Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 04.08.1993, Az.: 2 L 5341/92
Asylantrag; Volkszugehörigkeit; Syrien; Verfolgung; Religion; Minderheitenschutz
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 04.08.1993
- Aktenzeichen
- 2 L 5341/92
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1993, 13608
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:1993:0804.2L5341.92.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- 1 A 1002/91
Tenor:
Die Berufungen der Kläger zu 1), 3) und 4) gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig - 1. Kammer - vom 26. Juli 1991 werden zurückgewiesen.
Auf die Berufung des Klägers zu 2) wird das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert. Es wird festgestellt, daß in seinem Falle die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens zu 5/6, die Beklagte zu 1) zu 1/6; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Kläger sind eine Familie christlichen (syrisch-orthodoxen) Glaubens aus Katanye in Nordost-Syrien, die ihre Volkszugehörigkeit als "aramäisch" bzw. "assyrisch" bezeichnet. Der Kläger zu 4) ist in der Türkei geboren; er hat sich nach 1950 in Syrien niedergelassen und die syrische Staatsangehörikeit erhalten. Dort hat er die im Jahre 1939 in Meragan/Syrien geborene Klägerin zu 1) geheiratet. Von den gemeinsamen Kindern ist der im Jahre 1959 geb. Sohn ... (...) der Kläger zu 1) des Parallelverfahrens 2 L 664/91. Die jüngsten Söhne ..., geb. 1972, und Toni, geb. 1975, sind die Kläger zu 2) und 3) dieses Verfahrens.
Die Kläger zu 1) bis 3) sind mit syrischem Reisepaß vom 4. März 1986 und Ausreiseerlaubnis der Behörde Hassake am 15. April 1986 über Ostberlin in die Bundesrepublik gekommen. Die Klägerin zu 1) hat ihren Asylantrag vom 20. April 1986 für sich und die Kläger zu 2) und 3) damit begründet, daß sie als Angehörige der assyrischen Minderheit in Syrien in der letzten Zeit benachteiligt und unterdrückt worden seien. Seitens der Araber und Kurden seien sie auf dem Weg zur Kirche beschimpft und geschlagen worden. Man habe die Kirche öfter mit Steinen beworfen. In einer von einem deutschen Verwandten aufgesetzten ergänzenden Begründung vom 21. April 1986 hat die Klägerin zu 1) ergänzend vorgetragen, sie sei sehr oft auf dem Weg zur Kirche durch islamische Frauen bespuckt, beschimpft und geschlagen worden. Sie habe sich niemals wehren können. Anzeigen, die sie gemacht habe, hätten zu keinen positiven Ergebnissen geführt. Als ihre Bäckerei einige Male gestürmt worden sei und ihr Sohn Anzeigen erstattet habe, seien sie nun Zielscheibe der Mohammedaner gewesen, die ihnen bis zur Ausreise keine Ruhe gelassen hätten.
Den am 24. Juni 1986 gegenüber der Ausländerbehörde zurückgenommenen Aslyantrag hat die Klägerin zu 1) am 1. Juli wiederholt, und dazu erklärt, sie habe unmittelbar vor der geplanten Ausreise erfahren, daß auch ihr Ehemann, der Kläger zu 4), jetzt in die Bundesrepublik kommen werde.
Der Kläger zu 4) reiste sodann am 30. Juli 1986 mit einem am 6. Juli 1986 in Hassake ausgestellten syrischen Reisepaß mit dem Flugzeug wahrscheinlich über Ostberlin nach Deutschland ein. In Hamburg, wo er sich offenbar bei seiner Schwester aufhielt, stellte er am 7. August 1986 durch Rechtsanwalt Dohrn einen nichtbegründeten Asylantrag. Auch der Niederschrift vom 25. August 1986 wurde keine Begründung hinzugefügt.
Im September 1987 hat Rechtsanwalt Dohrn für den Kläger folgende Asylbegründung vorgelegt: Der Kläger zu 4) sei von Beruf Maurer. Er sei aus dem türkischen Militärdienst im Jahre 1951 oder 1952 nach Syrien geflüchtet und habe dort beim Häuserbau gearbeitet. Etwa 1982 habe er zusammen mit seinen Kindern in Katanye eine Bäckerei eröffnet. Damit hätten für ihn konkrete Schwierigkeiten begonnen. So seien Araber gekommen und hätten Brot haben wollen, ohne zu bezahlen. Es seien offensichtlich Regierungsspitzel gewesen, die Zwischenfälle provoziert hätten. Es sei zu Schlägereien gekommen. Als er sich bei der Polizei beschwert habe, sei ihm erklärt worden, er lüge; er sei daraufhin von drei Polizisten verhaftet und zusammengeschlagen worden. Ihm sei erklärt worden, daß er nach einem Regierungsgesetz vor 6.00 Uhr morgens kein Brot verkaufen dürfe. Er habe erwidert, daß die Araber dies doch auch täten. Daraufhin sei ihm erklärt worden, das Gesetz gelte nur für Christen. Offensichtlich habe eine für die Araber unliebsame Konkurrenz ausgeschaltet werden sollen. Etwa 6 Monate vor der Ausreise sei er mit seinen Söhnen von etwa 15 Männern zusammengeschlagen worden, die auch die Schaufenster der Bäckerei zerschlagen und die Einrichtung beschädigt hätten. Die Söhne seien beim Überfall schwer verletzt worden. Ihnen sei gedroht worden, daß man sie beim nächsten Mal töten werde; daher seien sie in die Bundesrepublik Deutschland geflüchtet. Die syrische Regierung erkenne den assyrischen Christen keine Rechte zu. Bei Übergriffen schreite die Polizei nicht ein. Pässe an Christen würden nur ausgegeben, damit diese endlich verschwänden. Der Staat sei nicht willens und in der Lage, sie zu schützen. - Diese schriftliche Erklärung wurde eingereicht, nachdem der Kläger zu 4) einer Ladung zu einem Anhörungstermin des Bundesamts nicht gefolgt und ihm daraufhin Gelegenheit zu einer schriftlichen Äußerung innerhalb eines Monats gegeben worden war.
Der Klägerin zu 1), die einer entsprechende Ladung ebenfalls nicht Folge geleistet hatte, gab das Bundesamt mit Schreiben vom 4. September 1987 Gelegenheit, innerhalb eines Monats eine schriftliche Äußerung vorzulegen. Sie machte hiervon keinen Gebrauch, da sie, wie sie angibt, krank war.
Mit Bescheid vom 22. Oktober 1987 hat das Bundesamt die Asylanträge der Kläger zu 1) bis 3) abgelehnt und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Christen würden in Syrien von staatlicher Seite nicht verfolgt und wegen ihres Glaubens nicht unterdrückt. Auch Übergriffe Andersgläubiger auf Christen und deren Belästigung durch andere Volksgruppen würden vom syrischen Staat nicht geduldet und sogar bestraft. Im örtlichen Bereich sei gegen Benachteiligungen der Christen unter Umständen kein ausreichender Rechtsschutz gewährleistet, falls der Betroffene an einen moslemisch-fundamentalistisch orientierten Beamten gerate. Solche Diskriminierungen würden aber von den übergeordneten Regierungsinstanzen nicht geduldet. Es sei davon auszugehen, daß in Syrien gegen religiös motivierte Übergriffe effektiver Rechtsschutz durch Anrufung übergeordneter Polizeidienststellen bestehe. Ein Verfolgungswille des syrischen Staates gegenüber seiner christlichen Minderheit auch in der Form der Duldung privater Übergriffe sei nicht ersichtlich. Das Fernbleiben der Klägerin zu 1) von der Anhörung sei ein Indiz dafür, daß sie in ihrer Heimat keiner politischen Verfolgung ausgesetzt sei.
Mit Bescheid vom 19. April 1988 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers zu 4) als offensichtlich unbegründet ab. Die Begründung entspricht im wesentlichen dem soeben wiedergegebenen Bescheid. Ergänzend wird ausgeführt: Der in Syrien überwiegend zur Verfügung stehende effektive Rechtsschutz werde häufig von den Christen gar nicht in Anspruch genommen. Das beruhe offensichtlich darauf, daß viele Bewohner Syriens, vornehmlich der abgelegenen Region, in ihrer traditionellen Erfahrung einer dörflichen Schutzgemeinschaft mehr einem funktionierenden Selbstschutz als der Anrufung staatlicher Sicherheitskräfte vertrauten. Die Abwanderung eines großen Teils der männlichen arbeits- und verteidigungsfähigen Familienmitglieder aus Syrien in den Libanon oder nach Westeuropa habe in den letzten Jahren die Selbstverteidigungskraft der Christen geschwächt. Dies sei für die anderen Bevölkerungsgruppen unter Umständen ein Anreiz gewesen, auch die dort verbliebenen Christen zum Ziel von Angriffen im Existenzkampf zu erklären, ohne daß hierfür die Volks- oder Religionszugehörigkeit ursächlich sei. Darüber hinaus seien Christen jedenfalls in den größeren Städten Syriens vor Übergriffen hinreichend sicher.
