Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 24.01.2001, Az.: 6 A 491/00
Asylrelevanz; Beschimpfung; Kurde; Ohrfeige; Syrien; Wehrdienstentziehung
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 24.01.2001
- Aktenzeichen
- 6 A 491/00
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2001, 39286
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- Art 16a Abs 2 GG
- § 51 Abs 1 AuslG
- § 26a AsylVfG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Ohrfeigen und Beschimpfungen bei polizeilicher Vernehmung sind ohne asylrechtliche Relevanz. Wehrdienstentziehung und politische Verfolgung
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden nicht erhoben.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des festgesetzten Vollstreckungsbetrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand:
Der Kläger ist syrischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Er reiste am 30. Juli 2000 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte seine Anerkennung als Asylberechtigter.
Zur Begründung dieses Begehrens trug er vor:
Er habe am 05. Mai 2000 Syrien verlassen. Bis dahin habe er in Amouda unter der Adresse seiner Eltern gewohnt. Danach habe er sich bis zu seiner Weiterreise nach Deutschland in der Türkei aufgehalten. Am 24. Juli sei er mit einem Lkw von Istanbul nach Deutschland transportiert worden, wo er am 30. Juli 2000 eingetroffen sei. Seine Familie befinde sich noch in Syrien. Allerdings seien sein Vater und ein älterer Bruder am 15. April 2000 ebenfalls geflohen, vielleicht nach Irakisch-Kurdistan. In seinem Heimatland habe er bis zur letzten Klasse das Gymnasium besucht, den Abschluss aber nicht gemacht. Anschließend sei er in der Landwirtschaft seiner Familie tätig gewesen; einen Beruf habe er nicht erlernt. Den Wehrdienst habe er noch nicht geleistet, weil er noch nicht alt genug gewesen sei. Sein Vater und sein älterer Bruder seien im Jahre 1994 oder 1995 ebenfalls nach Deutschland gekommen und hätten Asyl beantragt. Sie seien dann aber wieder freiwillig nach Syrien zurückgekehrt. Er habe in Syrien mit Politik nichts zu tun gehabt. Nur einmal sei er am 25. April 2000 für 24 Stunden inhaftiert worden, nachdem sein Vater, der politisch aktiv gewesen sei, geflohen sei. Über die politischen Aktivitäten seines Vaters, die dieser 20 Jahre lang wahrgenommen habe, wisse er selbst nichts, auch nichts über dessen Partei oder Organisation. Er habe seinem Vater auch keine Fragen gestellt. Dies habe er angegeben, als man ihn bei der Polizei vernommen habe. Sein Vater und dessen Parteifreunde hätten irgendwann einmal auf dem Feld eine Versammlung veranstaltet, die drei bis vier Tage gedauert habe. Er habe mitgeholfen und auf Tee und Wasser aufgepasst. Danach sei sein Vater aus Angst geflohen und er ebenfalls, nachdem man ihn am 25. April 2000 festgenommen habe. Nach dem 25. April 2000 habe er sich bis zur Ausreise aus Syrien bei einem Freund seines Vaters versteckt gehalten. Irgendwann einmal vorher, am 23. April 2000, seien die Leute zu ihnen nach Hause gekommen und hätten die Geschwister geschlagen. Sie hätten nach seinem Vater gefragt. Er selbst sei hierbei nicht zu Hause gewesen. Am 26. April 2000 sei er zu dem Freund seines Vaters gegangen, wo er sich versteckt habe. Seine Inhaftierung sei in Kamishli in einer Verhörzentrale gewesen, die sich in der Nähe des Allgemeinen Krankenhauses befunden habe. Die Adresse oder Straße kenne er nicht. Da sein Vater geflohen sei, fürchte er, in die Problematik einbezogen zu werden.
Mit Bescheid vom 22. September 2000 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge den Asylantrag als unbegründet ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG ebenfalls nicht gegeben seien und die Voraussetzungen des § 53 AuslG nicht vorlägen. Außerdem forderte die Behörde den Kläger zur Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland innerhalb von einem Monat nach Unanfechtbarkeit der ablehnenden Entscheidung des Bundesamtes auf und drohte für den Fall, dass dieser Anordnung nicht fristgerecht nachgekommen werde, die Abschiebung an.
