Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 25.08.1993, Az.: 4 L 2694/92

Aufwendungen; Obdachloser; Ordnungsbehörde; Einweisung; Bewohnte Wohnung; Lebensunterhalt

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
25.08.1993
Aktenzeichen
4 L 2694/92
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1993, 13718
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1993:0825.4L2694.92.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Oldenburg (Oldenburg) 19.03.1992 - 4 A 210/90 OS
VG Oldenburg 19.03.1992 - 4 A 210/90 OS
nachfolgend
BVerwG - 12.12.1995 - AZ: BVerwG 5 C 28/93

Amtlicher Leitsatz

Aufwendungen, die ein Obdachloser der Ordnungsbehörde aufgrund seiner Einweisung in die bisher bewohnte Wohnung oder in ein Hotel ersetzen muß, sind Aufwendungen für die Unterkunft, die vom Träger der Sozialhilfe im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt zu übernehmen sind.

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg - 4. Kammer Osnabrück - vom 19. März 1992 wird zurückgewiesen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 2.750,-- DM abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

1

Die Beteiligten streiten darum, ob die Beklagte diejenigen Beträge aus Mitteln der Sozialhilfe zu übernehmen hat, die sie in ihrer Eigenschaft als Ordnungsbehörde dem Kläger zu 1) für die Maßnahmen abverlangt, mit denen sie die drohende Obdachlosigkeit der Kläger abgewendet hat.

2

Am 5. Juli 1989 wurde das Einfamilienhaus der Kläger zu 1) und 2) zwangsversteigert. Weil die Kläger bis zum Ende der Räumungsfrist eine andere Wohnung nicht gefunden hatten, wies sie das Amt für öffentliche Ordnung der Beklagten bis zum 30. September 1989 in ihr zwangsversteigertes Gebäude wieder ein. Am 2. Oktober 1989 setzte es sie in ein Hotel um; dort lebten die Kläger bis zum 4. Februar 1990.

3

Mit bestandskräftigem Bescheid vom 8. März 1990 zog die Beklagte (Amt für öffentliche Ordnung) den Kläger zu 1) zum Ersatz von Kosten in Höhe von insgesamt 19.648,80 DM heran.

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Dieser Betrag setzt sich folgendermaßen zusammen: 650,-- DM Miete für das zwangsversteigerte Gebäude, 584,25 DM Ausfallentschädigung, 12.600,-- DM für die Hotelunterbringung, 4.080,61 DM und 1.733,94 DM für Transport und Einlagerung der Möbel während der Einweisung.

5

Den Antrag, diese Kosten aus Mitteln der Sozialhilfe zu übernehmen, lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 7. Mai 1990 mit folgender Begründung ab: Es sei nicht Aufgabe der Sozialhilfe, Schulden des Hilfesuchenden zu tilgen. Im Widerspruchsbescheid vom 12. Oktober 1990 führte sie u. a. aus: Bei den fraglichen Kosten handele es sich nicht um solche der Unterkunft, sondern um eine Regreßforderung. Auf deren Übernahme hätten die Kläger Anspruch nicht, weil dies eine sozialhilferechtlich nicht gerechtfertigte Erfüllung einer Schadensersatzforderung darstellte.

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Zur Begründung ihrer Klage haben die Kläger ihr vorprozessuales Vorbringen wiederholt und vertieft.

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Die Kläger haben beantragt,

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den Bescheid der Beklagten vom 7. Mai 1990 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Oktober 1990 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die ihnen anläßlich ihrer Obdachlosigkeit durch die Maßnahme des Amtes für öffentliche Ordnung entstandenen Kosten in Höhe von 19.648,80 DM nach Maßgabe des Bundessozialhilfegesetzes zu übernehmen.

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Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben und in seinem Urteil u. a. ausgeführt: Die Beklagte schulde als Teil der Hilfe zum notwendigen Lebensunterhalt Kosten der Unterkunft. Sie seien unabhängig vom Rechtsgrund, der der Unterkunftsüberlassung zugrunde liege, zu übernehmen. Daher sei hier ohne Belang, ob es sich bei den mit Bescheid vom 8. März 1990 verlangten Kosten um Nutzungsgebühren oder Regreßforderungen handele.

