Rdn. 26) auch auf solche Gäste, die sich im anerkannten Gebiet aufhalten, ohne dort eine Wohnung zu beziehen. Auch diese nicht im Gemeindegebiet übernachtenden Gäste haben angesichts ihres Aufenthalts im anerkannten Gebiet die Möglichkeit, die dem Fremdenverkehr dienenden gemeindlichen Einrichtungen zu nutzen sowie an zu Zwecken des Fremdenverkehrs durchgeführten Veranstaltungen teilzunehmen. Sie sind bei der insofern gebotenen einschränkenden Auslegung des § 10 Abs. 2 Satz 1 NKAG kurbeitragspflichtig, soweit sie mit vertretbarem Verwaltungsaufwand erfasst werden können. Letzteres ist vor allem der Fall, wenn sie abgrenzbare bzw. tatsächlich abgegrenzte Fremdenverkehrseinrichtungen benutzen, wie etwa eintrittspflichtige Kureinrichtungen oder Kurstrände, oder wenn sie an Fremdenverkehrsveranstaltungen teilnehmen (Rosenzweig/Freese, a.a.O., § 10 Rdn. 36a). Bei dieser Rechtslage darf die Kalkulation - und natürlich auch die Verwaltungspraxis - sich nicht darauf beschränken, nur die eine Wohnung im Gemeindegebiet nehmenden Beitragspflichtigen zu erfassen. Da die Beklagte diesen Grundsatz nicht beachtet hat, weist ihre Nachtragskalkulation einen deutlich überhöhten Beitragssatz auf, was zu einer rechtswidrigen Mehrbelastung der im Gemeindegebiet Übernachtenden und - wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat - zur Unwirksamkeit des Beitragssatzes führt.
An der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestehen somit schon deshalb keine ernstlichen Zweifel, weil das Gericht zu Recht von einer Fehlerhaftigkeit der Nachtragskalkulation ausgegangen ist. In Bezug auf die rechtliche Bewertung dieser Nachtragskalkulation hat die Beklagte grundsätzlich bedeutsame Fragen, die im Interesse der Rechtsfortbildung und Rechtsvereinheitlichung der Klärung in einem Berufungsverfahren bedürfen, nicht aufgezeigt. Damit scheidet die begehrte Zulassung der Berufung insgesamt aus, weil jedenfalls die Annahme der Unwirksamkeit des Beitragssatzes die angefochtene Entscheidung selbstständig trägt.