Gegen den am 26. September 2000 zugestellten Bescheid hat der Kläger am 09. Oktober 2000 Klage erhoben.
Zur Begründung trägt der Kläger vor:
Sein Vater sei wegen dessen politischer Aktivitäten am 15. April 2000 geflohen. Danach habe der syrische Sicherheitsdienst seinen Vater gesucht und seine Mutter und Geschwister befragt. Die Sicherheitskräfte hätten nach Unterlagen gesucht, das Haus durcheinander gebracht und die Geschwister geschlagen. Zwei Tage später sei der Sicherheitsdienst erneut gekommen und habe ihn in die Verhörzentrale nach Kamishli mitgenommen. Die genaue Adresse kenne er nicht. Das Allgemeine Krankenhaus und die Hauptpost seien in der Nähe gewesen. Dort habe man ihn 24 Stunden festgehalten und nach den politischen Tätigkeiten seines Vaters befragt. Nach zwei Stunden des Verhörs habe man ihn in eine kleine Zelle gesperrt, am nächsten Tag noch einmal verhört und dann freigelassen. Während des Verhörs habe man ihn bedroht und beschimpft. Dann sei er nach Hause gegangen, wo er einen Cousin getroffen habe. Der sei Anwalt gewesen und habe Beziehungen zu den Behörden gehabt. Der Cousin habe ihm gesagt, dass die Behörden ihn nicht in Ruhe lassen würden, und habe durch Beziehungen erfahren, dass er verfolgt werde, solange sein Vater und der ältere Bruder sich den Behörden nicht stellen würden. Der Cousin habe ihm geraten, sich zu verstecken und am Besten das Land zu verlassen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Bundesamtes vom 22. September 2000 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und außerdem festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen.
Die Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf die Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid,
die Klage abzuweisen.
Auf die gemäß § 87b VwGO ergangene Verfügung des Gerichts hat der Kläger nach Ablauf der ihm gesetzten Frist ergänzend ausgeführt:
Sein Vater habe vor mehreren Jahren in Deutschland einen Asylantrag gestellt. Nach seiner Rückkehr sei er in Syrien festgenommen worden. Als er wieder freigelassen worden sei, habe er weiter politische Veranstaltungen organisiert, zuletzt im April 2000. Danach sei der Vater und einer seiner Brüder geflohen. Man habe ihn bei den Nachforschungen nach dem Vater unter Druck gesetzt und misshandelt; aus diesen Gründen sei er im Mai über die Türkei nach Deutschland geflohen. Inzwischen sei auch seine Schwester geflohen, weil der Geheimdienst sie ebenfalls unter Druck gesetzt habe. Ein weiterer Verwandter, der mehr über die politischen Aktivitäten seines Vaters wisse, sei in Deutschland als ausländischer Flüchtling anerkannt worden.
Der Kläger ist in der mündlichen Verhandlung zu seinem Asylbegehren informatorisch ergänzend angehört worden; insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, auf die Verwaltungsvorgänge der Beklagten sowie auf die in das Verfahren eingeführten Erkenntnismittel verwiesen. Diese Unterlagen waren ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand des Verfahrens.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat weder einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a Abs. 1 GG noch auf die Feststellung durch die Beklagte, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter, weil nach den von ihm gemachten Angaben zu den Einzelheiten seines Reiseweges davon ausgegangen werden muss, dass er auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist.
Gemäß Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG i.V.m. § 26a Abs. 1 AsylVfG kann sich nicht auf Art. 16a Abs. 1 GG berufen und wird nicht als Asylberechtigter anerkannt, wer aus einem Drittstaat eingereist ist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und der Grundfreiheiten sichergestellt ist. Zu diesen "sicheren Drittstaaten" gehören gemäß Art. 16a Abs. 2 GG i.V.m. § 26a Abs. 2 AsylVfG neben den Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaften die in der Anlage I zu § 26a AsylVfG aufgeführten Staaten. Dazu zählen alle Staaten mit Landgrenzen zur Bundesrepublik Deutschland. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Gründe des § 26a Abs. 1 Satz 3 AsylVfG, die dem entgegenstünden, sind nicht ersichtlich. Auch kann nicht angenommen werden, dass die Durchreise unter Umständen erfolgt ist, nach denen die Möglichkeit ausgeschlossen war, die Reise im Drittstaat zu unterbrechen (vgl. dazu BVerfG, Urt. vom 14.05.1996, EuGRZ 1996, 237 f.; VGH Mannheim, Urt. vom 29.07.1996 - A 12 S 1313/95).