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Hiergegen führt die Beklagte mit folgender Begründung Berufung: Eine Übernahme der streitigen Kosten verstoße gegen den Sinn der Sozialhilfe, eine aktuelle, konkrete Notlage des Hilfesuchenden zu beseitigen. Eine solche bestehe gerade in den Fällen nicht (mehr), in denen der Hilfesuchende in seine Wohnung oder ein Hotel eingewiesen worden sei. Nur die tatsächlichen Aufwendungen stellten Unterkunftskosten dar, die erforderlich seien, diese dem Hilfeempfänger zu erhalten. Diese Erforderlichkeit sei hier nicht mehr gegeben, nachdem die Kläger eine eigene Mietwohnung bezogen hätten. Nach dem Gesetzeswortlaut sei Hilfe für die Unterkunft nur durch laufende Leistungen zu gewähren. Solche stünden hier ersichtlich nicht in Rede, weil die Kläger nur einmal, nämlich nach Beendigung des Hotelaufenthaltes in Anspruch genommen worden seien. Auch der Gleichheitssatz gebiete eine Gleichbehandlung mit der Sachlage, in der ein Obdachloser in eine gemeindeeigene Unterkunft eingewiesen werde, nicht. In diesen Fällen müsse der Hilfesuchende mit einer Unterkunft vorlieb nehmen, die in qualitativer Hinsicht lediglich Mindestanforderungen genügen müsse. In jenen Fällen "residiere" er dagegen auf Kosten des Sozialamtes in der eigenen Wohnung oder im Hotel. Im übrigen dürften ihn auch nur die drohenden Regreßforderungen ausreichend anspornen, sich stärker um eine eigene Wohnung zu bemühen. Gegen die Übernahme der Kosten spreche weiter der Nachrang der Sozialhilfe; denn der Unterkunftsbedarf sei bereits durch die Tätigkeit der Ordnungsbehörde gedeckt worden. Es sei weiter zu berücksichtigen, daß die Kläger ohne zureichenden Grund den Bescheid vom 8. März 1990 hätten bestandskräftig werden lassen. Dessen Aufhebung hätten sie ohne weiteres verlangen können, da darin das der Ordnungsbehörde eingeräumte Rückforderungsermessen erkennbar nicht ausgeübt worden sei. Darüber hinaus könne der Regreßanspruch nach den Vorschriften der Gemeindehaushaltsverordnung gestundet oder erlassen werden, wenn eine besondere Härte vorliege. All diese Erwägungen sprächen gleichermaßen gegen die Übernahme der Umzugs- und der Lagerkosten.

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Die Beklagte beantragt,

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das Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg - 4. Kammer Osnabrück - vom 19. März 1992 zu ändern und die Klage abzuweisen.

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Die Kläger beantragen,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Sie verteidigen die angegriffene Entscheidung.

18

Wegen der Einzelheiten des Vortrages und des Sachverhalts wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Im Einverständnis der bisherigen Beteiligten hat der Senat die Kläger zu 3) und 4) in das Rubrum aufgenommen. Wird eine Unterkunft - wie hier - von mehreren Personen genutzt, hat jede von ihnen gegen den Träger der Sozialhilfe einen eigenen, nur von ihm selbst zu verfolgenden Anspruch auf Übernahme der Kosten, die nach der Kopfzahl auf ihn entfallen. Das gilt unabhängig davon, welche dieser Personen im Drittverhältnis die Unterkunftskosten (insgesamt) schuldet.

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Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, die Beklagte schulde in ihrer Eigenschaft als Trägerin der Sozialhilfe die Übernahme der Kosten, die ihr Amt für öffentliche Ordnung dem Kläger zu 1) für die Wiedereinweisung in das zwangsversteigerte Gebäude, für die Unterbringung im Hotel sowie für Transport und Einlagerung der Möbel abverlangt.

21

Zwischen den Beteiligten steht außer Streit, daß die Kläger die Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 BSHG sowohl während des Aufenthaltes in dem zwangsversteigerten Gebäude sowie im Hotel als auch zu dem Zeitpunkt erfüllten, an dem der Bescheid vom 8. März 1990 bekanntgegeben und bestandskräftig geworden ist. Es braucht hier daher noch nicht entschieden zu werden, auf welchen dieser Zeitpunkte es ankommt.