Mit der Zustellung des ablehnenden Bescheides vom 22. Oktober 1987 forderte die Beklagte zu 2) die Kläger zu 1) bis 3) durch Bescheid vom 8. Dezember 1987 zur Ausreise innerhalb Monatsfrist nach Rechtsbeständigkeit des Bescheides auf und drohte ihnen die Abschiebung an. Den Kläger zu 4) forderte der Beklagte zu 2) mit Bescheid vom 16. Mai 1988 zunächst zur sofortigen Ausreise auf, weil sein Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgewiesen sei. In einem anschließenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes kam es aber auf Vorschlag des Verwaltungsgerichts zu einem Vergleich, durch den dem Kläger zu 4) eine Duldung spätestens bis zum rechtskräftigen Abschluß des die Kläger zu 1) bis 3) betreffenden Asylverfahrens erteilt wurde (Blatt 60 bis 64 d. GA).
Gegen die ablehnenden Bescheide des Bundesamtes sowie gegen die Bescheide der Beklagten zu 2) haben die Kläger jeweils innerhalb Monatsfrist Klagen erhoben. In der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts hat der Kläger zu 4) ergänzend vorgetragen: Vor zehn Jahren hätten Parteiangehörige vier Zimmer in seinem Haus beschlagnahmt und dort für fünf Jahre einen Polizisten einquartiert. Als er nach Bezahlung gefragt habe, hätten die Parteiangehörigen ihn geschlagen und drei Tage lang mißhandelt. Einflußreiche Christen in seinem Ort seien vertrieben und enteignet worden. Der Kläger zu 2) hat darauf hingewiesen, daß er inzwischen - mit 19 Jahren - in Syrien wehrdienstpflichtig sei. Die Kläger haben dem Verwaltungsgericht auch ein Schriftstück über einen den Sohn Kabrael betreffenden Haftbefehl vorgelegt.
Die Kläger haben sinngemäß beantragt,
die Bescheide des Bundesamtes vom 22. Oktober 1987 und 19. April 1988 sowie die Bescheide des Beklagten zu 2) vom 8. Dezember 1987 und 16. Mai 1988 aufzuheben und die Beklagte zu 1) zu verpflichten, sie als Asylberechtigte anzuerkennen, festzustellen, daß in ihrem Falle die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen.
Die Beklagte zu 1) hat beantragt,
die Klagen abzuweisen,
und sich zur Begründung auf die angefochtenen Bescheide bezogen.
Der Beklagte zu 2) ist den Klagen schriftsätzlich entgegengetreten, hat sich aber nicht an der mündlichen Verhandlung beteiligt.
Mit Urteil vom 26. Juli 1991 hat das Verwaltungsgericht die Klagen abgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Die Kläger hätten in Syrien weder wegen ihrer Zugehörigkeit zur Minderheit der Assyrer noch wegen ihres christlichen Glaubens mit politischer Verfolgung zu rechnen, was sich aus vorliegenden Erkenntnisquellen ergebe. Die "assyrische demokratische Organisation", die ausschließlich kulturelle und religiöse Ziele verfolge, werde zwar streng überwacht, aber geduldet. Assyrische Christen seien auch keiner mittelbaren politischen Verfolgung in Syrien ausgesetzt. Zwar werde auch vom Auswärtigen Amt bestätigt, daß es immer wieder zu Übergriffen auf syrische Christen seitens moslemischer Bürger komme, die bis zum Mord reichen könnten; auch griffen die örtlichen syrischen Polizeibehörden in einzelnen solcher Fälle nicht zum Schutz der bedrängten Christen ein. Vor diesem Hintergrund seien die von den Klägern berichteten Geschehnisse durchaus nachvollziehbar. Einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte könnten diese Umstände gleichwohl nicht begründen. Übergriffe Dritter auf syrische Christen seien dem syrischen Staat nicht ohne weiteres zuzurechnen. Wenn örtliche syrische Polizeibehörden nicht zum Schutz der bedrängten Christen eingriffen, gehe dieses Stillhalten nicht auf die Politik des Staates zurück, sondern stelle ein eigenmächtiges, von Sympathie und Antipathie getragenes Handeln der örtlichen untersten Instanzen dar, das in den sozialen Strukturen der einzelnen Ortschaften begründet sei. Es sei auch kein von der moslemischen Bevölkerung auf Christen ausgeübter Druck festzustellen, der diesen nur noch die Auswanderung offenließe. Entsprechend ihren Ursachen seien Übergriffe auf Christen mehr dem ländlichen Bereich zuzuordnen und in den Städten kaum zu verzeichnen, so daß den Klägern eine Ausweichmöglichkeit im eigenen Lande offenstehe. Auch eine politische Verfolgung der Kläger unter dem Gesichtspunkt der Sippenhaft sei ausgeschlossen. Eine Sippenhaft finde in Syrien nur ausnahmsweise gegenüber nahen Angehörigen eines als gefährlich eingestuften Regimegegners statt. Durchgreifende Anhaltspunkte dafür, daß die Kläger damit rechnen müßten, in die behauptete politische Verfolgung des Sohnes Kabrael einbezogen zu werden, lägen nicht vor. Zu der vorgelegten Kopie eines angeblichen Haftbefehls hätten die Kläger nicht dargelegt, wie die Familie in den Besitz dieser für den behördeninternen Verkehr bestimmten Urkunde gelangt sei. Eine mögliche Bestrafung des Klägers zu 2) wegen Wehrdienstentziehung hätte nicht den Charakter einer politischen Verfolgung. Die Stellung eines Asylantrages in der Bundesrepublik Deutschland löse für sich allein genommen bei einer Rückkehr nach Syrien keine staatlichen Maßnahmen aus. Der zulässige Feststellungsantrag bleibe erfolglos, weil § 51 AuslG eine über Art. 16 GG hinausgehende selbständige Bedeutung nur in Fällen provozierter Nachfluchtgründe oder der freiwilligen Aufgabe einer anderweitigen Verfolgungssicherheit hätten; ein solcher Fall liege hier nicht vor. Die auf § 28 bzw. § 11 AsylVfG gestützten Bescheide des Beklagten zu 2) seien rechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden.
Das Verwaltungsgericht hat die Berufung nicht zugelassen.
Auf die innerhalb Monatsfrist nach Zustellung des Urteils eingelegte Beschwerde der Kläger hat der Senat mit Beschluß vom 24. Juni 1992 - 2 L 771/91 - die Berufung zugelassen.
Zu deren Begründung tragen die Kläger ergänzend vor: Sowohl der Kläger zu 4) als auch der Sohn Kabrael würden seitens der syrischen Sicherheitsorgane gesucht. Die entsprechenden Unterlagen habe der Zeuge Thomas L. aus Syrien mitgebracht, wo er sich Ende 1990 bis Anfang 1991 auf einer Besuchsreise aufgehalten habe. Ein Mitglied der Familie, deren Tochter er später geheiratet habe, habe ihm die Dokumente übergeben. Eine Lehrerin habe ihm berichtet, daß Kabrael zusammengeschlagen und verfolgt worden sei. Mitglieder der Familie hätten ihm von Folterungen berichtet. Thomas L. habe "schwören" müssen, gewisse Umstände und Namen zu verschweigen, um das Leben von bestimmten Personen nicht zu gefährden. - Zu den Ereignissen bei dem Überfall der Araber auf die Bäckerei ist mit einem Schriftsatz vom 7. Juni 1993 zusätzlich vorgetragen worden. Zu der Zeit, als Kabrael angegriffen und schwer verletzt worden sei, seien gerade Busse der ansässigen Ölfirmen vorbeigefahren. Die im Bus mitfahrenden Personen sowie ein Taxifahrer hätten sich eingemischt; anderenfalls wäre Kabrael vermutlich von den Arabern erschlagen worden.
Die Kläger zu 1) bis 3) beantragen,
unter Änderung des angefochtenen Urteils den Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 22. 10. 1987 aufzuheben und die Beklagte zu 1) zu verpflichten, sie als Asylberechtigte anzuerkennen und festzustellen, daß in ihrem Falle die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen.
Ferner beantragt die Klägerin zu 1),
den Bescheid des Beklagten zu 2) vom 8. Dezember 1987 aufzuheben.