Es besteht auch kein Abschiebungshindernis nach § 51 Abs. 1 AuslG.
Die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG sind denen des Art. 16a Abs. 1 GG gleich, soweit es die Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale betrifft. Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte haben politisch Verfolgte (Art. 16 a Abs. 1 GG). Dieses Individualgrundrecht kann in Anspruch nehmen, wer bei einer Rückkehr in sein Herkunftsland politische Verfolgung (erneut oder erstmals) zu befürchten hat. Politische Verfolgung liegt vor, wenn dem Einzelnen durch den Heimatstaat oder durch Maßnahmen Dritter, die diesem Staat zurechenbar sind, in Anknüpfung an seine politische Überzeugung, seine religiöse Grundentscheidung oder für ihn unverfügbare Merkmale, die sein Anderssein prägen, gezielt Rechtsverletzungen zugefügt werden oder unmittelbar drohen, die ihn nach ihrer Intensität und Schwere aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen (BVerfG, Beschl. vom 10.07.1989, BVerfGE 80, 315, 333). Dabei beschränkt sich der asylrechtliche Schutz nicht auf die Rechtsgüter Leib und Leben, sondern erfasst auch Einschränkungen der persönlichen Freiheit; die hierin eingeschlossenen Rechte der freien Religionsausübung und ungehinderten beruflichen und wirtschaftlichen Betätigung lösen einen Asylanspruch indessen nur aus, wenn deren Beeinträchtigung nach ihrer Intensität und Schwere zugleich die Menschenwürde verletzen und über das hinausgehen, was die Bewohner des Herkunftsstaates allgemein hinzunehmen haben (BVerfG, Beschl. vom 24.06.1992 - 2 BvR 176/92 u.a., S. 12 f. des Abdrucks unter Hinweis auf BVerfGE 76, 143, 158). Die Gefahr eigener politischer Verfolgung kann sich auch aus gegen Dritte gerichteten Verfolgungsmaßnahmen ergeben, wenn der Asylbewerber sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und auch im Übrigen vergleichbaren Lage befindet, so dass seine (etwaige) Nichtbetroffenheit von ausgrenzenden Rechtsverletzungen eher als zulässig anzusehen ist (BVerfG, Beschl. vom 23.01.1991, BVerfGE 83, 216, 230). Eine solche sog. mittelbare Gruppenverfolgung liegt danach typischerweise vor bei Massenausschreitungen (Pogromen), die das ganze Land oder große Teile desselben erfassen, aber etwa auch dann, wenn unbedeutende oder kleine Minderheiten mit solcher Härte, Ausdauer und Unnachsichtigkeit verfolgt werden, dass jeder Angehörige dieser Minderheit sich ständig der Gefährdung an Leib, Leben oder persönlicher Freiheit ausgesetzt sieht, wobei allerdings nicht ein ganzes Land gewissermaßen flächendeckend erfasst sein muss (BVerfG, Beschl. vom 23.01.1991, BVerfGE 83, 216, 232). Auch ohne Pogrome und diesen vergleichbare Massenausschreitungen liegt eine mittelbare Gruppenverfolgung immer dann vor, wenn die Verfolgungsschläge, von denen die Angehörigen einer Gruppe betroffen werden, so dicht und eng gestreut fallen, dass für jedes Gruppenmitglied die Furcht begründet ist, in eigener Person Opfer der Übergriffe zu werden (BVerwG, Beschl. vom 24.09.1992, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 156; Urt. vom 05.07.1994, BVerwGE 96, 200, 203). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urt. vom 02.08.1983, BVerwGE 67, 317 m. w. N.) wird eine solche von nichtstaatlicher Seite, insbesondere von Privatpersonen oder nichtstaatlichen Organisationen ausgehende Verfolgung dem Staat zugerechnet, wenn dieser die Verfolgung billigt oder fördert, ferner wenn er nicht willens oder - trotz vorhandener Gebietsgewalt - nicht in der Lage ist, die Betroffenen gegen Übergriffe Privater zu schützen. Dabei besteht die Zurechenbarkeit begründende Schutzunfähigkeit oder Schutzunwilligkeit nicht bereits dann, wenn in dem zu beurteilenden Einzelfall effektiver staatlicher Schutz nicht geleistet worden ist. Kein Staat vermag einen schlechthin perfekten lückenlosen Schutz zu gewährleisten und sicherzustellen, dass Fehlverhalten, Fehlentscheidungen