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Dies verpflichtet die Beklagte gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 BSHG u. a. dazu, die Kosten der Unterkunft als Teil des notwendigen Lebensunterhaltes zu tragen. Dazu zählen die mit Bescheid vom 8. März 1990 in Höhe von 13.834,25 DM festgesetzten Kosten.

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Zu Unrecht zieht die Beklagte in Zweifel, daß das Hotel vom 2. Oktober 1989 bis zum 4. Februar 1990 die Unterkunft der Kläger dargestellt habe. Der Begriff der Unterkunft ist nicht eng auszulegen (vgl. Gottschick/Giese, BSHG, 9. Aufl., § 12 Rdnr. 3). Er schließt alle Räumlichkeiten ein, die das Bedürfnis decken, "ein Dach über dem Kopf" zu haben, unter dem man schlafen, Bekleidung aufbewahren und wechseln und das Bedürfnis nach körperlicher Hygiene befriedigen kann. Es trifft zwar zu, daß der Träger der Sozialhilfe nach der Rechtsprechung des Senats den Hilfesuchenden nicht darauf verweisen darf, zur Senkung der Unterkunftskosten von seiner im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 2 RegelsatzVO unangemessenen teuren Mietwohnung in ein Obdachlosenheim umzuziehen. Das ändert aber nichts daran, daß dieses oder das wegen der Erschöpfung seiner Aufnahmekapazität gemietete Hotelzimmer die Funktion der Unterkunft erfüllt, wenn der Hilfesuchende es, der Not gehorchend, d.h. in Ermangelung einer anderen Alternative als der "Straße", bezieht. Unterkunft steilen diese Räumlichkeiten auch dann dar, wenn sie nicht alle Einrichtungen aufweisen, die in einer Wohnung für gewöhnlich vorzufinden sind. Es ist daher für den sozialhilferechtlichen Anspruch der Kläger ohne Folgen, daß die beiden je etwa 8 qm großen Hotelzimmer über eine eigene Kochgelegenheit nicht verfügten.

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Die dem Kläger zu 1) im Zusammenhang damit abverlangten, mit Bescheid vom 8. März 1990 in Höhe von 13.834,50 DM festgesetzten Kosten stellen auch Aufwendungen für die Unterkunft im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 RegelsatzVO dar. Unter Aufwendungen sind alle Ausgaben zu verstehen, die mit der Innehaltung einer Unterkunft unmittelbar verbunden sind. Dazu zählen nicht nur "freiwillig", d.h. privatrechtlich mit dem Eigentümer der als Unterkunft dienenden Räume vereinbarten Entgelte, sondern auch "unfreiwillige", d.h. Zahlungspflichten, die dem Hilfesuchenden durch einseitige verbindliche Regelung dafür auferlegt werden, daß er eine Unterkunft nutzt (so zutreffend BayVGH, ZfSH 1963, 283, 284). Der Rechtsgrund, aus dem die Unterkunft zur Verfügung gestellt wird, ist entgegen der Annahme der Beklagten (und des Deutschen Vereins, NDV 1989, 428 sowie 1991, 203, 204) sozialhilferechtlich ebenso ohne Belang, wie die Fragen, ob der Dritte die Wohnung freiwillig oder in Erfüllung einer von der Gemeinde auferlegten Rechtspflicht zur Verfügung stellt und ob der Hilfesuchende bei Nichterfüllung der Zahlungspflicht Gefahr läuft, die Unterkunft zu verlieren. Sozialhilferechtlich maßgeblich ist allein, ob den Hilfesuchenden Zahlungspflichten treffen, die unmittelbar daran anknüpfen, daß er seinen Unterkunftsbedarf in bestimmten Räumlichkeiten deckte.