Der Kläger zu 4) beantragt,
unter Änderung des angefochtenen Urteils den Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 19. 4. 1988 aufzuheben und die Beklagte zu 1) zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen, ferner den Bescheid des Beklagten zu 2) vom 16. Mai 1988 aufzuheben, außerdem festzustellen, daß in seinem Falle die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen.
Die Beklagte zu 1) ist im Beschwerdeverfahren den Asylbegehren entgegengetreten.
Der Beklagte zu 2) beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, soweit sie sich auf die ausländerbehördliche Klage bezieht.
Auf Beschluß des Senats ist im Beweistermin vom 29. April 1993 der deutsche Staatsangehörige Thomas L. als Zeuge vernommen worden. Auf die Niederschrift der Beweisaufnahme wird Bezug genommen. Die Kläger haben sich hierzu geäußert. Der Senat hat ferner in der mündlichen Verhandlung vom 4. August 1993 durch Vernehmung der Zeugen Lahdo, Jaddo und Amin Beweis erhoben, wie aus der Sitzungsniederschrift ersichtlich.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im einzelnen wird auf die in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze und deren Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften verwiesen. Die die Kläger betreffenden Asyl- und Ausländerakten haben dem Senat vorgelegen. Sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Ferner sind die mit einer gerichtlichen Verfügung vom 8. Juli 1993 sowie die zusätzlich in der Sitzungsniederschrift aufgeführten Erkenntnismittel Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
II.
Infolge der Zulassung der Berufung durch den Beschluß des Senats wird gemäß § 32 Abs. 5 Satz 4 des Asylverfahrensgesetzes - AsylVfG - (in der bei Einlegung der Beschwerde geltenden Fassung 1991, die für die Zulässigkeit von Rechtsmitteln maßgebend blieb, § 87 Abs. 2 Nr. 2 des AsylVfG i.d.F. vom 26. 6. 1992, BGBl I S. 1126) das Beschwerdeverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedurfte es nicht. Über die Berufung kann entschieden werden, obwohl die Beklagte zu 1) keine Anträge gestellt hat und in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten gewesen ist (§ 102 Abs. 2 VwGO).
Gegenstand des Berufungsverfahrens sind wie im ersten Rechtszug (§ 128 VwGO) die auf Asylgewährung gerichtete Anfechtungs- und Verpflichtungsklage, die Anfechtungsklage gegen die Androhungen der Abschiebung sowie die die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG betreffende Feststellungsklage.
Die Klagen der Klägerin zu 1) und der Kläger zu 3) und 4) sind unbegründet. Die Klage des Klägers zu 2) ist zum Teil begründet.
Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte haben politisch Verfolgte (Art. 16 a Abs. 1 GG). Die Verfolgung, nämlich eine gezielte Rechtsgutverletzung in Anknüpfung an ihre politische Überzeugung oder andere persönlichkeitsprägende Merkmale, muß ihnen, bezogen auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, für den Fall der Rückkehr in den Heimatstaat durch von diesem veranlaßte oder ihm zurechenbare Maßnahme drohen (BVerfGE 80, 315 ff, 333). Hat der Asylbewerber seinen Heimatstaat schon wegen erlittener oder unmittelbar bevorstehender Verfolgung verlassen und war ihm auch ein Ausweichen innerhalb seines Heimatstaates unzumutbar, so ist die Asylberechtigung anzuerkennen, sofern die fluchtbegründenden Umstände fortbestehen (BVerfGE 54, 341 f, 360). Wird die Verfolgungsgefahr auf Gründe gestützt, die erst nach der Ausreise entstanden sind, so werden strengere Anforderungen an den Nachweis drohender Verfolgung gestellt (BVerwGE 87, 52 ff, 53, 56 [BVerwG 30.10.1990 - 9 C 60/89]m.w.N.).
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und der mündlichen Verhandlung sind die Kläger nicht wegen einer erlittenen oder unmittelbar bevorstehenden politischen Verfolgung aus Syrien geflüchtet. Mit Ausnahme des Klägers zu 2) droht ihnen eine solche Verfolgung auch nicht bei ihrer Rückkehr, jedenfalls nicht mit der in der Rechtsprechung des BVerwG (a.a.O.) geforderten "beachtlichen Wahrscheinlichkeit".
1. Die Ausreise der Kläger aus Syrien stand zwar im Zusammenhang mit Ereignissen, durch die sie sich körperlich bedroht und in ihrer wirtschaftlichen und kulturellen Entfaltung bedrängt gesehen haben. Nach dem Ergebnis der Sachaufklärung im gerichtlichen Verfahren handelte es sich dabei aber nicht um politische Verfolgung durch den syrischen Staat oder durch Maßnahmen Dritter, die dem Staat zuzurechnen waren.
a) Mit dem Verwaltungsgericht sieht der Senat das Vorbringen der Kläger zu den Übergriffen von Moslems als im wesentlichen glaubhaft an. Insbesondere die Angriffe auf die von der Familie betriebene Bäckerei und die Mißhandlung des Sohnes Kabrael an einem Tag im Ramadan (August) 1985 sind von mehreren Familienangehörigen alsbald nach der Einreise vorgetragen und später in Syrien von den Gesprächspartnern des glaubwürdigen Zeugen L. bestätigt worden. Über die dem Sohn Kabrael hierbei zugefügten Verletzungen haben die vom Senat vernommenen Zeugen Jaddo und Lahdo glaubhaft berichtet. Es kann auch davon ausgegangen werden, daß sich der Kläger zu 4) auf denselben Vorfall bezog, als er unter ungenauen Zeitangaben die 6 Monate vor seiner Ausreise (das wäre im Januar 1985) geschehenen Übergriffe auf die Bäckerei schilderte.
Diese Übergriffe wurden von den Klägern in der mündlichen Verhandlung "Parteimitgliedern" (gemeint sind Mitglieder der Baath-Partei) zugeschrieben. Zuvor war in den Berichten von "Arabern" bzw. "Mohammedanern" gesprochen worden. Der Zeuge Jaddo hat die Menschenmenge, die sich um den verletzten Sohn der Klägerin zu 1) und des Klägers zu 4), Kabrael, versammelt hatte, wegen ihrer Kleidung als Araber angesehen. Der Zeuge Lahdo hat bekundet, herumstehende Leute hätten ihm gesagt, daß Kabrael von arabischen Parteimitgliedern mißhandelt worden sei. Damit ist nicht hinreichend belegt, daß diese Übergriffe vom syrischen Staat oder einer von ihm gelenkten oder mit ihm identifizierbaren Organisation (vgl. BVerfG Beschl. v. 2. 7. 1980, BVerfGE 54, 341 ff, 358 zur Zurechnung bei faktischer Einheit von Staat und Staatspartei) ausgegangen sind. Zwar wird von den Klägern vermutet, daß die Täter der Baath-Partei angehörten oder ihr nahestanden. Die Auseinandersetzung hatte aber ihren Grund im Bereich der wirtschaftlichen Betätigung der Familie der Kläger, insbesondere des als Betriebsleiter tätigen Sohnes Kabrael, der sich, weil er nach seinen Angaben ein Verwaltungsdekret befolgen wollte, geweigert hatte, Arabern Brot zu verkaufen. Die Reaktion abgewiesener Käufer auf diese Weigerung war privater Natur und nicht als Handlung des Staates zu werten, selbst wenn einzelne Beteiligte als Parteimitglieder in engerer Beziehung zum Staat standen und sich deswegen die gewaltsame Durchsetzung ihres vermeintlichen Rechts herausnahmen.