oder "Pannen" sonstiger Art bei der Erfüllung der ihm zukommenden Aufgaben der Wahrung des öffentlichen Friedens nicht vorkommen. Deshalb schließt weder Lückenhaftigkeit des Systems staatlicher Schutzgewährung überhaupt noch die im Einzelfall von dem Betroffenen erfahrene Schutzversagung als solche schon staatliche Schutzbereitschaft oder Schutzfähigkeit aus. Vielmehr sind Übergriffe Privater dem Staat als mittelbare Verfolgung dann zuzurechnen, wenn er gegen Verfolgungsmaßnahmen Privater grundsätzlich keinen effektiven Schutz gewährt. Umgekehrt ist eine grundsätzliche Schutzbereitschaft des Staates zu bejahen, wenn die zum Schutz der Bevölkerung bestellten (Polizei-) Behörden bei Übergriffen Privater zur Schutzgewährung ohne Ansehen der Person verpflichtet und dazu von der Regierung auch landesweit angehalten sind, vorkommende Fälle von Schutzverweigerung mithin ein von der Regierung nicht gewolltes Fehlverhalten der Handelnden in Einzelfällen sind (BVerwG, Urt. vom 05.07.1994, InfAuslR 1995, 24 [BVerwG 05.07.1994 - BVerwG 9 C 1.94]).
Da das Asylgrundrecht auf dem Zufluchtgedanken beruht und von seinem Tatbestand her grundsätzlich den Ursachenzusammenhang von Verfolgung/Flucht/Asyl voraussetzt (BVerfG, Beschl. vom 26.11.1986, BVerfGE 74, 51, 60; Beschl. vom 10.07.1989, BVerfGE 80, 344), ist ferner von maßgeblicher Bedeutung, ob der Asylbewerber vorverfolgt oder unverfolgt ausgereist ist. Ist der Asylsuchende wegen erlittener oder unmittelbar bevorstehender politischer Verfolgung ausgereist und war ihm auch ein Ausweichen innerhalb seines Heimatstaates wegen Fehlens einer inländischen Fluchtalternative unzumutbar, ist er als Asylberechtigter anzuerkennen, sofern die fluchtbegründenden Umstände im maßgeblichen Zeitpunkt fortbestehen. Er ist ferner anzuerkennen, wenn diese zwar entfallen sind, aber an seiner Sicherheit vor abermals einsetzender Verfolgung bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat ernsthafte Zweifel bestehen. Hat der Asylsuchende seinen Heimatstaat hingegen unverfolgt verlassen, kann er nur dann anerkannt werden, wenn ihm politische Verfolgung aufgrund eines asylerheblichen Nachfluchttatbestandes mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht (BVerfG, Beschl. vom 26.11.1986, aaO., 64 f.; Beschl. vom 10.07.1989, aaO., 344; BVerwG, Urt. vom 20.11.1990, BVerwGE 87, 152; Urt. vom 23.07.1991, DVBl. 1991, 1089). Für die Annahme einer drohenden Verfolgung ist entscheidend, ob aus der Sicht eines besonnen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Asylsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Heimatstaat unzumutbar erscheint (BVerwG, Urt. vom 05.11.1991, BVerwGE 89, 162, 169). Die dazu erforderliche Zukunftsprognose hat auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Tatsachenentscheidung abzustellen (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) und muss auf einen absehbaren Zeitraum ausgerichtet sein (BVerwG, Urt. vom 03.12.1985, EZAR 202 Nr. 6). Sie hat die vom Asylbewerber geschilderten Ereignisse zu würdigen und insbesondere auch den politischen Charakter der Verfolgungsmaßnahme festzustellen (§§ 15, 25, 74 Abs. 2 AsylVfG). Bei der Darstellung der allgemeinen Umstände im Herkunftsland genügt es, dass die vorgetragenen Tatsachen die nicht entfernt liegende Möglichkeit politischer Verfolgung ergeben (BVerwG, Urt. vom 23.11.1982, BVerwGE 66, 237). Die Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung kann schließlich nur festgestellt werden, wenn sich das Gericht in vollem Umfang die Überzeugung von der Wahrheit des von dem Asylbewerber behaupteten individuellen Verfolgungsschicksals verschafft, wobei allerdings der sachtypische Beweisnotstand hinsichtlich der Vorgänge im Verfolgerstaat bei der Auswahl der Beweismittel und bei der Würdigung des Vortrags und der Beweise angemessen zu berücksichtigen ist (BVerwG, Urt. vom 12.11.1985, EZAR 630 Nr. 13).