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Daran ändert auch die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. Juni 1972 (FEVS 19, 447, 449), auf die sich die Beklagte beruft, nichts. Die darin enthaltene Wendung, es sei zu fragen, welche Aufwendungen erforderlich seien, um dem Hilfesuchenden eine Wohnung zu erhalten, ist nicht als allgemeiner Rechtssatz des Inhalts zu verstehen, der Hilfesuchende könne nur solche Aufwendungen vom Sozialhilfeträger verlangen, mit denen seine Unterkunft in Zukunft gesichert wird. Diese Wendung erklärt sich vielmehr aus der Besonderheit des damaligen Falles, in dem die Hilfesuchende Tilgungsleistungen für ihr Eigenheim erstrebte. Maßgeblich ist der vor dieser Wendung wiedergegebene allgemeine Rechtsgrundsatz, die Sozialhilfe knüpfe regelmäßig an die tatsächlich bestehende Notlage an. Aus diesem Grunde seien die Hilfen des Gesetzes so eingerichtet, daß die tatsächlich bestehende Notlage gesteuert werden könne. Dies heißt hier aber nichts anderes, als daß der Hilfesuchende grundsätzlich die Geldmittel erhält, die er anläßlich der Sicherung seiner Unterkunft aufwenden muß. Andernfalls ließe ihn der Träger der Sozialhilfe im Hinblick auf einen ganz wesentlichen Teil des notwendigen Lebensunterhalts, nämlich im Hinblick auf die Sicherung seiner Unterkunft, finanziell "im Stich".

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Danach stellen die dem Kläger zu 1) für die Wiedereinweisung und die Hotelunterbringung abverlangten Beträge Aufwendungen im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 RegelsatzVO dar. Denn diese Rechtspflicht knüpft unmittelbar daran an, daß die Kläger in ihrem zwangsversteigerten Gebäude und dem Hotel Unterkunft im Rechtssinne gefunden hatten. Daß die Beklagte hier nur die Beträge "weiterreicht", die sie den Eigentümern der jeweiligen Räume zu zahlen hat, ändert an diesem Ergebnis nichts. Denn der Rechtsgrund, aus dem die Zahlungspflicht in unmittelbarer Anknüpfung an die Nutzung der Unterkunft auferlegt wird (hier u. a. § 63 Nds. SOG), ist sozialhilfe-rechtlich ebenso ohne Belang wie die Frage, ob derjenige, der die Kosten verlangt, Eigentümer dieser Räumlichkeiten ist.

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Die Beteiligten streiten schließlich auch um laufende Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 RegelsatzVO. Laufend sind die Leistungen, die für einen mehr oder minder einheitlich und beständig auftretenden Bedarf zu gewähren sind. Maßgeblich ist, daß der Bedarf regelmäßig auftritt. Es ist dagegen nicht erforderlich, daß auch die zu seiner Deckung benötigten Geldmittel mit derselben Regelmäßigkeit aufgewandt werden müssen, mit der der Bedarf auftritt. Das zeigt sich beispielsweise bei Nachforderungen, die ein Vermieter nach "spitzer" Abrechnung der Nebenkosten, auf die bislang nur Vorauszahlungen geleistet worden waren, erhebt. Diese Forderungen werden in unregelmäßigen, zumindest in längeren Abständen gegen den Hilfesuchenden gerichtet. Für sie ist gleichwohl Sozialhilfe zu gewähren. Darauf, daß - im Sinne der Darlegungen der Beklagten - der Bedarf an Unterkunft in der Vergangenheit bereits gedeckt worden war, kommt es nicht an. Maßgeblich ist vielmehr allein, daß die Nachforderung des Vermieters im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit gegenwärtigen, unter den für diesen Zeitpunkt zu prüfenden Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 BSHG vom Träger der Sozialhilfe zu deckender Bedarf darstellt, der daher nicht im Wege einer einmaligen Leistung nach § 21 Abs. 1 und 2 BSHG oder als Ermessensleistung nach § 15 a BSHG, sondern als Teil der laufenden Hilfe zum Lebensunterhalt zu gewähren ist (Senatsbeschluß vom 4. April 1989 - 4 OVG B 201/85). Da der Bedarf an Geldmitteln erst mit der Fälligkeit der Nachforderung eintritt, steht der Nachranggrundsatz (§ 2 Abs. 1 BSHG) der Leistung nicht entgegen. Auch § 5 BSHG (Kenntnisgrundsatz) schließt den Anspruch nicht aus, wenn der Hilfesuchende die Nachforderung - wie hier - nicht befriedigt, bevor der Bedarf dem Träger der Sozialhilfe bekanntgegeben (und - nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts - von diesem hierüber noch nicht abschließend entschieden) worden ist. Im übrigen war der Beklagten die Tatsache, daß die Kläger einer Unterkunft und zur Bestreitung der dadurch entstehenden Kosten der Sozialhilfe bedurften, schon durch die Anträge der Kläger vom 31. August und 21. September 1989 bekannt.