Die Kläger des vorliegenden Verfahrens sind zudem, wie die mündliche Verhandlung ergeben hat, bei diesem Vorfall nicht selbst körperlich mißhandelt worden. Die auch bei ihnen in Betracht kommende Beeinträchtigung der beruflichen und wirtschaftlichen Betätigung könnte ein Asylrecht nur dann begründen, wenn sie nach ihrer Intensität und Schwere die Menschenwürde verletzt hätte und über das hinausgegangen wäre, was die Bewohner Syriens aufgrund des dort herrschenden Systems allgemein hinzunehmen haben (BVerfG a.a.O., S. 357). Eine so nachhaltige Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Betätigung hat nach dem Vorbringen der Kläger nicht stattgefunden. Der Sohn Kabrael hat selbst erklärt, daß er am Nachmittag nach den Steinwürfen deren Folgen beseitigt und wieder damit begonnen habe, Brot zu backen.
b) Die örtliche Polizeidienststelle, an die sich der Kläger zu 4) mit der Bitte um Schutz wandte, als sich sein Sohn Kabrael an diesem Nachmittag durch die um die Bäckerei versammelten Personen bedroht sah, unterließ es zwar, einzuschreiten und konnte dadurch die körperlichen Mißhandlungen Kabraels nicht verhindern. Es läßt sich aber nicht feststellen, daß die Polizisten wegen ihrer Untätigkeit das Handeln der Täter zu verantworten hatten. Wenn sie das ihnen berichtete Geschehen noch nicht als für die Familie des Klägers bedrohlich einschätzten, mögen sie die Sachlage verkannt haben. Sie haben sich damit aber nicht in einer dem Staat zurechenbaren Weise durch tatenloses Hinnehmen sichtbaren Unrechts die schweren Übergriffe zu eigen gemacht, zu denen es gleichzeitig oder kurz darauf kam, als Kabrael das Haus verließ. - Auch hat der Kläger zu 4) sein früheres Vorbringen, er sei beim Überbringen dieses Gesuchs um polizeilichen Schutz von den Beamten geschlagen worden, in der mündlichen Verhandlung nicht aufrechterhalten.
c) Der Kläger zu 4) hat außerdem geltend gemacht, er sei zu einem anderen Zeitpunkt von drei Polizisten, darunter einem zuvor in sein Haus eingewiesenen Parteiangehörigen, zur Polizeiwache mitgenommen und dort während einer mehrtätigen Haft geschlagen und mißhandelt worden. Diesen schweren Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit hat der Kläger zu 4) allerdings in seinem Asylantrag nicht als Fluchtgrund angegeben, sondern erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht erwähnt. Bezieht man ihn dennoch, was nach den im Protokoll des Verwaltungsgerichts enthaltenen Zeitangaben möglich erscheint, in das für die Flucht des Klägers zu 4) ursächliche Geschehen ein, so scheitert die Anerkennung als Asylgrund daran, daß die Täter zwar Staatsbeamte waren, ihr Handeln aber der Abwehr einer vom Kläger erhobenen privaten Mietzinsforderung galt. Der nach Ansicht des Klägers zu 4) zahlungspflichtige Beamte mißbrauchte seine dienstliche Stellung und seine Machtmittel, indem er sich unter Inanspruchnahme der Mithilfe zweier Kollegen der Hoheitsgewalt zur Regelung einer Privatangelegenheit bediente. Unabhängig davon, ob die Forderung des Klägers zu 4) berechtigt war oder nur gegen die beschlagnahmende Stelle hätte geltend gemacht werden können, hat sich der Beamte angemaßt, die Forderung des Klägers mit einer dem Anschein nach der Amtsausübung zuzuordnenden Gewaltanwendung zu beantworten. Hierbei handelte es sich offensichtlich um ein Dienstvergehen, das die Billigung des Dienststellenleiters selbst dann nicht finden konnte, wenn dem Kläger für die beschlagnahmte Wohnung kein Entgelt zugestanden haben sollte. Eine Handlungsweise von Beamten, die offensichtlich außerhalb der ihnen übertragenen Machtbefugnisse liegt, kann als staatliche Verfolgung selbst dann nicht angesehen werden, wenn die Organisationsstruktur der Polizei einen solchen Exzess begünstigt. Anzeichen dafür, daß der Dienststellenleiter die Handlungsweise der Polizisten tatenlos geduldet hätte, ergeben sich aus der Darstellung des Klägers zu 4) nicht.
Im übrigen ist nicht erkennbar, daß sich der mit einer Geldforderung motivierte Übergriff der Polizisten gegen den Kläger wegen seiner politischen Einstellung, seiner Religion, seiner Volkszugehörigkeit oder eines sonstigen asylrechtlich relevanten Merkmals richtete. Sollte die Inanspruchnahme seines Hauses ihn als Angehörigen einer Minderheit getroffen haben, der solche Belastungen von der Staatsgewalt angesonnen wurden, ohne daß für pünktliche Zahlung einer Nutzungsentschädigung gesorgt wurde, so lag doch diese allenfalls mittelbare Ursache bei dem Übergriff der Polizisten bereits fünf Jahre zurück, und es ist nicht bekannt, daß der Kläger zu 4) zwischenzeitlich eine rechtliche Klärung versucht hätte.
d) Die Klägerin zu 1) war nach ihrem Vorbringen zusammen mit ihren Kindern Beschimpfungen und Tätlichkeiten von Moslems (arabischen und kurdischen Frauen) auf dem Kirchgang ausgesetzt. Es handelte sich hierbei um Diskriminierungen wegen der Religionsausübung der Klägerin und ihrer Kinder. Nach den vorliegenden Erkenntnisquellen (Lageberichte des Auswärtigen Amtes seit 25. 5. 1990 bis 8. 6. 1993: "versteckte Diskriminierungen"; Stellungnahme vom 10. 1. 1990 an VG Karlsruhe: "spontane, religiös begründete Übergriffe") und dem Ergebnis der Beweisaufnahme (Aussage des Zeugen L. vom 29. 4. 1993) ist damit zu rechnen, daß es im Herkunftsgebiet der Kläger infolge religiöser Gegensätze zwischen Gruppen der dörflichen Bevölkerung zuweilen zu Tätlichkeiten und verbalen Angriffen kommt. Hierdurch wird aber das Ausmaß einer Verfolgung (Beschl. d. BVerfG v. 2. 7. 1980, a.a.O.) auch bei erheblichen mit dem Kirchgang verbundenen Unannehmlichkeiten noch nicht erreicht, solange der Gottesdienst ohne nachhaltige Störung stattfinden kann. Die Freiheit der Religionsausübung wird nicht in menschenunwürdiger Weise beeinträchtigt, wenn die Gläubigen sich nur unter den Beschimpfungen unduldsamer Anhänger einer anderen Religionsgemeinschaft versammeln können. Allerdings wäre die Religionsfreiheit bei körperlichen Übergriffen auf wehrlose Menschen, insbesondere Kinder auf dem Wege zum Gottesdienst, in einem asylrechtlich relevanten Ausmaß beeinträchtigt. Einen solchen Sachverhalt hat die Klägerin zu 1) in ihrem bei der Einreise abgegebenen Asylantrag mitgeteilt und als Opfer "unsere Kinder" bezeichnet. Spätere Gelegenheiten, dies näher auszuführen oder hierzu schriftsätzlich mehr vorzutragen, hat sie nicht genutzt. Da sie in der mündlichen Verhandlung des Senats einen Schwächeanfall erlitten hat, war es dem Gericht nicht mehr möglich, hierauf bezogene ergänzende Fragen an die Klägerin zu richten, um das Ausmaß der behaupteten Übergriffe und eine unmittelbare oder mittelbare staatliche Verantwortung hierfür zu klären. Dieser Verfahrensverlauf machte es nach Ansicht des Senats aber nicht erforderlich, die Sache zu vertagen oder wieder in die mündliche Verhandlung einzutreten. Denn der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin zu 1) hat einer Fortsetzung der mündlichen Verhandlung zugestimmt und seine Schlußanträge gestellt, ohne das Vorbringen der Klägerin zu vertiefen oder ihre Anhörung noch zu verlangen.