Dies setzt voraus, dass der Asylbewerber die Gründe für seine Furcht vor politischer Verfolgung schlüssig vorträgt. Hierzu hat er unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung eine politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht (BVerwG, Beschl. vom 18.09.1989, InfAuslR 1989, 350 [BVerwG 18.09.1989 - BVerwG 9 B 308.89] m.w.N.). Dazu gehört, dass der Asylbewerber zu den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine Schilderung gibt, die geeignet ist, den behaupteten Asylanspruch lückenlos zu tragen. Ein im Laufe des Asylverfahrens sich widersprechendes oder sich steigerndes Vorbringen kann die Glaubwürdigkeit des Asylsuchenden in Frage stellen. Ändert der Asylsuchende in seinem späteren Vortrag sein früheres Vorbringen, so muss er überzeugende Gründe darlegen, weshalb sein früheres Vorbringen falsch gewesen ist, will er nicht den Eindruck der Unglaubwürdigkeit erwecken (BVerwG, Beschl. vom 26.10.1989, InfAuslR 1990, 38 [BVerwG 26.10.1989 - BVerwG 9 B 405.89]; Beschl. vom 21.07.1989, Buchholz 402.24 § 1 AsylVfG Nr. 113). Zwar spricht nicht jede Widersprüchlichkeit im Vortrag eines Asylbewerbers zugleich auch gegen seine Glaubwürdigkeit; vielmehr ist bei der Wertung seiner Aussage zu berücksichtigen, dass sich Missverständnisse aus Verständigungsproblemen ergeben haben können und dass zwischen Asylantragstellung, der Anhörung im Verwaltungsverfahren, der schriftlichen Klagebegründung sowie ggf. der persönlichen Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor Gericht jeweils größere Zeiträume liegen können. Auch dürfen die besonderen Schwierigkeiten, denen Asylbewerber aus anderen Kulturkreisen bei der Darstellung ihrer Verfolgungsgründe besonders dann ausgesetzt sind, wenn sie über einen geringen Bildungsstand verfügen, nicht außer Acht gelassen werden. Grundlegende, für das Verlassen des Heimatlandes und den Asylantrag maßgebende Umstände im individuellen Lebensweg des Asylbewerbers bleiben jedoch im Normalfall zumindest in ihren wesentlichen Einzelheiten in Erinnerung. Widersprüche und Ungereimtheiten, die sich hierauf beziehen, machen das Vorbringen des Asylbewerbers zu seinem persönlichen Verfolgungsschicksal in der Regel insgesamt unglaubwürdig. Vor allem für diejenigen Umstände, die den eigenen Lebensbereich des Asylbewerbers betreffen, ist ein substantiierter, im Wesentlichen widerspruchsfreier Tatsachenvortrag zu fordern. Dabei ist die wahrheitsgemäße Schilderung einer realen Verfolgung erfahrungsgemäß gekennzeichnet durch Konkretheit, Anschaulichkeit und Detailreichtum.