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Ohne Durchschlagskraft ist schließlich das Argument der Beklagten, eine Wiedereinweisung und Hotelunterbringung werde den Willen des Hilfesuchenden lähmen, sich eine eigene Mietwohnung zu suchen. Das kann hier schon deshalb nicht durchgreifen, weil die Kläger in den zwei je 8 qm großen Hotelzimmern nicht im Sinne des von der Beklagten gebrauchten Ausdrucks "residiert" und sich den Verwaltungsvorgängen zufolge intensiv um eine Mietwohnung gekümmert haben. Im übrigen wäre mangelnder Initiative, eine billigere Unterkunft zu suchen, vor allem mit Beratung und persönlicher Betreuung nach § 72 BSHG zu begegnen, wenn ordnungsrechtliche Mittel versagen oder nicht mehr zur Verfügung stehen.

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Gegen die Höhe der Klageforderung wendet sich die Beklagte gleichfalls ohne Erfolg. Der Senat hat nicht Anlaß zu untersuchen, ob der Kläger zu 1) mit Aussicht auf Erfolg den Heranziehungsbescheid vom 8. März 1990 hätte anfechten oder Erlaß oder Stundung der darin festgesetzten Forderung hätte beantragen können. Denn die Beklagte handelt (venire) mit diesem Vortrag ihrer eigenen Verfügung zuwider (contra factum proprium), die sie mit dem Anspruch auf Rechtmäßigkeit in die Welt gesetzt hat. Es verstieße gegen Treu und Glauben, wenn die Beklagte (selbst wenn ihre in diesem Verfahren vertretene Auffassung von der Rechtswidrigkeit der Verfügung vom 8. März 1990 zutrifft) aus der Behauptung eigenen rechtwidrigen Tuns sozialhilferechtliche Vorteile ableiten könnte.

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Sollte die Beklagte als Ordnungsbehörde von sich aus allerdings die mit Bescheid vom 8. März 1990 geforderten Kosten (teilweise) erlassen oder stunden, verringerten sich damit auch die sozialhilferechtlichen Ansprüche der Kläger. Denn der Senat faßt den vom Verwaltungsgericht titulierten Anspruch dahin auf, daß die Kläger nicht etwa unbeschadet der weiteren Entwicklung des ordnungsbehördlichen Verfahrens Anspruch darauf hätten, daß die mit Bescheid vom 8. März 1990 festgesetzte Summe vollständig an sie ausbezahlt wird. Durch das angegriffene Urteil ist die Beklagte nur verpflichtet worden, in der Höhe - gleichsam durch interne Verbuchung - Kosten zu übernehmen, in der sie aus dem Bescheid vom 8. März 1990 gegen den Kläger zu 1) vorgeht.

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Die Kläger haben außerdem Anspruch auf Übernahme der Möbeltransport- und -lagerungskosten von 4.080,61 DM und 1.733,94 DM. Die vom Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung ohne nähere Begründung gegen die Höhe dieser Forderung erhobenen Einwendungen greifen nicht durch. Die Auslagerung der Möbel war im Sinne des § 12 Abs. 1 BSHG notwendig, weil die Kläger eine zwingende, sozialhilferechtlich beachtliche Pflicht zur Räumung des zwangsversteigerten Gebäudes traf und angesichts ihrer (dann auch verwirklichten) Absicht, alsbald eine neue, eigene Wohnung zu beziehen, der Verkauf der alten und der spätere Erwerb neuer Möbel auf Kosten des Sozialhilfeträgers eindeutig eine unwirtschaftlichere und damit nicht notwendige Maßnahme dargestellt hätte.

32

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 154 Abs. 2 188 Satz 2, 167 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

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Der Senat läßt die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu, weil die Frage, ob Aufwendungen, die die Ordnungsbehörde von dem Obdachlosen aufgrund seiner Einweisung in die bisher bewohnte Wohnung oder in ein Hotel ersetzt verlangt, von dem Sozialhilfeträger zu übernehmende Aufwendungen für die Unterkunft sind, von grundsätzlicher Bedeutung und höchstrichterlich - soweit ersichtlich - noch nicht geklärt ist.

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Klay

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RiOVG Zeisler hat Urlaub und ist daher verhindert, zu unterschreiben Klay

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Claus