2. Das Vorbringen der Klägerin zu 1) über Behinderungen auf dem Kirchgang und Steinwürfe auf die Kirche führt auch nicht zusammen mit sonstigen dem Senat vorliegenden Erkenntnisquellen dazu, eine Gruppenverfolgung der assyrischen Christen in Syrien festzustellen. Insbesondere sind Christen syrisch-orthodoxen Bekenntnisses - wie die Kläger - in ihrer Heimat, insbesondere in der syrischen Provinz Hassake, nicht wegen ihrer Religionszugehörigkeit einer gruppengerichteten Verfolgung ausgesetzt, aus deren Intensität und Häufigkeit jedes einzelne Gruppenmitglied die begründete Furcht herleiten kann, selbst alsbald ein Opfer solcher Verfolgungsmaßnahmen zu werden (vgl. zum Begriff der Gruppenverfolgung BVerfG, Beschl. v. 23. 1. 1991, BVerfGE 83, 216 ff, 232; BVerwG Urt. v. 23. 7. 1991 - BVerwG 9 C 154.90 -, Buchholz 402.25, § 1 AsylVfG Nr. 146, sowie Beschl. v. 24. 9. 1992 - BVerwG 9 B 130.92 -, Buchholz 402.25, § 1 AsylVfG Nr. 156). Hierzu ist der Senat übereinstimmend mit dem Verwaltungsgericht aufgrund der in dem angefochtenen Urteil dargestellten Auskunftlage gelangt. Das Auswärtige Amt hat in den Lageberichten zu Syrien (vom 10. 1. 1991, S. 4, und seitdem ständig) unter Würdigung die politische Gesamtsituation mehrfach hervorgehoben, daß es nicht der Wirklichkeit des syrischen Alltags entspreche, von einer "Verfolgung" der Christen in diesem Lande zu sprechen. Frühere Lageberichte (so vom 25. 5. 1990, S. 4) bezeichnen die Annahme einer Verfolgung von Christen als "unzulässig"; in noch früheren Äußerungen (Verbalnote vom 5. 12. 1986) werden nur "vereinzelte Übergriffe Privater" ohne religiöse oder politische Motive eingeräumt. Auch in dem Syrien-Gutachten von Gabriele Yonan vom Februar 1990 (Schriftenreihe der zentralen Dokumentationsstelle der freien Wohlfahrtspflege für Flüchtlinge e.V. Nr. 36) kommt die Verfasserin zu dem Ergebnis, daß allein die Zugehörigkeit zum christlichen Glauben oder einer der Konfessionen, denen Assyrer angehören, keine politische Verfolgung nach sich ziehe; Ausnahmen in Einzelfällen seien dabei möglich (Vorbemerkung S. 3). Allerdings räumt auch das Auswärtige Amt ein, daß es "bis heute" immer wieder zu Übergriffen auf syrische Christen seitens moslemischer Kurden komme, die von illegaler Aneignung von Land bis zum Mord reichen könnten, und daß die örtlichen syrischen Polizeibehörden in einzelnen solcher Fälle nicht zum Schutz der bedrängten Christen eingriffen (an das Innenministerium Baden-Württemberg vom 22. 1. 1990, dort S. 3). Spontane Übergriffe der moslemischen Bevölkerung auf Christen entspringen nach Auffassung des Auswärtigen Amtes den mit dem tatsächlichen Zusammenleben einhergehenden Problemen und persönlichen Motiven, etwa dem Neid auf die vielfach bessere wirtschaftliche Stellung der Christen (Auskunft vom 10. 1. 1990 an das VG Karlsruhe, bezogen auf den "Anfang der achtziger Jahre"). Solche Übergriffe richten sich, auch wenn sie durch soziale Spannungen ausgelöst werden, gegen einzelne Angehörige einer durch ihre Religionszugehörigkeit geprägten Gruppe. Diese Einzelfälle begründen aber, bezogen auf die Größe der betroffenen Minderheit (nach Angaben des Auswärtigen Amtes in den Lageberichten allein ca. 130000 syrisch-orthodoxe Christen), noch keine "Gruppenverfolgung" im Sinne der erwähnten Rechtsprechung. Die Grundbedingungen einer sogenannten "Einzelverfolgung wegen Gruppenzugehörigkeit" (BVerfG und BVerwG a.a.O.) könnten damit zwar vorliegen. Zur Anerkennung einer Asylberechtigung müßte aber hinzukommen, daß sich für die Kläger wegen bestimmter Übergriffe, denen andere in einer ähnlichen vergleichbaren Situation zum Opfer gefallen sind ("Referenzfälle"), gewichtige Indizien für eine gegenwärtige Gefahr individueller Verfolgung ergeben hätten (BVerwG, Urt. v. 23. 7. 1991, a.a.O. S. 309). Abgesehen von den erwähnten Vorfällen, die die engere Familie der Kläger betroffen haben, sind Referenzfälle für eine gruppenbezogene Verfolgung einzelner von den Klägern nicht vorgebracht worden und auch sonst in diesem Verfahren für die Zeit vor ihrer Ausreise nicht bekanntgeworden. Die in der Aussage des Zeugen L. wiedergegebenen Äußerungen seiner Gesprächspartner bei seinem Besuch in Syrien, also mehrere Jahre nach der Ausreise der Kläger, beziehen sich auf Folterungen durch syrische Behörden, in einem Fall an einem Grenzübergang, im anderen Fall im Zusammenhang mit einer falschen Anschuldigung und dem Hinwirken auf bestimmte Aussagen. Es ist nicht erkennbar, daß diese Übergriffe auf der christlichen Religionszugehörigkeit der Betroffenen beruhten. Vielmehr hat der Zeuge erwähnt, daß die Betroffenen nicht in der Baath-Partei organisiert gewesen seien, und hat in der Ergänzung seiner Zeugenaussage einen Zusammenhang mit seinen Erkundigungen über die ADO-Mitgliedschaft hergestellt. Eine Zugehörigkeit zu dieser Organisation haben die Kläger des vorliegenden Verfahrens nicht geltend gemacht.
Die Angaben des Zeugen L. über die Lage der Christen in der von ihm besuchten Region Syriens, dem Heimatgebiet der Kläger, mögen nicht repräsentativ sein, bestätigen aber die auch in anderen Erkenntnisquellen enthaltene Darstellung.
Der Zeuge L. hat über Gespräche mit syrischen Geistlichen katholischer Konfession berichtet, daß man nach deren Meinung in Syrien ziemlich gut leben könne, wenn man sich nicht politisch betätige und sich nicht gegen das herrschende Regime ausspreche.
3. Nach der Ausreise der Kläger sind neue Asylgründe nicht entstanden.
a) Ein "Haftbefehl" gegen den Kläger zu 4), datierend vom 5. Dezember 1986, ist in dem Berufungsverfahren des Sohnes Kabrael - 2 L 664/91 - in Fotokopie mit einer Übersetzung des beeidigten Dolmetschers Sander vorgelegt worden. Nach Ansicht des Senats handelte es sich hierbei um ein Versehen des Prozeßbevollmächtigten, der aufgefordert worden war, eine Übersetzung des den Sohn Kabrael betreffenden, in der Urschrift vorgelegten Haftbefehls zu übersenden. Der Kläger zu 4) selbst hat sich in seinem Verfahren nicht auf den ihn betreffenden, in das Verfahren des Sohnes Kabrael eingeführten Haftbefehl gestützt. Daß er dies nicht wollte, geht auch daraus hervor, daß er schon in der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts nicht den ihn selbst, sondern nur den Kabrael betreffenden Haftbefehl vorgelegt hatte. Demnach kommt es im vorliegenden Rechtsstreit nicht darauf an, ob ein den Kläger zu 4) betreffender Haftbefehl dessen Asylgründe verstärken oder schwächen könnte.
b) Der Kläger zu 2) ist nach seiner Ausreise im Jahre 1990 nach syrischem Recht wehrpflichtig geworden. Dies begründet für sich allein keinen Nachfluchtgrund. Die Heranziehung zum Wehrdienst, mit der er aufgrund der Rechtslage bei einer Rückkehr nach Syrien rechnen müßte, ist für ihn als christlichen Syrer nicht gleichbedeutend mit einer politischen Verfolgung wegen seiner Religionszugehörigkeit. Die von ihm in der mündlichen Verhandlung geäußerte Befürchtung, ihm drohe wie den anderen Christen in der syrischen Wehrmacht der Tod, ist nicht durch Tatsachen belegt, die den Erfahrungssatz begründen können, christliche Wehrpflichtige seien in der syrischen Armee, auch außerhalb von Kriegseinsätzen, einem erhöhten Lebensrisiko ausgesetzt. Dem Senat ist allerdings das Vorbringen des Bruders des Klägers zu 2), Kabrael, bekannt, wonach dieser während seiner Wehrpflicht im syrischen Heer als Christ eine Zwangsbeschneidung erlitten hat und infolge dessen schwer erkrankt ist. Indessen kann dieser Einzelfall, auch wenn er dem Kläger zu 2) besonders nahegeht, nicht verallgemeinert werden. Berichte über gleichartige Übergriffe auf christliche Wehrpflichtige durch islamische Vorgesetzte oder Kameraden liegen dem Senat nicht vor.