Nach Maßgabe dieser Grundsätze erweisen sich die vom Kläger geschilderten Gründe für das Verlassen seines Heimatlandes, soweit ihnen überhaupt gefolgt werden könnte, als nicht asylrelevant. Selbst wenn des zutreffen sollte, dass der Kläger aus Anlass des Untertauchens seines Vaters und des älteren Bruders von den Sicherheitskräften in Syrien hierzu vernommen und dabei für 24 Stunden festgehalten sein sollte, kommt diesem Vorgang eine asylrechtliche Relevanz nicht zu. Dies wird darin deutlich, dass der Kläger nach einem Verhör am folgenden Tag wieder auf freien Fuß gesetzt wurde. Dies wäre nicht erfolgt, wenn die syrischen Behörden einen nachhaltigen Verdacht gegen den Kläger wegen der Beteiligung an regimefeindlichen Aktivitäten gehabt hätten. Der Kläger hat entgegen seinen früheren Schilderungen allerdings von einem zweimaligen Verhör auf ausdrückliches Befragen in der mündlichen Verhandlung nicht mehr gesprochen, sondern lediglich ein einmaliges Verhör vom 25.04.2000 erwähnt. Auch der Ablauf der Befragung, wie er vom Kläger dargestellt worden ist, stützt die Annahme, dass dem Kläger asylrechtlich relevante Maßnahmen seitens der syrischen Sicherheitsbehörden nicht gedroht haben. Nach den Schilderungen des Klägers bei der Anhörung vor dem Bundesamt und in der Klagebegründung soll man ihn zwar bedroht und beschimpft, aber nicht misshandelt haben. Erst auf die Verfügung des Gerichts nach § 87b VwGO hat er erstmals angegeben, auch "misshandelt" worden zu sein; in der mündlichen Verhandlung hat er behauptet, Ohrfeigen erhalten zu haben. Mit dieser Steigerung des Vortrags zu den Ereignissen um den wesentlichen Grund für die Ausreise sieht sich das Gericht ebenfalls in der Annahme unglaubhaften Vorbringens bestätigt. Im Übrigen würden einige Ohrfeigen, die in Syrien bei Verhören nicht unüblich sind, die Grenze zur asylrelevanten Beeinträchtigung der körperlichen Integrität nicht überschreiten und einen Grund für die Annahme einer politischen Verfolgung nicht darstellen. Welche Bedeutung der Behauptung des Klägers zukommt, über die mehr als 20-jährigen politischen Aktivitäten seines Vaters, der deshalb bereits einmal das Land verlassen hatte, nichts gewusst zu haben, obgleich der Kläger eingeräumt hat, an einer der Parteiveranstaltungen als Helfer teilgenommen zu haben, kann letztlich dahingestellt bleiben; der Kläger war jedenfalls nach seinen eigenen Angaben nicht selbst die Zielperson der polizeilichen Nachforschungen. Allerdings spricht auch insoweit vieles für unwahre Angaben. Für unwahr hält das Gericht jedenfalls die Darstellung, weshalb der Kläger nach dem polizeilichen Verhör Syrien verlassen hat. Während er in der Klagebegründung und in dem Schreiben seiner Anwältin auf die gerichtliche Verfügung nach § 87b VwGO angegeben hatte, nach dem Verhör zuerst nach Hause gegangen zu sein und dort einen Verwandten (Cousin) getroffen zu haben, der ihm zur Ausreise geraten habe, hat er auf ausdrückliches Befragen in der mündlichen Verhandlung diesen Ablauf anders dargestellt. Danach will der Kläger gleich zu einem Freund seines Vaters gegangen und mit diesem später ausgereist sein, ohne noch Kontakt zur Familie gehabt und zu Hause gewesen zu sein.