4. Der Klägerin zu 1) sowie den Klägern zu 3) und 4) droht auch nicht bei Rückkehr in ihren Heimatstaat eine politische Verfolgung (Art. 16 a Abs. 1 GG) oder eine Lebens- oder Freiheitsgefahr wegen ihrer Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, sozialen Gruppenzugehörigkeit oder politischen Überzeugung (§ 51 Abs. 1 AuslG), wenn sie nach einer Ablehnung ihres Asylbegehrens nach Syrien abgeschoben werden sollten. Zwar bringt die Rückkehr nach Syrien wegen der besonderen Funktion der Geheimdienste bei der Einreiseüberwachung für syrische Staatsangehörige besondere Risiken mit sich. Diese erreichen indessen für die genannten Kläger nicht das Ausmaß einer Bedrohung (§ 51 Abs. 1 AuslG) in dem Sinne, daß sie mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit (BVerwG, Urt. v. 15. 3. 1988, BVerwGE 79, 143 ff., 150 f) [BVerwG 15.03.1988 - 9 C 278/86] einer staatlichen Verfolgung ausgesetzt wären.
a) Allerdings müssen alle nach Syrien abgeschobenen Personen syrischer Staatsangehörigkeit damit rechnen, nach dem Grenzübertritt von syrischen Sicherheitsbehörden befragt zu werden; dies ergibt sich u. a. aus den dem Senat vorliegenden Lageberichten des Auswärtigen Amtes (zuletzt vom 8. 6. 1993, S. 8). Es ist davon auszugehen, daß sich diese Befragung insbesondere auf eine politische Tätigkeit während des Auslandaufenthalts, auf Verbindungen zu Exilorganisationen und zu staatlich gesuchten Einzelpersonen erstreckt. Die aus vielen, insbesondere totalitären Staaten bekannte Praxis der an der Grenze stationierten Sicherheitsbehörden, die Einreisenden eindringlich über ihr persönliches Verhalten und ihre Absichten zu befragen und zum Gewinnen von Erkenntnissen über andere auszuforschen, ist zwar mit einer vorübergehenden Einengung der körperlichen Bewegungsfreiheit verbunden und kann auch wegen des Eindringens in die Persönlichkeitssphäre ein belastender Eingriff sein. Eine Beeinträchtigung asylrechtlich geschützter Rechtsgüter liegt darin aber noch nicht, weil jeder Staat befugt ist, seine aus dem Ausland zurückkehrenden Bürger auch im Interesse der Staatssicherheit zu befragen. Derartige Unannehmlichkeiten sind auch dort, wo grundsätzlich Freizügigkeit besteht, mit dem Grenzübertritt vielfach verbunden, schon weil der Staat sich davor schützen darf, daß Personen unter Vorwänden einreisen, um dem Staat zu schaden. Auch eine zeitaufwendige Befragung, verbunden mit dem Verbot, vor deren Beendigung das Flughafengebäude zu verlassen, wäre noch kein Freiheitsentzug im Sinne des § 51 Abs. 1 AuslG, solange die Maßnahme dem Zweck einer zulässigen Kontrolle der Einreisenden dient.
b) Darüberhinaus müssen diejenigen Einreisenden, die unter dem konkreten Verdacht einer gegen Syrien gerichteten politischen Betätigung im Ausland oder einer nach syrischem Recht strafbaren Tat, etwa der Entziehung vom Wehrdienst, stehen, mit ihrer Inhaftierung in Syrien rechnen (zuletzt Lagebericht vom 8. 6. 1993, S. 9). Da die Freiheitsrechte weitgehend aufgehoben und die Befugnisse der Geheimdienste praktisch unbeschränkt sind (a.a.O. S. 2), besteht bei einer Inhaftierung nach Grenzübertritt die konkrete Gefahr, daß die Haft willkürlich und ohne Anklageerhebung fortdauert und daß außer dem Freiheitsentzug auch Folter und Mißhandlungen drohen. Dies ergibt sich u. a. aus folgenden dem Senat vorliegenden Berichten: Amnesty international, Sektion für die Bundesrepublik Deutschland e. V., Auskunft vom 16. 3. 1993 an das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht, entsprechend Auskunft vom 26. 4. 1993 sowie des Sektionsbüros Berlin vom 18. 5. 1993; im wesentlichen übereinstimmend Auskünfte des Auswärtigen Amtes vom 3. Oktober 1989 an das Verwaltungsgericht Ansbach und vom 1. Juni 1990 an das Verwaltungsgericht Karlsruhe. Von der Richtigkeit dieser Auskunftslage und dementsprechend von der konkreten Gefahr von Freiheitsentzug und Folter sind übereinstimmend folgende Gerichtsentscheidungen ausgegangen: VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 12. 7. 1991, A 16 S 801/91; VG Karlsruhe, Urt. v. 19. 3. 1991, A 11 K 4510/90; VGH Bad-Württ., Beschl. v. 8. 4. 1992 - A 16 S 1765/91 -; Schl.-Holst. OVG, Beschl. v. 8. 10. 1992 - 4 M 89/92 -, Inf AuslR 1993, 18 f; Bay. VGH, Urt. v. 17. 3. 1993 - 19 B 91.30857 -; vgl. auch schon Beschl. d. Sen. v. 11. 2. 1992 - 2 O 681/91 -. Es besteht kein Anlaß, an der diesen Entscheidungen zugrundegelegten Sachlage zu zweifeln. Die von den Staatssicherheitsdiensten ausgehenden, nicht durch eine gerichtliche Strafverfolgung gerechtfertigten Inhaftierungen mit der Wahrscheinlichkeit von Mißhandlungen sind als asylrechtlich relevante Eingriffe in die Freiheit der Person anzusehen. Sie werden den inhaftierten Rückkehrern aber nach der Auskunftlage wegen eines individuellen Verdachts, nicht wegen allgemeiner Merkmale im Sinne des § 51 Abs. 1 AuslG zugefügt. Einige der ausgewerteten Auskünfte lassen zwar erkennen, daß für die Sicherheitsbehörden die Zugehörigkeit eines Rückkehrers zur christlichen Religion von Gewicht ist, weil sich dadurch ein Verdacht verstärken kann und sich deshalb die Wahrscheinlichkeit des Verbringens in ein Verhörzentrum erhöht (amnesty international, Auskünfte v. 16. 3. 1993 und 26. 4. 1993, a.a.O.; Schl.-Holst. OVG, Beschl. v. 8. 10. 1992, a.a.O.). Das wird damit begründet, daß syrische Christen schneller in den Verdacht der Kooperation mit christlichen Milizen aus dem Libanon kommen. Nach den genannten Auskünften verhält es sich indessen nicht so, daß schon die christliche Religionszugehörigkeit regelmäßig einen Verdacht auslöst, also auch bei Personen als Haftgrund zum Tragen kommt, die weder in Verdacht stehen noch durch ihre Äußerungen bei der Befragung zu dem Argwohn Anlaß geben, sich im Ausland in einer dem syrischen Staat abträglichen Weise betätigt zu haben, noch sonst einer nach syrischem Recht strafbaren Tat verdächtigt werden. Eine Gefahr der Inhaftierung für Rückkehrer allein wegen ihrer christlichen Religionszugehörigkeit wird in den vorliegenden Auskünften fast durchweg abgelehnt (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 28. 5. 1993 an Schl.-Holst. OVG; Deutsches Orient-Institut, Auskunft vom 16. 4. 1993 an das Schl.-Holst. VG; amnesty international, Auskunft vom 1. 6. 1993 an VG Ansbach). Die Kläger sind hiernach bei einer Abschiebung nicht schon deshalb, weil sie Christen sind, im Sinne des § 51 Abs. 1 AuslG wegen ihrer Religionszugehörigkeit in ihrer Freiheit bedroht.
Andere Gründe, die eine - durch die christliche Religionszugehörigkeit evtl. erhöhte - Freiheitsgefährdung im Falle der Rückkehr der Klägerin zu 1) und der Kläger zu 3) und 4) auslösen könnten, sind nicht erkennbar. Von der Klägerin zu 1) und dem Kläger zu 4) ist nicht vorgetragen worden und auch sonst nicht bekannt, daß sie sich in Deutschland in Organisationen betätigt hätten, die den syrischen Staat oder das dortige politische Regime bekämpfen oder kritisieren. Ein derartiges politisches Engagement erschiene nach ihrem bisherigen Lebenslauf und wegen der Konzentration ihrer Interessen auf die Familie fernliegend. Nach den vorgelegten Bescheinigungen haben sie sich nur im kirchlichen Rahmen betätigt. Von dem Kläger zu 3) ist nur bekannt, daß er in Deutschland die Schule besucht; er ist noch nicht im wehrpflichtigen Alter. Der Konflikt mit den in die frühere Wohnung eingewiesenen syrischen Polizisten oder Parteiangehörigen liegt so viele Jahre zurück, daß sich daraus nach aller Wahrscheinlichkeit nicht mehr ein die syrischen Sicherheitsbehörden interessierender Verdacht ergeben wird.
Der Auskunftlage ist ferner als überwiegende Einschätzung der Gutachter zu entnehmen, daß ein für die Inhaftierung von Rückkehrern relevanter Verdacht nicht schon durch die Asylantragstellung in Deutschland und/oder durch den mit der Dauer der Asylverfahren zusammenhängenden langjährigen Auslandsaufenthalt ausgelöst wird. Mit den Auswirkungen der Asylantragstellung haben sich insbesondere die Urteile des OVG Nordrhein-Westfalen vom 22. August 1990 - 16 A 10109/90 und 16 A 10362/89 - sowie des ehemaligen Oberverwaltungsgerichts für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein vom 4. März 1991 - 22 L 18/89 - befaßt und unter Auswertung der Auskunftlage eine asylrechtlich relevante Gefährdung verneint. Neuere gegenteilige Erkenntnisse sind nicht vorhanden. Die letzten dem Senat vorliegenden Auskünfte, die von amnesty international erteilt wurden, sind allerdings bezüglich der Bewertung der Asylantragstellung und des längeren Auslandsaufenthaltes nicht ganz eindeutig: Im Bericht vom 16. März 1993 an das Schleswig-Holsteinische OVG werden die Tatbestände der Asylantragstellung, der Religionszugehörigkeit und des mehrjährigen Auslandsaufenthalts als Gefährdungsaspekt zusammengefaßt. Es wird darauf hingewiesen, daß in der Vergangenheit selbst legal nach Syrien zurückkehrende Staatsangehörige, die keine Asylsuchenden waren, nach längerem Auslandsaufenthalt bereits am jeweiligen Grenzort festgenommen worden seien (ähnlich Auskunft vom 26. 4. 1993). In der ausführlicheren Stellungnahme vom 1. Juni 1993 an das Verwaltungsgericht Ansbach wird hingegen von amnesty international der langjährige Auslandsaufenthalt eines Asylsuchenden mit Sicherheit als Grund (nur) für eine ausführliche Befragung durch die Sicherheitskräfte bezeichnet; komme der Betroffene dann während des Verhörs in den Verdacht, oppositionell tätig gewesen zu sein oder gebe es bei den syrischen Stellen sogar Beweise für seine Oppositionstätigkeit, dann werde er in ein Haft- und Verhörzentrum verbracht. Dies versteht der Senat dahin, daß auch nach der neuesten Erkenntnislage nicht mit erheblicher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, daß der langjährige Aufenthalt in Deutschland eines abgelehnten Asylbewerbers für sich allein schon einen für eine Inhaftierung durch die Sicherheitskräfte relevanten Verdacht erzeugt, der dann durch das Merkmal der Zugehörigkeit zur christlichen Religion verstärkt werden könnte.
Nicht auszuschließen ist allerdings, daß durch unglückliche Umstände, etwa eine ungeschickte Bemerkung bei der Befragung des Einreisenden, eine Verwechselung der Person, das Mitführen eines von den Grenzbehörden als verdächtig eingestuften Gegenstandes oder dergleichen ein ungerechtfertigter Verdacht einer dem Staat schädlichen oder unerwünschten Handlungsweise entsteht. Dies kann bei der Einreise in ein Land, das Verhaftungen ohne Rechtsschutzmöglichkeiten zuläßt, im Einzelfall außerordentlich schwerwiegende Folgen haben. Nach der dargestellten Auskunftslage für die Rückkehr nach Syrien handelt es sich hierbei aber nicht um eine Gefahr - im Sinne einer mit einiger Wahrscheinlichkeit zu erwartenden Beeinträchtigung der Freiheit oder körperlichen Unversehrtheit -, sondern um ein zufallsbedingtes Risiko. Dessen Höhe erscheint nicht abschätzbar, es liegt aber unterhalb des Grades einer geringen Wahrscheinlichkeit (im Bereich des "Möglichen"). Hiervor wird ein Flüchtling durch § 51 Abs. 1 AuslG nicht geschützt, weil diese Norm die Abwehr von "Bedrohungen" bezweckt, nicht die Bewahrung vor unglücklichen Zufällen. Deshalb kann auch die Erhöhung dieses Risikos, die sich bei einem solchen ungerechtfertigten Verdacht aus der christlichen Religionszugehörigkeit ergeben kann, nicht als Freiheitsbedrohung wegen eines der in § 51 Abs. 1 AuslG genannten Merkmale gewertet werden.
Das gilt auch für Abschiebungen in ein Land, in dem das Risiko eines Freiheitsentzuges bei Rückkehr wegen der in Verhörzentren drohenden Folter lebensbedrohend sein kann. Einem solchen - nicht durch eine höhere Eintrittswahrscheinlichkeit, sondern durch die schlimmen Folgen geprägten - Risiko begegnet das deutsche Recht nicht durch die Regelung über das Asyl und das "kleine Asyl" des § 51 Abs. 1 AuslG, sondern durch den Abschiebungsschutz, der insbesondere unter den Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 und Abs. 4 AuslG i.V.m. der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) gewährt wird. Nach diesen Regelungen wäre das bezeichnete Risiko unter dem Blickwinkel zu würdigen, inwieweit der abschiebende Staat eine dem Abgeschobenen in seinem Heimatland möglicherweise zugefügte rechtswidrige Freiheitsentziehung oder unmenschliche Behandlung, insbesondere Folter, mitverursacht (vgl. Frowein/Peukert, EMRK Komm., Art. 3 Rdz. 18 f). Das käme auch unterhalb einer "konkreten Gefahr", die - wie in § 51 Abs. 1 - z.B. auch in § 53 Abs. 1 AuslG vorausgesetzt wird, in Betracht, nämlich dann, wenn ein nach der Art des Eingriffs hohes Risiko sich wegen der zu befürchtenden blinden Willkür bei der Sicherheitsüberprüfung ohne besonderen Anlaß bei jedem aktualisieren kann (vgl. Treiber im Gemeinschaftskommentar zum Ausländerrecht, § 53 Rdz. 90 ff, 177 m.w.N.; Verwaltungsgericht Karlsruhe, Urt. v. 19. 3. 1991 - A 11 K 4510/90 -, offengelassen vom VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 12. 7. 1991 - A 16 S 801/91 -). Ob der Klägerin zu 1) sowie den Klägern zu 3) und 4) bei einer Abschiebung ein Risiko bevorstände, vor dem sie nach den genannten Vorschriften zu schützen wären, ist im vorliegenden Verfahren nicht zu prüfen. Ihr zulässiger Feststellungsantrag bezieht sich allein auf die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG, die nach geltendem Recht in das Asylverfahren einzubeziehen sind. Entscheidungen über Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG sind zwar neuerdings im Asylverfahren vorgesehen (§ 31 Abs. 3, § 39 Abs. 2 AsylVfG), aber vom Gericht nicht von Amts wegen nachzuholen, wenn sie in einem nach der früheren Rechtslage durchgeführten Asylverfahren unterblieben sind.
5. Die Klage des Klägers zu 2) ist hingegen begründet, soweit er die Feststellung beansprucht, daß bei ihm die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, also ein gesetzliches Hindernis besteht, ihn in einen Staat - nämlich sein Herkunftsland Syrien - abzuschieben, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Religion bedroht ist. Hierbei folgt der Senat der Rechtsprechung des BVerwG, nach der die Voraussetzungen des Anerkennungsbegehrens (Art. 16 a GG insoweit = Art. 16 GG a.F.) und des Feststellungsanspruches nach § 51 Abs. 1 AuslG deckungsgleich sind, soweit es die Verfolgungshandlung, das geschützte Rechtsgut und den politischen Charakter der Verfolgung betrifft (BVerwG, Urt. v. 18. 2. 1992 - 9 C 59.91 -, DÖV 1992, S. 82). Zugleich besteht bei diesen Merkmalen nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 22. 2. 1992 - 1 C 21.87 -, Buchholz 402.22 Art. 1 GK Nr. 22) eine Übereinstimmung mit dem Flüchtlingsbegriff der Genfer Flüchtlingskonvention, Art. 1 A Nr. 2.
Nach den oben (zu Ziff. 4 b) getroffenen Feststellungen über die Behandlung zurückkehrender, insbesondere über den Luftweg abgeschobener syrischer Asylbewerber müssen u. a. diejenigen, die einer nach syrischem Recht strafbaren Wehrdienstentziehung verdächtig sind, damit rechnen, nach der ersten Befragung durch die Sicherheitsbehörden in ein Verhörzentrum verbracht zu werden, wo ihnen die Gefahr längeren Freiheitsentzugs mit Folter droht. Die Foltermethoden, über die in den vorliegenden Auskünften berichtet wird, können eine lebensgefährdende Behandlung sein. Nach der bereits wiedergegebenen Auskunftlage erhöht sich die Gefahr für Rückkehrer christlicher Religionszugehörigkeit. Wegen eines der in § 51 Abs. 1 AuslG genannten Merkmale wird also die Wahrscheinlichkeit, daß es bei Verdacht der Wehrdienstentziehung zu einer willkürlichen, nicht gerichtlich verfügten, sondern von unkontrollierten Geheimdiensten durchgeführten Freiheitsentziehung und lebensgefährdenden Behandlung kommt, erhöht. Anders als bei der Klägerin zu 1) und den Klägern zu 3) und 4) kommt hier also nicht nur die Erhöhung eines nicht abschätzbaren, zufallsabhängigen Risikos in Betracht, sondern die Steigerung einer realistischen, durch die Auskunftlage bestätigten Gefahr.