Aufgrund der von dem Kläger möglicherweise begangenen Wehrdienstentziehung droht ihm bei einer Rückkehr nach Syrien keine politische Verfolgung. Selbst wenn er deswegen bei einer Rückkehr nach Syrien bestraft werden würde, stellt dieses keine politische Verfolgung dar. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stellen Bestrafung wegen Kriegsdienstverweigerung, selbst wenn sie von weltanschaulich totalitären Staaten ausgehen, nicht schon für sich allein eine politische Verfolgung dar. In eine politische Verfolgung schlagen derartige Maßnahmen erst dann um, wenn sie zielgerichtet gegenüber bestimmten Personen eingesetzt werden, die durch die Maßnahmen gerade wegen ihrer Religion, ihrer politischen Überzeugung oder eines sonstigen asylerheblichen persönlichen Merkmals getroffen werden sollen (vgl. BVerwG, Beschl. vom 09.01.1989, EZAR 201, Nr. 18). Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die syrische Regierung das Wehrstrafrecht als Instrument des politischen Kampfes in der Auseinandersetzung mit tatsächlichen oder vermuteten Gegnern verwendet. So führt das Auswärtige Amt in seiner Auskunft vom 18.01.1993 an das VG Ansbach aus, dass keine Strafverschärfung, z. B. wegen der christlichen Glaubenszugehörigkeit, bei Deserteuren und Wehrdienstentziehern zu befürchten seien. Auch die sonstigen Gutachter, insbesondere das Deutsche Orient-Institut und amnesty international, haben keine derartigen Erkenntnisse geäußert. Vielmehr wird übereinstimmend ausgeführt, dass bei Verwirklichung des Tatbestandes der Wehrdienstentziehung mit einer Gefängnisstrafe zwischen einem und sechs Monaten und ergänzend mit einer Verlängerung des Wehrdienstes bis zu seiner Verdoppelung zu rechnen ist (z. B. AA vom 18.10.1996 an das VG Braunschweig; Deutsches Orient-Institut, Auskunft vom 14.04.1993 an das VG Schleswig und vom 29.02.1996 an das VG Stuttgart; Perthes, Auskunft vom 07.03.1993 an das VG Schleswig; amnesty international, Auskünfte vom 29.03.1990 an das VG Karlsruhe und vom 02.09.1993 an das VG Schleswig). Bereits aufgrund dieser Strafhöhe ist erkennbar, dass mit dieser Bestrafung keine politischen Ziele verfolgt werden. Im Übrigen ist auch zweifelhaft, ob hier überhaupt eine Bestrafung wegen Wehrdienstentziehung droht, weil diese Bestrafung regelmäßig voraussetzt, dass der Wehrpflichtige bereits eine Einberufung erhalten hat und dieser Einberufung nicht Folge geleistet hat. Es besteht somit allenfalls die Gefahr, bei einer Einreise nach Syrien wegen Wehrdienstentziehung sofort verhaftet zu werden und zur Ableistung des Wehrdienstes an die zuständige Einheit weitergeleitet zu werden, wo ggf. eine kurzfristige Bestrafung im o. g. Umfang droht. Diese Sanktionen haben jedoch keine asylrelevante Bedeutung.
Der Kläger ist auch nicht wegen seiner Eigenschaft als Kurde Verfolgungsmaßnahmen des syrischen Staates ausgesetzt. Nach der Auskunftslage ist davon auszugehen, dass die ethnische Minderheit der Kurden als solche in Syrien einer staatlichen Verfolgung nicht unterworfen ist. Fälle politischer Verfolgung allein wegen der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Kurden sind nicht bekannt. Die in den 60-iger Jahren von der damals regierenden syrischen Führung begonnene und von Präsident Assad bis 1976 zunächst noch fortgeführte Politik der "Arabisierung" der kurdischen Siedlungsgebiete Syriens ist noch im Jahre 1976 von der Assad-Regierung eingestellt worden (vgl. etwa die Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Berlin vom 10.01.1990). Zwar betont die Ideologie der Baath-Partei den arabischen Charakter Syriens. Seit Ende der 70-iger Jahre sind jedoch Bestrebungen zur Zwangsarabisierung ethnischer Minderheiten oder staatliche Repressionen gegen nichtarabische Minderheiten allein aufgrund ihrer Volkszugehörigkeit nicht mehr feststellbar (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 19.07.2000).