Zwar hat sich der Kläger zu 2) nach rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht in vorwerfbarer Weise dem Wehrdienst in Syrien entzogen, weil er mehrere Jahre vor Beginn der Wehrpflicht, die mit seinem vollendeten 18. Lebensjahr im August 1990 eintrat, als 13-jähriges Kind mit seinen Eltern ausgereist ist und ihm nicht zuzumuten ist, vor rechtskräftigem Abschluß des eingeleiteten Asylverfahrens sich der syrischen Militärverwaltung zur Ableistung des Grundwehrdienstes zu stellen. Wegen seines Lebensalters liegt es aber nahe, daß die Grenzbehörden den Verdacht schöpfen, er habe sich zur Vermeidung der Wehrpflicht im Ausland aufgehalten. Eine Verurteilung nach §§ 98 f des syrischen Militärstrafgesetzbuchs setzt zwar eine Einberufung voraus, und es mag auch unterstellt werden, daß diese nur nach vorangegangenem Musterungsverfahren erfolgt. Indessen muß nach der erfahrungsgemäß von Militärverwaltungen geübten Praxis damit gerechnet werden, daß man den Kläger zu 2) in seiner Abwesenheit zur Musterung geladen und für den Wehrdienst eingeplant hat; ferner muß als wahrscheinlich angesehen werden, daß man den Kläger zu 2) in seiner Abwesenheit zur Musterung vorgeladen oder öffentlich aufgefordert und trotz seines Nichterscheinens für den Wehrdienst eingeplant hat; ferner muß als wahrscheinlich angesehen werden, daß gegen ihn, weil er sich nicht meldete und auch keine Informationen über Hinderungsgründe zu den Vorgängen der Wehrbehörden gelangten, von den Ermittlungsbehörden ein Verfahren wegen Fernbleibens von der Musterung (§ 56 des syrischen Gesetz über den Wehrdienst) oder sogar wegen Verdachts der Wehrdienstentziehung eingeleitet wurde. Ein Verdacht kann außerhalb einer rechtsstaatlich geprägten Verwaltung entstehen, ohne daß unter die Tatbestandsmerkmale einer Norm exakt subsumiert worden ist. In dieser Bewertung sieht sich der Senat dadurch bestätigt, daß, wie es auch das Auswärtige Amt sieht, nach §§ 98, 99 des syrischen Militärstrafgesetzbuches bereits bestraft werden kann, wer wiederholten Vorladungen nicht Folge leistet (Auskunft vom 9. 2. 1989 an das Verwaltungsgericht Ansbach). Es ist auch unwahrscheinlich, daß es dem Kläger schon bei der routinemäßigen Befragung durch die Sicherheitskräfte gelingen wird, einen gegen ihn erhobenen Verdacht eines Verstoßes gegen die genannten Strafvorschriften zu entkräften. Bleibt der Verdacht bestehen und verstärkt sich sein Gewicht, wie die dargestellte Auskunftlage ergibt, durch die Zugehörigkeit des Klägers zur christlichen Religion, so besteht die konkrete Gefahr, daß der Kläger inhaftiert und in ein Verhörzentrum des Geheimdienstes verbracht wird.
Ist ein Rückkehrer wegen seiner Religionszugehörigkeit dem verstärkten Verdacht einer wehrdienstbezogenen Straftat ausgesetzt und droht ihm deshalb Freiheitsentzug und Folter, so ist im Sinne des § 51 Abs. 1 AuslG seine Freiheit wegen seiner Religion bedroht (übereinstimmend - allerdings für den Begriff der "konkreten Gefahr" nach § 53 Abs. 1 AuslG - Schl.-Holst. OVG, Beschl. v. 8. 10. 1992, a.a.O.). Bei Anwendung des Begriffs "Bedrohung" ist hier insbesondere auf die Gefährdung der abgeschobenen Rückkehrer abzustellen. Die Anwendung des § 51 Abs. 1 AuslG wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, daß die Religionszugehörigkeit nicht als solche die Bedrohung auslöst, sondern nur als erschwerender Umstand wirkt, der den Verdacht strafbaren Verhaltens verstärkt oder dazu führt, daß entlastenden Gesichtspunkten geringeres Gewicht beigelegt wird. Es genügt hier ein "Zusammenhang" zwischen einem der in § 51 Abs. 1 AuslG genannten Merkmale und der drohenden Lebens- oder Freiheitsverletzung (Treiber a.a.O. Rdz. 57). Die Zuordnung zu einem dieser Merkmale braucht nicht die alleinige oder wesentliche Ursache der Bedrohung zu sein. Dementsprechend genügt es für eine begründete Verfolgungsfurcht im Sinne der Parallelregelung der Flüchtlingsdefinition des Art. 1 A Nr. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention, daß der Heimatstaat bei drohender ungerechtfertigter Freiheitsentziehung intolerant verfährt, indem er die Maßnahmen nur, hauptsächlich, gezielt oder mit besonderer Intensität gegen Personen richtet, für die eines der Merkmale der Definition zutrifft, die also auf diese Weise ausgegrenzt werden (vgl. Roth, Die Genfer Flüchtlingskonvention im Schatten des Grundgesetzes, ZAR 1988, 164 ff. m.w.N.).
Die Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG bei dem Kläger zu 2) bedeutet nicht, daß er wegen derselben Bedrohung auch als Asylberechtigter (Art. 16 a Abs. 1 GG) anerkannt werden müßte. Der Kläger zu 2) ist, wie ausgeführt, unverfolgt ausgereist. Eine Gefährdung war - für den Fall eines Verbleibens in Syrien - auch nicht latent vorhanden, insbesondere nicht in Gestalt der im Alter von 18 Jahren voraussehbar eintretenden Wehrpflicht. Die Voraussetzungen, unter denen ein Nachfluchtgrund asylrechtlich erheblich ist (BVerwG, Beschl. v. 6. 4. 1990, 9 B 334.89), liegen demnach nicht vor.
6. Der nur die Klägerin zu 1) betreffende Bescheid des Beklagten zu 2) vom 8. Dezember 1987 entspricht den Vorschriften des § 28 Abs. 1, 2 AsylVfG in der damals geltenden Fassung (BGBl I 1982, S. 946; 1987, S. 89). Gründe für eine anderweitige Aufenthaltsberechtigung, die nach § 28 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG der Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung entgegenständen, sind nicht ersichtlich. Unberührt bleibt, wie oben erwähnt, die mögliche Anwendung des § 53 AuslG.
Der den Kläger zu 4) betreffende Bescheid des Beklagten zu 2) vom 16. Mai 1988 entspricht den Vorschriften des § 11 Abs. 1, 2 i.V.m. § 10 Abs. 2 AsylVfG in der damals geltenden Fassung (a.a.O.). Ob, wie in § 11 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG vorausgesetzt, der Asylantrag als offensichtlich unbegründet hätte zurückgewiesen werden dürfen, braucht nicht entschieden zu werden, da der Beklagte zu 2) den Kläger zu 4) durch den Vergleich vom 24./26. August 1988 seinen Familienangehörigen gleichgestellt hat, deren Asylanträge nicht mit der qualifizierten Begründung nach § 11 Abs. 1 Satz 2 abgelehnt worden sind. Im übrigen gilt das zuvor für die Klägerin zu 1) Ausgeführte.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 VwGO, ihre vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO.
Die Revision ist gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. In einem Revisionsverfahren könnte grundsätzlich geklärt werden, ob das für Angehörige einer Religionsgemeinschaft erhöhte Risiko, bei Wiedereinreise in ihren Heimatstaat aus nicht vorhersehbaren Gründen verdächtigt und deshalb verhaftet und gefoltert zu werden, im Rahmen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich des Merkmals des "Bedrohtseins" zu einem Abschiebungsschutz führen kann; ferner, ob die für Angehörige einer Religionsgemeinschaft erhöhte Gefahr, bei Wiedereinreise wegen Verdachts einer mit Strafe bedrohten Handlung verhaftet und gefoltert zu werden, die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG erfüllt.
Dr. Hamann
Sommer
Richter am Verwaltungsgericht Heidmann ist gehindert zu unterschreiben, weil er inzwischen aus dem Senat ausgeschieden ist und auch nicht mehr dem Oberverwaltungsgericht angehört. Dr. Hamann