Anhaltspunkte für Nachfluchtgründe liegen ebenfalls nicht vor. Es gibt keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der unverfolgt ausgereisten Kläger bei seiner Rückkehr nach Syrien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer politischen Verfolgung droht. Die Tatsache, dass der Kläger in Deutschland um Asyl nachgesucht hat, ist kein Umstand, dessentwegen eine solche Befürchtung begründet wäre. Die Asylantragstellung als solche hat keine Maßnahmen syrischer Behörden zur Folge (vgl. den o.g. Lagebericht sowie das Urteil des Nds. OVG Lüneburg vom 04.08.1993, 2 L 5341/92; Beschl. vom 22.08.2000, 2 L 3024/00). Nichts anderes gilt auch für den mit der Dauer des Asylverfahrens zusammenhängenden Auslandsaufenthalt. Dieser wird von den syrischen Behörden ganz regelmäßig nicht zum Anlass für Verfolgungsmaßnahmen genommen (vgl. Nds. OVG Lüneburg ,aaO.; OVG Bremen, Urt. vom 13.04.2000, OVG 2 A 466/99.A; VGH Mannheim, Urt. vom 19.05.1998, A 2 S 28/98; OVG Saarlouis, Urt. vom 08.12.1998, 3 R 72/98). Es entspricht deshalb der ständigen Rechtsprechung der Kammer, dass weder allein der Auslandsaufenthalt noch die Asylantragstellung zu einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit für eine politische Verfolgung bei einer Rückkehr nach Syrien führen, sofern die Betroffenen - wie hier - sich nicht in herausgehobener Funktion politisch betätigt haben. Aus den Lageberichten des Auswärtigen Amtes (z. B. vom 19.07.2000) ergibt sich, dass die Einreise abgeschobener Antragsteller ohne Anhaltspunkte für eine aus der Sicht des syrischen Staates bedeutsamen politische Betätigung weitgehend unbehelligt verläuft und die Asylantragstellung als solche oder ein längerer Auslandsaufenthalt für sich in der Regel keine Anknüpfungspunkte für ein erhöhtes Interesse der Geheimdienste sind. Aus den der Kammer vorliegenden Auskünften von amnesty international (z.B. vom 20.06.1996 an das VG Koblenz) ergibt sich im Ergebnis nichts anderes. Darin wird insoweit übereinstimmend mit den Angaben des Auswärtigen Amtes ausgeführt, dass mit zielgerichteter politischer Verfolgung in der Regel dann gerechnet werden muss, wenn sich jemand aktiv politisch und in herausgehobener Funktion oppositionell oder anderweitig regimekritisch verhält. Es wird zwar auch ausgeführt, dass syrische Asylantragsteller bei der Abschiebung gefährdet seien, von staatlichen Stellen verfolgt zu werden, da sie einem eingehenden Verhör durch die Einwanderungs- und Sicherheitsbehörden unterzogen werden. Außerdem wird aber dargelegt, dass die abgeschobenen Asylantragsteller dann in ein Haft- und Verhörzentrum in Damaskus gebracht werden, wo sie gefährdet sind, gefoltert zu werden, wenn sich bei der Überprüfung der Verdacht auf eine regimekritische Haltung oder frühere oppositionelle Betätigung ergibt. Bei der Befragung am Flughafen sei es hingegen lediglich nicht ausgeschlossen, dass es zu Misshandlungen durch Schläge oder zu anderen Maßnahmen komme. Auch aus dieser Stellungnahme kann daher nicht die erforderliche beachtliche Wahrscheinlichkeit für eine politisch motivierte Verfolgung bei einer Rückkehr nach Syrien für diejenigen entnommen werden, die sich - wie der Kläger - nicht politisch betätigt haben und die daher auch nicht in den Verdacht einer regimekritischen Haltung kommen können. Übereinstimmend hiermit gibt das Deutsche Orient Institut (z. B. Auskunft an das VG Ansbach vom 08.05.1995) an, dass auch staatenlose Kurden aus Syrien allein wegen ihrer Asylantragstellung keine Bestrafung zu erwarten haben, da die staatlichen Organe Syriens die Bedeutung eines Asylverfahrens durchaus realistisch einschätzen können und das Asylverfahren in den Augen der syrischen Staatsorgane für nicht bereits in ihrem Heimatland politisch Verfolgte dieselbe Bedeutung hat wie in den Augen der Asylbewerber, die einer Formalie.
Da das Bundesamt den Kläger zu Recht nicht als Asylberechtigten anerkannt hat und er keine Aufenthaltsgenehmigung besitzt, hatte die Behörde ihn gemäß den §§ 34 f. AsylVfG zur Ausreise aufzufordern und die Abschiebung anzudrohen.
Die Klage ist deshalb mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b Abs. 1 AsylVfG abzuweisen. Die Nebenentscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.